ESMO Virtual Congress 2020

Gynäkologische und urologische Tumoren: immun- und zielgerichtete Therapien im Fokus

Ein bedeutendes Thema in der Therapie des Ovarialkarzinoms bleibt die PARP-Inhibition. Von großem Interesse waren die Langzeitdaten der SOLO1-Studie; erstmals liegen Daten mit 5 Jahren Nachbeobachtungszeit zu einer PARP-Inhibitor-Erhaltungstherapie in der Erstlinie vor. Beim fortgeschrittenen Endometriumkarzinom erwies sich die Kombination aus Aromatase- und CDK4/6-Inhibitor als wirksam. Insgesamt dominierten Studien mit zielgerichteten Substanzen und Immuncheckpoint-Inhibitoren. Auch bei den urologischen Tumoren standen Beiträgen zu Immun- und zielgerichteten Therapien in verschiedenen Phasen der klinischen Entwicklung im Fokus.

Schlüsselwörter: Olaparib, Niraparib, Veliparib, Bevacizumab, Pazopanib, Durvalumab, Balstilimab, Zalifrelimab, Palbociclib, Dostarlimab, Sacituzumab-Govitecan, Talazoparib, Nivolumab, Cabozantinib, BiTE

Ovarialkarzinom – Primärtherapie

Vorteil durch 2 Jahre Erhaltung mit Olaparib bleibt bestehen

Das Rezidivrisiko von Frauen mit fortgeschrittenem Ovarialkarzinom ist nach Abschluss der Primärtherapie hoch. Diese Patientinnen können von einer Erhaltungstherapie mit Bevacizumab oder ggf. einem PARP-Inhibitor (PARP-I) profitieren. Für Frauen mit einer BRCA-Mutation ist nach Platin-basierter systemischer Erstlinientherapie die Erhaltung mit Olaparib auf Basis der SOLO1-Studiendaten [1] zugelassen. Auf dem ESMO Virtual Congress 2020 wurden nun zum ersten Mal Langzeitdaten zum Einsatz eines PARP-I in der Primärtherapie des Ovarialkarzinoms vorgestellt: Die Daten aus der Studie SOLO1 verdeutlichten, dass die Vorteile einer zweijährigen Erhaltungstherapie mit zweimal täglich Olaparib auch nach einem medianen Follow-up von knapp 5 Jahren bestehen blieben: Das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) betrug 56 Monate im Olaparib-Arm (n = 260; mediane Dauer der Olaparib-Erhaltung 24,6 Monate) versus 13,8 Monaten im Placebo-Arm (n = 131; mediane Dauer der Placebo-Therapie 13,9 Monate; HR 0,33; 95-%-KI 0,25–0,43; Abb. 1).

Es gab keine neuen Sicherheitssignale und es kam zu keinen neuen Fällen myelodysplastischer Syndrome oder akuter mye-loischer Leukämien (Inzidenz weiterhin 1,5 % im Olaparib-Arm) [2].
Bereits auf dem ESMO 2019 waren positive Studienergebnisse zu verschiedenen Erhaltungstherapie-Konzepten in der Erstlinie mit den PARP-Inhibitoren Olaparib, Niraparib und Veliparib vorgestellt worden. Dieses Jahr folgten weitere Daten aus einigen dieser Erstlinienstudien.

