Kleinzelliges Lungenkarzinom: Aktuelle Standards und Perspektiven in der Behandlung
DOI: https://doi.org/10.47184/tk.2025.02.2Das kleinzellige Lungenkarzinom (SCLC) ist eine aggressive Tumorentität mit schlechter Prognose. Zur Standardbehandlung gehören sowohl die Strahlen- und Chemotherapie als auch die Immuntherapie. Doch das Ansprechen ist oft nur kurzfristig. Neue Ansätze umfassen Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (ADCs), zielgerichtete Therapien und personalisierte Behandlungsstrategien auf Basis molekularer Biomarker. Besonders vielversprechend sind Kombinationen aus Immuntherapie und innovativen Wirkstoffen. Fortschritte wie die Liquid Biopsy sowie die Erforschung der Tumormikroumgebung eröffnen neue diagnostische und therapeutische Möglichkeiten.
Schlüsselwörter: kleinzelliges Lungenkarzinom (SCLC), Diagnostik, Therapie, Immuntherapie
Epidemiologie
Das Lungenkarzinom ist eine der häufigsten Krebsentitäten weltweit und zugleich die führende Ursache krebsbedingter Todesfälle. Das SCLC macht in Deutschland circa 15 % aller Lungenkarzinome aus; die überwiegende Mehrheit von 85 % verteilt sich auf die heterogene Gruppe der nichtkleinzelligen Lungenkarzinome (NSCLCs). Anders als das NSCLC entsteht das SCLC aus den neuroendokrinen Zellen der Lunge und ist durch ein schnelleres Wachstum und eine frühere Metastasierung charakterisiert. Das mediane Erkrankungsalter für das SCLC liegt bei 67 Jahren. Jährlich erkranken in Deutschland rund 8.300 Personen an einem SCLC. Bei 71 % der Neuerkrankungen liegen zum Zeitpunkt der Erstdiagnose bereits Fernmetastasen vor [1].
Der wichtigste Risikofaktor für das SCLC ist Rauchen. Rund 95 % der Betroffenen mit SCLC haben eine Rauchergeschichte [2]. Der zweithäufigste Risikofaktor ist die Exposition gegenüber natürlichem Radon, das insbesondere bei Nierauchern eine Rolle spielt [3]. Andere Risikofaktoren sind der Kontakt mit Karzinogenen wie Asbest, Arsen und Chrom sowie eine erhöhte Feinstaubbelastung durch Dieselabgase [4].
Histologie
Das SCLC entwickelt sich aus neuroendokrinen Zellen der Bronchien. Diese Zellen haben eine regulierende Funktion in der Lunge und produzieren Hormone und Peptide. Durch den Kontakt mit Karzinogenen (Tabakbestandteile, Radon, Arsen etc.) kommt es zu Mutationen in Tumorsuppressor- und/oder Protoonkogenen, die für das aggressive Tumorwachstum eine zentrale Bedeutung haben. Charakteristisch für das SCLC sind biallelische inaktivierende Mutationen in den beiden Tumorsuppressorgenen TP53 und Retinoblastom-Protein (RB1), die sich bei nahezu allen SCLC-Erkrankten nachweisen lassen [5, 6].
Darüber hinaus finden sich beim SCLC häufig Mutationen in der Familie der NOTCH-Gene oder Amplifikationen des MYC-Gens [5, 7].
Mikroskopisch präsentiert sich das SCLC typischerweise als klein-blau-rundzelliger Tumor; er muss konventionell-histologisch von anderen Tumoren wie dem Ewing-Sarkom oder Lymphomen abgegrenzt werden. Die kleinen Tumorzellen haben ein hohes Kern-Plasma-Verhältnis. Die Zellkerne präsentieren sich hyperchromatisch mit feinkörnigem Chromatin (Salt-and-Pepper-Muster). Ein Nukleolus ist meist kaum zu erkennen. Durch die hohe mitotische Aktivität kommt es gehäuft zu Apoptosen und ausgeprägten Nekrose-Arealen. Das Wachstumsmuster ist nestartig, diffus oder trabekulär.
