HPV-Diagnostik bei Zervix- und Oropharynxkarzinomen

Humane Papillomviren können durch die Onkoproteine E6 und E7 Zervix- und Oropharynxkarzinome hervorrufen. HPV-Tests werden derzeit im Rahmen des Screenings und für die Abschätzung des Progressionsrisikos des Zervixkarzinoms erfolgreich eingesetzt. Auch bei den Oropharynxkarzinomen hat der Nachweis eine große Bedeutung für die Prognose. Allerdings hat dies bisher (noch) keine Auswirkung auf die Therapie.

Schlüsselwörter: RT-PCR, ISH, CIN, Pap-Abstrich, p16 INK4A, AWMF-Leitlinie

Zahlreiche Krebserkrankungen werden durch Humane Papillomviren (HPV) ausgelöst: neben dem Zervixkarzinom auch Tumoren des Penis, der Vulva und der Vagina sowie Analkarzinome und Kopf-Hals-Tumoren. Insbesondere beim Zervixkarzinom und beim Karzinom des Mundrachens (Oropharynx) spielt inzwischen die HPV-Testung eine wichtige Rolle: Seit Anfang 2020 ist der HPV-Test Teil der gesetzlichen Zervixkarzinom-Früherkennung. Eine HPV-Genese stellt bei Oropharynxkarzinomen einen besonders günstigen prognostischen Faktor dar, wenn auch die HPV-Testung für die Früherkennung oder Nachsorge dieser Tumoren noch keine Rolle spielt.

HPV-Test beim Zervixkarzinom

„HPV-Test“ steht meist für den Nachweis von Humanen Papillomviren aus dem Abstrich vom Gebärmutterhals. Die meis­ten HPV-Tests weisen dabei die Erbinformation bestimmter Hochrisiko-HP-Viren nach (HPV-DNA-Tests).

HPV-positiv: Was bedeutet das?

HPV-Tests sollen nicht HPV-Infektionen grundsätzlich nachweisen oder ausschließen. Das Testergebnis wird positiv, wenn eine gewisse Viruslast überschritten wird. Umgekehrt kann auch bei negativem Test eine HPV-Infektion vorliegen – allerdings meist keine klinisch relevante. Der Schwellenwert ist so gewählt, dass ein positiver Test sehr wahrscheinlich auf ein erhöhtes Risiko für eine Zervixdysplasie hinweist.
Die Aussagekraft des HPV-Tests hängt auch vom Alter der Frau ab. Jüngere Frauen unter 30 Jahren stecken sich häufiger mit HPV an. Diese Infektionen sind zu etwa 90 % transient: Sie bilden sich spontan innerhalb von 6 bis 18 Monaten zurück (im Median). 
Bei Frauen ab 30 sinkt der Anteil nachweisbarer HPV-Infektionen. In dieser Altersgruppe ist die Neuinfektionsrate niedriger. Wird eine HPV-Infektion detektiert, liegt entsprechend häufiger eine persis-tierende Infektion vor. Daher ist das Risiko für eine Gewebeveränderung bei positivem HPV-Test höher als bei den Jüngeren.

Wie ist die Evidenz?

