Highlights vom ASCO Genitourinary Cancers Symposium 2022

Der erste weltweite Kongress zu urologischen Tumorentitäten ist in jedem Jahr das Genitourinary Cancers Symposium der American Society of Clinical Oncology (ASCO). Bei dem in diesem Jahr als Hybrid-Veranstaltung durchgeführten Kongress wurden neben interessanten Einschätzungen zu relevanten Themen auch wichtige Ergebnisse aus klinischen Studien präsentiert. Der Bericht fasst ausgewählte Studiendaten zum Nierenzell- und Urothelkarzinom zusammen.

Schlüsselwörter: Nierenzellkarzinom, Urothelkarzinom, Immuntherapie, zielgerichtete Therapie, PARP-Inhibition

Nierenzellkarzinom

Adjuvante Therapie mit PD-1-Inhibitor

Bei Patient:innen mit Nierenzellkarzinom (RCC) konnte in der doppelblinden Phase-III-Studie KEYNOTE-564 mit einer medianen Nachbeobachtungzeit von ca. zwei Jahren für die adjuvante Therapie mit Pembrolizumab ein Vorteil bezüglich des krankheitsfreien Überlebens (DFS) gegenüber Placebo gezeigt werden [1]. Beim ASCO GU wurden nun aktualisierte Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit mit einer Nachbeobachtungszeit von 30,1 Monaten präsentiert [2].

In der Studie erhielten 994 Patient:innen mit klarzelligem RCC randomisiert Pembrolizumab oder Placebo für bis zu ein Jahr. Ihr medianes Alter betrug 60 Jahre, 86–87 % hatten ein mittleres, 7–8 % ein hohes Risiko. Etwa ein Viertel der Tumoren zeigte eine PD-L1-Expression (CPS) < 1. Im Wesentlichen waren die Tumoren im Stadium T3 (88–90 %), Grading 3 (43–44 %) und ohne Lymphknotenbefall (N0: 93,2 %) oder Metastasierung (M0: 94 %).

Die adjuvante Immuntherapie reduzierte das Risiko für einen Krankheitsrückfall um 37 % (HR 0,63; 95%-KI 0,50–0,80; p < 0,0001; Abb. 1).

Nach 24 Monaten lebten 78,3 % vs. 67,3 % krankheitsfrei. Der Median war in beiden Studienarmen noch nicht erreicht. Der DFS-Vorteil unter Pembrolizumab wurde für alle untersuchten Subgruppen festgestellt, so auch bei mittlerem Rezidivrisiko (HR 0,68; 95%-KI 0,52–0,89), bei hohem Risiko (HR 0,60; 95%-KI 0,33–1,10) und bei Patient:innen mit M1 NED (M1 nach Oligometastasektomie ohne Anhalt für einen weiterbestehenden Tumor; HR 0,28; 95%-KI 0,12–0,66). Auch das Gesamtüberleben (OS) wurde durch die adjuvante Pembrolizumab-Therapie signifikant verlängert (HR 0,52; 95%-KI 0,31–0,86; p = 0,0048). Die 24-Monats-OS-Rate betrug 96,2 % im Pembrolizumab- vs. 93,8 % im Placebo-Arm.

Mit der längeren Nachbeobachtungszeit wurden keine bemerkenswerten Steigerungen von Nebenwirkungen oder dem Einsatz von Kortikosteroiden bei immunvermittelten Ereignissen beobachtet. Spät einsetzende therapieassoziierte Nebenwirkungen waren selten.

Neoadjuvante Therapie mit zielgerichteter und Immuntherapie

In der einarmigen Phase-II-Studie NeoAvAx wurde untersucht, ob eine 12-wöchige neoadjuvante Therapie mit Avelumab plus Axitinib das Ergebnis der Nephrektomie bei RCC-Patient:innen mit Hochrisiko verbessern kann [3]. Eingeschlossen wurden 40 Patient:innen mit nicht-metastasiertem RCC und hohem Rückfallrisiko, einem medianen Alter von 63 Jahren und sehr gutem oder gutem Allgemeinzustand. 60 % der Tumoren waren im Stadium T3a mit einem Grading 1–2 (67,5 %) und Lymphknotenbefall bei 42,5 %. Der Tumordurchmesser betrug durchschnittlich 10,3 cm.

