Update zur aktuellen Molekular­pathologie des Lungenkarzinoms

Diagnostik in der Onkologie

Nach einem Paradigmenwechsel, der sich in den letzten 15 Jahren mit der Einführung zielgerichteter Therapien in die Behandlung des früher prognostisch besonders ungünstigen nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms (NSCLC) abspielte, findet aktuell mit der Einführung immuntherapeutischer Ansätze in der Onkologie ein erneuter Umbruch statt [1]. Obwohl die flächendeckende Einführung der molekularpathologischen Diagnostik zur Detektion therapierbarer Treibermutationen immer noch nicht abgeschlossen ist, stehen nach der Einführung der immunhistochemischen Bestimmung von PD-L1 als prädiktivem Marker bereits neue, deutlich stärker herausfordernde Biomarker wie die Bestimmung der Tumormutationslast (Tumor Mutational Burden, TMB) unmittelbar vor der Tür [2]. Dieser Beitrag nimmt zu aktuellen Anforderungen im Bereich der Molekularpathologie Stellung und soll eine Übersicht über die nach den aktuellen Leitlinien zurzeit relevanten molekularpathologischen Veränderungen geben. Zudem werden die in absehbarer Zukunft wichtig werdenden Biomarker inklusive der Tumormutationslast diskutiert.


Schlüsselwörter: Lungenkarzinom, molekularpathologische Diagnostik, Treibermutationen, zielgerichtete Therapie, Immuncheckpoint-Inhibition, PD-L1-Immunhistochemie, Tumormutationslas

Ein Vorteil hinsichtlich der Therapiestratifizierung beim NSCLC ist, dass ausgerechnet diejenige Patientengruppe, die bislang nicht für gerichtete Therapien infrage kam, am ehesten von immuntherapeutischen Ansätzen (IO) profitiert: Zum Beispiel sprechen Raucher, die eine hohe Anzahl von Tumormutationen und damit von Neo-Antigenen aufweisen, eher auf immunonkologische Therapieansätze an als Patienten mit einer klaren Treibermutation. Tumoren mit aktivierenden Aberrationen im Rezeptor für den epidermalen Wachstumsfaktor (EGFR) oder in der anaplastischen Lymphom-Kinase (ALK) sind dagegen in der Regel durch eine niedrige Anzahl an Neo-Antigenen charakterisiert [3, 4].
Generell sollten nur genetische Marker getestet werden, die auch einen Einfluss auf eine molekulare Therapiestratifizierung des Patienten haben können. Auf der anderen Seite müssen sich dia­gnostische Institutionen jedoch der Herausforderung stellen, an einer nur geringen Materialmenge alle Parameter, die für eine Therapieentscheidung nötig sind, in einem angemessenen Zeitraum (zum Beispiel innerhalb von zehn Arbeitstagen) zu testen [5]. Insbesondere bei der Entscheidung zur Erstlinientherapie beim Adenokarzinom der Lunge ist der onkologische tätige Arzt von einer umfassenden, schnellen und klaren molekularpathologischen Untersuchung abhängig, die häufig an winzigen Biopsien durchgeführt werden muss [6].
Dazu sind solide und kosteneffektive Testmethoden nötig, die den hohen Anforderungen des diagnostischen Alltags genügen. Unter dem Schlagwort Next Generation Sequencing (NGS) verbirgt sich mittlerweile ein ganzes Spektrum an verschiedenen Methoden mit unterschiedlicher Routinetauglichkeit. Dabei ist immer mehr Bioinformatik erforderlich, um technisch korrekte und wissenschaftlich gesicherte Befunde zu ermöglichen, denn die Auswertung der Daten aus einem Multi-Gen-NGS-Panel ist etwa deutlich aufwendiger als das bei herkömmlichen Methoden der Fall war. Umgekehrt sind jahrzehntelang bewährte diagnostische Nachweismethoden in relativ kurzer Zeit in manchen Bereichen obsolet geworden (z. B. die Sanger-Sequenzierung im Kontext der Liquid-Biop­sy-Testung).

