ASCO-GI 2015: Neues zu gastrointestinalen Tumoren

Kongressbericht

Die weltweit wichtigsten Kongresse, was gastrointestinale Tumoren betrifft, sind zum einen im Hochsommer die ASCO-Jahrestagung und der World Congress on Gastrointestinal Cancer in Barcelona. Zeitlich etwa auf halber Strecke dazwischen, nämlich im Januar, haben sich andererseits schon wieder so viele neue Daten angesammelt, dass es für die American Society of Clinical Oncology (ASCO) Sinn macht, einen kleinen Themenkongress, den ASCO-GI zu veranstalten, der seit einigen Jahren regelmäßig in San Francisco stattfindet. Wir berichten über einige Highlights von der diesjährigen Tagung.

Kolorektales Karzinom

Bedeutung von Vitamin D immer klarer
Prospektive epidemiologische Studien deuten daraufhin, dass bei Patienten mit kolorektalem Karzinom die Vitamin-D-Titer (25-Hydroxyvitamin D, 25(OH)D) mit dem Überleben korrelieren. Das ist plausibel: Niedrige Vitamin-D-Konzentrationen sind mit einem erhöhten Darmkrebsrisiko assoziiert, und präklinische Studien zeigen, dass das Vitamin Zellproliferation und Angiogenese hemmen, die Differenzierung und Apoptose von Tumorzellen induzieren und außerdem antiinflammatorisch wirken kann. Die Expression des Vitamin-D-Rezeptors in Zellen des kolorektalen Karzinoms korreliert überdies mit dem antiproliferativen Effekt der Sub­stanz. Der genaue Zusammenhang ist aber weiterhin unklar, weshalb die Cancer and Leukemia Group B (CALGB) und die Southwestern Oncology Group (SWOG) eine große gemeinsame randomisierte Studie nutzten, um etwas mehr Licht in diese Angelegenheit zu bringen.
Primär sollte die Studie CALGB 80405 die Frage beantworten, ob die Zugabe von Bevacizumab, Cetuximab oder von beiden Antikörpern zu einer Chemotherapie in der Erstlinie einen Unterschied beim Überleben bewirken würde. Dabei wurden prospektiv auch die 25(OH)D-Plasmakonzentrationen der Teilnehmer untersucht [1]; sie lagen bei den 1.043 Patienten im Median bei 17,2 ng/ml, so Kimmie Ng, Boston, und waren negativ mit Alter, schwarzer Hautfarbe, niedriger Vitamin-D-Aufnahme über die Nahrung und verschiedenen anderen Faktoren korreliert. Vor allem aber korrelierten sie signifikant mit dem Überleben: Die Patienten in der höchsten Quintile bezüglich der Vitamin-D-Plasmakonzentrationen überlebten median 32,6, diejenigen in der niedrigsten Quintile hingegen nur 24,5 Monate (Hazard Ratio 0,67; p für Trend = 0,002). Diese Korrelation blieb bestehen, auch wenn in einer multivariaten Analyse andere pathologische und klinische Prognosefaktoren oder die jeweils verabreichte Anti-Tumor-Therapie berücksichtigt wurden (HR für Überleben 0,65; p = 0,001). Ein ähnlicher Zusammenhang ergab sich für Vitamin-D-Titer und progressionsfreies Überleben (median 12,2 vs. 10,1 Monate; HR 0,80; p = 0,02). Das galt für alle untersuchten Subgruppen und auch noch dann, wenn die Patienten aus der Analyse ausgeschlossen wurden, die in den ersten drei oder sechs Monaten nach der Blutentnahme verstorben waren.
Diese Daten liefern zusätzliche gute Evidenz dafür, so Ng, dass höhere Vita­min-D-Plasmakonzentrationen einen signifikanten Einfluss auf das Überleben von Patienten mit metastasiertem kolorektalem Karzinom haben, die mit Chemotherapie und Antikörpern behandelt werden. Es sei noch zu früh, Darmkrebs-Patienten generell eine Vitamin-D-Supplementation zu empfehlen, aber Interventionsstudien, die diesen Zusammenhang zweifelsfrei beweisen und belegen sollen, dass der Effekt tatsächlich auf das Vitamin zurückgeht, sind bereits angelaufen, beispielsweise eine US-amerikanische randomisierte Phase-II-Studie, in der die Patienten neben einer FOLFOX/Bevacizumab-Therapie entweder eine niedrige (400 IU/d) oder eine hohe Dosis Vitamin D3 (4.000 IU/d) erhalten.

