Wachstumsfaktoren bei Neutropenie und Anämie

Zusammenfassung

Eine Chemotherapie-induzierte Neutropenie, insbesondere wenn sie mit Fieber und damit mit Infektionen einhergeht, ist mit dem Risiko für Dosisreduktion und Verschiebungen von Zyklen verbunden, die wiederum das onkologische Ergebnis beeinträchtigen können. Das Neutropenie-Risiko hängt zum einen von Patienten-Faktoren, zum anderen von der Art der Chemotherapie ab. Abhängig von der Höhe des Risikos empfehlen Leitlinien verschiedener Fachgesellschaften (NCCN, ASCO, DGHO und EORTC) eine Prophylaxe mit Granulozyten-Koloniestimulierenden Faktoren (G-CSF). Die individuelle Entscheidung zur G-CSF-Prophylaxe sollte entsprechend den Leitlinien getroffen werden.

Auch für den Einsatz Erythropoese-stimulierender Agenzien zur Behandlung einer Chemotherapie-induzierten Anämie gilt, dass man sich dabei strikt an die Leitlinien halten sollte und dass der Einsatz in jedem Einzelfall genau indiziert werden muss. Die Leitlinien der ESMO und der ASORS werden derzeit über- bzw. erarbeitet. Generell können ESA bei Anämie-Beschwerden ab einem Hämoglobin-Wert von 10 g/dl und weniger nach Chemotherapie gegeben werden, bei Bedarf mit zusätzlicher intravenöser Eisensubstitution. Transfusionen sind erst bei Hb-Werten unter 8–7 g/dl indiziert.

Schlüsselwörter: Chemotherapie-induzierte Neutropenie, febrile Neutropenie, Chemotherapie-induzierte Anämie, Granulozyten-Koloniestimulierende Faktoren, Erythropoese-stimulierende Agenzien

 

Granulopoese-stimulierende Faktoren
Die therapieinduzierte Neutropenie kann mit rekombinanten Kolonie-stimulierenden-Faktoren (Colony Stimulating Factor: CSF) für Granulopoe­se (G-CSF) sowie Granulopoese und Makrophagen (GM-CSF) vermieden, abgemildert oder in ihrer Dauer verkürzt werden. Durchgesetzt hat sich der G-CSF, der als Filgrastim, Lenograstim und langwirksames pegyliertes Filgrastim (Pegfilgrastim, Lipegfilgrastim) therapeutisch verfügbar ist.
Fieber bei Neutropenie wird als „febrile Neutropenie“ (FN) bezeichnet und ist immer als Infektion zu betrachten, sofern nicht eindeutige andere Ursachen dafür vorliegen. Sie ist definiert durch Neutrophilen-Werte < 1.000/µl und einen einmaligen Temperaturanstieg über 38,3 °C oder eine anhaltende Temperatur von ≥ 38,0 °C über eine Stunde [1]. Bei Werten von < 500 bis 1.000 Neutrophilen/µl nimmt das Infektionsrisiko zu [2]. Wenn bei Neutropenie Fieber auftritt, dann ist es bei mehr als 95% der Patienten durch eine Infektion bedingt. In 50–70% der Fälle ergibt die mikrobiologische Diagnostik dennoch keinen Erregernachweis.
Mit der üblichen Chemotherapie bei soliden Tumoren liegt die Häufigkeit von Fieber bei Neutropenie meist nicht über 20% [3]. Einen wesentlichen Einfluss auf das FN-Risiko haben jedoch Patienten-spezifische Faktoren [4].
Bei adäquater Therapie ist die Pro­gnose von Fieber bei Neutropenie befriedigend, die Letalität liegt bei Patienten ohne Komorbidität bei 2,6%, und ohne dokumentierte Infektion bei 1,2% [5], was jedoch als Komplikation einer Therapie zu hoch ist. Die Letalität hängt von Risikofaktoren der Patienten ab. Bei in das Krankenhaus eingewiesenen Patienten steigt die Letalität bereits mit einer Komorbidität auf über 10% und mit mehr als einer Komorbidität auf über 21,4% an [5]. Diese gravierende Nebenwirkung der Chemotherapie erhöht auch die Morbidität und verschlechtert die Lebensqualität der Patienten.
