Seltene Tumoren bei Kindern und Jugendlichen

Seltene Tumoren bei Kindern und Jugendlichen sind eine sehr heterogene Gruppe von Tumoren, bei denen es sich entweder um einen typischen pädiatrischen Tumor (z. B. Pankreatoblastom) oder einen Tumor vom „erwachsenen Typ“ (z. B. kolorektales Karzinom und Melanom) handelt. Sie werden durch ihre geringe Inzidenzrate (< 0,2/100.000 Patienten) und das Fehlen klinischer Studien für diese spezifischen Entitäten („orphan diseases“) definiert. Die Inzidenzzahlen und das Spektrum der malignen Erkrankungen ändern sich jedoch entscheidend mit dem Alter, und sie können mit sehr unterschiedlichen biologischen und klinischen Charakteristika auftreten. Aufgrund ihrer Seltenheit ist es unmöglich, klinische Studien durchzuführen, und biologische Studien sind begrenzt. In letzter Zeit wurden nationale Arbeitsgruppen für seltene Tumoren gegründet, um diese Probleme zu überwinden. In Deutschland hat die pädiatrische Tumorgruppe „Seltene Tumorerkrankungen in der Pädiatrie (STEP)“ im Jahr 2006 ihre Arbeit aufgenommen. Ein Register wurde geschaffen, in dem bis Ende 2017 mehr als 500 Patienten registriert wurden. Ziel ist es, durch den Aufbau eines Beratungsnetzwerks und die Entwicklung von Konsensus-Therapieempfehlungen bessere Empfehlungen für die Diagnose und Therapie dieser seltenen Tumoren zu geben. Darüber hinaus sind die Analyse genetischer Prädispositionen bei jungen Patienten mit seltenen Tumoren und der Nachweis therapeutischer Targets in aggressiven Tumoren ein Schwerpunkt von STEP.


Schlüsselwörter: Seltene pädiatrische Tumoren, Melanome, Speicheldrüsentumoren, seltene gonadale Tumoren, Pankreastumoren, Kolonkarzinome


Einleitung

Im Bereich der pädiatrischen Onkologie wurden in den letzten drei bis vier Jahrzehnten deutliche Therapieerfolge erzielt, zumindest teilweise durch die zunehmende Vernetzung innerhalb der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie (GPOH) und den Aufbau von Strukturen zur Erfassung, Dia­gnostik, Therapie und Nachsorge [1]. Es gibt jedoch eine Reihe von pädiatrischen Neoplasien, die aufgrund ihrer Seltenheit außerhalb dieser Strukturen behandelt werden (Tab. 1). Diese seltenen Tumoren zeichnen sich durch zwei Merkmale aus: Ihre Inzidenz ist mit < 2/1.000.000 (entsprechend < 10 Neudiagnosen/Jahr in Deutschland; s. Tab. 2) ausgesprochen niedrig, und sie werden nicht in den kooperativen Therapieoptimierungsstudien der GPOH erfasst oder in Forschungsprojekten molekulargenetisch charakterisiert und klassifiziert („orphan disease“; [2]). 

Es handelt sich bei diesen im Kindes- und Jugendalter seltenen Erkrankungen um eine heterogene Gruppe von Tumoren unterschiedlicher Biologie und klinischer Charakterisierung (Tab. 2), bei einigen handelt es sich um seltene, aber klassische pädiatrische (embryonale) Tumoren (z. B. Pankreatoblastom), einige sind in jedem Alter selten (z. B. pleuro-pulmonales Blastom, Mesotheliom), andere sind selten bei Kindern, aber häufig bei Erwachsenen (sog. Tumoren des adulten Typs wie Kolonkarzinome, Melanome). Derzeit sind Ätiologie und Risikofaktoren dieser seltenen pädiatrischen Tumoren noch nicht gut verstanden. Mit zunehmendem Alter spielen Umweltfaktoren wie Rauchen oder Alkohol eine größere Rolle in der Karzinogenese. Im Gegensatz dazu sind angeborene Faktoren wie eine fehlgesteuerte Embryogenese Ursachen der Entstehung klassischer pädiatrischer Tumoren.