Chemotherapie: Das volle Programm auf einmal
Dass in der Ära der zielgerichteten Substanzen und monoklonalen Antikörper auch der Ausbau der klassischen Chemotherapie noch Fortschritte bringen kann, zeigen italienische Kollegen der Gruppo Oncologico Nord Ovest (GONO) mit den 5-Jahres-Resultaten ihrer TRIBE-Studie: Hier wurde die FOLFIRI-Kombination randomisiert nicht mit FOLFOX, sondern mit dem Dreierregime FOLFOXIRI verglichen, das 5-Fluorouracil, Folinsäure, Oxaliplatin und Irinotecan enthält. Außerdem bekamen alle Patienten den VEGF-Antikörper Bevacizumab, und nach maximal zwölf Zyklen dieser Therapie wurden 5-FU und Bevacizumab bis zur Krankheitsprogression weitergegeben. In der initialen Analyse hatte sich bereits eine signifikante Verlängerung des primären Endpunkts progressionsfreies Überleben ergeben, so Chiara Cremolini, Pisa, und in San Francisco konnte sie nun mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 48 Monaten auch die reifen Überlebensdaten vorstellen [2]:
Das Gesamtüberleben wurde durch die Hinzunahme von Oxaliplatin zum FOLFIRI-Regime von median 25,8 auf 29,8 Monate verlängert (HR 0,80; p = 0,030). Die Überlebensraten zu verschiedenen Zeitpunkten (Tab. 1) zeigen, dass sich der Vorteil mit zunehmender Zeitdauer entwickelt und dass die Überlebenschancen sich nach fünf Jahren verdoppelt haben. Der Effekt war in allen untersuchten Subgruppen zu sehen und war in einer multivariaten Analyse unabhängig von anderen prognostisch relevanten Faktoren (HR 0,77; p = 0,020).
Diarrhöen und Neutropenien waren unter FOLFOXIRI vermehrt zu beobachten, aber es gab keine Unterschiede hinsichtlich schwerer Nebenwirkungen. Viele Patienten sind imstande, die Dreier-Chemotherapiekombination aus 5-FU, Oxaliplatin und Irinotecan (plus Bevacizumab) zu tolerieren, aber über 75-Jährige bzw. 70- bis 75-Jährige in schlechtem Allgemeinzustand wird man damit nicht behandeln können, so Frau Cremolini. Immerhin beträgt der absolute Überlebensvorteil nach fünf Jahren 12,5%, d. h. einer von acht Patienten wäre zu diesem Zeitpunkt mit FOLFIRI plus Bevacizumab schon verstorben, hat aber mit der FOLFOXIRI-Kombination eine Chance, noch am Leben zu sein.
Die italienischen Kollegen wollen diese Therapie nun in der TRIBE-2-Studie weiterentwickeln, in der über 650 Patienten zunächst FOLFOXIRI plus Bevacizumab erhalten sollen. Im Falle einer Progression werden sie randomisiert, entweder noch einmal mit diesem Regime behandelt zu werden oder zunächst FOLFOX plus Bevacizumab zu bekommen, gefolgt von
FOLFIRI plus Bevacizumab. In Phase-II-Studien wird außerdem versucht werden, die initiale Chemotherapie von sechs auf vier Monate zu verkürzen und dafür die Erhaltungstherapie effektiver zu machen: In der MACBETH-Studie wird beispielsweise FOLFOXIRI anstelle von Bevacizumab mit dem EGFR-Antikörper Cetuximab kombiniert werden.