PAOLA: Olaparib verbessert PFS2 …

In der PAOLA-Studie wurde Olaparib nach der Erstlinien-Chemotherapie als Erhaltungstherapie (für bis zu 2 Jahre) in Kombination mit Bevacizumab (für bis zu 15 Monate) mit Placebo plus Bevacizumab verglichen und führte in der primären PFS-Analyse zu einer 41%igen Reduktion des Progressions- oder Sterberisikos [3]. Auf dem ESMO 2020 wurde die finale geplante Analyse des PFS2, also des Zeitraums von der Randomisierung bis zum Progress nach der ersten auf die Erhaltungstherapie folgenden Therapie, vorgestellt [4]. Nach einem medianen Follow-up von 35,5 Monaten im Olapa-rib/Bevacizumab- und 36,5 Monaten im Placebo/Bevacizumab-Arm wurde durch die Erhaltungstherapie mit Olaparib/Bevacizumab auch das Risiko für einen zweiten Progress oder Tod in der Intention-to-treat(ITT)-Analyse signifikant reduziert (HR 0,78; 95-%-KI 0,64–0,95; p = 0,0125). Wie schon in der ersten PFS-Analyse der Studie war der Vorteil für HRD(Homologe Rekombinations-Defizienz)-positive Patientinnen (inkl. der Frauen mit somatischer BRCA-Mutation) stärker ausgeprägt (HR 0,56). Ebenfalls konsistent mit den Daten der ersten Analyse profitierten Frauen mit unbekanntem oder negativem HRD-Status nicht mit einem verbesserten PFS2 von Olaparib. Antonio González-Martín, Madrid, wies darauf hin, dass aus dem Olaparib/Bevacizumab-Arm 9 % der Frauen als erste nachfolgende Therapie einen PARP-I erhalten hatten, aus dem Placebo/Bevacizumab-Arm waren es 27 %. Die Daten zum Gesamtüberleben (OS) waren noch unreif.

 … und ORR auch bei Tumorrest

Nicoletta Colombo, Mailand, stellte eine Analyse der objektiven Ansprechrate (ORR) bei den Frauen der PAOLA-Studie vor, die auf die primäre Chemotherapie nur partiell angesprochen hatten, also einen Tumorrest oder erhöhte CA-125-Werte zu Beginn der Olaparib-Therapie aufwiesen [5]. Auch bei diesem Kollektiv verbesserte die Hinzunahme von Olaparib zu Bevacizumab gegenüber der Erhaltung mit alleinigem Bevacizumab die ORR weiter. In beiden Armen profitierten die Frauen mit einer BRCA-Mutation oder HRD am meisten von der Erhaltungstherapie.

PRIMA: Niraparib erhält Lebensqualität

Aus der beim ESMO 2019 präsentierten PRIMA-Studie, die als Erhaltungstherapie in der Erstlinie eine Monotherapie mit Niraparib (für bis zu 3 Jahre) untersuchte, wurden beim diesjährigen ESMO mittels FOSI, EQ-5D-5L, EORTC-QLQ-C30 und EORTC-QLQ-OV28 ermittelte Patient-Reported Outcomes (PROs) vorgestellt [6]. Konsistent mit den Daten aus der Rezidivsituation in der NOVA-Studie wurde unter der primären Erhaltungstherapie mit Niraparib keine Beeinträchtigung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität beobachtet. Der Health Utility Index zeigte einen leichten Trend zur Verbesserung der Lebensqualität unter der Therapie mit dem PARP-I, die Compliance-Raten bei der Dokumentation der PROs waren in beiden Armen hoch. Hinsichtlich Wirksamkeit und Sicherheit der Erstlinien-Erhaltung mit Niraparib unterschieden sich ältere (≥ 65 Jahre) und jüngere (< 65 Jahre) Frauen nicht [7].

VELIA: keine Beeinflussung der Lebensqualität unter Veliparib plus Chemotherapie

Auch aus der 2019 vorgestellten dreiarmigen VELIA-Studie, die mit dem noch nicht zugelassenen PARP-I Veliparib das Konzept „PARP-Inhibition + Chemotherapie gefolgt von PARP-Inhibitor-Erhaltungstherapie“ als Erstlinien-therapie beim fortgeschrittenen Ovarialkarzinom untersuchte, wurden Daten zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität gezeigt [8]. Die Daten von 1.069 Frauen wurden berücksichtigt. Im Vergleich zu alleiniger Chemotherapie (ohne Veliparib und ohne nachfolgende Veliparib-Erhaltung) wurde insgesamt eine geringfügige Verbesserung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität beobachtet. Unerwünschte Ereignisse gingen in beiden Armen im Laufe der Therapie zurück und auch die Zeit bis zur Verschlechterung von Sym-ptomen war in beiden Armen ähnlich,
sodass der Einfluss des Regimes „Veliparib + Chemotherapie gefolgt von Veliparib-Erhaltung“ auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität als gering erscheint.

