Hormonelle und AR-gerichtete Therapien beim frühen Prostatakarzinom

ASCO-GU 2018

Ine Schmale

 

Die adjuvante Androgen-Deprivationstherapie (ADT) sollte entsprechend dem individuellen Risiko eingesetzt werden. In zwei Studien, die beim Genitourinary Cancers Symposium der American Society of Clinical Oncology (ASCO-GU) 2018 in San Francisco präsentiert wurden, wurden Risikofaktoren für einen frühen Progress unter ADT bzw. die Auswirkungen einer längeren ADT auf die Prognose untersucht. Der Nutzen einer intensivierten Therapie des hormonsensitiven, metastasierten Prostatakarzinoms konnte nach Abirateronacetat/Prednison nun auch für Enzalutamid und Apalutamid gezeigt werden. Gegen den Androgenrezeptor (AR) gerichtete Therapien sind auch beim BRCA2-mutierten Prostatakarzinom eine wirksame Therapieoption.

 

Die adjuvante ADT im Fokus diverser Studien

Je nach Höhe des Progressionsrisikos erhalten Patienten mit Prostatakarzinom nach Prostatektomie eine Strahlentherapie und gegebenenfalls eine endokrine Therapie. Die empfohlene Dauer der endokrinen Therapie variiert zwischen vier bis sechs und 24–30 Monaten. Die Phase-III-Studie TROG 03.04 bestätigte diese Vorgehensweise mit einer Nachbeobachtungszeit von zehn Jahren [1].
In der TROG-03.04-Studie (RADAR) erhielten 1.071 Patienten, die zwischen 2003 und 2007 in Australien und Neuseeland rekrutiert wurden, eine Androgensuppression plus Radiotherapie über die Dauer von 18 versus sechs Monaten. Primärer Endpunkt war die Prostatakarzinom-spezifische Mortalität (PCSM). Die Männer waren median 68,7 Jahre alt und zeigten in 66% der Fälle ein hohes sowie in 31% ein mittleres Risiko.
Es wurde eine signifikante Reduktion des Risikos beobachtet, am Prostatakarzinom zu versterben, wenn die Androgensuppression plus Radiotherapie über 18 anstatt 6 Monate gegeben wurde (HR 0,70; p = 0,035). Diese Reduktion der krebsspezifischen Mortalität war bedingt durch eine Verringerung des Risikos für eine Fernmetastasierung um 29% (HR 0,71; p = 0,004; Abb. 1).

Signifikant reduziert wurde durch die längere Gabe von Androgensuppression plus Radiotherapie auch das Risiko für lokale Progression (HR 0,60; p = 0,21), für eine Progression in den Knochen (HR 0,63; p < 0,001), für PSA-Progression (HR 0,65; p < 0,001) und für die Notwendigkeit weiterer therapeutischer Interventionen (HR 0,66; p < 0,001). Das Risiko für eine Progression in Weichgewebe (HR 0,82; p = 0,18) wie auch die Gesamtmortalität (HR 0,84; p = 0,10) wurden durch die unterschiedliche Dauer von Androgensuppression und Radiotherapie nicht signifikant beeinflusst. Die Hinzunahme von Zoledronsäure über die Dauer von 18 Monaten beeinflusste den Therapieerfolg nicht.
Für den Praxisalltag bedeuten die Ergebnisse der TROG-03.04-Studie eine wichtige Bestätigung, dass die längere endokrine Behandlung eine Fernmeta­stasierung verhindern und das krebsspezifische Überleben verlängern kann, so David Joseph, Perth.
Welche Patienten unter einer ADT einen frühen Progress erleiden, untersuchte eine amerikanische retrospektive Studie mit 2.418 Patienten, die zwischen 1987 und 2007 an der Mayo-Klinik wegen eines lokal fortgeschrittenen Tumors eine radikale Prostatektomie mit nachfolgender Salvage-ADT erhalten hatten [2]. Ein früher Progress unter ADT wurde definiert als Entwicklung von Metastasen innerhalb von zwei Jahren ab Beginn der hormonellen Therapie. Primäre Endpunkte waren das krebsspezifische und das Gesamtüberleben (OS). Die Patienten waren im Median 64 Jahre alt und hatten vor Operation einen medianen PSA-Wert von 8,2 ng/ml und in der Mehrzahl einen Gleason-Score von 7 aufgewiesen.
1.060 der Patienten, die eine Salvage-ADT erhalten hatten, zeigten einen systemischen Progress, davon 625 (59%) innerhalb von zwei Jahren nach Beginn der Therapie mit ADT. In einer multivariaten Analyse ging ein pT3-Stadium mit einer Verdoppelung des Risikos für einen frühen Progress einher (Odds Ratio 2,05; p = 0,031), wohingegen eine längere PSA-Dopplungszeit die Wahrscheinlichkeit für einen frühen Progress verringerte (PSA-Verdopplungszeit 3–9 Monate: OR 0,19; PSA-Verdopplungszeit ≥ 9 Monate: OR 0,10; beide p < 0,001).
Nach zehn Jahren betrug die krebsspezifische Überlebensrate 88,8% und die Gesamtüberlebensrate 82,2%, nach 20 Jahren waren 69,9% bzw. 39,5%. Eine PSA-Verdopplungszeit von weniger als drei Monaten und ein PSA-Wert von ≥ 5 ng/ml bei Beginn der ADT (Abb. 2) sind Parameter für eine schlechte Pro­gnose, weswegen diesen Patienten eine aggressivere Therapie angeboten werden sollte, so der praxisrelevante Hinweis von Praful Kumar Ravi, Rochester. Patienten mit längerer PSA-Verdopplungszeit und einem PSA-Wert von < 5 ng/ml hätten ein geringes Risiko und müssten eventuell nicht direkt eine ADT erhalten.

