Fortgeschrittenes Leberzellkarzinom: Die systemische Therapie im Jahr 2018
ASCO-GI 2018
Ine Schmale
Nachdem es zwischen 2007 und 2016 außer Sorafenib keine zugelassene systemische Therapieoption für Patienten mit fortgeschrittenem Leberzellkarzinom (HCC) gab, hat sich das Armamentarium in den Jahren 2017 und 2018 in den USA bisher auf fünf und in Europa auf zwei Substanzen für die Erst- und Zweitlinienbehandlung erweitert. Beim Gastrointestinal Cancers Symposium der American Society of Clinical Oncology (ASCO-GI) in San Francisco gab Ann-Lii Cheng, Taipei, Taiwan, einen Überblick über die in den USA derzeit verfügbaren Optionen [1], zu denen während des Kongresses auch weitere Daten vorgestellt wurden.
In Europa sind in der Behandlung des fortgeschrittenen HCC Sorafenib für die erste und Regorafenib für die zweite Therapielinie indiziert. Die Zulassung für Regorafenib basiert auf den Ergebnissen der Phase-III-Studie RESORCE, in der für die Therapie mit dem Tyrosinkinase-Inhibitor eine signifikante Überlebensverlängerung von median 7,8 auf 10,6 Monate gegenüber Plazebo gezeigt werden konnte [2]. Eingeschlossen waren Patienten mit dokumentiertem radiologischem Progress, die die Sorafenib-Therapie toleriert hatten und eine gute Leberfunktion (Child-Pugh A) aufwiesen – also ein selektiertes Patientenkollektiv mit besserer Prognose, wie Cheng bemerkte.
In einer in San Francisco präsentierten explorativen Post-hoc-Auswertung der Studie ergab sich ein Hinweis auf ein verlängertes Gesamtüberleben (OS) bei Auftreten eines Hand-Fuß-Syndroms (HFS) [3]. Trat ein HFS jedweden Grades im ersten Zyklus der Regorafenib-Therapie auf, so betrug das mediane Gesamtüberleben 13,2 versus 8,5 Monate für Patienten ohne HFS (HR 0,66). Bei einem HFS innerhalb der ersten zwei Zyklen überlebten die Patienten 13,3 versus 7,5 Monate lang (HR 0,59) (Abb. 1). Die Therapie mit Regorafenib solle daher bei Auftreten eines Hand-Fuß-Syndroms mit den empfohlenen Dosisreduktionen fortgeführt werden, schlussfolgerten die Autoren.

Head-to-head in der Erstlinientherapie
Der in den USA bereits für die Erstlinientherapie zugelassene Tyrosinkinase-Inhibitor Lenvatinib erreichte in der Phase-III-Studie REFLECT den primären Endpunkt, eine Nicht-Unterlegenheit gegenüber dem Komparator Sorafenib [4]. Cheng wies darauf hin, dass es sich auch in dieser Studie um eine selektierte Patientenklientel mit besserer Prognose handelte, was sich schließlich in den Ergebnissen des Kontroll-Arms widerspiegelte. Zudem wurde für die Behandlung der HCC-Patienten eine geringere Dosierung von Lenvatinib gewählt als bei anderen Tumorentitäten.
Lenvatinib war der Therapie mit Sorafenib nicht unterlegen: Das Gesamtüberleben betrug median 13,6 versus 12,3 Monate (HR 0,92). Zur Frage, welche Therapie man nun in der ersten Therapielinie anwenden sollte, verwies Cheng auf die Nebenwirkungsprofile der beiden Substanzen: Mit Lenvatinib traten häufiger Fälle von Bluthochdruck auf, während unter Sorafenib das Hand-Fuß-Syndrom häufiger berichtet wurde.
Neue Zweitlinienoptionen nach Sorafenib-Versagen
Ein weiterer Tyrosinkinase-Inhibitor für die Zweitlinientherapie nach Sorafenib ist Cabozantinib. In der doppelblinden Phase-III-Studie CELESTIAL erhielten 707 Patienten im Verhältnis 2 : 1 randomisiert Cabozantinib in einer Dosierung von täglich 60 mg oder Plazebo. Laut Einschlusskriterien mussten die Patienten über eine gute Leberfunktion verfügen (Child-Pugh A), bis zu zwei Vortherapien erhalten haben und keinen unkontrollierten Bluthochdruck aufweisen. Der primäre Endpunkt war das Gesamtüberleben. Die Ergebnisse der zweiten Interimsanalyse mit einem Daten-Cut-off am 1. Juni 2017 wurden aktuell beim ASCO-GI präsentiert [5]:
Die Patienten waren median 64 Jahre alt und in mehr als 80% der Fälle männlich. Bei 60% von ihnen war das HCC Folge einer Hepatitis B oder C. Alle Patienten waren mit Sorafenib vorbehandelt, 26–28% hatten bereits zwei Vortherapien erhalten. Das Gesamtüberleben wurde durch Cabozantinib gegenüber Plazebo im Median von 8,0 auf 10,2 Monate verlängert (HR 0,76; p = 0,0049; Abb. 2), das mediane progressionsfreie Überleben von 1,9 auf 5,2 Monate (HR 0,44; p < 0,0001). Ein Ansprechen wurde bei 4% versus 0,4% der Patienten erreicht (p = 0,0086), eine Stabilisierung der Erkrankung bei 60% versus 33%.
Das Nebenwirkungsprofil war insgesamt akzeptabel. Im Median erhielten die Patienten Cabozantinib über eine Dauer von 3,8 Monaten. Bei 62% wurde die Dosis zumindest einmal reduziert und 16% der Patienten brachen die Cabozantinib-Therapie aufgrund von Nebenwirkungen ab. Die häufigsten Nebenwirkungen vom Grad 3/4 waren ein Hand-Fuß-Syndrom (17%), Bluthochdruck (16%), Fatigue und Diarrhö (je 10%).