Ovarialkarzinom – Rezidiv

Was kommt nach Progress unter einer PARP-I-Erhaltung …

Auch zur Frage, welche Chemotherapie nach einem Progress unter einer PARP-I-Erhaltungstherapie bei einem Ovarialkarzinom-Rezidiv folgen kann, wurde ein Abstract präsentiert. Untersucht wurde die Wirksamkeit einer Chemotherapie für Frauen mit rezidiviertem Ovarialkarzinom und BRCA-Mutation, die in der SOLO2-Studie unter ihrer Erhaltung mit Olaparib oder Placebo progredient wurden [9]. Dazu führten die Autoren eine Post-hoc-Analyse der Zeit vom Progressionszeitpunkt unter Olaparib bis zur erneuten Progression oder Tod (TTSP) durch. 106 der 195 Frauen unter Olaparib (54 %) und 80 der 99 Patientinnen unter Placebo (81 %) erlitten einen Krankheitsprogress gemäß RECISTv1.1. Von diesen erhielten insgesamt 161 (87 %) eine erste nachfolgende Therapie, 93 % eine Chemotherapie, und 18 % einen PARP-I (alle aus dem Placebo-Arm). Im Olaparib-Arm erhielten 63 % der Frauen eine Platin-basierte Chemotherapie und 37 % eine Chemotherapie ohne Platin, im Placebo-Arm entsprechend 56 % bzw. 44 %. Insgesamt war die TTSP in diesem Post-hoc-Vergleich unter Placebo mit 11,1 Monaten länger als bei den Patien-tinnen der Olaparib-Gruppe (7 Monate; HR 1,93; 95-%-KI 1,35–2,76). Außerdem war die TTSP mit der Platin-basierten Chemotherapie generell länger. Insbesondere bei den mit Olaparib-behandelten Frauen ließe sich eine gewisse Resistenz gegenüber beiden Chemotherapie-Arten erkennen, so die Autoren. Da sich diese aber nicht in einem reduzierten OS niederschlage, sei die frühe Erhaltungstherapie mit Olaparib trotzdem die optimale Vorgehensweise bei dem Patientinnenkollektiv. Die beste Therapie nach der Olaparib-Erhaltung im Rezidiv müsse evaluiert werden.

 … und was nach Rezidiv unter einer Bevacizumab-Erhaltung?

Ein weiteres Abstract beschäftigte sich mit der Frage der Therapie bei Patientinnen, die unter einer Bevacizumab-Erhaltung ein Rezidiv erleiden [10]. Die Phase-II-Studie TAPAZ verglich in dieser Situation Paclitaxel mit und ohne den antiangiogen wirksamen Tyrosinkinase-Inhibitor (TKI) Pazopanib. Die Frauen erhielten entweder wöchentlich 65 mg/m² Paclitaxel und anfangs Dosis-reduziertes (600–800 mg) Pazopanib oder eine Monotherapie mit 80 mg Paclitaxel wöchentlich. Die Kombination brachte keine Vorteile gegenüber alleinigem Paclitaxel. Das mediane PFS betrug unter Paclitaxel/Pazopanib 4,6 Monate vs. 5,5 Monate unter Paclitaxel (p = 0,63) und das mediane OS 13,5 vs. 12,8 Monate (p=0,77). Fast die Hälfte der Frauen im Kombinationsarm setzte eine Substanz wegen Toxizitäten ab (19 % beide Substanzen). Besonders nachteilig dürfte sich ausgewirkt haben, dass die mit Paclitaxel/Pazopanib behandelten Patientinnen so weniger Chemotherapiezyklen und eine geringere Chemotherapiedosis erhielten.