Zur Bestätigung der Diagnose werden typischerweise neuroendokrine Marker in der Immunhistochemie gefärbt. Die Tumorzellen des SCLC sind in der Regel positiv für CD56 (NCAM), Synaptophysin, Chromogranin A und den thyroidalen Transkriptionsfaktor 1 (TTF-1).
Charakteristischerweise zeigt sich häufig eine hohe Ki-67-Proliferationsrate von über 80 %. Im Gegensatz zu den NSCLCs entwickeln sich keine Drüsenstrukturen (Adenokarzinome) oder Keratinisierungen (Plattenepithelkarzinome). Durch die hohe Proliferationsrate finden sich im Blut häufig Erhöhungen der neuronenspezifischen Enolase (NSE) und Laktatdehydrogenase (LDH) als Marker der hohen Apoptose-Rate.
Diagnose
In frühen Stadien bleibt das SCLC oft asymptomatisch, sodass es meist erst in einem fortgeschrittenen Stadium entdeckt wird [8]. Zu den unspezifischen Symptomen gehören Fatigue, Gewichtsverlust, Inappetenz, Husten und Kurzatmigkeit. Mit fortschreitender Erkrankung können Hämoptysen, thorakale Schmerzen sowie Beschwerden durch lokale Infiltration (z. B. Heiserkeit, Stridor, Dysphagie und das Vena-cava-superior-Syndrom) auftreten. Auch metastasenbedingte Symptome wie Knochenschmerzen oder neurologische Auffälligkeiten können vorkommen [8].
Paraneoplastische Syndrome, die beim SCLC vergleichsweise häufig sind, können bereits erste Hinweise auf die Erkrankung liefern. Während neuroendokrine Syndrome (z. B. Cushing-Syndrom und Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion [SIADH]) durch eine ektope Hormonproduktion entstehen, manifestieren sich neurologische Syndrome wie das Lambert-Eaton-Syndrom (1 bis 3 % der Fälle) immunvermittelt [9–12].
Die Diagnostik basiert auf der Anamnese (inkl. Raucherstatus), einer körperlichen Untersuchung, Laboranalysen (Blutbild, Nieren- und Leberparameter, Laktatdehydrogenase [LDH] und Elektrolyte) sowie bildgebenden Verfahren.
Bei Verdacht auf Lungenkarzinom empfiehlt die deutsche S3-Leitlinie zur weiteren Abklärung eine diagnostische Computertomografie (CT) des Thorax mit Kontrastmittel [13]. Besteht ein kurativer Therapieansatz, werden eine Fluordesoxyglukose-Positronenemissionstomografie (FDG-PET) idealerweise inklusive einer diagnostischen CT mit Kontrastmittel (FDG-PET/CT) sowie eine Schädel-Magnetresonanztomografie (MRT) zum Staging empfohlen. Alternativ zur FDG-PET/CT können auch eine diagnostische CT von Thorax und Abdomen sowie eine ergänzende Skelettszintigrafie durchgeführt werden. Allerdings sollten Patienten, die keinen kurativen Therapieansatz verfolgen, ein adäquates Staging bestehend aus Kopf- und Abdomenbildgebung erhalten (idealerweise Abdomen-CT mit Kontrastmittel und Schädel-MRT).
Die histologische Sicherung erfolgt meist mittels Bronchoskopie oder CT-gesteuerter Punktion. Bei SCLC im Stadium I bis III, die für operative oder strahlentherapeutische Maßnahmen infrage kommen, ist zudem eine Lungenfunktionsuntersuchung (forciertes exspiratorisches Volumen [FEV1], Vitalkapazität [VC] und Diffusionskapazität der Lunge für Kohlenmonoxid [DLCO]) indiziert [14].
Stadieneinteilung
Die Einteilung des SCLC in die Kategorien Limited Disease (LD-SCLC) und Extensive Disease (ED-SCLC) wurde für einen Zeitraum von circa 50 Jahren gemäß der im Jahr 1957 von der Veterans Administration Lung Study entwickelten Klassifikation vorgenommen.