Ramucirumab und FOLFIRI in der Second-line
Der vaskuläre endotheliale Wachstumsfaktor (VEGF) spielt eine wichtige Rolle in der Tumorangiogenese, und der VEGF-Antikörper Bevacizumab ist daher zur Therapie einer Reihe von malignen Tumoren zugelassen. Bei einigen Entitäten wie zum Beispiel beim Magenkarzinom war er aber nicht erfolgreich gewesen, möglicherweise, weil er nur den Subtyp A von VEGF hemmt. Weil der Typ-2-Rezeptor für VEGF (VEGFR-2) eine wichtige Rolle bei der Neoangiogenese spielt, wurde gegen dessen extrazelluläre Domäne der monoklonale humane Antikörper Ramucirumab entwickelt, der in Europa vor Kurzem zur Zweitlinientherapie des Magenkarzinoms zugelassen wurde und auch beim Lungentumoren bereits positive Ergebnisse gezeitigt hat. In der Phase-III-Studie RAISE, die Josep Tabernero, Barcelona, in San Francisco vorstellte [3], wurde Ramucirumab ebenfalls in der Second-line-Therapie des kolorektalen Karzinoms getestet:
Insgesamt 1.072 Patienten, die nach einer Erstlinientherapie mit Bevacizumab, Oxaliplatin und einem Fluoropyrimidin progredient waren, erhielten in der Zweitlinie FOLFIRI und randomisiert entweder Placebo oder Ramucirumab (8 mg/kg i. v.) alle zwei Wochen bis zu Progression, inakzeptabler Toxizität oder Tod. Primärer Endpunkt war das Gesamtüberleben, und hier konnte Ramucirumab mit median 13,3 versus 11,7 Monaten einen signifikanten Vorteil zeigen (HR 0,84; p = 0,0219), ebenso beim progressionsfreien Überleben mit 5,7 vs. 4,5 Monaten (HR 0,79; p = 0,0005). Kein Unterschied war bei den Ansprechraten zu sehen (13,4% vs. 12,5%; p = 0,6336). Die vorteilhafte Wirkung bei den Überlebensparametern war in allen untersuchten Subgruppen zu verzeichnen. Grad-3/4-Nebenwirkungen, die unter Ramucirumab häufiger auftraten, waren Neutropenien (38,4% vs. 23,3%), Hypertonie (11,2% vs. 2,8%), Diarrhö (10,8% vs. 9,7%) und Fatigue (11,5% vs. 7,8%). Damit gibt es bei den Toxizitätsdaten keine unerwarteten neuen Signale, so Tabernero; insbesondere Hypertonie ist eine bekannte Nebenwirkung von anti-angiogenen Therapien.
Damit hat eine weitere Substanz gezeigt, dass sie in der Second-line-Therapie das Überleben von Patienten mit fortgeschrittenem kolorektalem Karzinom verlängern kann. Diesen Anspruch, so Tabernero, kann man aber derzeit nur für die Kombination von Ramucirumab mit FOLFIRI erheben und ebenso nur für Patienten, die in der First-line bereits Bevacizumab erhalten haben. Andere Konstellationen wie eine Erstlinientherapie mit Cetuximab müssen in separaten Studien überprüft werden.

