Auch klassische Krebstherapien können noch punkten

Editorial

Die Sommerkongresse von ASCO und EHA waren wieder so reich an interessanten Neuigkeiten, dass ein Heft von Trillium Krebsmedizin nicht ausreicht für einen Überblick. Sie lesen in dieser Ausgabe Berichte zu Haut-, Lungen- und urologischen Tumoren, Sarkomen und Leukämien – über gastrointestinale und gynäkologische Tumoren sowie Lymphome werden wir im nächsten Heft berichten, das außerdem einen großen Themenschwerpunkt zum Multiplen Myelom beinhalten wird, zusammengestellt von der Heidelberger Arbeitsgruppe.
Nahezu flächendeckend werden derzeit in den onkologischen Indikationsgebieten neue Immuntherapien, vor allem Immuncheckpoint-Inhibitoren, erprobt, wie in Berichten in diesem Heft nachzulesen. Die Plenarsitzung des ASCO-Kongresses, wo traditionell die wichtigsten Abstracts präsentiert werden, zeigte aber wieder einmal, dass man auch mit klassischen Krebstherapien noch Fortschritte erzielen kann:
Das neu diagnostizierte Glioblastom wird seit der großen EORTC-Studie mit Radiochemotherapie behandelt [1]. Bei älteren Patienten ist das weniger wirksam, randomisierte Studien zeigen aber, dass hier eine weniger intensive Radiotherapie (40 Gy in 15 Fraktionen) genauso gut wirkt wie eine intensivere (60 Gy in 30 Fraktionen) und dass bei Tumoren mit methyliertem MGMT-Promotor Temozolomid das Überleben verbessert. In einer globalen Phase-III-Studie erhielten deshalb 562 mindestens 65-jährige, therapienaive Patienten die kurze Strahlentherapie alleine oder zusammen mit Temozolomid [2]. Schon im Gesamtkollektiv konnte das Alkylans das Überleben signifikant von median 7,6 auf 9,3 Monate verlängern, so James Perry, Toronto; besonders wirksam war es aber bei Vorliegen eines methyliertem MGMT-Promotors (13,5 vs. 7,7 Monate; Hazard Ratio 0,53; p = 0,0001). Von Bedeutung ist das vor allem deshalb, weil etwa die Hälfte der Patienten mit Glioblastom über 65 Jahre alt ist und weil die EORTC-Kohorte höchstens 70 Jahre alt war.
Das Neuroblastom – abgesehen von den Leukämien der häufigste maligne Tumor im Kindesalter – zeigt sehr unterschiedliche Verläufe, aber 5-Jahres-Überlebensraten liegen immer noch unter 50%. Bei Hochrisiko-Patienten verbessert eine myeloablative Therapie mit autologer Stammzelltransplantation (ASCT) das ereignisfreie Überleben. In einer Phase-III-Studie, die Julie Park, Seattle, vorstellte, wurde nun bei 355 Patienten (median 3,1 Jahre alt) ein intensiviertes Konsolidierungskonzept mit einer Tandem-Transplantation randomisiert gegen die einfache ASCT getestet [3]: Schwere Nebenwirkungen (Mukositis, Infektionen oder Lebertoxizitäten) waren in beiden Armen gleich häufig, aber beim ereignisfreien (EFS) und vor allem auch beim Gesamtüberleben (OS) nach drei Jahren war die Tandem-Transplantation hochsignifikant überlegen (EFS: 61,8% vs. 48,8%; p = 0,0082; OS: 73,8% vs. 69,0%; p = 0,2563). Noch besser waren die Ergebnisse bei den 249 Patienten, die in Studien der Children´s Oncology Group nach der Konsolidierung noch eine Immuntherapie erhalten hatten (EFS: 73,7% vs. 55,4%; p = 0,0009; OS: 86,3% vs. 75,7%; p = 0,0158).
Das letzte Beispiel zeigt exemplarisch, wie klassische und neuartige Therapien sich ergänzen können – auch wenn man als langfristige Perspektive die nebenwirkungsträchtigeren Chemotherapien gerne immer mehr verdrängen möchte.

Literatur
1. Stupp R et al. N Engl J Med 2005; 352: 987-96.
2. Perry JR et al. ASCO 2016, Abstract #LBA2.
3. Park JR et al. ASCO 2016, Abstract #LBA3.

Josef Gulden