In mehreren Metaanalysen konnte gezeigt werden, dass die G-CSF-Prophylaxe bei solidem Tumor oder Lymphom das relative Risiko (RR) der FN signifikant um beinahe die Hälfte senkt (RR 0,54; 95%-Konfidenzintervall 0,43–0,67; p = 0,001). Die relative Dosisintensität der verabreichten Chemotherapie war bei mit G-CSF behandelten Patienten im Mittel um 8,4% höher (p = 0,001; [6]). Diese Metaanalyse zeigte erstmals eine deutliche Reduktion der Infektionsmortalität (RR 0,55; 95%-KI 0,33–0,90; p = 0,018) und der Frühtodesfälle während der Chemotherapie (RR 0,60; 95%-KI 0,43–0,83; p = 0,002). Bestätigt wurde die signifikante Verbesserung der Überlebensrate durch eine weitere Metaanalyse von 25 kontrollierten Studien mit über 12.000 chemotherapierten Patienten, die mit oder ohne G-CSF-Unterstützung behandelt wurden. Nach einer mittleren Nachbeobachtungszeit von fünf Jahren war das Gesamtmortalitätsrisiko bei G-CSF-Prophylaxe um 3,4% reduziert [7]. Dieser Vorteil korrelierte mit einer höheren Dosisintensität der Chemotherapie [7]. Eine weitere Analyse von 61 kontrollierten Studien mit bzw. ohne G-CSF belegte eine signifikante Reduktion des relativen Mortalitätsrisikos, insbesondere bei dosisdichter Therapie (p < 0,001) und Dosissteigerung (p = 0,019). Wenn dieselbe Chemotherapie-Dosis in beiden Therapiearmen verwendet wurde, war der Unterschied bezüglich der Mortalität bei Lymphomen signifikant (RR 0,92; p = 0,04), bei der Gesamtheit aller 15 entsprechenden Studien hingegen grenzwertig (RR 0,94; p = 0,061). Das relative Mortalitätsrisiko nahm am stärksten ab bei längerer Nachbeobachtung (p=0,02), bei kurativer Intention der Therapie (RR 0,91; p < 0,001) und wenn Überleben das primäre Studienziel war (RR 0,91; p = 0,001; [8]).
Nach Neutropenie sowie febriler Neutropenie besteht eine mögliche Therapiestrategie darin, bei nachfolgenden Zyklen die Zytostatika-Dosis zu reduzieren oder die Therapieintervalle zu verlängern. Auch eine verzögerte Neutrophilen-Regeneration nach Chemotherapie führt zu einer Verschiebung der nachfolgenden Chemotherapie. Durch diese Reduktion der relativen Dosisintensität wird aber der Therapieerfolg der Behandlung beeinträchtigt und somit das Überleben der Patienten verschlechtert [8, 9]. Mit der G-CSF-Prophylaxe kann dieser Negativeffekt vermieden und das geplante Therapieprotokoll mit größerer Wahrscheinlichkeit zeitgerecht verabreicht und somit die geplante Dosisintensität eingehalten werden.
Zu den wichtigsten Determinanten des FN-Risikos gehören die Art der Chemotherapie sowie die Dosisintensität. Kombinations-Chemotherapien erhöhen das Risiko im Vergleich zu Monotherapien, ebenso die Therapie mit stark myelotoxischen oder Schleimhaut-toxischen Zytostatika [10]. Die Angaben zu Myelosuppression und Dosisintensität sind in publizierten Studien häufig nicht leicht zu finden, unvollständig oder gar nicht angegeben.
