Eine interdisziplinäre Herausforderung

Der diabetische Fuß

Diabetiker haben ein stark erhöhtes Amputationsrisiko, das durch eine effiziente initiale Diagnostik und Therapie sowie multiprofessionelle Betreuung gesenkt werden kann.

Das diabetische Fußsyndrom (DFS) ist das komplexeste Diabetes-assoziierte Krankheitsbild. Es führt häufig zu chronischen Wunden und in der Folge zu Minor- und auch zu Major-Amputationen. Die jährliche Neuerkrankungsrate in Deutschland wird auf 250.000 (15% aller Diabetiker), die Zahl der Diabetes-bedingten Amputationen auf 60.000 pro Jahr geschätzt.
Federführend unter den vielfältigen Auslösern sind die diabetischen Begleitkomplikationen Polyneuropathie und Arterio­sklerose, aber allein schon die hohen Blutzuckerkonzentrationen beeinträchtigen die Wundheilung – nicht zuletzt über eine erhöhte Infektionsrate. Die Neuropathie führt zudem über eine verminderteSchweißsekretion zu trockener und rissiger Haut an den Füßen – mit Abschwächung der Schutzfunktion und höherem Verletzungsrisiko.
Das typische diabetische Ulkus findet sich an prädisponierten Stellen mit ausgeprägter Druckbelastung – zum Beispiel unter den Ballen der großen Zehen. Die Wunde selbst ist meist schmerzlos und wird daher oft erst verzögert bemerkt. In vielen Fällen liegt dann bereits eine Begleitinfektion vor.

Diagnostik und Therapie
Im Rahmen der Behandlung muss vor allem der auf den Fuß und die Wunde wirkende Druck durch Hilfsmittel wie Unterarmgehstützen, Orthesen oder einen Rollstuhl reduziert werden. Abhängig vom Ausmaß der Wunde, der Gefäßsituation und einer möglichen Infektion kann auch eine stationäre Immobilisierung notwendig sein. Sofern eine eingeschränkte Durchblutung vorliegt, muss diese zum Beispiel durch DSA oder Angio-MRT evaluiert und durch Ballon-Katheterisierung (PTA) oder gefäßchirurgischen Bypass wiederhergestellt werden. Weitere Behandlungsprinzipien sind die Stoffwechseloptimierung und bei klinisch relevanter Infektion eine frühzeitige und gezielte Antibiose. Ist ein Diabetisches Fußsyndrom erst einmal aufgetreten, so muss es stadien­gerecht behandelt werden; insbesondere sind alle  Nekrosen und Taschen, die eine suffiziente Wundheilung stören, zu entfernen.
Eigene Arbeiten zeigten in diabetischen Wunden eine Überexpression von Metallo-Matrixproteasen (MMP), die die Wundheilung verzögern und die Chronifizierung fördern. Aktuell arbeiten wir an Verfahren, um die Balance zwischen MMP und ihren Inhibitoren (TIMP)  wieder herzustellen.

Multidisziplinäre Teambetreuung
Angesichts der komplexen Umstände und Bedürfnisse des diabetischen Fußsyndroms erfolgt die Langzeitbetreuung in multidisziplinären und multiprofessionellen Teams. Wichtig ist die sektoren- und fachübergreifende ärztliche Kooperation ebenso wie die Integration der nicht-ärztlichen Assistenzberufe (DiabetesberaterInnen, PodologInnen, orthopädische Schuhmachermeister). Bei der Primär- und Sekundärprophylaxe stehen an erster Stelle die Patientenschulung hinsichtlich des  Zusammenhangs von Diabetes und Fußgesundheit sowie die Eigenvorsorge mit täglicher Inspektion der Füße (selbst oder durch Dritte). Bei höhergradigen Läsionen, Kombination von schwerer Neuropathie und Verschlusskrankheit sowie nach Amputationen sind spezielle Diabetes-Schutzschuhe und -Einlagen, gegebenenfalls orthopädische Zurichtungen und Maßschuhe notwendig.

Arbeitsgemeinschaft der DDG
Das 2003 etablierte Zertifizierungsverfahren zur Fußbehandlungseinrichtung (Arbeitsgemeinschaft Diabetischer Fuß der Deutschen Diabetesgesellschaft DDG, www.ag-fuss-ddg.de) formuliert die Organisationsstrukturen und Kooperationen zwischen ärztlichen und nichtärztlichen Akteuren in der ambulanten und stationären Behandlung von DFS-Patienten. Erfolge wurden im Zeitraum von 2005 bis 2012 dokumentiert[1]: Bei der Nachuntersuchung von 18.532 Patienten lag die Abheilungsrate nach sechs Monaten bei 55%. Entscheidend aber sind die Amputationsraten: Während das Amputationsrisiko in der Allgemeinversorgung mit 10 bis 20% angegeben wird, war in den zertifizierten Einrichtungen nur bei 3,1% eine Majoramputation notwendig.


Prof. Dr. med. Ralf Lobmann

Sprecher der AG Fuß der DDG

Klinikum Stuttgart – Bad Cannstatt