Enzalutamid und Apalutamid verbessern Prognose in hormonsensitiver Situation

Der Nutzen einer Intensivierung der hormonellen Therapie wurde bereits für die Kombination aus Abirateronacetat und Prednison für die Behandlung von Patienten mit hormonsensitivem, metastasiertem Prostatakarzinom gezeigt. Zwei Studien mit Enzalutamid bzw. Apalutamid bestätigen die Strategie des frühen Einsatzes von gegen den AR gerichteten Therapien.
Aufgrund der Überlegenheit von Enzalutamid gegenüber Bicalutamid bei Chemotherapie-naiven Patienten mit nicht metastasiertem (M0), kastrationsresistentem Prostatakarzinom (CRPC) wurde in der doppelblinden Phase-III-Studie PROSPER untersucht, ob Enzalut­amid auch die Entwicklung von Metastasen bei Patienten mit M0-CRPC und kurzer PSA-Verdopplungszeit (< 10 Monate) hinauszögern kann [3]. 1.401 Patienten, davon 690 aus Europa und 204 aus Nordamerika, waren eingeschlossen und wurden im Verhältnis 2 : 1 randomisiert, Enzalutamid plus ADT oder Plazebo plus ADT zu erhalten. Die Patienten waren im Median 73–74 Jahre alt und wiesen mehrheitlich einen ECOG-Performancestatus von 0 auf. Bei 77% war die PSA-Verdopplungszeit kürzer als sechs Monate und bei 23% lag sie zwischen sechs und zehn Monaten. Die mediane PSA-Verdopplungszeit betrug 3,7 Monate.
Im Median wurden die Patienten über eine Dauer von 18,4 Monaten mit Enzalut­amid versus 11,1 Monate mit Plazebo behandelt. 9% der Patienten unter Enzalutamid und 6% der Patienten im Plazebo-Arm gaben als primären Grund für den Therapieabbruch das Auftreten von Nebenwirkungen an. Nebenwirkungen traten bei 87% versus 77% der Patienten auf, Nebenwirkungen vom Grad ≥ 3 bei 31% versus 23% der Patienten. Die Studie erreichte ihren primären Wirksamkeits-Endpunkt: Die metastasenfreie Überlebenszeit (MFS) wurde durch die Enzalutamid-Gabe hochsignifikant von median 14,7 auf 36,6 Monate verlängert (HR 0,29; p < 0,0001; Abb. 3). Die Überlegenheit von Enzalutamid bezüglich des MFS wurde für alle untersuchten Subgruppen bestätigt. Das Risiko für einen biochemischen Progress wurde um 93% reduziert (HR 0,07; p < 0,0001), die mediane Zeit bis zum PSA-Progress betrug 37,2 Monate unter Enzalutamid plus ADT versus 3,9 Monate unter Plazebo plus ADT. Auch die Zeit bis zur folgenden Therapielinie war mit 39,6 versus 17,7 Monaten im Enzalutamid-Arm signifikant verlängert (HR 0,21; p < 0,0001). In einer ersten Zwischenanalyse des Gesamtüberlebens wurde eine bisher nicht signifikante Reduktion des Sterberisikos um 20% durch die Enzalutamid-Gabe festgestellt (HR 0,80; p = 0,1519).

