Chronische Immunthrombo­zytopenie: Splenektomie verliert an Bedeutung

Greift die Erstlinientherapie mit Kortikosteroiden bei der chronischen Immunthrombozytopenie (cITP) nicht, ist die Splenektomie eine Therapieoption. Diese birgt aber Risiken und wird oft vom Patienten abgelehnt. Thrombopoetinrezeptor-Agonisten (TPO-RA) wie Eltrombopag erweitern hier das Behandlungsspektrum. Der Wirkstoff ist nun auch für Patienten mit therapierefraktärer cITP zugelassen, die vorher nicht splenektomiert wurden.

Im Rahmen der Behandlung von Patienten mit chronischer Immunthrombozytopenie (cITP) gilt es, die teilweise lebensbedrohlichen Blutungen zu verhindern, erklärte Prof. Aristoteles Giagounidis, Düsseldorf. Bei der Autoimmunerkrankung richten sich Antikörper gegen die Oberfläche der Megakaryozyten und hindern diese an der Produktion von Thrombozyten. Darüber hinaus entstehe ein relativer Thrombopoetin-Mangel, da das Hormon in der Leber in konstanter Menge hergestellt und bei der Bindung an die Thrombozyten mit „weggefressen“ werde. Das „Triumvirat des Schreckens“ aus vermehrtem Abbau, verminderter Produktion und dem Mangel an Thrombopoetin führe zu einem Abfall der Thrombozytenzahl, der schwere Komplikationen bedingen könne.
Die verstärkte Blutungsneigung äußere sich durch Hämatome, Petechien an Beinen, Armen, der Mundschleimhaut oder urogenitale Blutungen; seltener komme es auch zu lebensgefährlichen intrazerebralen oder gastrointestinalen Blutungen. Eine weitere Gefahr drohe den Patienten durch Infektionen: So versterbe laut Giagounidis etwa die Hälfte der Patienten an infektiösen Komplikationen – wahrscheinlich infolge der immunsuppressiven Therapie. Denn als Primärtherapie werden meist Kortiko­steroide verabreicht, bei schweren Blutungen im Notfall zusätzlich Immunglobuline. Kann kein ausreichendes Ansprechen erzielt werden oder fällt die Thrombozytenzahl erneut ab, sei die Splenektomie eine mögliche Therapievariante. Doch die Methode findet heute bei Ärzten und Patienten immer weniger Anklang, so Giagounidis.
Neben möglichen Komplikationen durch die Operation sei vor allem das lebenslang erhöhte Infektionsrisiko mit der Gefahr einer OPSI (Overwhelming Post Splenectomy Infection) zu bedenken. Als medikamentöse Therapie in der Zweit- und Drittlinie bieten Thrombo­poetinrezeptor-Agonisten wie Eltrombopag (Revolade®) eine Alternative. Es vollziehe sich ein Wandel zugunsten der medikamentösen Therapie, wie auch Daten der SATURNE-Studie [1] aus Frankreich belegten: 40% der ITP-Patienten mit Diagnosestellung in den letzten zwei Jahren erhielten einen TPO-RA, lag die Diagnose zwei bis fünf Jahre zurück, waren es noch 15%. Parallel dazu sank die Zahl der Splenektomien von 31% (Dia­gnose vor mehr als fünf Jahren) auf 9% (Diagnose innerhalb der letzten zwei Jahre).
Die Zulassung von Eltrombopag wurde kürzlich erweitert, sodass die Splenektomie keine Voraussetzung mehr für die Behandlung darstellt. Der Wirkstoff erhöhte während einer sechsmonatigen Behandlung signifikant die Thrombozytenzahl unabhängig vom Splenektomie-Status und reduzierte signifikant die Blutungssymptome, wie eine Auswertung der RAISE-Studie zeigte [2]. „Die Thrombozytenzahlen stiegen bei 80–90% der Patienten an, und Zusatzmedikamente wie Kortison oder Immunsuppressiva konnten abgesetzt werden“, so Giagounidis. 

Susanne Pickl


Literatur
1. Michel M et al. French observatory of adult chronic immune thrombocytopenia (ITP) treated by thrombopoietin receptor agonists (TPO-RAs). ASH 2015, Abstract #2250.
2. Cheng U et al. Eltrombopag for management of chronic immune thrombocytopenia (RAISE): A 6-month, randomised, phase 3 study. Lancet 2011; 377: 393-402.

Science-Talk „ASH-Highlights zum therapeutischen Potenzial von Revolade® (Eltrombopag)“ anlässlich des 32. Deutschen Krebskongresses (DKK) am 24.2.2016 in Berlin, veranstaltet von Novartis Oncology, Nürnberg.