Treibermutationen

Treibermutationen (Driver mutations) sind für das maligne Wachstum der Tumorzellen verantwortlich. Ihr Auftreten ist ein Schlüssel zum Verständnis der Entstehung eines individuellen Tumors und erlaubt eine zielgerichtete Therapie, da sie in allen klonalen Zellen eines Tumors vorhanden ist [7]. Derzeit sind zielgerichtete Therapien gegen folgende Treibermutationen für die Erstlinientherapie des Lungenkarzinoms in Deutschland zugelassen: Aktivierende Mutationen in EGFR [8], aktivierende Mutation in BRAF (p.V600E; [9]), aktivierende ALK-Fusionen wie EML4-ALK [10], aktivierende ROS1-Fusionen [11]. Des Weiteren bieten aktivierende HER2-Mutationen einen therapeutischen Ansatzpunkt sowie Mutationen, die zu einem Verlust von Exon 14 des MET-Gens führen (Exon 14 skipping mutations; [12]). RET-Fusionen wie z. B. die KIF5B-RET-Translokation sind ebenfalls zielgerichtet über Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) therapierbar [13, 14].

EGFR

Aktivierende Mutationen im epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptor
(EGFR) sind das Paradebeispiel für den Erfolg gerichteter Therapien beim Adenokarzinom der Lunge. Da die Anzahl der möglichen Mutationen sehr groß ist und nicht alle gleichermaßen auf die verschiedenen TKI ansprechen, ist es für die Therapieentscheidung unabdingbar, den genauen Typ der Mutation bzw. der veränderten DNA-Sequenz zu kennen [8, 15].
So sind räumlich begrenzte genetische Veränderungen wie die Punktmutation EGFR p.L858R auch mit nicht-sequenzierungsbasierten Techniken wie der Real-time-Polymerasekettenreaktion (RT-PCR) relativ einfach und kostengünstig nachweisbar. Die molekularpathologische Dia­gnostik der relativ häufigen EGFR-Exon-19-Deletionen sollte jedoch idealerweise mit einer sequenzierungsbasierten Methodik durchgeführt werden, um den genauen Mutationstyp bestimmen zu können. Für einen Überblick über die verschiedenen EGFR-Mutationen wird auf zwei Übersichtsarbeiten verwiesen [16, 17].
Zielgerichtete Therapien gegen den EGF-Rezeptor haben nicht nur das progressionsfreie, sondern auch das Gesamtüberleben von Patienten mit diesen Treibermutationen nachhaltig verbessert [18]. Dennoch entwickeln fast alle Patienten unter der Therapie einen Progress, dem häufig ein klarer molekularer (Resistenz-)Mechanismus zugrunde liegt [19, 20]. Am häufigsten findet sich die sogenannte Gatekeeper-Mutation p.T790M in der Kinase-Domäne des EGFR, die verhindert, dass ein Erst- oder Zweitgenerations-TKI an den Rezeptor binden kann. In verschiedenen Serien konnte ein Vorliegen dieser Veränderung bei bis zu 60% der Patienten mit TKI-Resistenz nachgewiesen werden. Als weitere Resistenzmechanismen wurden MET-Amplifikationen beschrieben, die prinzipiell mit dem MET/ALK-TKI Crizotinib (off-label) behandelbar sind. Weitere Resistenzmechanismen sind Mutationen, die zum Verlust von PTEN führen bzw. Mutationen, die weitere Signalwege aktivieren, z. B. unter Beteiligung von PIK3CA [21].
Inzwischen steht mit der Zulassung von Osimertinib ein Drittgenerations-TKI zur Verfügung, der eine Inhibition des EGF-Rezeptors auch bei Vorliegen der Resistenzmutation T790M ermöglicht. Die Substanz kann darüber hinaus relativ gut die Blut-Hirn-Schranke passieren und zeigt daher eine gute Effektivität gegen ZNS-Metastasen [22].
Derzeit wird in klinischen Studien geklärt, ob ein sequenzieller Therapieansatz zu einem größeren Überlebensvorteil führt [23]. Die Frage ist, ob man längere Überlebensraten erreichen kann, wenn die initiale Therapie mit einem Erst- oder Zweitlinien-EGFR-TKI (Erlotinib, Gefitinib oder Afatinib) stattfindet, die bei Progress und Nachweis der T790M-Mutation von der Zweitlinientherapie mit Osimertinib gefolgt wird oder ob Patienten von einem längeren progressionsfreien Überleben profitieren, wenn sie bereits in der Erstlinie mit Osimertinib behandelt werden.
Bis vor Kurzem war Osimertinib in Deutschland nur bei Nachweis einer T790M-Resistenz-Mutation zugelassen. Auf deren Detektion wird weiter unten im Rahmen der Diskussion zur Rolle der Liquid Biopsy bei soliden Tumoren eingegangen. Seit Juni 2018 gibt es eine Erstlinien-Zulassung für Osimertinib beim metastasierten Adenokarzinom der Lunge mit einer aktivierenden EGFR-Mutation.
Seit der Zulassung von Osimertinib in Deutschland gibt es inzwischen auch erste Erfahrungen mit den Resistenzmechanismen nach einer Drittgenerations-EGFR-Therapie. So konnten wir in dieser Kohorte neben Resistenzmutationen im EGFR-Kodon p.C797 [24] auch aktivierende Mutationen bzw. Genamplifikationen in K-RAS und N-RAS sowie MET-Amplifikationen identifizieren [Daten aus
NOWEL.org]. Die wesentliche Erkenntnis hieraus ist, dass Resistenzen, die sich nach TKI-Therapien entwickeln, häufig ebenfalls gerichtet therapierbar sind, wenn der entsprechende molekulare Mechanismus verstanden werden kann. Dies bedeutet, dass in einer Resistenzsituation unbedingt eine erneute molekularpathologische Analytik an einer Re-Biopsie oder einer Liquid Biopsy (s. u.) angestrebt werden sollte, die idealerweise alle relevanten Resistenzmechanismen diagnostizieren kann.