Vergleichbare Ergebnisse wurden mit Apalutamid, einem Androgenrezeptor-Inhibitor der nächsten Generation, erreicht. In der 2 : 1 randomisierten Studie SPARTAN erhielten 1.207 Patienten mit M0-CRPC entweder Apalutamid plus ADT oder Plazebo plus ADT [4]. Primärer Studienendpunkt war das Metastasen-freie Überleben. Als explorative Endpunkte wurden u. a. das progressionsfreie Überleben unter der Folgetherapie (PFS2), definiert als Zeit zwischen Randomisierung und Progress unter der vom Behandler gewählten Folgetherapie, und die Lebensqualität untersucht. Die Studienteilnehmer waren im Median 74 Jahre alt, die mediane PSA-Verdopplungszeit betrug 4,4–4,5 Monate. Bei 71% der Patienten betrug die PSA-Verdopplungszeit weniger als sechs Monate, bei den übrigen sechs bis zehn Monate.
Die Studie erreichte ihren primären Endpunkt: Das mediane MFS wurde durch die Gabe von Apalutamid von 16,2 auf 40,5 Monate hochsignifikant verlängert (HR 0,28; p < 0,0001). Der Therapievorteil wurde für alle untersuchten Subgruppen gesehen. Das mediane PFS betrug 40,5 versus 14,7 Monate (HR 0,29; p < 0,0001), die mediane Zeit bis zum symptomatischen Progress war in beiden Studienarmen noch nicht erreicht (HR 0,45; p < 0,0001). Auch die Zeit bis zum PSA-Progress ist unter Apalutamid noch nicht erreicht, im Plazebo-Arm betrug sie 3,7 Monate (HR 0,06; p < 0,0001). Bezüglich des Gesamtüberlebens wurde ein numerischer Unterschied mit einer Risikoreduktion um 30% beobachtet (HR 0,70; p = 0,07).
Als Folgetherapie erhielt die überwiegende Anzahl der Patienten, die die Studienmedikation beendeten (68% im Plazebo- sowie 46% im Apalutamid-Arm), Abirateronacetat/Prednison oder Enzalutamid. Der Therapieerfolg von Apalutamid wirkte sich auch auf das PFS2 aus: Teilnehmer im Apalutamid-Arm hatten hier den Medianwert noch nicht erreicht, wohingegen für den Plazebo-Arm 39,0 Monate berichtet wurden (HR 0,49; p < 0,0001; Abb. 4). Nebenwirkungen von Grad 3/4 traten bei 45% versus 34% der Patienten auf, klinisch relevante Nebenwirkungen bei 25% versus 23%; 11% versus 7% brachen die Studie aufgrund von Nebenwirkungen ab. Die Lebensqualität laut FACT-P und EQ-5D VAS blieb unter Apalutamid über den bisherigen Studienzeitraum erhalten.

BRCA2-Träger profitieren von AR-gerichteter Therapie

In den letzten Jahren ist die Therapie von Prostatakarzinomen mit Mutationen in Keimbahn-DNA-Reparatur-Genen in den Fokus der Forschung gerückt, vor allem aufgrund der Verfügbarkeit von speziellen Therapien wie der PARP-Inhibitoren. Die PROREPAIR-B-Studie ist eine prospektive, multizentrische Beobachtungsstudie, die den Einfluss von Keimbahn-DNA-Reparatur-Defekten auf die verfügbaren und etablierten Therapien untersucht. Eingeschlossen wurden 419 Patienten mit unbekanntem Mutationsstatus, die eine Therapie wegen eines metastasierten CRPC begannen. In San Francisco wurden die Daten einer Subgruppenanalyse von 365 Patienten, die Abirateronacetat/Prednison oder Enzalut­amid in der ersten Therapielinie erhalten hatten, vorgestellt [5]. Bei 15,6% der Patienten wurden Keimbahn-DNA-Reparatur-Defekte, z. B. in den Genen BRCA1, BRCA2, ATM und PALB2, festgestellt.
Wurden alle Mutationsträger innerhalb der PROREPAIR-B-Studie zusammengenommen, so zeigten Träger von BRCA2 ein signifikant verkürztes krebsspezifisches Überleben gegenüber Nicht-Mutationsträgern (median 17,5 vs. 33,1 Monate; p = 0,02). Innerhalb der Subgruppe der Patienten mit gegen den AR gerichteter Behandlung in der ersten Therapielinie wurde kein signifikanter Unterschied zwischen BRCA2-Trägern und Nicht-Trägern nachgewiesen (median 26,2 vs. 23,3 Monate; p = 0,215), auch wenn das krebsspezifische Überleben insgesamt für Patienten mit BRCA2-Mutationen numerisch verkürzt war. BRCA2 erwies sich in uni- und multivariaten Analysen unter gegen den AR gerichteter Therapie nicht als prognostischer Faktor. Als unabhängige, negative prognostische Marker für das krebsspezifische Überleben unter Erstlinientherapie mit AR-Inhibitoren wurden der Allgemeinzustand (ECOG 2), erhöhte LDH, Hämoglobinspiegel < 10 mg/dl und Albumin-Spiegel < 3,5 g/dl identifiziert. Numerisch wurde bei BRCA2-Trägern eine verkürzte Zeit bis zu einem PSA-Progress (2,9 vs. 7,0 Monate) und ein verkürztes PFS (4,2 vs. 9,1 Monate) festgestellt, aber die Ergebnisse erreichten keine statistische Signifikanz (p = 0,118 bzw. 0,064).

 

ASCO Genitourinary Cancers Symposium (ASCO-GU) vom 8.–10.02.2018 in San Francisco, USA.