Ältere Patientinnen – andere Biologie, andere Ziele
Auf beiden Kongressen gab es Vorträge, die der älteren Brustkrebspatientin gewidmet waren. „Bei ihnen sind luminale Mammakarzinome häufiger – trotz des niedrigen Östrogenspiegels nach der Menopause“, erklärte Prof. Hans Wildiers, Brüssel, Belgien, beim ESMO Breast 2025. „Die Proliferationsrate dieser luminalen Tumoren ist gering, die Oncotype Recurrence Scores sind niedrig, und die Patientinnen erzielen nach neoadjuvanter Chemotherapie seltener eine pathologische Komplettremission als jüngere Frauen“, fasste Wildiers zusammen.
Prof. Marcus Schmidt, Mainz, kritisierte auf dem DGS Jahreskongress 2025, dass ältere Brustkrebspatientinnen in klinischen Studien noch immer deutlich unterrepräsentiert seien. Sowohl beim ESMO Breast 2025 als auch beim DGS Jahreskongress 2025 wurde vor einer Übertherapie älterer Patientinnen gewarnt. Schmidt erinnerte daran, dass der Vorteil einer adjuvanten Chemotherapie ab der Postmenopause abnehme [1–3].
Außerdem sei wichtig, dass sich die Therapieziele älterer Patientinnen meist von denen jüngerer unterscheiden. Im Mittelpunkt stünden oft der Erhalt von Unabhängigkeit, Schmerzfreiheit und Lebensqualität.
Gebrechlichkeit vor Therapiebeginn einschätzen
Sowohl Dr. Tania Kalsi, London, Großbritannien, als auch Schmidt betonten auf dem ESMO Breast 2025 beziehungsweise auf dem DGS Jahreskongress 2025 die Bedeutung eines geriatrischen Assessments vor Therapiebeginn bei Patientinnen ≥ 65 Jahren. Diese seien gebrechlich, „wenn dauerhaft ein Stressor gleich jeder Art aufgrund in multipler Hinsicht fehlender Reserven nicht kompensiert werden kann, sondern mit einem Abwärtstrend verbunden ist“, erklärte Kalsi.
Um die Gebrechlichkeit – „frailty“ – zu messen, stehen verschiedene Instrumente zur Verfügung. Wichtig sei, ältere Brustkrebspatientinnen überhaupt auf Frailty zu screenen oder ein geriatrisches Assessment durchzuführen, wie es unter anderem die American Society of Clinical Oncology (ASCO), die ESMO und das National Comprehensive Cancer Network (NCCN) empfehlen, betonte Kalsi. So ließen sich das Risiko für Nebenwirkungen einer Chemotherapie und für Dosismodifikation sowie die notwendigen supportiven Maßnahmen besser einschätzen. Schmidt empfahl den G8-Fragebogen [4] als einfach zu implementierendes geriatrisches Screening-Tool.
Junge Patientinnen – Fertilitätserhalt vor Therapiebeginn ansprechen
Etwa 10 % aller Brustkrebserkrankungen betreffen Frauen unter 40 Jahren. Prof. Tanja Fehm, Düsseldorf, fasste auf dem DGS Jahreskongress 2025 zusammen, was bei einem Kinderwunsch von Mammakarzinompatientinnen zu beachten ist.
Es sei wichtig, den Fertilitätserhalt und die Möglichkeiten einer Schwangerschaft nach der Erkrankung bereits vor Therapiebeginn anzusprechen. „Jede Patientin im fertilen Alter muss über die Möglichkeiten des Fertilitätserhalts aufgeklärt werden“, betonte Fehm.
Bis zu einem Alter von 40 Jahren übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen den Fertilitätserhalt. Derzeit gibt es für Brustkrebspatientinnen drei Methoden zur Fertilitätsprotektion: die Kryokonservierung (un-)fertilisierter Oozyten, die Krykonservierung von Ovarialgewebe und die Gabe von GnRH-Agonisten zur Ovarsuppression. Mittlerweile gebe es gute Protokolle für die hormonelle Stimulation, die für Mammakarzinompatientinnen sowohl vor dem Therapiestart als auch nach der Behandlung onkologisch sicher seien, betonte Fehm. Bei der Kryokonservierung von Ovargewebe ist keine ovarielle Stimulation erforderlich. Bei BRCA1/2-Mutationsträgerinnen besteht aber die Gefahr einer Tumorzellverschleppung, sodass nach Abschluss des Verfahrens das transplantierte Ovargewebe wieder explantiert werden muss. Am unkompliziertesten ist die Ovarsuppression mittels GnRH-Analoga. „Allerdings ist das nicht die zuverlässigste Methode für den Fertilitätserhalt“, kommentierte Fehm. Gemäß den aktuellen Leitlinien sollen GnRH-Agonisten nicht als zuverlässige Maßnahme angeboten werden, da sie als alleinige Option nicht ausreichend sind.