ALK

Eine weitere Gruppe molekular stratifizierbarer genetischer Veränderungen sind Translokationen, die zu einer aberranten Expression von ALK führen. Die bekannteste hiervon ist die EML4-ALK-Translokation beim Adenokarzinom der Lunge. Da ALK normalerweise im Lungengewebe nicht exprimiert wird, kann eine immunhistochemische Darstellung von ALK als Surrogatmarker für eine EML4-ALK-Gentranslokation dienen. Als Goldstandard galt jedoch lange Zeit eine Break-apart-FISH-Analytik, die auf DNA-Ebene den Bruch des ALK-Gens nachweisen kann. In der Zwischenzeit konnte jedoch gezeigt werden, dass Sequenzier-Ansätze, die entweder auf RNA-Basis das Fusionsprodukt der Translokation oder auf DNA-Basis den Bruchpunkt intronisch bis auf die einzelne Base genau nachweisen können, in Einzelfällen genauere Ergebnisse als eine Immunhistochemie oder FISH-Analytik erbringen können [25].
Für Patienten mit ALK-Fusionen steht inzwischen eine große Anzahl von ALK-TKI zur Verfügung. In der Regel erhalten Patienten initial Crizotinib, das ursprünglich auch als MET-Inhibitor entwickelt wurde. Die unterschiedlichen ALK-Inhibitoren haben ein jeweils spezifisches Aktivitätsspektrum gegenüber den bekannten Resistenzmutationen in der ALK-Kinasedomäne. Daher sollte idealerweise auch in der Resistenzsituation nach einem ALK-TKI eine erneute molekularpathologische Untersuchung angestrebt werden. Die Zahl der verschiedenen möglichen ALK-TKI-Resistenzmechanismen ist vielfältig [26].