Bei einem Drittel der Patient:innen (30 %) zeigte sich eine partielle Remission (PR) des Primärtumors. Im Median wurden die Primärtumoren um 20 % verkleinert. Von den 12 Patient:innen mit PR waren nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 23,5 Monaten 10 (83 %) tumorfrei. 32,5 % der Patient:innen hatten ein Rezidiv. Der Median für DFS und OS war noch nicht erreicht. Für die Kohorte ohne PR betrug das mediane DFS 18 Monate. Die neoadjuvante Therapie führte nicht zu Komplikationen bei der Operation. Neue Sicherheitssignale für Avelumab oder Axitinib wurden nicht beobachtet.

Eine explorative Biomarkeranalyse zeigte, dass nach der Behandlung in Tumorproben von Patient:innen, die ein Rezidiv erlitten, signifikant geringere Dichten der gesamten intra-epithelialen und stromalen CD8-positiven und intra-epithelialen CD8- und CD39-positiven Zellen im Vergleich zu Patient:innen ohne Rezidiv vorlagen. In Tumorproben vor der Behandlung war kein Unterschied zwischen Patient:innen mit oder ohne späterem Rezidiv zu erkennen.

Urothelkarzinom

Kombination von ADC und Immuntherapie

Patient:innen mit metastasiertem Urothelkarzinom haben immer noch eine schlechte Prognose, mit 5-Jahres-Überlebensraten von etwa 15 % und begrenzten Therapieoptionen. Beim ASCO GU wurden diverse Studien mit teils hoffnungsvollen Ergebnissen präsentiert.

Die offene Phase-II-Studie TROPHY-U-01 prüfte das Trop-2-gerichtete Antikörper-Wirkstoff-Konjugat (ADC) Sacituzumab Govitecan in fünf Kohorten. Beim ASCO GU wurden die Ergebnisse für 41 Patient:innen der Kohorte 3 – Checkpoint-Inhibitor-naive Patient:innen mit Progress nach Platin-basierter Therapie – präsentiert [4]. Diese erhielten Sacituzumab Govitecan in Kombination mit Pembrolizumab bis zum Krankheitsprogress oder bis zu nicht tolerierbaren Nebenwirkungen. Das mediane Alter der Patient:innen betrug 67 Jahre, 78 % hatten Fernmetastasen. 68 % der Patient:innen waren mit einer Cisplatin-basierten, 29 % mit einer Carboplatin-basierten Chemotherapie vorbehandelt.

34 % der Patient:innen sprachen auf die Studienmedikation an, 27 % hatten eine stabile Erkrankung (SD) als bestes Ansprechen, die bei 10 % für ≥ 6 Monate anhielt. In Subgruppenanalysen wurde eine Ansprechrate von 41,7 % für Patient:innen mit und 31,0 % ohne Viszeralmetastasen beobachtet. Für Patient:innen zwischen 50 und 64 Jahren lag die Ansprechrate bei 42,9 %, bei jenen ≥ 65 Jahren bei 30,8 %. 63 % erreichten eine Tumorschrumpfung jedweden Ausmaßes (Abb. 2).

Mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 5,8 Monaten war die mediane Ansprechdauer noch nicht erreicht. Das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) betrug 5,5 Monate, für das OS war der Median noch nicht erreicht.

Die mediane Therapiedauer mit Sacituzumab Govitecan betrug 4 Monate gegenüber 3,5 Monaten mit Pembrolizumab. Ein Drittel der Patient:innen war zum Datenschnitt der präsentierten Auswertung noch unter Studienmedikation. Hauptgrund für einen Therapieabbruch war ein Krankheitsprogress.

Neoadjuvante Therapie mit ADC als Monotherapie

Ergebnisse im neoadjuvanten Setting wurden für das Nectin-4-gerichtete ADC Enfortumab Vedotin gezeigt [5]. In die Kohorte H der Phase-I/IIb-Studie EV-103 wurden 22 Patient:innen mit muskelinvasivem Blasenkarzinom, die für eine Cisplatin-haltige Therapie nicht geeignet waren, aufgenommen und vor radikaler Zystektomie neoadjuvant mit drei Zyklen Enfortumab Vedotin behandelt. Das mediane Alter betrug 74,5 Jahre; 95,5 % rauchten oder hatten geraucht. Die Mehrheit der Studienteilnehmer:innen (68,2 %) befand sich im Stadium cT2N0. 19 der 22 Patient:innen komplettierten die drei Zyklen mit dem ADC und konnten ohne Verzögerung operiert werden. Drei Patient:innen verstarben vor Komplettierung des 3. adjuvanten Zyklus. 36,4 % erzielten ein pathologisch komplettes Ansprechen (pCR), 50 % ein pathologisches Downstaging, definiert als yp T0, ypTis, ypTa, ypT1 und N0.

