Hauttumoren: von der Adjuvanz zu neuartigen Substanzen
AACR-Jahreskongress, Chicago, 14.–18. April 2018
Die wichtigste Krebsforschungsorganisation neben der American Society of Clinical Research (ASCO) ist die American Association of Cancer Research (AACR), die deutlich älter ist (1907 gegründet) und neben der klinischen auch die onkologische Grundlagenforschung stark fördert. Auf ihrem im Frühjahr durchgeführten Jahreskongress werden regelmäßig auch wichtige klinische Studienergebnisse präsentiert, die nicht mehr bis zum ASCO-Kongress im Juni „warten können“. Dieses Jahr waren zum Beispiel interessante Neuerungen zu Hauttumoren zu hören.
Dass die Kombination aus dem PD-1-Inhibitor Nivolumab und dem Anti-CTLA-4-Antikörper Ipilimumab das progressionsfreie Überleben von Patienten mit nicht vorbehandeltem fortgeschrittenem Melanom verlängert, war als das erste Ergebnis der Phase-III-Studie CheckMate-067 bereits vor einigen Jahren publiziert worden [Larkin J et al. N Engl J Med] und hatte umgehend zur Zulassung der Kombination für diese Indikation in den USA ebenso wie in der Europäischen Union geführt. Beim AACR-Kongress konnte Studienleiter James Larkin, London, nun die Daten für das Gesamtüberleben vorstellen, die seinerzeit von der FDA als Bedingung für die beschleunigte Zulassung gefordert worden waren:
Die 945 Patienten mit nicht vorbehandeltem Melanom hatten randomisiert Ipilimumab, Nivolumab oder eine Kombination beider Antikörper erhalten. Nach median 28 Monaten Nachbeobachtungszeit, so Larkin, liegt die mediane Überlebensdauer unter der Ipilimumab-Monotherapie bei 20 Monaten, für die beiden anderen Arme ist der Medianwert noch nicht erreicht. Die 2-Jahres-Überlebensraten lagen für die drei Arme bei 45%, 59% und 64%. In einer rein deskriptiven Analyse, für die das Studiendesign nicht gepowert war, war das Mortalitätsrisiko unter der Kombination um 12% niedriger als unter der Nivolumab-Monotherapie (Hazard Ratio 0,88). Allerdings waren Nebenwirkungen vom Grad 3 oder höher im Kombinationsarm mit 58% doppelt so häufig wie unter Ipilimumab alleine (28%) und beinahe dreimal so häufig wie unter Nivolumab alleine (21%). Am häufigsten waren dabei Diarrhö/Kolitis und Hepatitis, die in allen Fällen handhabbar waren, aber das Risiko für solche Toxizitäten muss bei der Therapieentscheidung mitbedacht werden, so Larkin.
EORTC-Studie: Vorteil für Nivolumab-Ipilimumab in der Adjuvanz
Das maligne Melanom war die erste Tumorentität, bei der die modernen immunonkologischen Therapien erfolgreich eingesetzt wurden und ist jetzt auch die erste, bei der sie es bis in die Adjuvanz geschafft haben. Die Kombination aus den Checkpoint-Inhibitoren Ipilimumab und Nivolumab ist zur Behandlung des fortgeschrittenen malignen Melanoms zugelassen; die Zulassung zur adjuvanten Behandlung von Patienten nach Resektion eines Hochrisiko-Tumors des Stadiums III ist in den USA bereits erfolgt, in Europa wartet man noch darauf. Derweil präsentierte Alexander Eggermont, Villejuif, beim AACR-Kongress die ersten Ergebnisse der EORTC-Studie 1325, in der der PD-1-Inhibitor Pembrolizumab bei 1.019 Hochrisiko-Patienten mit komplett reseziertem, aber nodal positivem Melanom (Stadium IIIA – außer solchen mit Metastasen ≤ 1 mm – IIIB und IIIC – außer solchen mit In-transit-Metastasen) randomisiert und doppelblind gegen Plazebo getestet worden war. Die Patienten im Verumarm hatten 18-mal im Abstand von drei Wochen eine Fixdosis von 200 mg des Antikörpers erhalten.
Bereits nach median eineinviertel Jahren Nachbeobachtungszeit hatte Pembrolizumab beim primären Endpunkt des rezidivfreien Überlebens zu einer signifikanten Verbesserung von 75,4% versus 61,0% nach einem Jahr geführt (Hazard Ratio 0,57; p < 0,0001). Die Ergebnisse waren vergleichbar bei PD-L1-positiven (ko-primärer Endpunkt: HR 0,54; p < 0,0001) und PD-L1-negativen Tumoren (HR 0,47; p = 0,01) sowie in allen übrigen untersuchten Subgruppen.
Diese bemerkenswerte Wirksamkeit von Pembrolizumab in der adjuvanten Situation ging mit einem Nebenwirkungsprofil einher, das keine Überraschungen bot: Am häufigsten waren Immunreaktionen (23,4% gegenüber 5,0% im Plazeboarm), überwiegend vom Grad 1 oder 2 und meist die Schilddrüse betreffend.