BRAF

Kürzlich wurde die Kombinationstherapie aus einem BRAF- und einem MEK-Inhibitor (Dabrafenib und Trametinib) für NSCLC-Patienten zugelassen, die eine BRAFV600-Mutation aufweisen. Diese Kombination zeigte in einer Phase-II-Studie eine Gesamtansprechrate von 63%. Die Toxizität war vertretbar und das Therapieansprechen zum Teil länger andauernd [27]. Diese Kombination war zuvor schon für BRAFV600-mutierte Melanome zugelassen, nun profitiert also auch eine kleine Subgruppe der Patienten mit Lungenkrebs. Bei Lungenkarzinomen ist im Gegensatz zum Melanom nur die V600E-Mutation von BRAF beschrieben worden, nicht die V600K-Mutation.
Die BRAF-Testung sollte daher Bestandteil der Routinetestung sein. Unter den 2% der Patienten, die in unserem Kollektiv (Lungennetzwerk NOWEL.org) eine BRAF-Mutation aufwiesen (14/715), war nur bei sechs eine V600E-Mutation nachweisbar (Abb. 1). Internationale Studien bestätigen die relative Seltenheit der V600E.

Immun-Onkologie

In den letzten zehn Jahren wurden durch den vermehrten Einsatz zielgerichteter Therapien mit Tyrosinkinase-Inhibitoren große Fortschritte in der Therapie des nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms (NSCLC), speziell des Adenokarzinoms, erzielt. Es gibt aber immer noch eine große Gruppe von Patienten, für die bislang keine Möglichkeit einer zielgerichteten Therapie im klinischen Alltag besteht. Dies gilt vor allem für die große Gruppe von Patienten mit KRAS-mutierten Tumoren. Die zumeist durch Tabakrauch-Inhalation entstandenen Adenokarzinome mit zusätzlicher Mutation im TP53-Gen sind ebenfalls sowohl mit konventioneller Chemotherapie als auch mit zielgerichteter Therapie deutlich schwieriger in Remission zu bekommen als die Tumoren, die eine solche funktionelle TP53-Mutation nicht aufweisen [28]. Für diese Patienten zeigen nun die Checkpoint-Inhibitoren, also therapeutische blockierende Antikörper gegen die Immuncheckpoint-Moleküle PD-L1, PD-1 oder CTLA-4 auf Tumor- bzw. Immunzellen, sehr gute Erfolge. Darüber hinaus ist in der Nachbeobachtung häufig ein Plateau bei den Überlebenskurven der mit Checkpoint-Inhibitoren behandelten Patientengruppe erkennbar (Abb. 2).

PD-L1

Bei der Suche nach prädiktiven Markern für immuntherapeutische Ansätze hat sich die immunhistochemische Bestimmung des PD-1-Liganden PD-L1 als gut nachweisbarer Biomarker mit relativ niedrigen Kosten herauskristallisiert. Anfangs herrschte eine gewisse Konfusion, weil für die von verschiedenen Firmen entwickelten Medikamente je nach verwendetem PD-L1-Antikörper unterschiedliche Cut-off-Werte galten. Daher war es wichtig, im Rahmen von Harmonisierungsansätzen in Deutschland sowie im Rahmen der Blueprint-Studie in den USA aufzuzeigen, wie eine PD-L1-Immunhistochemie standardisiert umgesetzt werden kann [29, 30].
In der Zulassungsstudie für die Erstlinientherapie des metastasierten NSCLC mit dem Anti-PD-1-Antikörper Pembrolizumab konnte ein Überlebensvorteil für Patienten gezeigt werden, deren Tumorzellen zu mindestens 50% PD-L1 exprimieren [31]. Für den Anti-PD-1-Antikörper Nivolumab gibt es hingegen keine so klare Trennlinie, hier werden in unterschiedlichen Studien die Abstufungen ≥ 1%, ≥ 5% und ≥ 10% als Beurteilungskriterien he­rangezogen. Des Weiteren zeigte sich, dass auch Patienten mit niedriger oder fehlender PD-L1-Expression zu einem signifikanten Anteil trotzdem auf Immun-Checkpoint-Inhibitoren ansprechen.
In diesem Zusammenhang ist wichtig, dass PD-L1 hochdynamisch reguliert wird, da die PD-L1-Expression der physiologische Mechanismus ist, mit dessen Hilfe eine Immunantwort zeitlich und quantitativ begrenzt werden kann. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die PD-L1-Expression in Tumoren starke Heterogenität aufweist und in Resektaten häufig Areale mit hoher PD-L1-Expression in Nachbarschaft zu vollständig negativen Anteilen des Tumors zu finden sind [32].
Dennoch ist eine PD-L1-Immun­histochemie zum Zeitpunkt der Stratifizierung für eine Erstlinientherapie insbesondere bei Patienten ohne therapierbare Treibermutation wichtig. Empfohlen wird, einen der in klinischen Studien getesteten Antikörper-Klone zu verwenden. Ausgewertet wird der Prozentsatz an Tumorzellen, die eine membranständige PD-L1-Färbung aufweisen, wobei jegliche auch schwache Farbintensität mitbewertet wird [30, 33]. Der pathologische Befund sollte Informationen zum für die Immunhistochemie verwendeten Antikörper-Klon enthalten sowie Angaben zur Färbeplattform und zum Prozentsatz der membranär gefärbten Tumorzellen beinhalten.

