Eine Quelle multiresistenter Keime

Mikrobiologische Diagnostik chronischer Wunden

Patienten mit chronischen Wunden stellen ein großes Hygiene­risiko dar. Deshalb ist eine Stufendiagnostik und Resistenzbestimmung ebenso erforderlich wie der Einsatz antimikrobieller Therapeutika mit breitem Wirkungsspektrum.

Obwohl die Ursachen chronischer Wun­den zumeist nichtinfektiöser Natur sind, gelingt es praktisch immer, daraus Mikroorganismen nachzuweisen. Häufig handelt es sich dabei – trotz hoher Keimzahlen – um eine Kolonisation mit Erregern geringer Pathogenität.
Am häufigsten wird Staphylococcus aureus gefunden, doch infolge der gestörten Barrierefunktion ist das Erregerspektrum insgesamt recht breit (Tab. 1). Die Besiedelung kann jederzeit in eine Infektion übergehen und so eine Abheilung verhindern oder die Wund­situation sogar verschlechtern.
Die Keime auf chronischen Wunden entstammen zumeist endogenen Quellen wie zum Beispiel der Haut- oder der Darmflora (Tabelle unten) und sind auch in großen Mengen als apathogen einzustufen. Bei fakultativ pathogenen Mikroorganismen (S. aureus, Enterobacteriaceae, Enterokokken, Nonfermenter, Bacteroides spp., Gruppe B-Streptokokken, Candida albicans) entscheidet die Keimzahl, ob eine Infektion vorliegt. Streptokokken der Sero-Gruppen A, C und G, Mycobacterium tuberculosis sowie Actinomyces spp. gelten dagegen unabhängig von der Keimzahl als pathogen. Gruppe A-Streptokokken weisen zwar keine Multiresistenz auf, doch besteht bei einer Wundinfektion die Gefahr einer sich rasch ausbreitenden, nekrotisierenden Gewebeinfektion (Fasziitis).
Darüber hinaus sind Patienten mit chronischen Wunden in besonderem Maße gefährdet, mit multiresistenten Erregern kontaminiert, kolonisiert und vereinzelt auch infiziert zu werden. Die Keime entstammen dann primär exogenen Quellen und stellen ein großes Hygienerisiko dar. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang vor allem MRSA, 3MRGN und 4MRGN (Resistenz gegen 3 bzw. 4 wichtige Substanzgruppen) und Vancomycin-resistente E. faecium (VRE).

Mikrobiologische Diagnostik
Da chronischen Wunden mittlerweile auch eine bedeutende Rolle als Quelle multiresistenter Keime zukommt, ist es wichtig, neben der Erregerart auch deren Keimzahl und das Resistenzmuster zu kennen. In einzelnen Fällen kann die molekularbiologische Diagnostik zu schnelleren Ergebnissen verhelfen. In den meisten Fällen führt jedoch die in der Abbildung dargestellte Stufendiagnostik zum Ziel.
Der Probengewinnung kommt für die mikrobiologische Diagnostik ganz besondere Bedeutung zu. Von „repräsentativen“ Arealen (Wundränder, Wundgrund) wird reichlich Wundsekret aufgenommen. Zur Verwendung kommen dabei Dacrontupfer mit Transportmedium für die semiquantitative Beurteilung oder geflockte Tupfer – teuer, aber optimal für die qualitative und  quantitative Erregerdiagnostik. Biopsien zur Keimbestimmung sollten entweder in Kochsalzlösung oder in Gel transportiert und dann zermörsert werden. Für die his­tologische Diagnostik erfolgt eine Einbettung in Formalin.
Nach den Empfehlungen der Fachgesellschaften gelten aerob bebrütete Festmedien als Standardansatz. Daraus lassen sich bereits die Mehrzahl der Keime und ihre Menge semiquantitativ bestimmen. Flüssigmedien und weitere anaerobe Kulturen bzw. Pilznährmedien dienen ergänzend der Anreicherung geringer Keimzahlen und der Erfassung anspruchsvoller Erreger. Sie können bei Bedarf durch Kulturen zum gezielten Nachweis hygienerelevanter Keime ergänzt werden.
Zur Resistenzbestimmung für die fakultativ und obligat pathogenen Erreger eignen sich alle gängigen Verfahren wie der Plättchendiffusionstest sowie automatisierte Empfindlichkeitsbestimmungen in kommerziellen Anlagen.

Antibiotische Therapie
Bei tiefen Wundinfektionen, wie sie bei Patienten mit arterieller Verschlusskrankheit oder diabetischem Fußsyndrom vorkommen können, ist eine systemische Antibiotikatherapie unvermeidlich. Die empirische Auswahl der Antibiotika richtet sich nach dem Schweregrad der Infektion. Gemäß Leitlinie der IDSA zum Diabetischen Fußsyndrom (Lipsky et al. CID 2012, 54, e133) reicht die Therapieempfehlung von oraler Flucloxacillingabe bei leichten Infektionen bis zur parenteralen Gabe von Imipenem bei schweren Infektionen mit systemischen Infektzeichen


Weitere Maßnahmen
Das Ziel einer regelmäßigen Wundreinigung bzw. Debridement ist, die Wunde von Belägen, Krusten und nekrotischem Gewebe zu befreien, um den Erregern den Nährboden zu entziehen und dadurch das Abheilen der Wunde erst zu ermöglichen. Die Wundverhältnisse sind entscheidend für das Verfahren, das zur Anwendung kommt. Grundsätzlich wird zwischen mechanischen, chirurgischen, enzymatischen, biologischen (Biochirurgie mit Maden der Fliegenart Lucilla sericata) und osmotischen Verfahren (mit konzentrierter Saccharoselösung) unterschieden. Vom RKI empfohlen ist die Wundspülung mit steriler Kochsalzlösung, während das chirurgische Debridement als Mittel der Wahl für die Entfernung von Fremdkörpern gilt. Nahezu schmerzfrei und selektiv ist der Einsatz von Enzymen.
Nach der Wundreinigung folgt als weiteres Grundprinzip der modernen Wundbehandlung der Verband. Dabei nimmt die Art der Wundauflage entscheidenden Einfluss auf das Mikromilieu der Wundfläche. Allgemein gilt das Prinzip, trockene Wunden trocken, und feuchte Wunden feucht zu behandeln. Mullkompressen kommen kaum noch zum Einsatz, weil sie dazu neigen mit der Wunde zu verkleben. Zur Behandlung stark sezernierender und infizierter Wunden eignen sich Alginatkompressen und Nasstherapeutika (Polyacrylat-Kissen) besonders gut; zur Behandlung trockener, nicht infizierter Wunden sind die Hydrogele aus Carboxymethylcellulose Mittel der Wahl, während Hydrokolloide aus einem Polyurethanfilm mit Carboxymethylcellulose auch für feuchte, nicht infizierte Wunden geeignet sind.
Infizierte Wunden erfordern den Einsatz von Antiseptika mit breitem Wirkspektrum auf Bakterien, Pilze und zumindest umhüllte Viren. BVP-Jod (Betaisodona), Polyhexanid in 0,2% Ringerlösung und Octenidin (Octenisept) zeichnen sich durch eine schnell einsetzende Wirkung und hohe Gewebeverträglichkeit aus. Im Gegensatz zu manchen historischen Wundtherapeutika wie Chlorhexidin oder Wasserstoffperoxid wirken sie tatsächlich mikrobiozid.  


Dr. Dr. Anton Hartinger

Mitglied des Fachbeirats