Wir nehmen an, dass die Tumorentwicklung bei seltenen pädiatrischen Tumoren vom adulten Typ eine Kombination aus genetischer Prädisposition, immunologischen Faktoren und früher Exposition gegenüber den Krebs fördernden Umweltfaktoren sein kann, die sich von den typischen Karzinogenen des Erwachsenenalters unterscheiden können. Nicht nur die kurze Latenz zwischen Exposition und Diagnose bleibt ungeklärt, es gibt auch einige Hinweise, dass Biologie und klinische Merkmale von Tumoren des adulten Typs bei Kindern und Jugendlichen nicht die gleichen sind wie bei Erwachsenen. Daher können die Therapieleitlinien der Erwachsenen-Onkologie nicht bedenkenlos auf Kinder und Jugendliche übertragen werden; Experten auf dem Gebiet der Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit seltenen Tumoren sollten hinzugezogen werden. 

Erfreulicherweise hat sich die Behandlungssituation von Kindern und Jugendlichen mit seltenen Tumoren seit einigen Jahren graduell verbessert, indem tragfähige nationale und internationale Strukturen entwickelt wurden. Im Jahre 2006 wurde in Deutschland die Arbeitsgruppe für seltene kindliche Tumoren in der GPOH gegründet, hieraus ging 2012 das prospektive GPOH-Register „Seltene Tumorerkrankungen in der Pädiatrie“ (STEP) hervor (Abb. 1; [3]). In den ersten Jahren konzentrierte sich die Arbeitsgruppe auf den Ausbau eines Kompetenznetzwerkes und von Beratungsstrukturen für seltene Tumoren im Kindes- und Jugendalter. Der behandelnde Arzt steht in der Regel vor der Aufgabe, Informationen zu diagnostischen und therapeutischen Strategien neu erarbeiten zu müssen, der seltene Tumor ist ihm oft unbekannt, wurde nicht selten verspätet diagnostiziert und befindet sich in fortgeschrittenem Stadium. Dabei ist die Datenlage in der internationalen Literatur dünn und basiert oft nur auf Fallberichten. Somit ist der Evidenzgrad für die Behandlung der Patienten gering [4]. 

Abb. 1 zeigt die Vernetzung des STEP-Registers innerhalb der Strukturen der GPOH. Im Mittelpunkt stehen das nationale und internationale Expertenteam, die Einbindung referenzdiagnostischer und -therapeutischer Institutionen sowie das klinische und epidemiologische Register (s. Abb. 2). Auch durch eine starke internationale Vernetzung wird es zunehmend möglich sein, bessere Aussagen zu Häufigkeit und klinischen Besonderheiten bei diesen seltenen Tumorerkrankungen zu treffen und Therapiekonzepte zu entwickeln. Etliche Analysen zu seltenen Tumoren im Kindes- und Jugendalter sind bereits entstanden, Therapieempfehlungen sind in Arbeit. Für viele seltene Tumoren können zudem detaillierte Empfehlungen beim Beratungsgremium der Europäischen Kooperativen Arbeitsgruppe für pädiatrische seltene Tumoren angefordert werden (EXPeRT; www.raretumors-children.eu/; [5]).

Melanome

Das kutane Melanom ist mit einer jährlichen Inzidenzrate von etwa 20 pro 100.000 Einwohner einer der häufigsten bösartigen Tumoren bei Erwachsenen, dabei steigt die Inzidenz weiter um 4,1% pro Jahr (insbesondere bei älteren Männern; [6]). In der Kindheit ist das Melanom trotz ebenfalls steigender Erkrankungszahlen immer noch sehr selten. In der ersten Lebensdekade liegt die Inzidenz bei etwa 0,7–0,8 Fällen pro eine Million Einwohner, bei Jugendlichen jedoch bereits bei mehr als 10 Fällen/Million [7, 8].