TMB und Implikationen für die Therapie

Die Studien mit PD-1-Immuncheckpoint-Inhibitoren wie z. B. die CheckMate-057-Studie konnten zeigen, dass Patienten mit einer hohen PD-L1-Expression präferenziell auf diese Therapien ansprechen. Dabei stellte sich jedoch auch heraus, dass Patienten mit typischen Treibermutationen, wie z. B. aktivierenden Mutationen etwa des EGFR, ein weniger deutliches Ansprechen zeigen [34, 35].
In diesem Zusammenhang ist die Erkenntnis wichtig, dass Patienten mit einer hohen Anzahl von Eiweiß-verändernden Mutationen, d. h. einer hohen Tumormutationslast (TMB), wie sie u. a. durch Nikotin-Abusus, UV-Exposition oder DNA-Reparaturgen-Defekte (Mi­krosatelliten-Instabilität, MSI) hervorgerufen werden, besonders gut von einer Immuntherapie profitieren. So finden sich z. B. EGFR-Mutationen gehäuft in Patienten, die nie oder nur wenig geraucht haben. Besonders Erfolg versprechend scheinen Checkpoint-inhibitoren dagegen bei kutanen Melanomen und bei mit Zigarettenrauch assoziiertem NSCLC (v. a. Plattenepithelkarzinom) zu sein. Diese Entitäten zeichnen sich durch Hunderte bis Tausende von durch UV-Strahlung bzw. Tabak-Karzinogene induzierte Mutationen aus. Diese dürften zur Bildung einer Vielzahl von Neoantigenen führen und sollten daher besonders „fremdartig“, d. h. prinzipiell immunogen sein [36]. Tumoren mit geringerer Mutationslast sprechen dagegen schlechter auf eine Immuntherapie an (z. B. [37]). Bereits 2015 konnten Rizvi et al. [38] zeigen, dass Patienten mit hoher Mutationslast im Tumor stärker von einer Immuntherapie profitieren als Patienten mit einer relativ geringen Anzahl von Eiweiß-verändernden Mutationen.
Daten der Checkmate-026-Studie zeigen, dass Lungentumoren mit hoher PD-L1-Expression (≥ 50%) und gleichzeitig hoher TMB besonders gut auf PD-1-/PD-L1-Checkpoint-Inhibition ansprechen. Die Checkmate-227-Studie konnte zeigen, dass Patienten mit PD-L1-negativen Tumoren mit einer hohen TMB (> 10 Mutationen/MB) von einer Kombinationstherapie mit die Checkpoint-Moleküle PD-1 und CTL-A4 blockierenden Antikörpern profitieren [39].
Dabei stellt sich die Frage, welche Gene für die Bestimmung der Mutationslast entscheidend sind und ab welcher Zahl an Mutationen man von einer signifikanten TMB sprechen kann. Mehrere klinische Studien haben kürzlich eine Korrelation zwischen dem „Total mutational load“ und einem Therapieansprechen gezeigt (Checkmate 026, CheckMate-227). Da ein Whole Exome Sequencing (WES), mit dem sich die Gesamt-Mutationslast nachweisen lässt, aber sehr aufwendig und teuer ist, entwickeln mehrere Diagnostik-Anbieter derzeit TMB-Assays auf verschiedenen Sequenzier-Plattformen, die im Rahmen einer Harmonisierungsstudie von derzeit elf Zentren in Deutschland verglichen werden.
Nach den Daten, die bei den Kongressen der AACR (American Association for Cancer Research) und der ASCO (Amer­ican Society of Clinical Oncology) 2018 präsentiert wurden, ist eine TMB-Bestimmung in Zukunft wohl zumindest für Patienten mit niedriger PD-L1-Expression (< 1%) wichtig. Da die Information über die TMB voraussichtlich für die Entscheidung über eine Erstlinientherapie wichtig sein wird, liegt es nahe, sie zusammen mit allen anderen Parametern primärdiagnostisch an der gleichen Probe zu erheben.
Im Lungennetzwerk NOWEL.org haben erste Erfahrungen gezeigt, dass eine Bestimmung von Treibermutationen (inklusive Mutationen, Translokationen und Kopienzahl-Veränderungen), TMB und MSI-Status an einer DNA-Probe aus Paraffinmaterial, kleinen Biopsien, aber auch Zytologien in 10 Arbeitstagen realistisch ist.