Die Kategorie Limited Disease umfasste Erkrankungsstadien, bei denen der Primärtumor auf einen Hemithorax begrenzt war und bei denen außer einem gegebenenfalls vorhandenen ipsilateralen Pleuraerguss oder außer mediastinalen Lymphknotenmetastasen keine weiteren Tumormanifestationen vorgelegen haben.
Alle anderen Szenarien wurden der Kategorie Extensive Disease zugerechnet und waren entsprechend mit einer schlechteren Prognose vergesellschaftet.
Die International Association for the Study of Lung Cancer (IASLC) empfiehlt mittlerweile die Einteilung nach der TNM(„tumor, node, metastasis“)- beziehungsweise UICC(Union Internationale Contre le Cancer)-Klassifikation, die eine genauere Einteilung, Therapieplanung und Prognoseabschätzung erlaubt [15–17]. Die Einteilung erfolgt in diesem Kontext in Analogie zu anderen Tumoren anhand der Größe des Primärtumors beziehungsweise dessen lokaler Ausdehnung sowie dem Vorhandensein von Lymphknoten- oder Fernmetastasen (Tab. 1).
Tab. 1 Tabellarische Übersicht über das TNM(„tumor, node, metastasis“)-System, die Stadien nach der UICC(Union Internationale Contre le Cancer)-8-Klassifikation für das kleinzellige Lungenkarzinom (SCLC) und die 5-Jahres-Überlebensraten nach den Daten der National Cancer Data Base (NCDB) [18].
| TNM-Klassifikation | UICC-Stadium | 5-Jahres-Überlebensrate |
---|---|---|---|
Limited Disease | Frühes Tumorstadium
| I (IA, IB) | ~ 13–25 % |
Lokal fortgeschrittener Tumor
| II (IIA, IIB) | ~ 17–21 % | |
Fortgeschrittener Tumor
| III (IIIA, IIIB, IIIC) | ~ 9–13 % | |
Extensive Disease | Fernmetastasen | IV | < 5 % |
Behandlungsmethoden
Beim SCLC stehen je nach Krankheitsstadium unterschiedliche Therapieansätze zur Verfügung. Bei Erkrankten mit einem LD-SCLC ist die simultane Radiochemotherapie (cCRT) der Standard, häufig gefolgt von Konsolidierungstherapien, um das Überleben zu verlängern. Im fortgeschrittenen Stadium (ED-SCLC) bildet die Kombination aus platinbasierter Chemotherapie und Immuncheckpoint-Inhibitoren (Antikörper gegen das Oberflächenantigen PD-L1) wie Atezolizumab oder Durvalumab die Basis der Behandlung. Aufgrund des typischerweise aggressiven Verlaufs des SCLC erfolgt die Therapie meist multimodal.
Erstlinienbehandlung bei LD-SCLC
Bei Patienten mit begrenztem Krankheitsstadium (LD-SCLC) empfehlen die Leitlinien der European Society for Medical Oncology (ESMO) eine cCRT mit platinbasierter Chemotherapie (Carbo- oder Cisplatin in Kombination mit Etoposid) und thorakaler Bestrahlung. In Studien zeigte sich kein eindeutiger signifikanter Unterschied zwischen einer konventionellen Fraktionierung (Gesamtdosis 60 bis 66 Gy) und einer hypofraktionierten Bestrahlung (Gesamtdosis 45 Gy) [19–21]. Nach Abschluss der cCRT sollte eine prophylaktische Ganzhirnbestrahlung (PCI) mit 25 bis 30 Gy Gesamtdosis in Erwägung gezogen werden, insbesondere bei Personen mit einem guten Ansprechen auf die Erstlinienbehandlung.