Die Ätiologie der malignen Melanome im Kindes- und Jugendalter ist noch nicht gut verstanden; bekannt ist jedoch, dass eine UV-Bestrahlung während der Kindheit eine entscheidende Rolle spielt. Wenige Patienten (< 10%) zeigen eine genetische Prädisposition wie das atypische Naevi-Syndrom oder Mutationen des Cyclin-abhängigen Kinase-Inhibitors 2A oder der Cyclin-abhängigen Kinase 4 [9]. Weitere Risikofaktoren für die Entstehung eines Melanoms sind Überleben nach einer malignen Erkrankung im Kindesalter, eine langanhaltende Immunsuppression und das Vorhandensein eines Riesenzell-Nävus.

Eine besondere Herausforderung stellt bei jungen Patienten die Differenzialdiagnose zwischen echten malignen Melanomen, Spitz-Nävi und anderen spitzoiden Tumoren, sog. MELanocytic Tumors of Unknown Malignant Potential (MELTUMP) dar. Eine konsequente referenzhistopathologische Untersuchung unter Verwendung molekulargenetischer Methoden ist notwendig [10]. Maligne Melanome sind vor allem im Kindesalter sehr selten, Fälle mit infauster Prognose kommen jedoch vor, und eine frühe Diagnosestellung ist entscheidend für die Prognose. Andererseits folgen die melanozytären Läsionen im Kindesalter nicht immer der klassischen ABCD-Regel (Asymmetrie, unregelmäßige Begrenzung, ungleichmäßige Kolorierung, Durchmesser > 5 mm), es zeigen sich gehäuft noduläre und amelanozytäre Formen [11]. Wie bei Erwachsenen ist jedoch das superfiziell-spreitende Melanom am häufigsten, Lentigo-maligna- und akral-lentiginöse Melanome sind extrem selten.

Die Diagnostik orientiert sich an den Leitlinien für Erwachsene [12]. Bei klinischem Verdacht auf ein Melanom nach dermatoskopischer Beurteilung sollte die Sicherung der Diagnose durch eine Exzisionsbiopsie und nachfolgende histologische, referenzhistologische sowie molekulargenetische Untersuchung erfolgen. Ab Stadium IB sollten eine Sonographie der Lymphknoten und die Bestimmung des Tumormarkers S100B erfolgen, ab Stadium IIC eine MRT-Untersuchung des Schädels und ein Ganzkörper-MRT. Eine Biopsie des Wächterlymphknotens sollte ab einer Tumordicke von 1 mm und im Falle einer Mikrometastasierung in der Regel eine radikale Lymphonodektomie der Lymphknotenstation durchgeführt werden. Während sich bei Erwachsenen in diesem Falle ca. 20% weitere Lymphknotenmetastasen finden, können bei spitzoiden Tumoren im Kindesalter Mikrometastasen im Wächterlymphknoten vorkommen, ohne dass eine echte Lymphknoten-Metastasierung vorliegt und die Prognose signifikant eingeschränkt wird [13]. Daher wird bei spitzoiden Melanomen im Kindesalter zunehmend auf eine Wächterlymphknoten-Biopsie verzichtet. Jedoch gibt es für dieses Vorgehen bisher keinen Konsensus.

Das Gesamtüberleben von Kindern und Jugendlichen mit Melanomen ist günstig und liegt zwischen 91% und 95% [11, 13]. Wie bei Erwachsenen sind für die Prognose das Tumorstadium nach TNM, die Tumordicke nach Breslow und der Nachweis einer Ulzeration von prognostischer Bedeutung. 

Therapeutisch ist eine Resektion mit ausreichendem Sicherheitsabstand Hauptpfeiler der Therapie. Dieser sollte bei In-situ-Melanomen 0,5 cm betragen, bei Tumoren mit einer Eindringtiefe von < 2 mm nach Breslow werden 1 cm und bei ≥ 2 mm werden 2 cm empfohlen [12]. Bei zusätzlichen Risikofaktoren wie einer Ulzeration oder einem hohen Infiltrations-Level nach Clark kann ein größerer Sicherheitsabstand erwogen werden. Eine adjuvante Therapie mit Interferon-α2a oder -α2b konnte in prospektiven randomisierten Studien bei Risikopatienten mit Melanomen metastatische Rezidive verhindern; die Rolle beim spitzoiden Melanom wird jedoch kontrovers diskutiert [14].