Verfahren

Stufendiagnostik

Speziell beim Lungenkarzinom ergeben sich weitere Herausforderungen für die molekulare Diagnostik (Abb. 3). Häufig ist das Biopsie-Material in Größe und Tumorgehalt limitiert, d. h. es müssen möglichst sensitive Testmethoden zur Anwendung kommen. Außerdem sind die zu erwartenden genetischen Aberrationen relativ komplex und enthalten neben Punktmutationen (z. B. im EGFR-, KRAS-, BRAF-Gen) auch Translokationen (von ALK-, ROS- oder RET-Gen) sowie Gen-Amplifikationen (von HER2, MET). Zum Nachweis der Punktmutationen wie auch kleinerer Insertionen und Deletionen kommen klassischerweise die Sanger-Sequenzierung oder auf Real-time PCR basierende Plattformen wie z. B. der cobas®-Test zum Einsatz. Gen-Amplifikationen und Translokationen konnten bislang nur über FISH (Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung) bzw. Immunhistochemie (z. B. ALK) nachgewiesen werden. Eine relativ neue Form des NGS, das sogenannte Hybrid-Capture NGS ermöglicht den zeitgleichen Nachweis aller genannten Aberrationen in einem Assay und in einem vertretbaren Zeitrahmen von etwa zehn Tagen. Eine vorgezogene Auswertung der wichtigsten Treiber-Gene und deren separate Befundung kann noch ein paar Tage in der aufwendigen Datenanalyse einsparen. Das Hy­brid-Capture NGS kann auf Formalin-fixiertes, in Paraffin eingebettetes (FFPE) Gewebe und auf zytologische Präparate angewendet werden und wird hier auch nach EBM-Ziffer vergütet. Insbesondere mit einer TMB-Testung zum Zeitpunkt der Erstlinientherapie könnte eine Stufendiagnostik obsolet werden.

