Und täglich grüßt das Mikrobiom

Haben wir in dieser Zeitschrift nicht erst kürzlich eine Mikrobiom-Hypothese vorgestellt? Korrekt: In der Herbstausgabe 2014 berichteten wir über den Einfluss der Darmbakterien auf die Entstehung des Kolorektal-Karzinoms. Und jetzt also Allergien, Atopien, Auto­immunkrankheiten? Was haben maligne Entartung, Fehlreaktionen des Immun­systems und Darmflora gemeinsam?

Für eine so gezielte Frage ist es noch zu früh. Genauso gut könnten wir eine Mikrobiom-Hypothese der Adipositas und des Diabetes mellitus[1], der Schizophrenie[2] oder des Autismus[3] präsentieren. Wer die Fachliteratur derzeit nach neuen Krankheitshypothesen durchforstet, den begrüßt das Mikrobiom fast täglich.

Also alles nur ein Hype und nichts dahinter? Hype ja, denn Next Generation Sequencing und Bioinformatik erlauben plötzlich detaillierte Einblicke in die Welt der Mikrobiota auf und in unserem Körper, die uns bisher methodisch weitgehend verschlossen war. Bei so vielen Daten ist es selbstverständlich, dass die Publikationen nur so sprudeln.

Nichts dahinter? Keinesfalls! Es wird wohl so ähnlich ablaufen, wie beim Genom und Transkriptom um die Jahrtausendwende: Dank neuer Techniken glaubte die Forschergemeinde damals, das Buch des Lebens liege aufgeschlagen vor ihr. Dann trennte sich die Spreu vom Weizen, und heute könnten wir uns Medizin ohne die Erkenntnisse der Genomik nicht mehr vorstellen. Genießen Sie also mit uns die „Mikrobiom-Euphorie“ und rechnen Sie mit heilsamer Ernüchterung!


von Prof. Dr. Georg Hoffmann