Optionen für Patienten in inopera­blem Stadium III und Stadium IV umfassen eine gezielte BRAF- und/oder MEK-Inhibitor-Therapie sowie eine Immuntherapie (CTLA4 und/oder PD1-Inhibitoren). Im Allgemeinen liegen nur sehr wenige pädiatrisch-melanomspezifische Daten vor, aber die Ergebnisse verschiedener klinischer Studien, in denen diese Wirkstoffe eingesetzt wurden, lieferten empfohlene Dosierungen und Bewertungen der Sicherheitsprofile bei jüngeren Patienten. Angesichts der insgesamt sehr ungünstigen Prognose ist eine Behandlung in interdisziplinärer Kooperation mit pädiatrischen Onkologen und spezialisierten dermato-onkologischen Studienzentren zu empfehlen. 

Speicheldrüsenkarzinome

Während bei Erwachsenen Kopf- und Halskarzinome bevorzugt in der Epithelschicht von Mund und Rachen auftreten, ist bei Kindern und Jugendlichen die Speicheldrüse eine häufige Lokalisation. Differenzialdiagnostisch muss neben den häufigeren Tumormanifestationen im HNO-Bereich durch Lymphome, Sarkome, Neuroblastome und Keimzelltumoren auch an entzündliche Läsionen gedacht werden. Im Zweifelsfall ist daher vor einer definitiven operativen Therapie die Bestimmung der entsprechenden Tumormarker (Katecholamine, AFP, β-HCG) bzw. eine diagnostische Biopsie zu empfehlen. Tumoren können in jeder Drüse einschließlich der kleinen palatinalen Drüsen auftreten. Sie können schmerzlose, sichtbare und tastbare Massen sein und in der Ohrspeicheldrüse manchmal zur Gesichtslähmung führen. Bei Kindern und Jugendlichen überwiegen – meist pleomorphe – Adenome. Die häufigsten Karzinome sind das Mukoepidermoid- und das Azinuszellkarzinom [15]. Beide gelten als Tumoren mit geringem malignem Potential, die selten Fernmetastasen aufweisen. Sie können jedoch infiltratives Wachstum zeigen und somit zu lokoregionären Rezidiven führen, wenn die Resektionsränder nicht frei sind [16]. Darüber hinaus können sich insbesondere bei schlecht differenzierten Karzinomen Metastasen in den regionalen Lymphknoten entwickeln. Adenome und die meisten niedrig-gradigen Karzinome werden durch eine partielle oder totale Parotidektomie geheilt. Da sich Tumoren häufig im Oberlappen der Ohrspeicheldrüse entwickeln, ist die Präparation des Gesichtsnervs und sein Monitoring während der Operation von entscheidender Bedeutung. Eine „Neck dissection“ sollte durchgeführt werden, wenn Lymphknotenmetastasen nachweisbar sind oder bei hochgradigen Tumoren. Die Rolle der Bestrahlung bleibt umstritten, und in Anbetracht der insgesamt guten Prognose dieser Tumoren sollte sie hochgradigen Tumoren oder Rezidiven vorbehalten bleiben [17, 18]. Die Therapie des klassischen Adenokarzinoms folgt den Leitlinien für erwachsene Patienten und kombiniert eine aggressive chirurgische Therapie mit adjuvanter Strahlentherapie und Chemotherapie meist unter Einsatz von Platinderivaten.

Die Prognose der Speicheldrüsenkarzinome ist sehr günstig. In einer bisher unveröffentlichten Studie der europäischen EXPeRT-Arbeitsgruppe zeigte sich ein Gesamtüberleben von fast 100%, lokoregionäre Rezidive traten allerdings bei gut 10% der Patienten auf.