Erstlinienbehandlung bei ED-SCLC
Bei einem fortgeschrittenen SCLC (ED-SCLC) ist die Standardtherapie gemäß den ESMO-Leitlinien eine platinbasierte Chemotherapie (Carbo- oder Cisplatin plus Etoposid) in Kombination mit einem PD-L1-Inhibitor (Atezolizumab oder Durvalumab). Diese Kombinationstherapie hat in randomisierten Phase-III-Studien (IMpower133 und CASPIAN) einen signifikanten Überlebensvorteil erzielt und ist mittlerweile internationaler Standard [22, 23]. Nach erfolgreicher Erstlinienbehandlung wird eine Erhaltungstherapie mit einem Checkpoint-Inhibitor (Atezolizumab oder Durvalumab) bis zum Progress empfohlen. Eine kraniale Bestrahlung (PCI) wird beim ED-SCLC nur bei ausgewählten Betroffenen mit einem hohen Metastasierungsrisiko in Erwägung gezogen [14].
Neu zugelassen seit Februar 2025 ist die Kombination des gegen PD-1 gerichteten monoklonalen Antikörpers Serplulimab mit Cisplatin/Carboplatin und Etoposid. Diese Kombination konnte in der randomisierten Phase-III-Studie ASTRUM-005 zu einer signifikanten Verlängerung des Gesamtüberlebens (OS) im Vergleich zur alleinigen Chemotherapie führen [24] (Tab. 2).
Tab. 2 Tabellarische Übersicht über die Studien der vergangenen Jahre, die zu Neuzulassungen in der Therapie des kleinzelligen Lungenkarzinoms (SCLC) geführt haben (nach [22–24, 26]).
Studie | Design | Population | Intervention | Kontrollarm | Primärer Endpunkt | Wichtigste Ergebnisse | Referenz |
---|---|---|---|---|---|---|---|
IMpower133 | Phase I/III (randomisiert) | Erstdiagnose ES-SCLC ≈ 403 | Atezolizumab plus Carboplatin/Etoposid | Placebo plus Carboplatin/Etoposid | OS | OS von 10,3 auf 12,3 Monate verlängert (HR 0,70); signifikante Verbesserung der Prognose | [22] |
CASPIAN | Phase III (randomisiert) | Erstdiagnose ES-SCLC ≈ 805 | Durvalumab plus Platin/Etoposid (± Tremelimumab) | Platin/Etoposid | OS | OS von 10,5 auf 13,0 Monate verlängert (HR 0,73); signifikante Verlängerung des Überlebens | [23] |
ATLANTIS | Phase III (randomisiert) | Rezidiviertes SCLC ≈ 613 | Lurbinectedin plus Doxorubicin | Topotecan oder CAV (Cyclophos-phamid, Doxorubicin, Vincristin) | OS | Kein signifikanter Vorteil beim OS im Vergleich zum Kontrollarm | [26] |
ASTRUM-005 | Phase III (randomisiert) | Erstdiagnose ES-SCLC ≈ 585 | Serplulimab plus Carboplatin/Etoposid | Serplulimab plus Carboplatin/Etoposid | OS | OS von 10,9 auf 15,4 Monate verlängert (HR 0,63); signifikante Verlängerung des Überlebens | [24] |
ES-SCLC = fortgeschrittenes („extensive stage“) kleinzelliges Lungenkarzinom; HR = Hazard Ratio; OS = Gesamtüberleben |
Zweitlinientherapie
Bei Behandelten mit einem Krankheitsprogress nach einer platinbasierten Erstlinientherapie ist laut europäischer Leitlinie der Topoisomerase-I-Inhibitor Topotecan die empfohlene Zweitlinientherapie. Alternativ kann das Alkylanz Lurbinectedin als Monotherapie in der Zweitlinie eingesetzt werden, basierend auf den Daten einer einarmigen Phase-II-Studie aus dem Jahr 2020 [25]. Eine Zulassung erfolgte bislang aber nur vonseiten der U. S. Food and Drug Administration (FDA).
In Europa ist die Zulassung durch die European Medicines Agency (EMA) bislang noch ausstehend. Dies liegt insbesondere daran, dass man in der nachfolgenden Phase-III-Studie ATLANTIS, in der der Einsatz von Lurbinectedin in Kombination mit Doxorubicin als Zweitlinientherapie untersucht worden ist, keine Verbesserung des OS im Vergleich zu Topotecan oder dem Therapieschema CAV (Cyclophosphamid, Doxorubicin, Vincristin) nachweisen konnte [26] (Tab. 2).