Wann ist eine Schwangerschaft möglich?
Den Patientinnen sollte – eine kurative Situation vorausgesetzt – unabhängig vom Hormonrezeptorstatus der Erkrankung nicht von einer Schwangerschaft abgeraten werden. „Wir wissen, dass sich durch eine Schwangerschaft die Prognose nicht verschlechtert“, betonte Fehm. „Trotzdem sollte bei der Beratung das individuelle Rezidivrisiko thematisiert werden. Bei hormonrezeptornegativen (HR–) Patientinnen sollte mindestens sechs Monate nach Ende der Chemotherapie abgewartet werden“, sagte Fehm. Allerdings laute die allgemeine Leitlinienempfehlung bei HR– Patientinnen, mindestens zwei Jahre nach Therapieende – und damit die Phase des höchsten Rezidivrisikos – abzuwarten, bei Lymphknotenbefall sogar fünf Jahre.
Bei HR+ Patientinnen sollte die endokrine Therapie (ET) frühestens nach 18 Monaten unterbrochen werden, um eine Schwangerschaft anzustreben, und nach der Schwangerschaft bis zur Komplettierung der fünf oder sogar zehn Jahre fortgeführt werden. „Auch bei der ET ist eine Wash-out-Phase von mindestens sechs Monaten notwendig“, erklärte Fehm. Dass die Unterbrechung der ET für eine Schwangerschaft für bis zu zwei Jahre sicher ist, hatte die POSITIVE-Studie zumindest im Kurzzeit-Follow-up gezeigt [5]. Eine längere Nachbeobachtungszeit wäre natürlich vor allem beim HR+ Mammakarzinom wünschenswert, so Fehm. Aus ihrer Sicht könne man dieses Konzept nicht allen Patientinnen mit HR+ Mammakarzinom anbieten. Deutlich erhöhte Rezidivraten zeigten sich nämlich in der POSITIVE-Studie bei Frauen mit vier bis neun befallenen Lymphknoten sowie mit Tumoren über 5 cm.
Gynäkologische Probleme unter endokriner Therapie
„20 % der Mammakarzinompatientinnen sind jünger als 50 Jahre und damit meist noch nicht postmenopausal. Vor allem sie können größere Probleme mit der ET haben“, konstatierte Prof. Isabell Witzel, Zürich, Schweiz, auf dem DGS Jahreskongress 2025. Eine systemische Hormonersatztherapie (HRT) nach Mammakarzinom bleibt jedoch bei hormonsensitiver Erkrankung nicht indiziert („–“ Bewertung der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie [AGO] Kommission Mamma 2025). Bei HR– Erkrankung könne sie in Einzelfällen erwogen werden, so Witzel, aber auch hier sei die Förderung eines Rezidivs durch die HRT möglich, wie Studien aufgezeigt hätten.
Vaginales Östriol über mehr als drei Monate anwendbar
Möglich ist dagegen die vaginale Applikation von Östriol (E3 0,03 mg). Dabei wurde in den AGO-Empfehlungen die Begrenzung der vaginalen Östriol-Applikation auf drei Monate gestrichen. Nach dem Beginn mit der täglichen einmaligen Gabe für vier Wochen gefolgt von dreimal pro Woche über acht Wochen kann die Therapie bei Bedarf mit einer Applikation ein- bis zweimal pro Woche fortgeführt werden („+/–“ Empfehlung). „Ich denke, das ist wichtig für die Frauen“, kommentierte Witzel. Nichthormonelle Gele zur Behandlung der vaginalen Trockenheit werden mit „+“ empfohlen. Eine lokale Lasertherapie (Selbstzahlerleistung) könne individuell in die Beratung aufgenommen werden.