Seltene gonadale Tumoren

Die Gruppe der gonadalen Tumoren umfasst eine Vielzahl von Entitäten, die sich klinisch, histologisch und biologisch unterscheiden. Bei jungen Männern stellen testikuläre Keimzelltumoren (Germ Cell Tumours, GCT) die häufigsten soliden Tumoren dar. Andere Tumorarten wie Keimstrangstroma-Tumoren (Sex Cord Stromal Tumours, SCST) sind außerordentlich selten. Letztere werden mit hoher inguinaler Orchiektomie behandelt und benötigen – von wenigen Ausnahmen abgesehen – keine adjuvante Therapie. Ovarialtumoren können aus allen histologischen Komponenten des Ovars entstehen. Darüber hinaus können Tumoren im Eierstock eine Metastasierung eines abdominalen Tumors wie eines Adenokarzinoms des Magens darstellen. Neben GCT, SCST, ovariellen kleinzelligen Karzinomen vom hyperkalzämischen Typ (Ovarian Small Cell Carcinoma Hypercalcemic Type, OSCC-HT) sowie epithelialen Tumoren können Zyst­adenome, Borderline-Tumoren und Adenokarzinome (klassisches Ovarialkarzinom) vorkommen.

Ovarialtumoren werden häufig erst als große Tumoren erkannt, die zu einer sichtbaren und tastbaren Schwellung des Abdomens oder zu Müdigkeit führen. Bei einigen Patienten kann eine Ovarialtorsion oder eine Tumorruptur zu schweren akuten Bauchschmerzen führen und eine Notfall-Laparotomie erforderlich machen. Das radiologische Staging umfasst eine Ultraschalluntersuchung des Abdomens und eine Magnetresonanztomographie. Sertoli-Zell-Tumoren (Sertoli-Leydig Cell Tumours, SLCTs) können mit einer Hormonsekretion assoziiert sein, die neben Inhibin als serologischer Tumormarker dienen kann. Bei jungen Frauen können die Tumoren zu einer primären oder sekundären Amenorrhö und zu unspezifischen Virilisierungs-Zeichen führen. Bei einigen SLCT wurde eine Sekretion von Alpha-1-Fetoprotein berichtet. Histologisch weisen die meisten dieser Tumoren eine retiforme Differenzierung und heterologe Elemente auf [19]. 

Keimstrangstromatumoren treten in Zusammenhang mit verschiedenen erblichen Erkrankungen auf, beispielsweise juvenile Granulosa-Zell-Tumoren im Rahmen einer multiplen Enchondromatose (Ollier-Krankheit) und Keimstrangstroma-Tumoren mit annulären Tubuli bei Peutz-Jeghers-Syndrom. Die DICER-1-

Keimbahnmutation prädisponiert neben SLCT auch für pleuro-pulmonale Blastome, Schilddrüsenkarzinome und andere [20, 21]. 

Ein OSCC-HT kann sich auch bilateral entwickeln und im Rahmen einer SMARCA4-Keimbahnmutation familiär vorkommen [22]. Entsprechend der Klassifikation der WHO und der International Federation of Gynecologic Oncology (FIGO) für GCT kann diese auch auf SCST übertragen werden [23]. 

Alle Eierstocktumoren erfordern eine chirurgische Resektion in toto. Eine Biopsie ist kontraindiziert und eine organ­erhaltende Operation (z. B. Enukleation eines zystischen Tumors) sollte nur wenigen Patienten mit bilateralen Tumoren oder nachgewiesenen gutartigen Tumoren vorbehalten bleiben, da eine Tumoraussaat in den Bauchraum mit einem erhöhten Rückfallrisiko verbunden sein kann. Im Stadium I kann die Therapie auf eine Ovar­ektomie beschränkt werden, bei Tumoren im Stadium II oder III ist eine einseitige Adnektomie indiziert. Eine Hyster­ektomie sollte bei Frauen im gebärfähigen Alter vermieden werden. Das chirurgische Staging kann auf die Resektion verdächtiger Lymphknoten beschränkt sein.