In der laufenden Phase-III-Studie LAGOON wird derzeit der Einsatz von Lurbinectedin entweder als Monotherapie oder in Kombination mit dem Topoisomerase-I-Inhibitor Irinotecan im Vergleich zur Monotherapie mit Topotecan oder Irinotecan in der Zweitlinientherapie des SCLC analysiert (NCT05153239). Die ersten Daten hierzu werden im ersten Quartal 2026 erwartet.
Prognose
Neben patientenindividuellen Faktoren wie Allgemeinzustand (Performance-Status), Alter und Komorbiditäten sind insbesondere Stadium und Therapieansprechen sowie Rezidivfreiheit zentrale Prognosefaktoren beim SCLC.
Aufgrund der häufig bereits bei Neudiagnose vorliegenden Fernmetastasierung sowie der hohen Proliferations- und Wachstumsrate gehört das SCLC weiterhin zu den Tumoren mit einer schlechten Prognose.
Kurativer Therapieansatz beim LD-SCLC
Ein kurativer Therapieansatz besteht formal nur im Stadium LD-SCLC. Das mediane Überleben in diesem Stadium (mit Behandlung) beträgt circa zwölf bis 18 Monate mit einem 2-Jahres-Überleben von ungefähr 41 %. Einen Überlebensvorteil hatten insbesondere solche Erkrankten, die eine frühzeitige thorakale Strahlentherapie und eine PCI erhielten [27]. Insbesondere im Stadium LD-SCLC hat die PCI eine prognostische Bedeutung, da sie das Risiko der ZNS-Metastasierung von 40 % (ohne PCI) auf 10 % (mit PCI) senken kann, auch wenn das 5-Jahres-Überleben hierdurch nur um circa 5 % verbessert wird [28].
Neuere Daten aus der ADRIATIC-Studie weisen darauf hin, dass durch die Hinzunahme von Durvalumab als adjuvante Therapie nach cCRT eine deutliche Verbesserung des Überlebens für Patienten im Stadium LD-SCLC erzielt werden kann [29].
Schlechte Überlebenschancen beim ED-SCLC
Abgesehen davon ist die Prognose im Stadium ED-SCLC weiterhin schlecht. Unter platinhaltiger Chemotherapie zeigt sich ein medianes Überleben von knapp zehn Monaten und eine 2-Jahres-Überlebensrate von lediglich 9 % [27]. Die Hinzunahme des Checkpoint-Inhibitors Atezolizumab konnte das OS in dieser Subgruppe allenfalls um zwei Monate von zehn auf zwölf Monate verlängern [30].
Einfluss biologischer Marker und Tumoreigenschaften auf Prognose
Darüber hinaus scheinen auch biologische Marker und Tumoreigenschaften einen Einfluss auf die Prognose beim SCLC zu haben. So gibt es Hinweise darauf, dass Personen, die ein paraneoplastisches Syndrom im Rahmen ihrer Erkrankung entwickelt haben, eine bessere Prognose aufweisen als solche ohne Paraneoplasien. Dies könnte insbesondere durch die höhere Anzahl tumorinfiltrierender Lymphozyten in der Tumormikroumgebung und die dadurch bedingte bessere Wirksamkeit der Immuntherapie begründet sein [31].
Auch neuere Einteilungen nach molekularen Veränderungen haben das Ziel, Subgruppen zu identifizieren, die besser auf eine Immuntherapie ansprechen als andere. Tumormarker wie ProGRP („pro-gastrin releasing peptide“), neuronenspezifische Enolase (NSE) und Cytokeratin-Fragment 19 (CYFRA 21-1) zeigten sich ebenfalls als potenzielle prognostische Biomarker, die dynamisch zum Krankheitsmonitoring unter der Therapie eingesetzt werden könnten [32].
Die Analyse von tumorassoziierten Biomarkern in Körperflüssigkeiten wie Blut mit dem Ziel der Gewinnung von diagnostischen und therapeutischen Informationen wird als Liquid Biopsy bezeichnet. Aufgrund der aggressiven Natur und der hohen Mutationslast des SCLC könnte die Analyse von zirkulierender Tumor-DNA (ctDNA) oder zirkulierenden Tumorzellen (CTCs) zukünftig eine minimalinvasive Beurteilung des Krankheitsverlaufs ermöglichen. Untersuchungen haben ergeben, dass ctDNA-Analysen beispielsweise zur prädiktiven Bewertung des Therapieansprechens genutzt werden können [33, 34].