Bei der Beurteilung des Risikos müssen verschiedene Komponenten herangezogen werden, wie chemotherapeutische Substanzen, Dosis und Therapieschema sowie patientenspezifische Faktoren (s. Tab. 1 und Abb. 1; [3, 10, 11]) und die Therapieintention wie „kurativ“ bzw. „adjuvant“, „Verlängerung des Überlebens“ oder „Symptomkontrolle“.
Die aktuellen Empfehlungen [12] und NCCN-, ASCO-, DGHO- bzw. EORTC-Leitlinien empfehlen, basierend auf zahlreichen randomisierten Studien, G-CSF bei mindestens 20% Risiko für eine febrile Neutropenie einzusetzen [3, 10, 11, 13, 14]. Insbesondere ist G-CSF indiziert, wenn die Therapie mit kurativer Zielsetzung, adjuvant, zur Lebensverlängerung oder zur Verbesserung der Lebensqualität erfolgt [3, 10, 11, 13]. In der palliativen Situation sollte alternativ auch eine Modifikation oder ein Wechsel zu einer Chemotherapie mit geringerem FN-Risiko erwogen werden.
Wird eine Chemotherapie mit einem moderaten FN-Risiko (10–20%) geplant, empfehlen NCCN, ASCO und EORTC, vor jedem Chemotherapie-Zyklus das individuelle FN-Gesamtrisiko zu beurteilen und dabei patienten- bzw. tumorbezogene Risikofaktoren zu berücksichtigen.
Die Indikation zur G-CSF-Behandlung hängt von Risikofaktoren des Patienten ab (Tab. 1). Ärzte sollen mit dem Patienten Vor- und Nachteile einer Neutropenie-Prophylaxe beraten. Zu erwähnen sind die Risiken einer febrilen Neutropenie, die Konsequenzen einer neutropenen Komplikation und die Auswirkungen einer reduzierten Dosisintensität der Chemotherapie. Bei vorhandenen Risikofaktoren des Patienten ist die Gabe von G-CSF indiziert (s. Tabelle 1). Wenn die Intention der Chemotherapie in einer symptomatischen Behandlung oder in einer Verbesserung der Lebensqualität besteht, empfiehlt sich eine weniger myelosuppressive Chemotherapie oder eine Dosisreduktion [3, 10, 11].
Zur Beurteilung des FN-Risikos werden die Originalpublikationen he­rangezogen. Allerdings muss bedacht werden, dass in Studien oft ausgewählte Patienten behandelt werden, die kaum die im Alltag häufigen Risikofaktoren aufweisen. Außerdem liegen für manche Protokolle unterschiedliche oder unzureichende Angaben zum FN-Risiko vor. Zu beachten ist auch, dass in den Studien die G-CSF-Gabe meist freigestellt war und dies berücksichtigt werden muss. Ebenso müssen neutropene Komplikationen wie Infektionen, Sepsis, Todesfälle berücksichtigt werden. Diese Angaben sind häufig nicht in den Toxizitätstabellen, sondern an anderer Stelle aufgeführt. Dementsprechend können die Aussagen zum Risiko der FN in den verschiedenen Leitlinien variieren. Problematisch ist, dass in vielen älteren Studien, deren Protokolle aber noch als Standard gelten, die Angaben zu Neutropenie-Komplikationen oder G-CSF-Prophylaxe fehlen [15, 16]. Beispiele für das Risiko der febrilen Neutropenie sind in Tab. 2–4 dargestellt.
Bei einem FN-Risiko unter 10% besteht keine Indikation zur G-CSF-Prophylaxe, außer wenn nach einem Chemotherapie-Zyklus Probleme durch Neutropenie auftraten: Dann soll in den nachfolgenden Zyklen G-CSF gegeben werden [3, 10].