Die Erfahrung bezüglich adjuvanter Chemotherapie bei Patienten mit diesen seltenen Tumoren ist sehr begrenzt und bedarf weiterer prospektiver Analysen. Die Gesamtprognose von SCST ist günstig und die Heilungsraten liegen bei über 80% [24]. 

Bei Patienten mit Tumoren im Stadium I erfolgt nach Resektion lediglich eine Nachsorge, während Patienten mit peritonealer Ausbreitung eine adjuvante Chemotherapie erhalten sollten (z. B. vier Zyklen Cisplatin, Etoposid, Ifosfamid). Alle Patienten mit Tumoren im Stadium IC und malignem Aszites oder präoperativer Tumorruptur sollten eine Chemotherapie erhalten, da das Ergebnis dieser spezifischen Gruppe ansonsten schlecht ist. Darüber hinaus sollten SLCT aggressiver behandelt werden als andere SCST, da sie bereits nach einer minimalen Tumoraussaat während der Operation rezidivieren können [25]. In Anbetracht des unabhängig vom Stadium extrem aggressiven Verlaufs von OSCC-HT benötigen alle Patienten in der Erstlinie eine Chemotherapie (z. B. Cisplatin, Ifosfamid und Doxorubicin). Auch eine Hochdosistherapie kann eingesetzt werden, um den therapeutischen Erfolg zu konsolidieren [26].

Die Behandlung anderer epithelialer Tumoren wie Zystadenom und Adenokarzinom folgt den entsprechenden Leitlinien bei Erwachsenen. Die Indikation für eine adjuvante Chemotherapie basiert auf dem Stadium und der histologischen Differenzierung. Bei gut differenzierten Tumoren im Stadien IA erfolgt lediglich eine Nachsorge, im Stadium IA mit schlechter Differenzierung (G3) sowie im Stadium IC oder höher werden sechs Zyklen Carboplatin und Paclitaxel empfohlen [27, 28].

Pankreastumoren

Primäre maligne Pankreastumoren bei Kindern und Jugendlichen sind ex­trem selten. Brecht et al. identifizierten 228 Patienten im Alter < 30 Jahre mit primärem pankreatischem Malignom in der US-amerikanischen Surveillance, Epidemiology und End Results (SEER)-Datenbank, entsprechend einer Inzidenz von 0,46/1.000.000 [29].

Das histologische Spektrum von Pankreastumoren variiert mit dem Alter. Pankreatoblastome machen 25% der pädiatrischen Fälle aus und können mit einem Beckwith-Wiedemann-Syndrom assoziiert sein [30]. Solide pseudopapilläre Neoplasien (SPN) sind typische Entitäten junger Frauen. Sie haben ein geringes malignes Potential und zeigen ein langsames Wachstum. Während das duktale Adenokarzinom bei Erwachsenen der häufigste maligne Pankreastumor ist, ist es im Kindesalter extrem selten. Es ist in allen Altersgruppen mit einem ungünstigen Verlauf assoziiert und weist eine 15-Jahres-Überlebensrate von 23% auf [31].

Azinuszell-Karzinome (ACCs) entstehen aus den exokrinen Azinuszellen, die Pankreasenzyme sezernieren. Sie wachsen bei Jugendlichen weniger aggressiv als bei Erwachsenen [32]. Endokrine Pan­kreastumoren, auch Inselzell-Tumoren genannt, können von jedem Zelltyp der Langerhans-Inseln abstammen. Benigne (Adenome) oder maligne Tumoren (Karzinome) werden anhand von Histologie und klinischem Erscheinungsbild unterschieden. Sie machen 1–2% aller Pankreas-Neoplasien in allen Altersgruppen aus. Insulinome und Gastrinome können selten sporadisch auftreten. In den meisten pädiatrischen Fällen sind sie jedoch mit einer multiplen endokrinen Neoplasie 1 (MEN 1) assoziiert. Bis zur vierten Lebensdekade entwickeln etwa 40% der MEN-1-Träger ein Gastrinom und 10% ein Insulinom [33]. Die Mehrzahl der Insulinome ist gutartig. Im Gegensatz dazu sind nur 40% der Gastrinome und 20–30% der Glukagonome gutartig, obwohl Metastasen spät auftreten können.