Liquid Biopsy

Unter dem Begriff Liquid Biopsy vereinen sich grundsätzlich zwei unterschiedliche Analyseformen. Zunächst ist es möglich, intakte, zirkulierende Tumorzellen (CTC, Circulating Tumor Cells) aus dem peripheren Blut zu isolieren. Aufgrund der generell geringen Anzahl an CTC (0–10 CTC/ml Blut) ist eine stabile und routinetaugliche Mutationsanalyse allerdings schwierig und derzeit aufgrund der aufwendigen Methodik diagnostisch nicht relevant.
Für diagnostische Zwecke weitaus zielführender ist die Mutationsanalyse an zellfreier zirkulierender Tumor-DNA (ctDNA, circulating tumor DNA). Diese wird von apoptotischen Tumorzellen in den Blutkreislauf abgegeben, hat eine Fragmentgröße von etwa 170 Basenpaaren und kann prinzipiell zur Mutationsanalyse herangezogen werden. Dazu werden 1–2 Fixierungsröhrchen mit Vollblut benötigt (z. B. der Firma Streck oder Roche), in denen die Tumor-DNA stabilisiert wird. Das Prinzip stammt aus der Pränatal-Diagnostik und beruht auf drei Komponenten. Ein Fixierungs-Agens stabilisiert die Leukozyten und verhindert dadurch ein „Aussickern“ von Wildtyp-DNA. Tumor-DNA liegt im Blut unter Umständen in sehr niedriger Konzentration vor (ca. 0–100 ng/µl), und eine weitere Verdünnung durch DNA aus normalen Körperzellen würde die Nachweisgrenze noch weiter herabsetzen. Weitere Bestandteile bilden DNAse-Inhibitoren und ein Anti-Koagulans.
Von klinischer Seite sind einige einfache, aber entscheidende Punkte bei der Blutabnahme zu beachten. Die Füllhöhe der Röhrchen (ca. 8 ml) sollte eingehalten werden, zu wenig Volumen führt zur Hämolyse, bedingt durch mechanische Beanspruchung beim Transport. Generell kann man die Röhrchen aber bei Raumtemperatur und bequem per Post verschicken; laut Hersteller ist die ctDNA darin für sieben Tage stabil. Das Blut darf nur mit einem dafür vorgesehenen Butterfly-
Adapter (z. B. der Firma BD Biosiences) abgenommen und in die Vacutainer-Röhrchen gefüllt werden; dadurch soll ebenfalls eine Hämolyse verhindert werden.
Wir sehen seit 2015 im Lungen Netzwerk NOWEL.org eine starke Zunahme an Liquid-Biopsy–Anforderungen. Den Großteil machen Rezidiv-Testungen aus; eine Primärdiagnostik am Blutplasma macht nur Sinn, wenn bereits eine zytologische oder histologische Sicherung der Diagnose besteht, aber wegen mangelnden Materials eine Re-Biopsie angestrebt werden müsste. Das Hauptproblem der Liquid-Biopsy-Testung ist und bleibt ihre eingeschränkte Sensitivität. In aktuellen Studien liegt diese für das Lungenkarzinom bei etwa 70–80% [40, 41]. Dies ist gleichbedeutend mit etwa 20–30% falsch-negativen Ergebnissen bei dieser Analysetechnik, weshalb die Gewebetestung weiterhin als Goldstandard anzusehen ist. Die Testung aus dem Plasma kann aber unter bestimmten Voraussetzungen sinnvoll sein, nämlich dann, wenn ein Patient unter bestehender Therapie mit Tyrosinkinase-Inhibitoren progredient ist und damit eine Therapieumstellung erforderlich wird. Wenn dann kein klassisches Tumormaterial gewonnen werden kann, dies vom Patienten abgelehnt wird oder ihm nicht zugemutet werden kann, bietet die Plasma-Testung eine minimal-invasive Alternative zur soliden Tumorbiopsie.
Ist keine Mutation im Blutplasma nachweisbar, so ist das ein möglicher Grund dafür, dass keine ausreichenden Konzentrationen an Tumor-DNA in das Blut gelangen. Deshalb ist es in der Rezidiv-Testung auch wichtig, auf die ursprüngliche Mutation (z. B. EGFR-Exon-19-Deletion) zu testen. Ihr Vorhandensein kann beweisen, dass der Tumor generell in der Lage ist, ctDNA an das Blut abzugeben. Die Spezifität der Liquid-Biopsy-Testung liegt bei annähernd 100%. Dies bedeutet, dass eine EGFR-Mutation, die anhand der Liquid Biopsy bestimmt wird, mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in der soliden Tumorbiopsie vorhanden wäre.
Es gibt vermutlich eine Reihe biologischer Faktoren, die darüber bestimmen, ob ein Tumor ausreichende Mengen an ctDNA ans Blut abgibt (z.B. Größe, Vaskularisierung, Tumorlast, Lokalisation). Die damit einhergehenden Limitationen können auch durch noch so sensitive diagnostische Verfahren nicht ausgeräumt werden. Dennoch ist es wichtig, technisch möglichst ausgereifte, sensitive Testverfahren anzuwenden. Die Sensitivität der Testung kann indirekt weiter durch klinische Parameter erhöht werden, indem Patienten mit entsprechend hoher Tumorlast oder schneller Progredienz getestet werden. Der Grund liegt darin, dass es im Einzelfall nicht vorhersehbar ist, wieviel ctDNA im Vergleich zu Wildtyp-DNA (aus apoptotischen gesunden Zellen, Leukozyten) beim jeweiligen Patienten vorhanden ist. Deshalb ist die Sanger-Sequenzierung für den Mutationsnachweis an ctDNA ungeeignet, regionale und europäische Ringversuche hat diese Methode nicht bestanden. Daher sollten mindestens der cobas®-Test (Kit v 0.2) oder noch besser sensitive NGS-Plattformen (insbesondere Hybrid-Capture) zum Einsatz kommen. Wir verwenden aktuell ein Hybrid-Capture-Verfahren mit einer Nachweisgrenze von 0,1% Tumorallel, womit eine Konkordanz zur herkömmlichen (nicht NGS-basierten) Gewebsdia­gnostik von ca. 90% erreicht wird [40]. Die Bedeutung der Nachweisgrenze (LOD) ist in Abb. 4 dargestellt. Mit einer Nachweisgrenze von 1% gelingt der Nachweis nur in ca. halb so vielen Fällen wie mit einer Nachweisgrenze von 0,1%.
Eine weitere Methode, die zum Mutationsnachweis im Plasma geeignet ist, ist die digitale PCR (auch ddPCR, digital droplet PCR). Hier besteht die Limitation darin, dass nur vorher definierte Mutationen detektierbar sind, weil jeweils spezifische Sonden eingesetzt werden müssen. Hinzu kommt eine relativ hohe Fehlerrate und ein technischer Aufwand, der den Einsatz zu Routinezwecken zurzeit (noch) begrenzt.

