Evolutionäre Entwicklungen

Automationssysteme für die Immunhämatologie

Die Immunhämatologie befindet sich in einer Phase rascher Entwicklung –  sowohl bei der Automatisierung serologischer Verfahren, als auch bei der Einführung der molekularbiologischen Blutgruppentypisierung. Survival of the fittest heißt das Darwin‘sche Motto.

 

Tabelle: Blutgruppensysteme ISBT 001 bis 029

Tabelle: Automation in der Immunhämatologie (2/2015)

 

Mehr als 200 antigene Merkmale der Blutzellen (siehe Tabelle) können die Auswahl des richtigen Blutprodukts extrem schwer machen, insbesondere wenn Empfänger mit seltenen Konstellationen nach Transfusionen Antikörper gegen ein hoch prävalentes Antigen gebildet haben. Dann findet sich in einem nicht speziell vorbereiteten Blutdepot kein einziges passendes Präparat. Was mag sich die Evolution dabei „gedacht“ haben, als sie diese Vielfalt an Antigenen hervorbrachte?
Offenbar haben die Proteine, Kohlen­hydrate und Lipide, die hinter diesen Merkmalen stehen, einen Nutzen. Blutgruppe Null ist zum Beispiel womöglich deshalb am häufigsten, weil eine Deletion in dem für Blutgruppe A zuständigen Transferase-A-Gen vor rund fünf Millionen Jahren Überlebensvorteile bei Malariainfektionen einbrachte. Noch besser geschützt sind Duffy-negative Personen; ihnen fehlt das DARC-Protein, an das einerseits Chemokine des Körpers, andererseits aber auch Plasmodien andocken können.

Der perfekte „Match“
Die genetische Vielfalt führt dazu, dass auch die Bestimmungsmethoden und Analysengeräte für die Immunhämatologie eine stetige Evolution durchmachen. Auf der einen Seite schreitet die Automation der serologischen Blutgruppenbestimmung, Kreuzprobe, Antikörpersuche und Antikörperdifferenzierung weiter voran, andererseits gewinnen neue molekularbio­logische Verfahren an Bedeutung, wenn es etwa darum geht, geeignete Spender für Patienten mit seltenen Merkmalen zu finden. Deshalb ist unsere Produktübersicht zum Thema Immunhämatologie diesmal zweigeteilt: Auf der nächsten Doppelseite stellen wir PCR-basierte Verfahren vor, und in der Tabelle auf  S. 92–93 vergleichen wir sechs Vollautomaten für die immunhämatologische Diagnostik.
Das Darwin‘sche Motto Survival of the fittest bezieht sich vorerst allerdings eher auf die Gewinnung von Marktanteilen innerhalb des jeweiligen Segments als auf den Wettstreit zwischen den beiden Technologien. Diese ergänzen sich bei der Suche nach dem perfect match zwischen Empfänger und Spender ohne nennenswerte gegenseitige Konkurrenz: Während Vollautomaten für die Serologie den Routine­bereich abdecken, kommen molekulare Verfahren eher bei Spezialfragen zum Einsatz – zum Beispiel wenn für seltene Merkmale mit bekanntem Erbgang wie etwa Lu(b-), Yt(a-) oder Kp(b-) keine hochwertigen Antiseren zur Verfügung stehen oder wenn die Serologie nicht eindeutig interpretiert werden kann. Zu nennen sind hier vor allem auch abgeschwächte Reaktionen aufgrund von Polymorphismen im Rhesus-System. So berichteten Davison et al (Bristol, UK) auf der ISBT 2015 über einen Methodenvergleich bei 95 Personen mit weak Rh-D: Zwei serologische Verfahren konnten nur 6% bzw. 35% korrekt klassifizieren; die Trefferrate des auf der nächsten Seite vorgestellten RBC-FluoGene-Verfahrens von inno-train lag dagegen bei 94%.
Gute Ergebnisse bei Polymorphismen erzielt auch das MassARRAY-System von Agena. Der Nachweis der PCR-Amplifikate erfolgt hier mit einem Massenspektrometer, sodass sich der Einsatz vor allem bei großen Serien lohnt (relativ hohe Anschaffungs- aber geringe Verbrauchs­kosten). Die BioArray-Technik von Immucor (s. u.) weist die PCR-Amplifikate dagegen in einer einfach durchzuführenden Hybridisierungsreaktion auf Beads nach; das Verfahren ist störunanfällig gegen Immunglobulin­beschichtung der Erythrozyten und wird auch durch kürzlich erfolgte Transfusionen nicht beeinflusst.

Tabellarischer Systemvergleich

An der Übersicht auf der nächsten Doppelseite beteiligten sich vier führende Unternehmen mit sechs unterschiedlichen Geräten. Alle vorgestellten Testverfahren beruhen auf der Agglutinationsreaktion, die bei Bio-Rad auf einer Gelkarte, bei Ortho in einer Kassette und bei Immucor auf Mikrotiterplatten (MTP) oder -streifen (MTS) stattfindet. MAST bietet sowohl Karten als auch MTP an.
Die Trägermedien werden mit nahezu allen aktuell erhältlichen Antigenen bzw. Antikörpern beladen. Bio-Rad und Immucor bieten dafür ein sehr umfangreiches Portfolio im geschlossenen System an, während Ortho und MAST neben ihren konfektionierten Formaten auch Kanäle für anwenderdefinierte Tests bereitstellen.
Standard auf allen Geräten sind AB0- und Rhesus-Typisierung sowie die Kreuzprobe. Für „weitere Antigen-Systeme“ gehen die Abkürzungen der Blutgruppensysteme und Genloci aus der Tabelle auf S. 88 hervor. Alle Firmen bieten eine Antikörpersuche an. Die Differenzierung wird mit 11 (Ortho), 11 plus weiteren 6 (Bio-Rad), 3 x 14 (Immucor) bzw. 16 Suchzellen (MAST) durchgeführt.
Neben der Analytik sind Verwechslungssicherheit und Geschwindigkeit entscheidende Kaufkriterien. Barcode-Lesung für Patienten- und Reagenzinformationen sowie bidirektionale LIS-Anbindung gehören mittlerweile zum Standard. Alle Geräte zeichnen sich ferner durch kurze Aufrüstzeiten aus, liefern das erste Ergebnis nach 7 bis 15 Minuten und besitzen eine spezielle Zufuhrmöglichkeit von Notfallproben.
Der Probendurchsatz pro Stunde variiert je nach Kundenanforderung deutlich, sodass für Laboratorien jeder Größe das passende Gerät dabei sein sollte. Wer über Darwins survival of the fittest spricht, sollte immer bedenken, dass „fit“ im Englischen passen heißt – und das bezieht sich neben den Leistungsdaten auch auf die Höhe der Investition und die damit gewonnenen Ressourcen.   

 


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