Patienten mit Tumoren der Bauchspeicheldrüse präsentieren sich häufig im fortgeschrittenen Stadium mit einer tastbaren Tumormasse, Bauchschmerzen und Allgemeinsymptomen wie Gewichtsverlust und Müdigkeit. Tumoren, die vom Pankreaskopf abstammen, können mechanische Obstruktionen des Duodenums, einen Ikterus oder gastrointestinale Blutungen hervorrufen. Aktive endokrine Tumoren können zu spezifischen Symptomen je nach produzierten Hormonen führen, z. B. Hypoglykämien bei Insulinomen oder Durchfall und Magengeschwüren bei Gastrinomen. Zum Staging gehört eine Ultraschalluntersuchung des Abdomens. Insbesondere bei Verdacht auf ein Pankreatoblastom sollte eine CT- oder MRT-Untersuchung des Abdomens sowie eine Skelettszintigraphie durchgeführt werden. Ein Pankreatoblastom kann typischerweise mit der Sekretion von α-Fetoprotein assoziiert sein. Eine präoperative endoskopische retrograde oder Magnetresonanz-Cholangiopankreatikographie (ERCP oder MRCP) wird bei Dilatation des Gallen- oder Pankreasgangs durchgeführt. Bevor eine therapeutische Entscheidung getroffen wird, ist bei den meisten Patienten eine Tumorbiopsie notwendig.

Die vollständige Tumorresektion ist der Eckpfeiler der Behandlung, da die meisten Tumoren nicht oder nur wenig radio- oder chemosensitiv sind. Nur das Pankreatoblastom, das sich ähnlich wie das Hepatoblastom verhält, kann mit dem Chemotherapie-Regime PLADO (Cisplatin/Doxorubicin) behandelt werden. So zeigt das Pankreatoblastom eine günstige Prognose mit einem ereignisfreien Überleben von 59% und einem Gesamtüberleben (OS) von 79% [34]. SPNs sind bei kompletter Resektion in 95% der Fälle heilbar [35]. Eine unvollständige Resektion ist jedoch in 73% der Fälle mit einem lokalen Rezidiv assoziiert. In den extrem seltenen metastasierten Fällen zeigt eine Therapie mit Ifosfamid, Cisplatin und Etoposid teilweise Ansprechen [35]. Im Falle eines Insulinoms erfordert das Risiko einer schweren Hypoglykämie die Verabreichung von hochdosierter intravenöser Glukose und subkutanem Glukagon und Octreotid. Bei einem Gastrinom, das eine Hyper­gastrinämie und eine überschüssige Magensäuresekretion verursacht, besteht die konservative Therapie zur Linderung der Symptome aus oralen Protonenpumpen-Hemmern. Das beste Langzeitüberleben wurde im Falle einer vollständigen chirurgischen Resektion, bei Fehlen von Lebermetastasen oder deren aggressiver Behandlung beobachtet [36].