Dreierkombination aus PD-L1-, PARP- und Angiogeneseinhibition

Die Kombination von Immun- und zielgerichteter Therapie untersuchte die MEDIOLA-Studie. Die Phase-II-Studie vergleicht die Regime Olaparib + Durvalumab (n = 32) und Olaparib + Durvalumab + Bevacizumab (n=33) bei Frauen mit rezidiviertem Platin-sensiblem Ovarialkarzinom mit BRCA-Mutation (ohne Keimbahnmutationen) nach Versagen einer Platin-Vortherapie [11]. Die  Dreierkombination mit einer Krankheitskon-trollrate nach 24 Wochen von 77,4 % vs. 28,1 % unter der Zweierkombination wirkte deutlich besser. Das mediane PFS lag bei 14,7 versus 5,5 Monaten.
Die Kombination wird in der Phase-III-Studie DUO-O als Erhaltungstherapie bei Patientinnen mit neu diagnostiziertem Ovarialkarzinom untersucht (NCT 03737643).

Immuntherapie beim Zervixkarzinom

In einem Late-Breaking-Abstract wurden Ergebnisse von zwei großen einarmigen Phase-II-Studien präsentiert, die eine Immuntherapie als Zweitlinientherapie bei Platin-vorbehandelten Frauen mit rezidiviertem oder metastasiertem Zervixkarzinom untersucht hatten. In der einen Studie erhielten 161 Patientinnen den PD-1-Inhibitor Balstilimab als Monotherapie, in der anderen 155 Frauen Balstilimab in Kombination mit dem CTLA-4-Inhibitor Zalifrelimab [12]. Sowohl für Balstilimab mono als auch für die Kombination wurde eine Antitumor-Aktivität dokumentiert, mit einer objektiven Ansprechrate von 14 % bzw. 22 %. Interessanterweise sprachen in beiden Studien auch PD-L1-negative Patientinnen auf die Immuntherapie an. Die mediane Dauer des Ansprechens betrug 15,4 Monate in der Monotherapie-Studie, in der Kombinationsstudie war die mediane Ansprechdauer noch nicht erreicht. Beide Regime wurden gut vertragen.

Endometriumkarzinom

PALEO: CDK4/6-Inhibitor verbessert endokrine Therapie

Eine etablierte Therapieoption beim metastasierten/rezidivierten Endometriumkarzinom ist eine endokrine Therapie. Ob man eine solche – analog zum Mammakarzinom – mit einem CDK4/6-Inhibitor optimieren kann, untersuchte die Phase-II-Studie NSGO PALEO/ENGOT-EN3 [13]. Die randomisierte, doppelblinde, Placebo-kontrollierte Studie verglich erstmals einen Aromataseinhibitor (AI, Letrozol) plus den CDK4/6-Inhibitor Palbociclib mit Letrozol plus Placebo bei 73 Patientinnen mit Östrogenrezeptor-positivem fortgeschrittenem/rezidiviertem Endometriumkarzinom. Die Kombination aus AI und CDK4/6-Inhibitor resultierte in einem signifikant verlängerten medianen PFS von 8,3 Monaten gegenüber 3,0 Monaten unter alleinigem Letrozol (HR 0,56; 95-%-KI 0,32–0,98; p = 0,041). Die Krankheitskontrollrate nach 6 Monaten betrug 64 % vs. 38 %. (Abb. 2)

Durch die Hinzunahme von Palbociclib erhöhte sich die Rate an Nebenwirkungen, v. a. hämatologischer Toxizitäten, berichtete Mansor Mirza, Kopenhagen. Dies hatte Dosisreduktionen und Therapieabbrüche zur Folge. Negative Auswirkungen auf die Lebensqualität wurden aber nicht beobachtet, so Mirza.

PD-L1-Inhibition wirksam

Auch beim Endometriumkarzinom wurden Checkpoint-Inhibitoren als Option in fortgeschrittenen Tumorstadien evaluiert. Die einarmige Phase-I-Studie GARNET prüfte den PD-1-Inhibitor Dostarlimab bei verschiedenen soliden Tumoren. Beim ESMO 2020 wurden Wirksamkeits- und Sicherheitsdaten von Dostarlimab bei Frauen mit fortgeschrittenem oder rezidiviertem Endometriumkarzinom mit defekter (dMMR, n = 103) oder intakter DNA-Mismatch-Reparatur (MMRp, n = 142) vorgestellt [14]. In beiden Kohorten demonstrierte Dostarlimab eine dauerhafte Antitumor-Aktivität; allerdings lag die ORR bei den dMMR-Patientinnen mit 46 % vs. 19 % deutlich höher. Fast 80 % der dMMR-Patientinnen sprachen nach 18 Monaten noch auf die Therapie an.