Agonisten von Toll-like-Rezeptoren
Ein neuer Weg zur Aktivierung des Immunsystems gegen Tumorzellen wird derzeit mit Agonisten von Toll-like-Rezeptoren (TLR) beschritten. So ist in einem virusähnlichen Partikel (CMP-001) ein CpG-A-Oligonukleotid verpackt, das über den TLR9-Rezeptor tumorassoziierte plasmazytoide dendritische Zellen aktiviert; diese erzeugen daraufhin ein Interferon-reiches Microenvironment im Tumor, das wiederum zytotoxische CD8-positive T-Lymphozyten zu Anti-Tumor-Aktivität stimuliert. Im Test befindet sich CMP-001 derzeit in Kombination mit Pembrolizumab in einer noch laufenden Phase-Ib-Studie, deren erste Ergebnisse Mohammed Milhem, Iowa City, vorstellte. Bisher wurden 68 Patienten mit fortgeschrittenem Melanom behandelt, die gegenüber einer vorangegangenen Anti-PD-1-Therapie resistent gewesen waren. Im Gegensatz zum PD-1-Antikörper wurde CMP-001 direkt in mindestens eine Tumorläsion injiziert, das Ansprechen wurde in allen Läsionen beobachtet.
Die Toxizität war handhabbar, so Milhem, und bestand in erster Linie in Fieber, Nausea und Erbrechen, Kopfschmerzen und Hypotonie bei jeweils nur wenigen Patienten. Die Ansprechrate betrug bei Patienten, die CMP-001 in wöchentlicher Dosierung erhalten hatten, 33,3%. Sieben von zehn Respondern sind nach wie vor in Remission, zwei von ihnen für über 72 Wochen. Rückbildungen wurden auch in nicht mit dem Präparat injizierten Läsionen (kutan, nodal, hepatisch und splenisch) beobachtet. Die Behandlung führte zu einer im Mittel 20-fachen Vermehrung des Zytokins CXCL10 und zu einer verstärkten Infiltration von Tumorläsionen mit CD8-positiven Lymphozyten, zur stärkeren Expression von PD-L1 und zu vermehrter Entzündungsaktivität. Diese ermutigenden Ergebnisse, so Milhem, rechtfertigen die weitere Erprobung des virusartigen Partikel.
Coxsackie-Virus wirksam bei Immuntherapie-refraktärem Melanom
Ebenfalls bei Patienten mit Melanom, bei denen schon ein Checkpoint-Inhibitor versagt hat, wurde in einer Phase-Ib-Studie ein völlig neues Therapiekonzept erprobt: Der CTLA4-Inhibitor Ipilimumab wurde bei bisher 25 solchen Patienten mit dem Coxsackie-Virus A21 (CVA21) kombiniert, das ähnlich wie der beschriebene TLR9-Agonist direkt in Tumorläsionen injiziert wird. Von bisher 22 auswertbaren Patienten, so Brendan Curti, Portland, sprachen elf an (50%), davon vier komplett. Einige Remissionen dauern seit über sechs Monaten an. Nur zwei der 25 behandelten Patienten zeigten durch Ipilimumab verursachte Nebenwirkungen vom Grad 3 oder höher, CVA21 schien bisher überhaupt keine Toxizitäten zu verursachen. Auch diese Ergebnisse müssen natürlich durch größere Patientenzahlen abgesichert werden, so Curti. Zunächst soll dazu die Kohorte der laufenden Studie auf bis zu 70 Patienten aufgestockt werden.
IDO-Inhibition: 50% Ansprechrate in Kombination mit Immuntherapie
Das intrazelluläre Enzym Indolamin-2,3-Dioxygenase (IDO) übt durch den Abbau von Tryptophan einen immunsuppressiven Effekt aus und bewahrt dadurch u. a. maligne Zellen vor der Zerstörung durch das Immunsystem. Die Idee, dass Indoximod, ein Inhibitor des Enzyms, die Wirksamkeit der Checkpoint-Inhibition beim Melanom erhöhen könnte, wurde in einer Phase-Ib/II-Studie überprüft. Während Indoximod im Phase-Ib-Arm ausschließlich mit Ipilimumab kombiniert worden war, konnte in der Phase II jeder zugelassene Checkpoint-Inhibitor gegeben werden, am häufigsten Pembrolizumab. Von bisher 60 eingeschlossenen Patienten, so Yousef Zakharia, Iowa City, sprachen 31 (52%) auf die Kombinationsbehandlung an, davon sechs komplett. In der Studie waren im Gegensatz zu den meisten anderen Melanom-Studien auch neun Patienten mit Aderhaut-Melanom eingeschlossen worden; wenn diese in der Analyse nicht berücksichtigt wurden, lag die Ansprechrate mit 59% noch etwas höher. An Nebenwirkungen höheren Grades wurden vor allem Fatigue, Diarrhö und Nausea registriert, der IDO-Inhibitor scheint keine nennenswerten Toxizitäten zu verursachen. Natürlich müssen auch diese Daten durch größere, randomisierte Studien erhärtet werden, bevor man definitive Schlüsse ziehen kann, so Zakharia