Rektumkarzinom: Wann kann man auf die Operation ganz verzichten?
Das Rektumkarzinom wird gerne mit neoadjuvanter Chemo- und Radiotherapie behandelt, um den operativen Eingriff so klein wie möglich zu halten. Dabei kommt es nicht selten zu klinischen Komplettremissionen, und in solch einem Fall ist man versucht, auf eine anschließende Operation zu verzichten. Vor allem für den Patienten ist das eine sehr attraktive Option, aber sie entspricht bisher nicht dem Standard. Um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie das onkologische Ergebnis bei einem solchen konservativen Vorgehen sein könnte, wurden am Memorial Sloan-Kettering Cancer Center in New York die Daten von 73 Patienten gesammelt, die zwischen 2006 und 2014 wegen eines Rektumkarzinoms im Stadium I–III so behandelt worden waren [4]. Sie hatten nach einer Chemoradiotherapie keine Anzeichen für einen Tumorrest mehr gezeigt und wurden, statt operiert zu werden, engmaschig nachkontrolliert – mit digitalen und endoskopischen rektalen Untersuchungen alle drei bis vier und CT-Scans alle sechs Monate. Nach median 3,3 Jahren Nachbeobachtung sind 74% von ihnen nach wie vor tumorfrei, bei den übrigen kam es zu einem Lokalrezidiv, das in allen Fällen operativ entfernt werden konnte (in 16 Fällen per totaler mesorektaler (TME), in zwei Fällen durch lokale Exzision). Neun Patienten entwickelten im Follow-up Fernmetastasen. In einem (nicht randomisierten) Vergleichskollektiv von 72 Patienten, die im gleichen Zeitraum sofort nach der neoadjuvanten Chemoradiotherapie per TME operiert worden waren und im Op-Präparat eine pathologische Komplettremission aufgewiesen hatten, waren es fünf; dieser Unterschied war nicht signifikant. Krankheitsspezifisches und Gesamtüberleben nach vier Jahren waren ebenfalls nicht signifikant unterschiedlich (Tab. 2). Nach ersten Berichten aus Brasilien und den Niederlanden ist das eines der bisher größten Kollektive von Patienten, für die positive Ergebnisse einer „Watch-and-wait“-Strategie beim Rektumkarzinom berichtet wurden – aber Analyse und Vergleich erfolgten retrospektiv. Derzeit läuft in den USA eine prospektive multizentrische Studie an, in der Patienten mit klinischer Komplettremission nach neoadjuvanter Therapie ein Verzicht auf die Operation angeboten werden soll. Eine Komplettremission nach neoadjuvanter Chemoradiotherapie, so Philip Paty, New York, ist bei 40–50% der Patienten im Stadium I und bei 30–40% in den Stadien II–III zu erwarten. Die meisten Patienten sind seiner Erfahrung nach bereit, ein gewisses Risiko einzugehen, um die Rektum-Operation zurückzustellen und dadurch vielleicht einen größeren Eingriff zu vermeiden, bei dem eventuell sogar die Rektum-Funktion verloren gehen könnte.

 

