Nachgefragt...

Interview mit Prof. Dr. Marianne Pavel

...… bei Prof. Dr. Marianne Pavel, Leiterin des Schwerpunkts Endokrinologie und Diabetologie an der Medizinischen Klinik 1 des Universitätsklinikums Erlangen


Frau Prof. Pavel, für welche Patienten mit Karzinoid-bedingter Diarrhö ist das neu eingeführte Telotristatethyl geeignet?

Pavel: Die Patienten müssen bestimmte Kriterien erfüllen. Sie erhalten ja bereits Somatostatin-Analoga (SSA) als Basistherapie, aber bei vielen reichen diese nach einer gewissen Zeit zur Krankheitskontrolle nicht mehr aus. Kann man die Metastasen – vor allem in der Leber – durch operative oder lokale Maßnahmen nicht wesentlich reduzieren, kommt als eine mögliche Zweitlinientherapie zusätzlich zu SSA Telotristatethyl infrage.

Gibt es Erfahrungen dazu, bei wie vielen Durchfällen pro Tag das Medikament eingesetzt werden sollte?

Pavel: Das kommt auch auf den Leidensdruck an, der individuell unterschiedlich ausgeprägt ist. Der eine leidet stark unter drei Diarrhöen, der andere hat sich an fünf Stuhlentleerungen täglich gewöhnt. Man muss aber beachten, dass starke Durchfälle zur Malabsorption führen können, und dass nicht nur die Anzahl der Stühle, sondern auch die Konsistenz und das Ausmaß des Flüssigkeitsverlusts von Bedeutung sind. Deshalb kann auch eine geringere Anzahl von schweren Durchfällen eine mögliche Indikation für Telotristatethyl darstellen.

In der Zulassungsstudie lag die Stuhlfrequenz bei den Patienten durchschnittlich bei 5–6/Tag. Wie sollte man vorgehen, wenn die Frequenz höher liegt?

Pavel: Bei einer hohen Anzahl von Durchfällen sollte man erst einmal nach anderen Ursachen suchen, z. B. Kurzdarm-Syndrom, bakterielle Überwucherung des Darms oder Infektionen, beispielsweise mit Clostridien nach vorausgegangener Antibiotika-Gabe. Ferner sollte man ein Gallensäureverlust-Syndrom nach Operationen am Darm und eine exokrine Pankreasinsuffizienz, evtl. als Folge einer Somatostatin-Therapie, ausschließen. Diese Differenzialdiagnosen muss man auch bei einer geringeren Anzahl an Durchfällen bedenken.

Wie sind ihre persönlichen Erfahrungen mit der neu eingeführten Therapieoption?

Pavel: Die Erfahrungen aus den Studien TELESTAR und TELECAST an insgesamt etwa 200 Patienten mit neuroendokrinen Tumoren und Karzinoid-Syndrom zeigen, dass wenige Patienten die Behandlung mit Telotristatethyl wegen Nebenwirkungen abbrechen. Am häufigstem werden gastrointestinale Beschwerden berichtet, die aber auch durch die Grunderkrankung bedingt sein können. Selten kommt es zum Anstieg der Leberwerte. Depressive Verstimmungen wurden berichtet, deshalb sollte man bei den Patienten auch auf Stimmungsveränderungen achten. Allerdings ist ein kausaler Zusammenhang zwischen Telotristatethyl und diesen Symptomen nicht bewiesen.