Immuncheckpoint-Inhibitoren beim Leberzellkarzinom
Von der FDA wurde auch Nivolumab bereits für die Behandlung von HCC-Patienten in der Zweitlinie nach Sorafenib zugelassen – unabhängig von der PD-L1-Expression. Die Zulassung basierte auf den Ergebnissen der Phase-I/II-Studie CheckMate-040, in der 262 Sorafenib-naive oder -erfahrene Patienten mit Nivolumab in einer Dosierung von
3 mg/kg behandelt wurden [6]. Die primären Studienendpunkte waren Sicherheit und Ansprechen. Es sprachen 20% der Sorafenib-naiven und 14% der Sorafenib-erfahrenen Patienten auf die Therapie mit Nivolumab an, die Mehrheit der Patienten (56% bzw. 64%) innerhalb der ersten drei Monate. Das mediane Gesamtüberleben betrug 28,6 Monate bei Sorafenib-naiven und 15,6 Monate bei Patienten in der zweiten Therapielinie.
Beim ASCO-GI wurde das beeindruckende Gesamtüberleben der Sorafenib-erfahrenen Patienten in Assoziation mit dem Ansprechen nach RECIST 1.1 sowie dem Grad der Tumorschrumpfung bestätigt [7]. Patienten mit stabiler Erkrankung oder Tumorprogress als bestem Ansprechen lebten im Median noch 16,7 bzw. 8,9 Monate. Bei Patienten mit komplettem oder partiellem Ansprechen war der Medianwert des Überlebens noch nicht erreicht (Abb. 3a), auch nicht bei Patienten mit einer Tumorschrumpfung um ≥ 25%. Bei einer Tumorreduktion von 0–25% betrug er 17,7 Monate, bei einem Wachstum von 0–25% 11,7 Monate und bei einer Zunahme um mehr als 25% überlebten die Patienten median 8,9 Monate (Abb. 3b).

Ebenfalls ausgewertet wurde der klinische Nutzen bei Patienten mit Tumorprogress als bestem Ansprechen, definiert als neue Läsion nach Tumorschrumpfung um ≥ 10% oder als Progress der Zielläsion nach Tumorschrumpfung um ≥ 30% oder als neue Läsion oder Progress der Zielläsion nach Krankheitsstabilisierung. Elf von 59 Patienten (19%) erfüllten die Kriterien für einen Progress als bestes Ansprechen und überlebten im Median 18,8 Monate. 48 Patienten mit Tumorprogress als bestem Ansprechen, die keinen wie oben definierten klinischen Nutzen aufwiesen, lebten median 8,4 Monate.
Somit zeigt die CheckMate-040-Studie einen klinisch relevanten Überlebensgewinn durch die Gabe von Nivolumab nach Sorafenib-Versagen auch bei Patienten, die laut RECIST-1.1-Kriterien kein Ansprechen hatten, so die Autoren.
Da die Checkpoint-Blockade in der Phase-I/II-Studie auch in der ersten Therapielinie Wirksamkeit zeigte, sieht Cheng hier eine mögliche weitere Option für die Zukunft. Die Phase-III-Studie CheckMate-459, die Nivolumab gegenüber dem Standard Sorafenib in der ersten Therapielinie head-to-head vergleicht, ist bereits vollständig rekrutiert, erste Ergebnisse werden Ende 2018 erwartet.
Pembrolizumab, ein weiterer PD-1-
Checkpoint-Inhibitor, befindet sich in der klinischen Prüfung zur Behandlung von Patienten mit HCC nach Sorafenib-Versagen. Beim ASCO-GI wurden Ergebnisse der Phase-II-Studie KEYNOTE-224 präsentiert, in der die Sicherheit von Pembrolizumab sowie das Ansprechen der Patienten primäre Endpunkte waren [8]. Zwischen Juni 2016 und Februar 2017 wurden 104 Patienten behandelt. Es wurden Patienten mit Child-Pugh A, ECOG 0–1 und einer Lebenserwartung von mehr als drei Monaten in die Studie aufgenommen.
Die Patienten waren im Median 68 Jahre alt und in 83% der Fälle männlich. Etwa die Hälfte von ihnen war Hepatitis-B- oder -C-positiv und 77% konsumierten Alkohol. 80% der Patienten befanden sich im BCLC-Stadium C. Die vorangegangene Sorafenib-Therapie hatten 20% der Patienten wegen Intoleranz und 80% wegen Tumorprogress abgebrochen.
Bei 16,3% der Patienten wurde unter Pembrolizumab ein Ansprechen beobachtet, 45,2% erreichten eine Stabilisierung der Erkrankung. Bei den 17 Patienten mit Remission wurde das Ansprechen nach median 2,1 Monaten gesehen, bei 94% hielt die Remission sechs Monate oder länger an. Die mediane Dauer des Ansprechens betrug 8,2 Monate. Insgesamt wurde ein progressionsfreies Überleben von median 4,8 Monaten beobachtet, wogegen der Medianwert des Gesamtüberlebens noch nicht erreicht war. Die Nebenwirkungen entsprachen im Wesentlichen den bereits bekannten Nebenwirkungen einer Pembrolizumab-Monotherapie in anderen Indikationen.
Die Phase-III-Studie KEYNOTE-240 untersucht Pembrolizumab versus Plazebo in der Zweitlinie bei Patienten mit fortgeschrittenem HCC. Die Studie ist fertig rekrutiert, erste Ergebnisse werden Anfang 2019 erwartet.