Die individuelle Entscheidung zur G-CSF-Prophylaxe sollte entsprechend den Leitlinien getroffen werden, wie in Abbildung 1 und Tab. 2–4 vorgeschlagen. Die individuellen Risikofaktoren laut EORTC-Leitlinie variieren etwas im Vergleich zu NCCN- und ASCO-Leitlinie. Die Leitlinien unterscheiden in den Empfehlungen nicht zwischen den kurz- und lang wirksamen Präparaten. Allerdings gibt es mehrere Hinweise, dass pegyliertes Filgrastim hinsichtlich der Reduktion der febrilen Neutropenie effektiver ist.
Pegfilgrastim zeigte eine signifikant höhere Effektivität im Vergleich zu Filgrastim und Lenograstim (p < 0,0001; [6]). Auch die Frühmortalität und das Überleben nach Chemotherapie können durch eine primäre Prophylaxe mit Pegfilgrastim signifikant verbessert werden, wie eine Analyse an 1.209 Patienten in den USA zeigte [17].
Weitere Metaanalysen verglichen die Wirksamkeit von langwirksamem Pegfilgrastim sowie Lipegfilgrastim und Balugrastim mit täglich eingesetzem G-CSF und zeigten, dass mit langwirksamem Filgrastim signifikant seltener febrile Neutropenien auftreten [18–20], selbst wenn tägliches Filgrastim zulassungskonform über 10–14 Tage gegeben wurde [20].
Durch die Wirksamkeit über die gesamte Neutropenie-Phase stimuliert pegyliertes Filgrastim die Granulopoese über die gesamte erforderliche Zeit. Dadurch besteht nicht das Risiko der zu kurzen Therapiedauer wie bei der täglichen G-CSF-Gabe. Daraus resultiert eine garantierte und effektive Stimulation der Granulopoese, mit einer geringeren Rate an Hospitalisierungen [21]. Aus Gründen der besseren klinischen Wirksamkeit und Sicherheit sollte pegyliertes Filgrastim bevorzugt verwendet werden.


Anämie – Erythropoese-stimulierende Faktoren
Die Anämie ist bedeutsam für Leistungsfähigkeit und Lebensqualität und sollte, wenn sie symptomatisch ist, behandelt werden. Die Therapie der zugrunde liegenden Störung erfolgt nach Diagnosestellung und ist abhängig von der Grunderkrankung oder der spezifischen Ursache der Anämie. Die Therapie der Anämie kann mittels Transfusionen oder nach Chemotherapie mit Erythropoese-stimulierende Agenzien (ESA) erfolgen. Transfusionen sind nach den Leitlinien der Bundesärztekammer ab einem Hb-Wert von 8 g/dl indiziert. Bei chronischer Anämie werden zum Teil deutlich niedrigere Hb-Werte zwischen 6 und 8 g/dl ohne Symptome toleriert, deswegen besteht in diesen Fällen keine unbedingt zwingende Indikation zur Erythrozyten-Transfusion. Beachtet werden müssen die Risiken von Erythrozyten-Transfusionen wie Infektionen, Unverträglichkeit, Sensibilisierung, erhöhte Mortalität und erhöhtes Rezidivrisiko.
Bei einer chronischen Eisenmangel-Anämie (nutritiv oder blutungsbedingt) wird durch orale Gabe von Fe-II-Verbindungen (100 mg/d) gegengesteuert. Bei Patienten mit aktivem Tumor, Infektionen, Entzündungszeichen oder Autoimmunerkrankungen wird jedoch vermehrt Hepcidin produziert, das die enterale Eisenabsorption blockiert. Eine orale Eisentherapie ist deshalb wirkungslos. Außerdem verhindert Hepcidin die Eisenfreisetzung aus dem Eisenspeicher des retikuloendothelialen Systems. Dadurch entsteht ein funktioneller Eisenmangel, charakterisiert durch normales bis erhöhtes Ferritin, erniedrigte Transferrin-Sättigung und auch Erhöhung der hypochromen Erythrozyten oder Abnahme des Hb-Gehaltes der Retikulozyten. Dann empfiehlt sich die intravenöse Gabe von Eisen(III)-Komplex.