Kolorektale Karzinome

Während das Kolonkarzinom das dritthäufigste Malignom im Erwachsenenalter ist, kommt es im Kindes- und Jugendalter extrem selten vor, insbesondere vor der Pubertät. In der US-amerikanischen SEER-Datenbank wurden in einem Zeitraum von 1973–2006 nur 31 Fälle im Alter < 15 Jahren und 143 Fälle im Alter von 15–19 Jahren beschrieben, zur gleichen Zeit jedoch 584.427 Fälle bei Erwachsenen [15]. Die bisher veröffentlichten Serien von pädiatrischen kolorektalen Karzinomen lassen vermuten, dass sich diese biologisch aggressiver verhalten [37, 38]. Im Vergleich zu den im Erwachsenenalter beschriebenen Tumorcharakteristika zeigt sich eine Tendenz hin zu ungünstigen Histologien wie Siegelringkarzinomen oder muzinösen Adenokarzinomen, fortgeschrittenen Tumorstadien mit Peritonealkarzinose bei Diagnosestellung und damit ein schlechteres Überleben als im Erwachsenenalter. In einer retrospektiven Analyse des STEP-Registers zeigten 42% aller Patienten mit einem Kolonkarzinom im Kindesalter und einer erfolgten humangenetischen Untersuchung eine Tumorprädisposition – in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle handelte es sich um ein Lynch-Syndrom [37]. Interessanterweise zeigt sich im Falle des Vorliegens einer Tumorprädisposition, insbesondere einer Mutation in den DNA-Mismatch-Repair-Genen, ein weniger aggressiver Verlauf und ein besseres Überleben. Ein signifikanter Anteil dieser Patienten erkrankte jedoch im weiteren Verlauf an einem zweiten Tumor (Lymphome, Hirntumoren). Genetische Beratung und Untersuchung sind daher immer indiziert.

Diagnostik und Behandlung richten sich aufgrund des Mangels an eigenen klinischen pädiatrischen Studien nach den Richtlinien für Erwachsene. Die komplette Resektion mit Sicherheitsabstand steht im Vordergrund der Therapie, gegebenenfalls muss sie durch eine multiviszerale Resektion, Peritonektomie oder hypertherme intraperitoneale Chemoperfusion (HIPEC) ergänzt werden. Im TNM-Stadium T1–2, N0, M0 bleibt die Resektion die einzige Therapie, eine adjuvante Chemotherapie mit z. B. 5-Fluo­rouracil/Folsäure (5-FU/FA) sollte jedoch bei Lymphknoten-Befall (Stadium II) eingesetzt werden. Neuere chemotherapeutische Substanzen sind Capecitabin, Oxaliplatin und Irinotecan, bei Kolonkarzinomen effektive Target-Therapien sind Bevacizumab, Cetuximab, Panitumumab, Bortezomib, Gefitinib. Pembrolizumab wurde in den USA im Jahr 2018 auf Basis der Daten der 

KEYNOTE-164-Studie [39] auch für die Behandlung von Kindern zugelassen, die an einem fortgeschrittenen Kolonkarzinom mit Mikrosatelliteninstabilität erkrankt sind.

Rare Tumors in children and adolescents

Summary

Rare tumors in children and ado­lescents are a very heterogeneous group of tumors, which may either present with a typical paediatric cancer type (e. g. pancreatoblastoma) or with an 'adult type' tumour (e. g. colorectal carcinoma or melanoma). They are defined by their low incidence rate (< 0.2/100,000 patients) and by the lack of clinical trials for these specific entities (‘orphan diseases’). However, incidence rates and the spectrum of malignancies change considerably with age, and they may present with highly variable biology and clinical behaviour. Due to their rarity it is impossible to perform clinical trials, and biological studies are limited. Lately, national working groups for rare tumors have been founded in order to overcome these limitations. In Germany, the pediatric rare tumor study group „Seltene Tumorerkrankungen in der Pädiatrie” (STEP) started its work in 2006. A registry was created, which by the end of 2017 had registered more than 500 rare tumor patients. The aim is to provide better guidance for di­agnosis and therapy of these orphan tumors by building consultation networks and by developing consensus therapy recommendations. Moreover, STEP also focuses on the analysis of genetic predispositions in patients with rare tumors and the detection of therapeutic targets in aggressive tumors.

Keywords: Rare pediatric tumours, melanoma, salivary gland tumours, rare gonadal tumours, pancreatic tumours, colorectal carcinoma 

Autoren
PD Dr. med. Ines Brecht
Pädiatrische Onkologie und Hämatologie Kinderheilkunde I
Universitätskrankenhaus Tübingen
Prof. Dr. med. Dominik T. Schneider
Klinik für Kinder- und Jugendmedizin
Klinikum Dortmund