Abgesicherte Gratwanderung

Pro & Kontra DOAK

Direkte Hemmstoffe der Gerinnungsfaktoren FIIa und FXa haben die orale Thromboseprophylaxe erheblich vereinfacht. Aber rechtfertigt das auch die deutlich höheren Preise?

Ab 2010 kamen die ersten direkt wirkenden, oralen Anti­koagulanzien (abgekürzt DOAK) auf den deutschen Markt, die gezielt die Faktoren FIIa bzw. FXa auf der Endstrecke der plasmatischen Gerinnung hemmen (siehe Kasten rechts). Dank ihrer größeren therapeutischen Breite sind diese Medikamente im Vergleich zu den indirekt und zeitverzögert wirkenden Vitamin-K-Antagonisten (VKA) besser handzuhaben, sodass insbesondere das häufige Monitoring des INR-Wertes (International Normalized Ratio) entfällt.

Nützliches Monitoring
Diese regelmäßigen Kontrollen – verbunden mit jahrzehntelanger klinischer Erfahrung – gelten in den Augen vieler VKA-Befürworter als starkes Argument für die Beibehaltung bisheriger Therapiekonzepte: Antikoagulation bedeutet ja unabhängig vom Wirkprinzip stets eine Gratwanderung, und deshalb ist der Arzt, der seine Patienten regelmäßig sieht, die beste „Sicherung“ auf dem schmalen Pfad zwischen Thrombose und Blutung. Bei stabiler INR-Einstellung ist die VKA-Antikoagulation effizient und das Blutungsrisiko verhältnismäßig gering. Aus Umfragen wissen wir allerdings auch, dass rund ein Drittel der Hausärzte häufige Kontrollen und Dosisanpassungen, zum Beispiel bei Reisen oder vor Operationen als lästig empfindet. Jeder fünfte Arzt klagt über Blutungskomplikationen und schlechte Compliance bei seinen VKA-Patienten.
Hier versprechen die DOAKs Abhilfe, denn ihre Dosierung ist unkompliziert: Es werden ein oder zwei Tabletten bzw. Kapseln verordnet. Nur bei ausgewählten Patientenkollektiven ist eine individuelle Dosisanpassung erforderlich. Vor Operationen und anderen kritischen Interventio­nen wird die Therapie 24 bis 48 Stunden (selten länger) ausgesetzt und nach dem Eingriff möglichst rasch fortgeführt. Etwa drei Stunden später liegt der volle Schutz wieder vor. Ein Bridging mit Heparin ist nicht nötig.

Kostenabwägung sinnvoll
Der Mehrpreis für diese Vorteile ist erheblich: Eine durchschnittliche DOAK-Tagesdosis kostet derzeit über drei Euro – also zwanzigmal mehr als VKA. Würden alle Patienten auf die neuen Medikamente umgestellt, so entstünden allein in Bayern Mehrkosten von 150 Millionen Euro pro Jahr (KVB-Forum 06/2013, S. 20–23) – ein weiteres gewichtiges Argument, das für die VKA-Therapie spricht.
Dieser Betrag relativiert sich allerdings, wenn man die Ausgaben für die Kontrollen gegenrechnet; nach EBM-Ziffer 32026 werden für die INR-Bestimmung in der Arztpraxis 4,70 Euro, nach GOÄ-Ziffer 3530 bei 1,15-fachem Satz sogar 8,05 Euro abgerechnet. Die reinen Teststreifenpreise liegen mit rund vier Euro etwas höher als diejenigen für eine DOAK-Tagesdosis. Dazu kommen Gerätekosten und zusätzliche Arzthonorare für Dosisanpassungen.

Compliance und Komplikationen
Noch nicht abschließend vergleichbar sind die Mehrkosten, die durch unzureichende Compliance einerseits und schwere Blutungskomplikationen andererseits entstehen. Fest steht, dass etwa die Hälfte der VKA-Patienten die Therapie in den ersten drei Jahren abbricht, rund ein Drittel mit der INR nicht im therapeutischen Bereich liegt und mehr als 10% in den ersten 30 Tagen der Einstellung eine schwere Blutung mit erschreckend hoher Letalität (vor allem bei dementen und niereninsuffizienten Personen) erleiden. Für DOAKs liegen noch keine Ergebnisse zur langfristigen Compliance vor, aber es ist bereits gesichert, dass die Blutungskomplikationen um etwa Faktor zwei niedriger liegen und seltener lebensbedrohlich verlaufen.
Studien aus den USA belegen für schwere Blutungen Mehrkosten von rund 10.000 $ pro Fall; auch wenn für Deutschland keine entsprechenden Zahlen existieren, kann man davon ausgehen, dass die neuen Medikamente allein durch die verringerten Komplikationsraten einen Großteil ihres höheren Preises einzusparen helfen.   

Dieser Beitrag entstand auf Basis einer publizierten Pro-und-Contra-Diskussion (www.haemostasikum.de/labor-im-dialog).


Priv.-Doz. Dr. med. Christian Schambeck
Hämostasikum München
Priv.-Doz. Dr. med. Jan Beyer-Westendorf
Universitätsklinikum Dresden

 


Unter der Dusche

 


Medikamente und ihre Wirkungsmechanismen