Take-home Message

Mit dem rasanten Zuwachs an neuen Therapieoptionen für das Lungenkarzinom und der Entwicklung und Evaluierung neuer möglicherweise prädiktiver Marker wachsen auch die Anforderungen an die Molekularpathologie. Schon jetzt muss an wenig Material eine umfassende Diagnostik in wenigen Tagen geleistet werden. Die Pathologie mit einer hoch-innovativen Ausrichtung und guter In­frastruktur zur Etablierung, Validierung und Implementierung neuer Methoden in der Breite der Versorgung ist optimal aufgestellt, sich dieser Herausforderung zu stellen.


Update on current molecular pathology for lung cancer

Summary

Following a change of paradigm dur­ing the recent 15-year period bearing witness to the introduction of targeted therapies for the treatment of non-small-cell lung cancer, we are currently experiencing a new situation of radical change with the implementation of immunother­apy approaches in oncology [1]. With the nationwide introduction of molecular diagnostics of treatable driver mutations not yet being completed, there are new challenges waiting with the immunohistochemical determination of PD-L1 as a predictive marker as well as the measurement of tumor mutational burden (TMB) as a new challenging biomarker [2]. This article provides the author´s views on current requirements concerning molec­ular pathology and gives an overview on molecular pathologic mutations that are currently relevant.

Autoren
Dr. rer. nat. Markus Falk
Dr. med. Sotirios Lakis
PD Dr. Lukas Heukamp
Institut für Hämatopathologie
Hamburg