Adenokarzinom des Pankreas mit gleichzeitiger Metastase eines Nierenzellkarzinoms

Fall:

Die 68-jährige Patientin wird im Januar 2014 wegen Verdacht auf ein Pankreaskopfkarzinom aufgrund eines CT-Befundes und bei erhöhten Leberwerten stationär eingewiesen. Die Patientin berichtet über Inappetenz, einen Gewichtsverlust von 10 kg in den letzten drei Monaten und Schmerzen im Bereich des rechten Oberbauchs. Anamnestisch ist ein rechtsseitiges Mammakarzinom sowie ein Nierenzellkarzinom bekannt, weswegen 2004 eine Nephrektomie durchgeführt wurde (pT1b, pN0, G2, R0). An Tumormarkern werden gemessen CA-19 9 < 2,0 U/ml, CEA 8,0 ng/ml, CA 125 76 U/ml, CA 15-3 8 U/ml, CA 72-4 < 3,0 U/ml, Chromogranin A 65 µg/l.

 

Diagnostik:

Korrelierend zu dem CT-Befund (Abb. 1) zeigt sich sonografisch eine große Pankreaskopf-Raumforderung mit Ummauerung der Mesenterialgefäße und des Truncus coeliacus und konsekutiver Dilatation des Ductus pancreaticus sowie pathologisch veränderte mesenteriale Lymphknoten.Ein Spiral-CT des Thorax nach in­travenöser Kontrastmittelgabe zeigt einen Tag später einen suspekten pulmonalen Rundherd im linken apikalen Unterlappen, einen Knoten im linken apikalen Lappen der Schilddrüse, einen pathologisch vergrößerten Lymphknoten im Bereich der kleinen Kurvatur und eine Erweiterung des Ductus pancreaticus bei bekannter Raumforderung des Pankreaskopfes. Herz- und Lungenfunktion sind normal. Des Weiteren ist ein Gallenblasenhydrops mit Cholezystolithiasis und Gallenblasensludge sowie eine intra- und extrahepatische Gallengangsdilatation nachweisbar. Laborchemisch zeigen sich deutlich erhöhte Leberwerte und Cholestaseparameter bei lediglich diskret erhöhtem CRP. Eine Gastroskopie ist bis auf eine ektope Magenschleimhaut im Ösophagus mit V. a. chronische, aktuell nicht erosive Refluxkrankheit unauffällig. Endosonografisch zeigt sich allerdings ein ausgedehnter Pankreastumor mit V. a. peri-pankreatische Satelliten. Differenzialdiagnostisch muss dabei auch an eine metachrone Metastasierung des zehn Jahre vorher operierten Nierenzellkarzinoms, eine Autoimmunpankreatitis oder einen neuroendokrinen Tumor des Pankreas gedacht werden. In einer mittels endosonografisch geführter transduodenaler/transgastraler Feinnadelpunktion gewonnenen Biopsie lassen sich histologisch Anteile eines mäßig differenzierten Adenokarzinoms (G2) mit herdförmiger Perineuralscheiden-Infiltration nachweisen, die morphologisch und aufgrund des immunhistochemischen Expressionsprofils zu einem Adenokarzinom aus dem pancreatiko-biliären System passen. Weiterhin fällt im Bereich der Satellitenherde ein hellzelliger Tumorzellverband auf, der morphologisch einer Metastase des klinisch bekannten klarzelligen Nierenzellkarzinom entsprechen könnte. Mittels immunhistochemischer PAX8-Färbung kann diese Genese tatsächlich gesichert werden (Abb. 2).Insgesamt ergibt sich bei Ummauerung der Mesenterialgefäße sowie des Truncus coeliacus mit pathologischen Lymphknoten und V. a. Lungenbeteiligung die Diagnose eines Adenokarzinoms des Pankreas im UICC-Stadium IV bei metachroner Metastasierung des vorbekannten Nierenzellkarzinoms. Im Rahmen der interdisziplinären Tumorkonferenz wird die Durchführung einer Chemotherapie mit FOLFIRINOX empfohlen. Vor Implantation eines Ports wird aufgrund der Cholestase mit Verdacht auf eine Cholangitis und Cholezystitis eine endoskopische retrograde Cholangiopankreatikografie (ERCP) durchgeführt, bei der sich eine hochgradige, wohl maligne distale Gallengang-Stenose mit Sludge und Cholangitis zeigt (Abb. 3). Bei einer endoskopischen Papillotomie wurde ein nicht selbstexpandierender Gallengang-Stent eingelegt und gleichzeitig eine dreitägige antibiotische Therapie mit Ceftriaxon durchgeführt. Das resultiert in klinischer Beschwerdefreiheit und einer kontinuierlichen Rückbildung der Cholestase-Parameter. Bei klinischer Stabilität, unauffälligem kardiopulmonalem Zustand, fehlenden Anzeichen für eine Infektion sowie rückläufiger Cholestase wird der erste Zyklus der geplanten Chemotherapie ohne Komplikationen durchgeführt. Danach kann die Patientin in stabilem Allgemeinzustand nach Hause entlassen werden. Die weitere Therapie mit FOLFIRINOX konnte bislang (3/2015) ohne Komplikationen durchgeführt werden. Für den Fall des Auftretens inakzeptabler Toxizitäten wurde in der Tumorkonferenz ein Wechsel auf eine Chemotherapie mit Gemcitabin und nab-Paclitaxel empfohlen.