Eine Therapieoption bei Anämie ist die Transfusion von Erythrozyten-Konzentraten (EK). Diese sollte jedoch vermieden werden – aufgrund ihrer möglichen Komplikationen wie Eisenüberladung, Transfusions-bedingter Immunsuppression und der Übertragung von Infektionen [39]. Mehrere Metaanalysen haben in letzter Zeit gezeigt, dass EK-Transfusionen die Komplikationsraten erhöhen können. Krankenhaus-assoziierte Mortalität, Gesamtmortalität, Nachblutungen nach Operationen, akutes Koronarsyndrom, Lungenödem und bakterielle Infektionen treten häufiger auf [40–42].
Auch gibt es immer mehr Hinweise auf einen negativen Einfluss von EK-Transfusionen auf den Verlauf von Krebserkrankungen [43]. Man sollte daher die Rate der Transfusionen gering halten und die Möglichkeiten des Patienten-Blut-Managements (PBM) nutzen.
Ein niedriger Hb-Triggerwert von 7g/dl für die Indikationsstellung zur Transfusion bedeutet keine Verschlechterung der klinischen Situation des Patienten [44]. Solange keine vital bedrohliche Anämie besteht, sind EK-Transfusionen entsprechend den Leitlinien der Bundesärztekammer auch nur bei Hämoglobin-Werten unter 7–8 g/dl indiziert.
Bei Tumorpatienten, die mit einer Chemotherapie behandelt werden, kann eine Behandlung mit Erythropoe­se-stimulierenden Agenzien (ESA) ab einem Hb-Wert von ≤ 10 g/dl initiiert werden. ESA dürfen nur innerhalb der zugelassenen Indikation eingesetzt werden, da andernfalls Risiken bei bestimmten Patientengruppen bestehen.
Der Einsatz von ESA kann die Anzahl der benötigten Erythrozyten-Transfusionen reduzieren [45] und die Lebensqualität von Patienten mit Chemotherapie-induzierter Anämie verbessern [46]. Insgesamt liegt eine geringe Evidenz für einen Anstieg der Lebensqualität vor, jedoch nur zur Anämie-bedingten Erschöpfung zwischen Beginn und Ende der Therapie.
Die Studienlage bezüglich des Überlebens anämischer Tumorpatienten, die mit ESA behandelt werden, ist nicht eindeutig. Dies zeigt eine aktuelle Metaanalyse bei Patientinnen mit Mammakarzinom, die Gesamtüberleben und progressionsfreies Überleben der Patientinnen mit ESA-Therapie zusammenfasste [47]. Mehrere Metaanalysen untersuchten den Effekt von ESA auf das Gesamtüberleben von Patienten mit verschiedenen bösartigen Erkrankungen. Bei Patienten unter Chemotherapie zeigten sich keine si­gnifikanten Effekte auf das Gesamtüberleben [48]. Wurden in diesen Analysen auch Patienten nur mit Strahlentherapie oder ohne Krebstherapie eingeschlossen, dann wurde ein höheres Risiko der Mortalität berichtet.
Aktuell sind ESA bei einem Hb-Wert ≤ 10 g/dl (6,2 mmol/l) zur Behandlung der symptomatischen, Chemotherapie-induzierten Anämie bei Tumorpatienten zugelassen. Ziel der Therapie ist ein maximaler Hb-Wert von 12 g/dl (7,5 mmol/l).
Bei der Therapie mit Erythropoetin theta ist es möglich, zunächst wöchentlich mit 20.000 E zu behandeln und bei ungenügender Wirksamkeit nach vier Wochen die Dosis auf 40.000 E zu steigern, nach vier weiteren Wochen ist eine Dosiserhöhung auf 60.000 E pro Woche möglich. Bei den anderen ESA wird eine Dosiserhöhung nicht empfohlen.
Das Risiko für Thrombosen ist unter Therapie mit Erythropoese-stimulierenden Agenzien um den Faktor 1,6 erhöht. Bis die Behandlung beendet ist, sollte der Hb-Wert möglichst 12 g/dl betragen, und die Patienten sollten eine Besserung der Symptomatik bemerken.