Magenkarzinom

Immuntherapie auch beim Magenkarzinom aktiv
Das Immunsystem geht prinzipiell sehr aktiv gegen maligne Zellen vor. Eine manifeste Tumorerkrankung kann sich unter anderem dann entwickeln, wenn diese Abwehr versagt bzw. durch die Tumorzellen selbst umgangen wird. Dazu benutzen diese Mechanismen, die eigentlich der Verhinderung von Autoimmunreaktionen dienen: Beispielsweise exprimieren die Krebszellen PD-L1, einen Liganden des PD-1-Rezeptors auf T-Lymphozyten, und durch die Bindung dieses Liganden wird die Aggressivität der T-Zelle gegenüber dem Tumor stark gebremst. Inhibitoren solcher Immuncheckpoint-Mechanismen, zum Beispiel Antikörper, die an PD-1 binden, können diese Hemmwirkung blockieren und die Reaktivität der Immunzelle wiederherstellen. In der Phase-Ib-Studie KEYNOTE-012 wurde beispielsweise der PD1-Antikörper Pembrolizumab bei Patienten mit einer Reihe verschiedener fortgeschrittener solider Tumoren (triple-negatives Mammakarzinom, Kopf-Hals-Tumoren, Urothel- und Magenkarzinom) getestet. Über die Ergebnisse beim Magenkarzinom berichtete in San Francisco Kei Muro, Nagoya [5]:
Berücksichtigt wurden in der Analyse nur Patienten, deren Magentumoren in der Immunhistochemie positiv für das Vorliegen des PD-L1-Antigens auf Tumor- oder Stromazellen getestet worden waren. Sie erhielten alle zwei Wochen eine Infusion mit 10 mg/kg Pembrolizumab über bis zu zwei Jahre bzw. bis zum Auftreten einer Komplettremission, einer Progression oder inakzeptabler Toxizitäten. Primärer Endpunkt war die durch unabhängige Radiologen festgestellte Ansprechrate.
Von 162 gescreenten Patienten hatten 65 (40%) PD-L1 in der Tumorbiopsie aufgewiesen, von denen wiederum 39 in die Studie aufgenommen wurden. Zwei Drittel von ihnen hatten mindestens zwei Vortherapien erhalten. Nach median 8,8 Monaten Follow-up ist ein Drittel der Patienten nach wie vor in Behandlung. Die Ansprechrate lag bei der unabhängigen Beurteilung bei 22%, bei der Beurteilung durch die Studienärzte bei 33%. Ein Ansprechen wurde nach median acht Wochen Therapie mit Pembrolizumab erzielt, die Dauer der Remissionen lag bei median 24 Wochen (das Maximum liegt derzeit bei über 33 Wochen). 69% der Patienten waren nach sechs Monaten noch am Leben, 24% progressionsfrei. Das Ansprechen korrelierte mit der Expression von PD-L1.
Bei vier Patienten traten Nebenwirkungen vom Grad 3–5 auf, davon je einmal eine periphere sensorische Neuropathie, Fatigue, Appetitverlust, Hypoxie und Pneumonitis; die Hypoxie endete letal. Pembrolizumab hat sich damit als vielversprechende Anti-Tumor-Substanz auch beim fortgeschrittenen Magenkarzinom erwiesen, so Muro, deren Toxizitäten handhabbar sind. Unter anderem sind zum Magenkarzinom eine Phase-II- (KEYNOTE-059, [6]) und eine Phase-III-Studie (KEYNOTE-061, [7]) mit Pembrolizumab geplant, die aber noch nicht aktiv re­krutieren.

Hepatozelluläres Karzinom

Ramucirumab bei Leberzellkarzinom
Der Multikinaseinhibitor Sorafenib stellt derzeit die Standardtherapie für Patienten mit fortgeschrittenem Leberzellkarzinom dar, weil er in zwei Phase-III-Studien das Gesamtüberleben gegenüber den sehr eingeschränkten konventionellen Therapiemöglichkeiten verlängert hatte. Patienten, die nach Sorafenib progredient sind, haben bisher praktisch keine Optionen mehr. Deshalb wurde in der REACH-Studie der anti-angiogene Antikörper Ramucirumab bei solchen Patienten randomisiert und doppelblind gegen Placebo gestestet. Die primäre Auswertung, die bereits beim ESMO-Kongress 2014 in Madrid gezeigt worden war, hatte beim primären Endpunkt Gesamtüberleben nur eine nicht-signifikante Verlängerung durch Ramucirumab ergeben (median 9,2 vs. 7,6 Monate; HR 0,866; p = 0,1391). In San Francisco stellte Andrew Zhu vom Massachusetts General Hospital in Boston nun eine vorab geplante Subgruppenanalyse vor, für die die Patienten entsprechend ihrer α-Fetoprotein-Titer (AFP) zu Beginn der Behandlung stratifiziert worden waren [8].
Bei den 250 Patienten mit einem AFP-Cutoff-Wert oberhalb von mindestens 400 ng/ml fiel der Überlebensvorteil durch Ramucirumab deutlich und signifikant aus: Mit median 7,8 Monaten war die Überlebenszeit gegenüber Placebo mit 4,2 Monaten beinahe verdoppelt (HR 0,67; p = 0,0059). Wenn als Cutoff-Wert das 1,5-Fache der Obergrenze des Normbereichs gewählt wurde, blieben 417 Patienten in der Analyse, und auch für sie war der Vorteil si­gnifikant (median 8,6 vs. 5,7 Monate; HR 0,749; p = 0,0088). Bei Patienten mit AFP-Werten unter 400 ng/ml hingegen war kein Nutzen des Antikörpers zu erkennen. Auch Tests für eine Interaktion zwischen dem AFP-Wert und dem Effekt von Ramucirumab auf das Überleben fielen für beide Cutoff-Werte si­gnifikant aus (p = 0,0272 bzw. 0,0372). Das Sicherheitsprofil entsprach dem, was für Ramucirumab bereits bekannt ist; an schwereren Reaktionen traten in erster Linie Hypertonien auf.
Der AFP-Wert vor Therapiebeginn scheint ein brauchbarer prädiktiver Marker für die Anwendung von Ramucirumab bei Patienten mit fortgeschrittenem, unter Sorafenib progredientem hepatozellulärem Karzinom zu sein. Welche Rolle die AFP-Werte spielen, ist noch nicht völlig klar; es gebe Hinweise darauf, so Zhu, dass die erhöhten Werte genetisch bedingt sein könnten.