Diskussion

Dieser interessante Fall ist ein Beispiel dafür, dass Nierenzellkarzinome – auch wenn sie in einem sehr frühen Stadium diagnostiziert und komplett reseziert werden – noch lange Zeit nach Erstdiagnose Meta­stasen bilden können. Diese können zudem an sehr ungewöhnlichen Stellen auftreten, zum Beispiel in Mund- oder Augenhöhle, Harnblase oder – wie im vorliegenden Fall – im Pankreas. Bemerkenswert und ungewöhnlich an diesem Fall ist das aus der Bildgebung nicht ersichtliche gleichzeitige Vorliegen zweier verschiedener Neoplasien, die in diesem Fall glücklicherweise beide in der Stanzbiopsie erfasst werden konnten. Außerdem zeigt sich hier auch, wie wichtig und unabdingbar in der pathologisch-onkologischen Diagnostik für eine korrekte Diagnosestellung neben der Bewertung der Histomorphologie auch die richtige Auswahl immunhistochemischer Marker sein kann – gerade wenn es sich um kleine Biopsiepartikel handelt, bei denen nicht unbegrenzt viele Schnitte zur Untersuchung zur Verfügung stehen.

Beim immer schon als sehr heterogen bekannten Nierenzellkarzinom haben die Arbeiten zur Geno- und Phänotypisierung mittlerweile eine enorme, auch für Experten überraschende Zunahme an Subtypen zutage gefördert. Wurden noch 1981 nur neun verschiedene Formen von Nierenzellkarzinomen unterschieden, so waren es in der WHO-Klassifizierung von 2004 bereits 50, und in der nächsten, in Kürze zu erwartenden Klassifizierung, die auf den 2013 veröffentlichten Ergebnissen einer Konsensuskonferenz der Internationalen Gesellschaft für Uropathologie (ISUP) zu Nieren-Neoplasien beruhen wird, wird sich diese Zahl nochmals erhöhen [1]. Zur Subdifferenzierung des Nierenzellkarzinoms steht eine Vielzahl molekularer Marker zur Verfügung, auch wenn es bisher keinen Konsens über ein bestimmtes Marker-Panel gibt, das man standardmäßig einsetzen sollte. Konsens herrscht jedoch sehr wohl darüber, dass die hilfreichsten Marker zur Feststellung einer renalen Differenzierung ganz allgemein bzw. eines renalen Ursprungs von Metastasen PAX 2 und PAX 8 sind, auch wenn sie bei Weitem nicht alle Subtypen anfärben. Im vorliegenden Fall gelang es jedoch mit PAX8 problemlos, den renalen Ursprung der fraglichen Metastase zu sichern.

 

Michael Anzinger
Oberarzt, Internist und Gastroenterologe
Krankenhaus Barmherzige Brüder München
Innere Medizin I, Gastroenterologie –
Hepatologie – Onkologie
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Dr. med. Sabine Siegert
Pathologie München-Nord
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