HPV-Tests sind derzeit nur für die Anwendung am Gebärmutterhals im Rahmen der Früherkennung (Zervixkarzinom-Screening) bzw. Triage (Abschätzung des Progressionsrisikos) an ausreichend gro­ßen Kollektiven klinisch validiert [1]. 
Ein Cochrane Review [2], der die dia­gnostische Genauigkeit von HPV-Test und Pap-Abstrich anhand von 40 Studien mit insgesamt 140.000 Frauen zwischen 20 und 70 Jahren systematisch verglich, belegt die Wirksamkeit des HPV-basierten Screening-Ansatzes für das Zervixkarzinom:
Von 1.000 Frauen hatten 20 eine CIN 2+ (mäßige oder höhergradige zervikale intraepitheliale Neoplasie). Der HPV-Test identifizierte davon 16 Frauen korrekt. Bei 4 Frauen war er falsch-negativ. Mittels Pap-Abstrich wurde bei 12 Frauen korrekt eine CIN 2+ erkannt, bei 8 Frauen war er falsch-negativ.
Unter den 980 (von 1.000) Frauen ohne CIN 2+ war der HPV-Test bei 879 Frauen korrekterweise negativ. 101 Frauen hatten einen falsch-positiven HPV-Test. Durch den Pap-Abstrich wurden 951 Frauen richtig der Gruppe ohne CIN 2+ zugeordnet, bei 29 Frauen war er falsch-positiv.
Um die HPV-Test-basierten Screening-Ansätze möglichst unabhängig zu beurteilen, führte bei Erstellung der derzeit gültigen S3-Leitlinine ein unabhängiges Institut einen systematischen Review der verfügbaren Literaturdaten aus randomisiert-kontrollierten klinischen Studien (RCTs) durch [3]. Dabei zeigte sich: Ein organisiertes Screening mittels HPV-Test oder Kombination aus Pap-Abstrich und HPV-Test (HPV-basiertes Screening) alle drei bis fünf Jahre führt bei Frauen über 30 Jahren in der 2. Screening-Runde zu einer niedrigeren Inzidenz für Zervixkarzinome. Die Senkung ist im Vergleich zu einem Zytologie-basierten Screening (nur Pap-Abstrich) statistisch signifikant: 6 Frauen mit Zervixkarzinom (HPV-Test) versus 20 Frauen mit Zervixkarzinom (Pap-Abstrich) – jeweils pro 100.000 Teilnehmerinnen. 
Bei Frauen über 30 werden nach drei bis fünf Jahren auch weniger hochgradige Zervixkarzinom-Vorstufen (CIN 3+) beobachtet. Auch hier ist das Risiko verglichen mit dem alleinigen Pap-Abstrich statistisch signifikant niedriger: 82 Frauen mit CIN 3+ (HPV-Test) versus 159 Frauen mit CIN 3+ (Pap-Abstrich) – jeweils pro 100.000 Teilnehmerinnen.
Schließlich legen auch die 11-Jahres-Ergebnisse von WOLPHSCREEN – einem Screening-Projekt in Wolfsburg mit über 25.000 Teilnehmerinnen und 5-Jahres-Intervallen – nahe, dass die Ergebnisse großer Studien weitgehend auf die Situation in nicht selektierten Kollektiven in Deutschland übertragbar sind: Die Inzidenz für CIN 3 und Zervixkarzinome konnte durch Einsatz des HPV-Tests um rund 80 % gesenkt werden [4].

Problem Überdiagnose und -therapie?

Durch ein HPV-basiertes Screening werden mehr mäßige und hochgradige Gewebeveränderungen (CIN 2+) und somit auch CIN 2 diagnostiziert. Dies kann zu Überdiagnosen führen, insbesondere bei Frauen unter 30 Jahren. Übertherapien lassen sich durch die Altersgrenze (Einsatz frühestens ab 30) und weitere Untersuchungen zur exakteren Risikoabschätzung (Triage) weitgehend vermeiden.
Durch die Information über einen positiven HPV-Test bleibt für manche Frauen – auch bei unauffälligem Pap-Abstrich – bis zur endgültigen Klärung die Unsicherheit, ob doch eine Krebsvorstufe vorhanden ist oder sich noch entwickelt [1].

Anforderungen an HPV-Tests

HPV-Tests zur Zervixkarzinom-Früherkennung sollen die 13 wichtigsten Hochrisiko-HPV-Typen erfassen: HPV 16, 18, 31, 33, 35, 39, 45, 51, 52, 56, 58, 59 und 68 (als Gruppe oder einzeln nachgewiesen). Sie brauchen eine hohe klinische Sensitivität und Spezifität beim Nachweis von CIN 2+ (zumindest mäßige Gewebeveränderungen) bei Frauen über 30 Jahren. Geeignete Tests sollen entsprechend der europäischen Leitlinie für HPV-Tests [5] mindestens 90 % der klinischen Sensitivität und mindestens 98 % der klinischen Spezifität des Goldstandards der HPV-Tests erreichen [6]. Bei wiederholter Anwendung soll das Test-Ergebnis reproduzierbar sein [1, 7].
Mehrere HPV-DNA-Tests und ein HPV-RNA-Test erfüllen die Vorgaben zur Sensitivität und Spezifität sowie weitere Voraussetzungen: FDA-Zulassung, ausreichende Daten aus Studien und fast keine Kreuzreaktionen mit HPV-Typen, die der Test nicht erfassen soll [6]. 

