Hereditäre Tumoren

von Georg Hoffmann

Es grenzt an ein Wunder, dass die ursprüngliche genetische Information eines Embryos lebenslang über Myriaden von Zellzyklen hinweg erhalten bleibt. Immer­hin liegt die Fehlerrate der DNA-Reduplikation bei etwa 1:1.000, was sich auf drei Millionen Fehler aufsummiert – pro Zellteilung wohlgemerkt!
Ein Heer von Wächtergenen ist damit beschäftigt, diese Fehler wieder zu beseitigen. Dabei übernimmt eine Gruppe die Lesekontrolle der DNA-Tochterstränge, eine weitere ist für Reparaturen (Mismatch Repair, MMR) zuständig, andere halten den Zellzyklus auf, um Zeit für diese Reparaturen zu gewinnen, und wieder andere treiben nicht reparierbare Zellen in den programmierten Tod. Dennoch ist die genomische Entartung einzelner Zellen im Lauf des Lebens unausweichlich. Und je mehr Wächtergene selbst betroffen sind, desto wahrscheinlicher wird die Entstehung von Krebs.
Im nebenstehenden Artikel geht es nicht um sporadische, sondern um erbliche Mutationen bestimmter Mismatch-Repair-Gene. Ihre Träger haben ein hohes Risiko, frühzeitig an Tumoren zu erkranken, denn die erste Mutation tritt nicht irgendwann im Lauf ihres Lebens auf – sie ist bereits von Geburt an da. Im Fall der hier besprochenen MMR-Genmutationen sind vor allem der Gastrointes­tinal- und Urogenitaltrakt betroffen, bei anderen Genmutationen ändert sich das Tumorspektrum (Tabelle auf S. 117).
Derzeit vermutet man, dass etwa jedes 20. Malignom einen hereditären Hintergrund hat, aber mit dem rasanten Fortschritt der Sequenziertechniken wird dieser Anteil steigen. Deshalb ist es auch absolut korrekt, wenn die Autorin fordert, bei Tumorpatienten häufiger als bisher nach hereditären Formen zu fahnden.