PARP- plus PD-L1-Inhibition

Eine einarmige Phase-II-Studie untersuchte den bisher nur beim fortgeschrittenen Mammakarzinom zugelassenen PARP-I Talazoparib in Kombination mit dem PD-L1-Antikörper Avelumab bei Frauen mit rezidiviertem oder persistierendem Mikrosatelliten-stabilem (MSS) Endometriumkarzinom. Die ORR gemäß RECIST 1.1 bei den 35 behandelten Patientinnen betrug 8,6 %; 25,8 % der Frauen waren nach 6 Monaten ohne Progress. Das mediane PFS betrug 3,65 Monate (95-%-KI 2,4–5,4 Monate). Die Kombination wird bei dem Patientinnenkollektiv weiter untersucht; außerdem soll eine Biomarker-Analyse klären, welche Frauen am besten auf die PARP- und PD-L1-Inhibitor-Kombination ansprechen [15].

Urothelkarzinom: neues Antikörper-Drug-Konjugat

Für Patienten mit metastasiertem Urothelkarzinom (mUC) besteht ein hoher Bedarf an Therapieoptionen für spätere Therapielinien. Die Phase-II-Studie TROPHY-U-01 untersuchte bei 113 Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem UC mit Progress nach Vortherapie mit Platin und Checkpoint-Inhibitoren das derzeit noch nicht zugelassene Antikörper-Drug-Konjugat Sacituzumab-Govitecan [16]. Auf dem ESMO 2020 wurden die finalen Ergebnisse der Kohorte 1 der unverblindeten Multi-Kohortenstudie präsentiert. Das mediane Alter der Patienten lag bei 66 Jahren, 28 % hatten viszerale Metastasen und im Median hatten die Patienten 3 Vortherapien erhalten. Die ORR lag bei 27 %, bei den Patienten mit Lebermetastasen bei 25 %. Im Median sprachen die Patienten 5,9 Monate an, das PFS betrug 5,4 Monate, das mediane OS 10,5 Monate. Wichtigste Nebenwirkung war Neutropenie ab Grad 3; diese trat trotz einer G-CSF-Prophylaxe, die 30 % der Patienten primär oder sekundär erhielten, bei 46 % der Patienten auf. 10 % der Patienten erlitten eine febrile Neutropenie, in deren Folge ein Patient starb. Sacituzumab-Govitecan wird in der Phase-III-Studie TROPiCS-04 (NCT04527991) weiter evaluiert.

Nierenzellkarzinom: neue Erstlinienkombination

Die im Rahmen einer Presidential Session präsentierten ersten Ergebnisse der Studie CheckMate 9ER deuten darauf hin, dass sich beim fortgeschrittenen Nierenzellkarzinom (RCC) die Möglichkeiten in der Erstlinientherapie um eine Option erweitern [17].
In der unverblindeten Phase-III-Studie erhielten 651 Patienten mit unbehandeltem fortgeschrittenem oder metastasiertem klarzelligem RCC in einer 1:1-Randomisierung entweder 240 mg des PD-1-Inhibitors Nivolumab alle 2 Wochen und den TKI Cabozantinib in einer reduzierten Dosierung von 40 mg einmal täglich oder einmal täglich 50 mg Sunitinib in sechswöchigen Zyklen (4 Wochen Therapie gefolgt von 2 Wochen Pause).
Das mediane PFS war nach einem medianen Follow-up von 18,1 Monaten unter dem Einfluss der Kombination von 8,3 auf 16,6 Monate verdoppelt (HR 0,51; 95-%-KI 0,41–0,64; p < 0,0001; Abb. 3).