Regelung seit Anfang 2020

HPV-Tests sind mittlerweile in Deutschland fester Bestandteil der organisierten Krebsfrüherkennung für das Zervixkarzinom. Grundsätzlich gilt: Bei Frauen ab 30 Jahren ermöglichen sie – primär eingesetzt – ein verlängertes Untersuchungs-intervall von drei (bis fünf) Jahren.
Nach langen Diskussionen innerhalb der Ärzteschaft kam die Einigung auf ein kombiniertes Vorgehen aus HPV-Test plus Pap-Abstrich alle drei Jahre bei Frauen ab 35 Jahren zustande. Nur bei auffälligen Testergebnissen sind kurzfristigere Kontrollen bzw. Abklärungsuntersuchungen notwendig.
Bei etwas jüngeren Frauen zwischen 30 und 34 Jahren kann der HPV-Test bei auffälligen Pap-Abstrichen zur Triage (Risikoabschätzung) und somit als Grundlage für das weitere Vorgehen dienen. Bei Frauen unter 30 Jahren erfolgt sowohl die Früherkennung (jährlicher Pap-Test) als auch die nachfolgende Triage nur Zytologie-basiert [7]. 

HPV-Diagnostik bei Kopf-Hals-Karzinomen

Humane Papillomviren finden ihren Weg auch in Bereiche der oberen Luft- und Speisewege. Bei den Mundrachenkarzinomen (Oropharynxkarzinome,  OPC) sind in Deutschland inzwischen mehr als die Hälfte HPV-assoziiert [8]. Zu über 90 % ist HPV 16 beteiligt.
Für andere Kopf-Hals-Tumoren gilt jedoch, dass nur deutlich unter 10 % durch die Viren verursacht werden [9].

HPV-assoziierte Oropharynxkarzinome 

Das 5-Jahres-Gesamtüberleben für HPV-assoziierte Oropharynxkarzinome ist um 30–50 % besser als für HPV-negative OPC. Dieser prognostische Vorteil hat sich bislang für andere Kopf-Hals-Karzinome nicht sicher darstellen lassen [10].
Aus diesen Gründen wurde in der achten Auflage der AJCC/UICC-Klassifikation das HPV-positive Oropharynxkarzinom als eigene Entität aufgenommen. Die Klassifikation führt zwar zu einem Down­staging dieser Tumoren; dies hat aber bislang nur eine rein prognostische Bedeutung. Das Therapievorgehen wird dadurch nicht beeinflusst [11].

Pathogenese

HP-Viren führen nicht zu Genmutatio­nen der Wirtszelle. Aber die viralen Onkoproteine E6 und E7 führen zur Inaktivierung der zellzyklusregulierenden Proteine p53 und pRb. Das hat unter anderem auch zur Folge, dass das Protein p16 INK4A in der Zelle überexprimiert wird (Tab. 1).
 

Tab. 1 Typische Veränderungen HPV-assoziierter versus Noxen-assoziierter Oropharynxkarzinome. Nach [11].