Zudem weisen zirkulierende extrazelluläre Vesikel (EV) und Mikro-RNA-Profile ein Potenzial als Biomarker für frühe Krankheitsstadien auf.
Obwohl die Liquid Biopsy derzeit hauptsächlich in der Forschung Anwendung findet, könnte sie in Zukunft eine Schlüsselrolle bei der personalisierten Therapieentscheidung und der frühzeitigen Rezidiverkennung spielen.
Forschung
Nach dem Versagen der immun- und platinbasierten Erstlinientherapie verschlechtert sich die Prognose beim SCLC deutlich. Derzeit steht mit Topotecan nur eine unzureichend wirksame Zweitlinientherapie zur Verfügung. Es besteht daher dringender Bedarf an einer Optimierung der fortgeschrittenen Therapielinien. Im Folgenden sollen aktuelle Forschungsansätze und neueste Studienergebnisse in diesem Bereich kurz skizziert werden (Tab. 3).
Tab. 3 Tabellarische Übersicht der jüngsten klinischen Studien zu neuartigen therapeutischen Ansätzen im kleinzelligen Lungenkarzinom (SCLC). Zusammengefasst sind wichtige Studiendaten zu den untersuchten Therapeutika – einschließlich Studiendesign, Patientenkohorte, Interventionen/Dosierungen, zentrale Wirksamkeitsparameter (z. B. Gesamtüberleben [OS], progressionsfreies Überleben [PFS] und Gesamtansprechrate [ORR]), Sicherheitsprofile sowie relevante Referenzen.
Therapeutikum | Studie/Phase | Population/ Indikation | Intervention/Dosierung | Ergebnisse | Sicherheitsprofil |
---|---|---|---|---|---|
Durvalumab | ADRIATIC, Phase III, randomisiert, doppelblind, placebokontrolliert [29] | LD-SCLC-Patienten nach cCRT (n = 600) | Konsolidierung: Durvalumab 1.500 mg ± Tremelimumab 75 mg vs. Placebo, alle vier Wochen bis zu einem Jahr | Medianes OS 55,9 vs. 33,4 Monate (HR 0,73; p = 0,0104); | Leicht erhöhte Pneumonitisrate (38 vs. 30 % im Placeboarm) |
Tarlatamab | DeLLphi-301, Phase II [36] | Fortgeschrittenes SCLC, vorbehandelt (mind. zwei Therapielinien) | Tarlatamab 10 mg alle zwei Wochen | ORR 40 %; medianes PFS 4,9 Monate; medianes OS 14,3 Monate; 58 % mit mindestens sechs Monaten Ansprechdauer | Handhabbares Profil; |
Rova-T | Phase I und III (TAHOE [38], MERU [39]) | Vorbehandeltes SCLC (Unterscheidung nach DLL3-Expression) | ADC, Ziel: DLL3 | Phase I: ORR 18 % (bei hoher DLL3-Expression: 38 %); Phase III: frühzeitiger Abbruch beziehungsweise kein Überlebensvorteil | Ungünstige Ergebnisse in größeren Studien – Entwicklungsstopp |
ZL-1310 | Laufende Phase Ia/Ib (NCT06179069) | Vorbehandeltes ED-SCLC (nach mind. einer platinbasierten Therapie); n = 25 | ADC, Dosiseskalation: | Bei 19 evaluierbaren Patienten partielle Remission in 74 % der Fälle; | Gut verträglich; TEAEs meist Grad 1–2; Grad ≥ 3 bei 20 % (Neutropenie am häufigsten); eine DLT in 2,4-mg/kg-Kohorte |
Sacituzumab-Govitecan | TROPiCS-03, Phase II [40] | ED-SCLC, nach platinbasierter Chemotherapie und Anti-PD-(L)1-Therapie | 10 mg/kg an Tag 1 und 8 eines 21-Tage-Zyklus | ORR 41,9 %; mediane DOR 4,7 Monate | Handhabbares Sicherheitsprofil, konsistent mit früheren Studien |