Medikamente gegen Hitzewallungen und Schlafstörungen
Zu den medikamentösen Ansätzen bei Hitzewallungen gehört Venlafaxin. „Das wird oft vergessen, hilft aber effektiv“, erklärte Witzel. Von der AGO Kommission Mamma wird der selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI) mit „+“ empfohlen. Dazu erklärte Witzel: „Man sollte niedrig dosiert mit einmal abends 37,5 mg starten und bei fehlendem Ansprechen nach drei bis vier Tagen die Dosis erhöhen. Wenn die Frauen profitieren, dann sehr schnell.“
Im Jahr 2024 neu zugelassen wurde der Neurokinin-3-Rezeptor-Antagonist (NK3-RA) Fezolinetant, der allerdings nicht bei Mammakarzinompatientinnen untersucht wurde („+/–“ Empfehlung). Ein weiterer NK3-RA, Elinzanetant, hat sich dagegen auch bei Brustkrebspatientinnen unter adjuvanter ET wirksam gezeigt, ist aber derzeit noch nicht zugelassen. Hierzu meinte Witzel: „Ein NK3-RA kann eine Lösung im Einzelfall sein. Aufgrund eines Rote-Hand-Briefes müssen einmal im Monat die Leberwerte bestimmt werden.“
Bei Schlafstörungen habe sich Melatonin als wirksam erwiesen, bei aromatasehemmerinduzierten Gelenkschmerzen Duloxetin („+“ Empfehlungen der AGO). Bei Arthralgien sei auch ein Versuch mit einem Kombinationspräparat aus Ananas-, Papaya- und Linsenextrakt sowie Selen empfehlenswert.
Neue Biomarker für die Immuntherapie beim frühen triple-negativen Brustkrebs?
Die Immuntherapie (IT) beim frühen triple-negativen Mammakarzinom (TNBC) steckt im Gegensatz zum metastasierten Stadium noch in den Kinderschuhen, und bei anderen Mammakarzinomsubtypen spielt die IT bisher noch keine Rolle. Das wiederkehrende Stichwort in den Vorträgen zur IT beim ESMO Breast 2025 war Patientenauswahl. Auch die Keynote Lecture von Prof. Sherene Loi, Melbourne, Australien, behandelte die Frage, welche neuen Biomarker Erkrankte identifizieren könnten, die von einer IT profitieren, und welche weiteren Subgruppen zukünftig mit immuntherapeutischen Konzepten behandelt werden könnten.
Prof. Rebecca Dent, Singapur, hatte zuvor dargestellt, dass die PD-L1-Expression für die Wirksamkeit einer neoadjuvanten Therapie mit PD-(L)1-Inhibitoren kein relevanter Biomarker zu sein scheint. Dagegen scheine die Anzahl an tumorinfiltrierenden Lymphozyten (TiL) eine Rolle zu spielen. Loi beleuchtete den potenziellen zukünftigen Stellenwert der Immunzellinfiltration als Biomarker für die IT. Heute sei bereits Folgendes bekannt: Beim frühen TNBC ist eine hohe Anzahl an TiL prognostisch und mit einem besseren Ergebnis mit und ohne adjuvante Chemotherapie, einem besseren Outcome bei (neo-)adjuvanter Chemotherapie mit oder ohne IT und außerdem mit sehr guten Überlebensdaten beim TNBC im Stadium I (ohne Chemotherapie) assoziiert. Auch beim frühen HR+ Mammakarzinom spiele eine hohe Anzahl an TiL eine wichtige prognostische Rolle; prädiktiv für die Wirksamkeit der IT sei sie bei frühen HR+ Hochrisikotumoren.
Warum bei einigen Mammakarzinomen eine hohe Immuninfiltration vorliege, bei anderen aber nicht, sei noch unklar, so Loi. Deutlich werde aber, dass die Immuninfiltration nicht nur von der Zahl der Neoantigene eines Tumors abhänge. Außerdem sei nicht nur die Quantität der TiL wichtig, sondern auch die Art der TiL.
Loi berichtete: „Nach Schwangerschaft und Stillen fanden sich in Versuchen bei Mäusen viel mehr im Brustgewebe verbleibende T-Zellen.“ Forschungsarbeiten ihres Labors ließen den Schluss zu, dass Schwangerschaft und Stillen die Immunumgebung im Brustgewebe dauerhaft veränderten, sodass sich entwickelnde Tumoren besser bekämpft werden könnten. Vielversprechend für die zukünftige IT beim frühen TNBC sind laut Loi Kombinationstherapien, beispielsweise die Kombination der IT mit einem Antikörper-Wirkstoff-Konjugat – wie in der TROPION-Breast04-Studie (NCT06112379). In dieser Phase-III-Studie werde Betroffenen mit einem unbehandelten frühen TNBC oder HR-low-/HER2– Mammakarzinom neoadjuvant Datopotamab-Deruxtecan (Dato-DXd) und Durvalumab verabreicht, gefolgt von einer adjuvanten Durvalumab-Erhaltung. Solche Kombinationen seien besonders erfolgversprechend bei Erkrankten ohne PD-L1-Expression und bei geringer Anzahl an TiL.