Eine komplexe Technologie erlangt Routinereife

Kompakte Durchflusszytometer

In letzter Zeit kommen zunehmend kompakte und relativ einfach zu bedienende Durchfluss­zytometer auf den Markt, die dieser faszinierenden Technologie einen breiten Anwenderkreis in der medizinischen Diagnostik und vielen weiteren Bereichen erschließen sollen.

Historie

1968: Dr. Wolfgang Göhde entwickelt an der Universität Münster das erste Durchflusszytometer. Es wird unter dem Namen ICP 11 von Partec hergestellt.
1974: Becton Dickinson (BD) bringt den ersten fluoreszenzbasierten Cell-Sorter unter dem Namen FACS auf den Markt.
1977: Coulter Electronics führt das Durchflusszytometer EPICS ein.
2013: Sysmex kauft Partec.

In ihrer fast 50-jährigen Geschichte hat sich die Durchflusszytometrie den Status einer Basistechnologie erarbeitet – nicht nur in der hämatologischen Diagnostik, sondern in praktisch allen Bereichen, bei denen es um die Analyse von Partikeln in Suspension geht. Dazu gehören auch die Zellen des Blutes einschließlich der Thrombozyten und extrazellulären Vesikel (siehe Titelgeschichte). Dank der über Jahrzehnte gereiften Kombination unterschiedlichster physikalischer und chemischer Komponenten (Lichtquellen und Detektoren auf der einen, Farbstoffe und Antikörper auf der anderen Seite) nahm die Zahl der Informationen über diese Partikel dramatisch zu, sodass es die Durchflusszytometrie in punkto Komplexität heute mit anderen hochparallelen Verfahren wie etwa der Massenspektrometrie aufnehmen kann.

Eine neue Gerätegeneration
Noch vor zehn Jahren war diese Technik vor allem etwas für Freaks und Tüftler, doch in letzter Zeit sind die Grenzen zwischen dem Einsatz in Forschung und Routine fließend geworden. Deshalb widmen wir die nächsten Seiten dieser Ausgabe einer neuen Generation kompakter Geräte, die vor allem Wert auf Robustheit, geringen Platzbedarf und einfache Bedienung legen.
Wie die Bilder und tabellarischen Daten auf S. 246 zeigen, handelt es sich durchwegs um Tischgeräte mit Abmessungen im Dezimeterbereich. Insbesondere hat jedes der drei Unternehmen ein besonders kleines Gerät mit einem Gewicht unter 25 kg im Programm (siehe Abbildung). Typische Einsatzgebiete in der Routinediagnostik sind die Bestimmung des Immunstatus bei HIV-Patienten, die Leuk­ämiediagnostik oder die Qualitätskontrolle von Blut- und Stammzellprodukten.
Neben den in der Abbildung gezeigten Geräten präsentiert jedes Unternehmen in der Tabelle auch ein größeres System (Gewichte 40–145 kg) mit zum Teil deutlich größerem Methodenspektrum. Auch nicht-medizinische Anwendungen in der Landwirtschaft und Industrie werden unterstützt (vgl. Zeile Besondere Einsatzbereiche in der Tabelle auf S. 246–247). Sysmex bietet ausschließlich Geräte für die Forschung an.
Die CE/IVD-zertifizierten Kits der Hersteller (Tabelle links) beinhalten alle benötigten Reagenzien von der Lyse über fluoreszierende monoklonale Antikörper bis zu Antigen-gekoppelten Beads für die Kalibration der Quantifizierung.
Die hier vorgestellten Durchflusszytometer sind mit ein bis vier Lichtquellen ausgestattet. Sysmex bietet neben Lasern auch UV-LEDs an. Als Detektoren dienen Photomultiplier oder Photodioden, je nachdem ob Fluoreszenz- oder Streulicht gemessen wird. 

Probenzufuhr
Fünf der sechs Geräte können sowohl 96er-Mikrotiterplatten (MTP) als auch Probenröhrchen mit unterschiedlichen Volumina verarbeiten. Der BD FACSCanto akzeptiert auch 384er-MTP, der Aquios CL verarbeitet – passend zum Vollautomationskonzept – Probenröhrchen im Random Access Mode mit kontinuierlicher Beladung und Cap-Piercing. CytoFLEX und CytoFLEX S von Beckman sowie die beiden Geräte von BD sind auch mit einem Tube­loader erhältlich; die Forschungs­geräte von Sysmex werden manuell mit Röhrchen oder per Autoloader mit Röhrchen bzw. Mikrotiterplatten bestückt.

Informationstechnologie
Die zweite entscheidende Automations­komponente neben der Probenzufuhr ist die Informationsverarbeitung. Alle Systeme setzen Windows 7 professional als Betriebssystem ein und verfügen über einen integrierten oder separaten Flachbildschirm. Beckman Coulter und BD bieten den Aquios CL bzw. BD FACSVia und FACSCanto mit der von vielen Anwendern seit Langem gewünschten bi­direktionalen LIS-Anbindung an.
Bei der Anwendungssoftware fällt vor allem die grafisch-visuelle Prozessdarstellung positiv auf, die nun von allen Herstellern geboten wird. Die Klassifikation häufiger Zelltypen erfolgt bei klinischen Anwendungen in der Regel automatisiert; in wissenschaftlichen Geräten wird die individuelle, flexible Klassifikation durch unterschiedliche Gating-, Grafik- und Statistikfunktionen unterstützt.

Eine neue Dimension
Passend zu unserer Titelgeschichte haben wir erstmals auch die Detektionsgrenze für Mikro- und Nanopartikel abgefragt. Beckman gibt für sein Forschungsgerät einen Grenzwert von < 200 nm an, Sysmex erreicht sogar 100 nm. Damit lässt sich zumindest theoretisch ein Teil der extrazellulären Vesikel im Blut erfassen, wobei neben der Größe auch andere Eigenschaften wie etwa der Brechungsindex eine Rolle spielen.
Es besteht aber Einigkeit darüber, dass es sich hier noch um Forschungsanwendungen handelt, die große Erfahrung sowohl mit der Messtechnik als auch in der dahinterstehenden (Patho-)Physiologie erfordern.    

 

 


Dr. Gabriele Egert
Mitglied der Redaktion