Häufig liegt ein funktioneller Eisenmangel vor. Mehrere Studien zeigten, dass die Wirksamkeit der ESA-Therapie durch die zusätzliche intravenöse Eisentherapie verbessert werden kann. Die Rate der Transfusionen kann dadurch vermindert werden [49].
Eine beim San Antonio Breast Cancer Meeting 2014 präsentierte kontrollierte Studie mit 2.098 Patientinnen mit metastasiertem Mammakarzinom zeigte unerwartete Ergebnisse für den Nutzen von ESA auf. ESA wurden während der ersten drei Monate der Chemotherapie gegeben. Das mediane progressionsfreie Überleben lag in beiden Gruppen bei 7,4 Monaten. Das progressionsfreie Überleben nach zwölf Monaten und das Gesamtüberleben nach 18 Monaten lagen etwas unter der Kontrollgruppe mit Hazard Ratios von 1,028 (95%-Konfidenzintervall 0,922–1,146) bzw. 1,057 (95%-KI 0,949–1,177). Statistisch und klinisch sind das keine signifikanten oder relevanten Unterschiede. Zu bedenken ist, dass die Verläufe bei metastasierten Erkrankungen von mehreren Faktoren abhängen, am meisten von Tumorausprägung und durchgeführter Chemotherapie. Vergleichbar geringe Unterschiede im Ergebnis werden bei Chemotherapie-Studien als irrelevant gewertet, wie z. B. in der Vergleichsstudie von Eribulin mit Capecitabin beim metastasierten Mammakarzinom, die ebenfalls in San Antonio präsentiert wurde [50].
Werden ESA gemäß den internationalen Leitlinien zur Therapie einer Chemotherapie-induzierten Anämie eingesetzt, überwiegt der Nutzen das Risiko. Allerdings muss der Einsatz in jedem Einzelfall genau indiziert werden. Sowohl die European Society of Medical Oncology (ESMO) als auch die Arbeitsgemeinschaft Supportive Maßnahmen in der Onkologie, Rehabilitation und Sozialmedizin (ASORS) der Deutschen Krebsgesellschaft und die DGHO überarbeiten bzw. erarbeiten derzeit aktualisierte Leitlinien. Allen gemeinsam ist, dass ESA bei Anämie-Beschwerden ab einem Hämoglobin-Wert von 10 g/dl und weniger nach Chemotherapie gegeben werden können. Bei Bedarf soll zusätzlich eine i. .v. Eisensub­stitution erfolgen. Transfusionen sind erst bei Hb-Werten unter 8–7 g/dl indiziert.

 

Summary
Growth factor for the treatment of neutropenia and anemia
Chemotherapy-induced neutropenia, especially when associated with fever and thus with infection, carries a risk for dose-reductions and prolongation of intervals between chemotherapy cycles, which in turn can compromise the oncological outcome. The risk for neutropenia depends on patient-related factors as well as on the composition of the chemotherapy. Depending on the risk the guidelines of several medical societies (NCCN, ASCO, DGHO and EORTC) recommend prophylaxis with granulocyte colony-stimulating factors (G-CSF). The individual decision for prophylaxis should be made according to the guidelines.
The use of erythropoiesis-stimulating agents (ESA) should also strictly follow the respective guidelines. The indication for treatment with ESA must  in every case be made on an individual base. The ESMO guideline is currently being revised, the ASORS and DGHO are preparing a new guideline. Generally ESA can be given in case of symptomatic anemia and a hemoglobin value of 10 g/dl or lower, in case of an iron deficit in combination with iron substitution. Transfusions are only indicated below Hb values of 8–7 g/dl.

Keywords: chemotherapy-induced neutropenia, febrile neutropenia, chemo­therapy-induced anemia, granulocyte colony-stimulating factors, erythropoiesis-stimulating agents