Pankreaskarzinom

Vielversprechende neue Substanzen
Beim Pankreaskarzinom gab es interessante Ergebnisse mit einigen neuen Substanzen.
• So präsentierte Angus Dalgleish, London, die Resultate der IMAGE-1-Studie, in der IMM-101, ein hitzeinaktiviertes Ganz-Zell-Präparat von Mycobacterium obuense, intradermal appliziert, als Zusatz zu Gemcitabin gegeben wurde [9]. Die insgesamt 110 Patienten erhielten bis zu zwölf vierwöchige Zyklen Gemcitabin und randomisiert (im Verhältnis 2:1) das Immuntherapeutikum oder keine zusätzliche Therapie. Sie profitierten von IMM-101 tatsächlich bezüglich des Gesamtüberlebens (median 7,2 vs. 5,6 Monate;
HR 0,60; p = 0,022); beim progressionsfreien Überleben war beinahe eine Verdoppelung von 2,4 auf 4,4 Monate zu sehen (HR 0,51; p = 0,003). Bei den Patienten mit metastasierter Erkrankung war der Vorteil noch ausgeprägter (Gesamtüberleben 7,5 vs. 4,4 Monate; HR 0,46; p = 0,002; progressionsfreies Überleben 4,4 vs. 2,3 Monate; HR 0,40; p < 0,001). Als einzige Nebenwirkungen vom Grad 3 oder höher, die in der IMM-101-Gruppe häufiger auftraten, wurden Asthenie (10,8%) und Schmerzen (8,1%) beschrieben.
• Das Microenvironment des Pan­kreaskarzinoms zeichnet sich durch eine ausgeprägte Entzündung aus. Die häufig zu findenden inflammatorischen Monozyten korrelieren mit einer schlechten Prognose. Sie tragen den Chemokin-Rezeptor CCR2, der durch das Molekül PF-04136309 gehemmt wird. In einer Phase-Ib/II-Studie, die Adrea Wang-Gillam, St. Louis, vorstellte [10], erhielten 41 Patienten mit grenzwertig resektablem oder lokal fortgeschrittenem Pankreaskarzinom eine FOLFIRINOX-Chemotherapie mit oder ohne PF-04136309. Von 23 auswertbaren Patienten, die den Inhibitor bekommen hatten, hatten zwölf eine partielle Remission und die übrigen elf eine Krankheitsstabilisierung. Vier von fünf der ursprünglich grenzwertig resektablen und zwei der Patienten mit lokal fortgeschrittenen Tumoren konnten mit kurativer Intention operiert werden. In sequenziellen Biopsien konnte ein Anstieg pro-tumoraler Zytokine unter FOLFIRINOX alleine gezeigt werden, der unter der Kombination supprimiert wurde. Der Inhibitor war praktisch nicht mit zusätzlicher Toxizität assoziiert.


Josef Gulden