Ausgerechnet im Urlaub begannen die Symptome eines 9-jährigen Jungen, der eines Morgens extrem erschöpft aufwachte und an diesem Tag drei Panikattacken erlitt. In den folgenden zwei Tagen entwickelte er Bewegungsstörungen und emotionale Probleme bis hin zu zwanghaften Kontaminationsängsten. Der Junge machte unsinnige Äußerungen und zeigte übermäßig starke Trennungsangst. In der Notaufnahme einer Klinik wurde er auf eine Gruppe-A-Streptokokken-Infektion getestet. Obwohl seine Schwester Halsschmerzen hatte und einen positiven Befund zeigte, war der Befund des Jungen negativ. Sein Blutbild war bis auf eine dezent erhöhte Leukozytenzahl unauffällig. Die Ärzte glaubten an einen Hirntumor und wiesen die Familie an, so schnell wie möglich nach Hause zurückzureisen, um einen Neurologen aufzusuchen. Etwa sechs Tage nach dem ersten Auftreten remittierten jedoch alle Symptome. Nach zwei weiteren Tagen begann der kleine Patient dann erneut erhöhten Appetit und massives Schlafbedürfnis zu zeigen, außerdem fanden sich kognitive Anomalien, bis hin zum Nicht-Erkennen seines eigenen Vaters. Parallel nahm die Zwangssymptomatik wieder zu. Der Junge litt unter anhaltenden Kontaminationsängsten und aggressiven Zwangsvorstellungen mit aufdringlichen Gedanken wie auch Sorgen über „schlimme Dinge“, die seiner Familie zustoßen würden. In den kommenden Tagen folgten erhöhte Erregung und Reizbarkeit, asoziales Verhalten und es traten motorische Tics auf (z. B. unwillkürliche Mundbewegungen), Räuspertics und unkontrollierbares Singen. Er schlief durchschnittlich18 bis 20 Stunden pro Tag und einmal sogar 72 Stunden ununterbrochen. Der Neunjährige zog sich zurück und sprach schließlich nicht einmal mehr mit seiner Familie. Er nahm an Gewicht zu, weil er ständig aß und dann vergaß, dass er bereits gegessen hatte. Andererseits weigerte er sich aber, ausreichend zu trinken. Außerdem fanden sich neurologische Auffälligkeiten mit Dysgrafie und Dyskalkulie. Immer wieder traten auch hoffnungsvolle symptomfreie Intervalle von bis zu zwei Wochen auf, in denen der Patient gesprächig, sozial und fast ohne zwanghaftes Verhalten war. Zu anderen Zeiten zeigte er Wahnvorstellungen, er bezeichnete seine Ärzte als „Mörder“ und dachte, sie beobachteten ihn durch Kameras.
MRT und EEG waren unauffällig. Das Blutbild zeigte eine Erhöhung der Leukozytenzahl (11,3 × 103/μl) mit absoluter Neutrophilie (7,2 × 103/μl) und Monophilie (1,1 × 103/μl). Die Titer von Anti-DNase B und Anti-Streptolysin O (ASO) waren als Zeichen einer Streptokokken-Infektion mit 672 U/ml bzw. 322 U/ml erhöht. Dazu kamen IgM- und IgG-Antikörper gegen Mycoplasma Pneumoniae mit hohen Werten von 797 bzw. 1.666 U/l, die für eine mindestens drei Wochen zurückliegende Infektion sprachen.
Unter der antibiotischen Behandlung mit Azithromycin sowie zwei intravenösen Immunglobulingaben verlängerten sich seine asymptomatischen Intervalle und die Schwere seiner aktiven Episoden schwächte sich ab. Bei einer Untersuchung nach 12 Wochen hatten sich Stimmung, Zwangsstörungen und Tics stark gebessert und auch die Laborbefunde waren zum Teil rückläufig (ASO 395 U/ml, Anti-DNase B 458 U/ml. M. pneumoniae IgM nicht nachweisbar, IgG 1008 U/l).
Einordnung
Die Preisfrage lautet: Was hat dieser Patient, dessen Geschichte 2015 in einem Fachblatt für Psychopharmakologie publiziert wurde [1]? Beschrieben wird hier der typische Verlauf einer PANDAS-Erkrankung. „Pandas“ hört sich nett nach den chinesischen Bären an, hinter dem Begriff verbirgt sich aber eine neuropsychiatrische Erkrankung, die fast ausschließlich Kinder betrifft. PANDAS (Pediatric Autoimmune Neuropsychiatric Disorders Associated with Streptococcal Infections) fallen unter den Oberbegriff des PANS (Pediatric Acute-onset Neuropsychiatric Syndrome), welches durch unterschiedliche Keime (darunter auch M. pneumoniae) sowie Stoffwechselstörungen oder Umgebungsfaktoren verursacht werden kann (Abb. 1). Im Falle der PANDAS handelt es sich um eine Infektion mit ß-hämolysierendem Streptococcus pyogenes der Gruppe A (GAS). Infolge der Infektion setzen schlagartig neurologische Symptome ein, die ohne Behandlung einen chronischen Verlauf nehmen können. PANDAS und PANS gehören damit zu den typischen Erkrankungen aus dem Kreis der Somatopsychologie, also psychische Störungen, die als Folge organischer Erkrankungen auftreten [2].