Die Wirksamkeitsvorteile wurden in den wichtigsten Patientensubgruppen und auch unabhängig vom PD-L1-Status beobachtet. Auch bei der ORR wurde eine Verdoppelung von 27,1 % auf 55,7 % durch die Kombination dokumentiert. Das Sicherheitsprofil war handhabbar. Aufgrund der bestehenden Erstlinien-Zulassungen von Avelumab + Axitinib und Pembrolizumab + Axitinib ist Nivolumab + Cabozantinib zwar nicht first-in-class, kann aber die Möglichkeiten in der Erstlinie um eine weitere Kombinationsoption mit einem potenten TKI bereichern.

mCRPC: neuer bispezifischer Antikörper in Phase I ...

Beim metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinom (mCRPC) stehen bislang neben der Chemotherapie die New Hormonal Agents (NHA) zur Verfügung. Immuntherapien haben bisher eine begrenzte Wirksamkeit gezeigt.
 Beim ESMO 2020 wurden Daten aus einer Phase-I-Studie vorgestellt, die AMG 160, eine gezielte half-life extended (HLE) BiTE®(Bi-specific T-cell engager)-Immuntherapie untersuchte. Dabei handelt es sich um einen bispezifischen Antikörper, der via CD3 an T-Zellen und via PSMA an Tumorzellen bindet. So kommt es zu einer T-Zell vermittelten Immunantwort und die körpereigenen T-Zellen des Patienten können Prostatakarzinomzellen abtöten.
 Auf dem virtuellen Kongress wurden vorläufige Ergebnisse aus dem Dosis-Explorations-Teil der laufenden Phase-I-Studie vorgestellt [18]. 32 Patienten hatten mindestens eine Dosis der AMG-160- Monotherapie mit 6 Dosisstufen erhalten. Die maximal tolerierte Dosis wurde noch nicht erreicht.
Häufigstes unerwünschtes Ereignis waren Zytokin-Freisetzungssyndrome, die handhabbar waren. Bei 15 der 24 auswertbaren Patienten (63 %) wurden PSA-Reduktionen dokumentiert. Dosislimitierende Toxizitäten wurden nicht registriert, sodass die Behandlung mit AMG 160 mit bislang nur vorläufig beurteilbarer Wirksamkeit als tolerierbar bewertet wurde.

... und OS-Daten zu Olaparib bei BRCA-Mutation

 Eine neue Option für Patienten mit mCRPC und einer BRCA-Mutation stellt die PARP-Inhibition dar; ein positives CHMP-Votum der EMA für Olaparib ist erfolgt. Beim ESMO 2020 wurden die finalen Daten zum OS der PROFOUND-Studie mit dem PARP-I vorgestellt [19]. Die randomisierte, unverblindete Phase-III-Studie verglich bei Patienten mit mCRPC und einer Mutation der Homologen Rekombinationsreparatur (HRR) nach einem Next Generation Hormonal Agent (NHA: Abirateron oder Enzalutamid) eine Monotherapie mit Olaparib oder Enzalutamid bzw. Abirateron. In Kohorte A waren 245 Patienten mit Mutationen im BRCA1-, BRCA2- oder ATM-Gen, in der Kohorte B 142 Patienten mit Alterationen in einem von 12 anderen für die DNA-Reparatur relevanten Genen. In der zulassungsrelevanten Studie hatte Olaparib das mediane radiographische PFS in Kohorte A signifikant von 3,6 Monaten unter Abirateron/Enzalutamid auf 7,4 Monate verbessert (HR 0,34; 95-%-KI 0,25–0,47; p < 0,001) [20].
Den beim ESMO präsentierten Ergebnissen zufolge betrug das mediane OS nach einem medianen Follow-up von ca. 21 Monaten in Kohorte A 19,1 Monate unter Olaparib und 14,7 Monate unter NHA (HR 0,69; 95-%-KI 0,50–0,97; p = 0,02). Auch in der Gesamtpopulation wurde ein Trend hin zu einem verbesserten OS durch den PARP-I registriert (HR 0,79).


Mascha Pömmerl

 

Abstracts, Poster und Vorträge beim European Society for Medical Oncology (ESMO) Virtual Congress, 19.–21.09.2020.