Insgesamt zeigten 18 % der Patient:innen therapieassoziierte Nebenwirkungen Grad ≥ 3, drei (13,6 %) brachen die Studienmedikation aufgrund von therapieassoziierten Nebenwirkungen ab.

PARP-Inhibitor in der Erhaltungstherapie

Auch PARP-Inhibitoren werden in der Therapie des Urothelkarzinoms geprüft. Die Phase-II-Studie ATLANTIS untersuchte in einem von drei experimentellen Studienarmen die Erhaltungstherapie mit Rucaparib nach Chemotherapie bei Patient:innen mit metastasiertem Urothelkarzinom [6]. Als Kontrolle wurde randomisiert gegen Placebo verglichen, primärer Endpunkt war das PFS. Beim ASCO GU wurden die finalen Daten für den Rucaparib-Arm präsentiert [7].

Die Rekrutierung für den Rucaparib- und den Vergleichsarm wurde nach 40 Patient:innen aufgrund der Coronapandemie und der guten Ergebnisse für Avelumab in der Erhaltung abgebrochen. Von den eingeschlossenen Patient:innen zeigten 27,5 % eine DNA-Reparatur-Defizienz (DRD) und 55 % einen Verlust der Heterozygotie (≥ 10 % LOH). Beide Biomarker wurden bei 17,5 % der Patient:innen identifiziert. Das mediane Alter lag bei 70 Jahren, 40–50 % hatten Viszeralmetastasen.

Das mediane PFS wurde signifikant von 15,1 auf 35,5 Wochen verlängert (HR 0,53; 80%-KI 0,30–0,92; p = 0,07). Das OS unterschied sich zwischen den Studienarmen nicht signifikant (HR 1,22; 80%-KI 0,62–2,38). Die Patient:innen erhielten im Median 10 Zyklen Rucaparib bzw. 6 Zyklen Placebo. Nebenwirkungen waren im Rucaparib-Arm häufiger, insbesondere Anämie, Fatigue und Übelkeit.

Kombination von PARP-Inhibitor und Immuntherapie

Auch die doppelblinde Phase-II-Studie BAYOU untersuchte die Gabe eines PARP-Inhibitors, in diesem Fall Olaparib zusätzlich zu Durvalumab als Erstlinientherapie bei Platin-ungeeigneten Patient:innen mit nicht-resektablem Urothelkarzinom im Stadium IV [8]. 150 Patient:innen erhielten randomisiert Durvalumab + Olaparib oder Durvalumab + Placebo. Primärer Endpunkt war das PFS. Die Nachbeobachtungszeit der präsentierten Auswertung betrug median 9,8 Monate für den Olaparib- und 10,7 Monate für den Placebo-Arm.

Die Patient:innen waren median 79 (Olaparib-Arm) bzw. 72 Jahre (Placebo-Arm) alt und waren zu 44 % bzw. 37 % in schlechtem Allgemeinzustand (ECOG PS 2). 22 % bzw. 18 % hatten eine HRR (homologous recombination repair)-Mutation und bei 44 % bzw. 42 % lag eine hohe PD-L1-Expression vor.

Für die ITT-Population konnte kein Unterschied bezüglich des PFS ermittelt werden (HR 0,94; 95%-KI 0,64–1,39; p = 0,789). Für die Subgruppe der HRR-mutierten Patient:innen wurde das mediane PFS durch die Olaparib-Gabe von 1,8 auf 5,6 Monate verlängert (HR = 0,18; 95%-KI 0,06–0,47; p < 0,001; Abb. 3).

In den Subgruppenanalysen gab es zudem Hinweise auf einen besseren Therapieerfolg mit Olaparib für Patient:innen mit Bajorin-Risiko-Index 0 (HR 0,42; 95%-KI 0,18–0,92). Das OS war sowohl für die ITT-Population (HR 1,07; 95%-KI 0,72–1,61) als auch für die HRR-mutierte Subgruppe (HR 0,56; 95%-KI 0,25–1,23) nicht signifikant verschieden. Ein Ansprechen wurde bei 28,2 % vs. 18,4 % der Patient:innen der ITT-Population sowie bei 35,3 % vs. 0 % der HRR-mutierten Population gesehen. Neue Sicherheitssignale für die Kombination von Durvalumab + Olaparib wurden nicht beobachtet.

Dr. Ine Schmale

ASCO Genitourinary Cancers Symposium (ASCO GU), 17.–19.02.2022, San Francisco, CA, USA, und virtuell.

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