 

HPV-assoziiertes OPC

Tabak-/Alkohol-assoziiertes OPC

TP53-Gen

Meist Wildtyp (Gen unverändert)

60–80 % Mutationen

p16-Gen (CDEKN2A)

Meist Wildtyp (Gen unverändert)

Häufige Mutationen

Tumorsuppressor-Protein p53

Inaktivierung durch HPV-Onkoprotein E6

Verminderte Expression oder Verlust durch Mutation des TP53-Gens

Tumorsuppressor-Protein p16 INK4A

Erhöhte Expression durch Inaktivierung des Retinoblastom­proteins (pRB) durch HPV-Onkoprotein E7

Verminderte Expression oder Verlust durch Mutation des p16-Gens

HPV-DNA

Nachweisbar

Nicht nachweisbar oder mit geringer HPV-DNA-Last

Kausalitätsnachweis bei Oropharynxkarzinomen und zervikalem CUP

Da nur ein Teil der Oropharynxkarzinome durch Humane Papillomviren verursacht wird, ist es für die Prognoseeinschätzung von besonderer Bedeutung, die Kausalität exakt zu bestimmen.
Sowohl die aktuellen ESMO-Leitlinien als auch die Konsensempfehlungen amerikanischer Pathologen geben eine HPV-Testung bei allen Plattenepithelkarzinomen des Oropharynx vor. Da bei HPV-assoziierten OPC oft schon bei sehr kleinen Primärtumoren Metastasen in Halslymphknoten vorliegen, wird eine HPV-Testung auch für das zervikale CUP-Syndrom (CUP: Cancer of Unknown Primary) empfohlen. Testungen anderer Kopf-Hals-Karzinome sind kein Bestandteil der klinischen Routine [11, 13].
Goldstandard zum Kausalitätsnachweis ist die Reverse Transkriptase Polymerasekettenreaktion (RT-PCR): Werden dabei mRNA-Transkripte der Onkogene E6/E7 nachgewiesen, gilt das OPC als HPV ge­triggert. Im klinischen Alltag ist dieses technisch aufwendige Verfahren jedoch nicht immer verfügbar [10, 11, 13].
Die offiziellen Empfehlungen sehen deshalb für die klinische Routine die Testung von p16 INK4A mit Immunhistochemie (IHC) als ausreichend guten Surrogatmarker an, obwohl deren Falsch-Positiv-Rate bei 10–15 % liegt. Als Cut-off wird eine Anfärbung der Zellkerne und des Zytoplasmas von ≥ 70 % empfohlen [11, 13, 14]. 
Da die Prognoseeinschätzung allein auf der Basis der p16-Bestimmung unsicher ist, empfehlen viele Experten den ergänzenden Nachweis von HPV-DNA mittels PCR oder ISH [14]. Die Spezifität dieses Vorgehens liegt bei 96 % versus 83 % bei alleiniger p16-Testung [15].

HPV-Testungen im Kontext von Früherkennung oder Nachsorge

Für HPV-assoziierte Oropharynxkarzinome gibt es derzeit noch keine validierten Testverfahren, die für Überwachungsstrategien im Rahmen der Früherkennung beziehungsweise Nachsorge dieser Tumoren ausreichend sicher genutzt werden können. 
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie auf der Webseite des Krebsinformationsdienstes [16]. 

Fazit

Bei Frauen ab 30 Jahren ist eine HPV-basierte Früherkennung für das Zervixkarzinom ein wirksamer Ansatz. Durch früh erkannte relevante HPV-Infektionen und Behandlung daraus resultierender Dysplasien sind in der zweiten Screening-Runde nach drei bis fünf Jahren weniger Krebsvorstufen und Karzinome zu erwarten. Die Gefahr der Überdiagnose und -therapie ist relativ gering. HPV-positive Frauen ohne zytologische Auffälligkeiten können durch die Ungewissheit psychisch stark belastet werden. Darauf sollte mit ausreichender Information und Einfühlungsvermögen eingegangen werden.
Unter den Kopf-Hals-Tumoren hat der Nachweis von HPV für die Oropharynxkarzinome eine große Bedeutung für die Prognose. Allerdings hat dies bisher (noch) keine Auswirkung auf die Therapie. Für die Früherkennung beziehungsweise für die Nachsorge von Oropharynxkarzinomen gibt es aktuell keine validierten Testverfahren. 

Autor
Dr. Susanne Weg-Remers
Krebsinformationsdienst
Deutsches Krebsforschungszentrum