Ifinatamab-Deruxtecan (DS-7300) | Phase I/II (NCT04145622); Phase III, IDeate-Lung02 initiiert | Fortgeschrittene solide Tumoren inklusive SCLC | ADC, Ziel: B7-H3 | In SCLC: ORR 52,4 %; medianes PFS 5,6 Monate; medianes OS 12,2 Monate | Akzeptables Sicherheitsprofil, konsistent mit präklinischen/klinischen Daten |
ABBV-011 | Phase I (NCT03639194) | Rezidiviertes/Refraktäres SCLC | ADC, Target: SEZ6; Dosierung: 0,3–2,0 mg/kg (bei 1,0 mg/kg konkret) | Bei 1,0 mg/kg: ORR 25 %; mediane DOR 4,2 Monate; medianes PFS 3,5 Monate | Dosisabhängige Nebenwirkungen (z. B. Müdigkeit, Übelkeit, Thrombozytopenie); MTD nicht erreicht |
ADC = Antikörper-Wirkstoff-Konjugat; CRS = Zytokinfreisetzungssyndrom; DLL3 = Delta-like-Protein 3; DLT = dosislimitierende Toxizität; DOR = Ansprechdauer; HR = Hazard Ratio; MTD = maximal tolerierbare Dosis; SEZ6 = „seizure-related homolog protein 6“; TEAEs = therapiebedingte unerwünschte Wirkungen |
Durvalumab
Die ADRIATIC-Studie ist eine randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte, multizentrische Phase-III-Studie, in der die Wirksamkeit von Durvalumab mit oder ohne Tremelimumab als Konsolidierungstherapie bei Patienten mit LD-SCLC evaluiert wird, die nach einer cCRT keine Krankheitsprogression aufgewiesen hatten. Die Teilnehmenden (n = 600) erhielten vier Zyklen einer platinbasierten Chemotherapie in Kombination mit einer Strahlentherapie. Anschließend wurden sie im Verhältnis 1:1:1 randomisiert, um entweder Durvalumab (1.500 mg) plus Placebo, Durvalumab (1.500 mg) plus Tremelimumab (75 mg) oder Placebo allein alle vier Wochen zu erhalten. Die Behandlungsdauer betrug bis zu einem Jahr.
Die dualen primären Endpunkte der Studie waren das progressionsfreie Überleben (PFS) und das OS. Die Ergebnisse zeigten, dass Durvalumab als Konsolidierungstherapie nach cCRT im Vergleich zu Placebo zu einer statistisch signifikanten und klinisch bedeutsamen Verbesserung sowohl des PFS als auch des OS führte. Das mediane OS betrug im Durvalumab-Arm 55,9 versus 33,4 Monate im Placeboarm (Hazard Ratio [HR] 0,73; 95 %-Konfidenzintervall [95 %-KI] 0,57–0,93; p = 0,0104). Das mediane PFS lag bei 16,6 Monaten für Durvalumab und bei 9,2 Monaten für Placebo (HR 0,76; 95 %-KI 0,61–0,95).
Die Sicherheitsanalyse ergab, dass die Rate an Pneumonitiden unter Durvalumab leicht erhöht war (38 vs. 30 % im Placeboarm).
Die ADRIATIC-Studie belegt somit, dass die Konsolidierungstherapie mit Durvalumab nach erfolgreicher cCRT bei Menschen mit LD-SCLC zu einer signifikanten Verlängerung des Überlebens führt und dabei ein akzeptables Sicherheitsprofil aufweist [29].
Tarlatamab
Tarlatamab ist ein bispezifischer T-Zell-Engager (BiTE®), der das Delta-like-Protein 3 (DLL3) auf Tumorzellen und das CD3-Molekül auf T-Zellen gleichzeitig bindet. DLL3 ist in über 80 % der SCLCs überexprimiert und in normalem Gewebe kaum vorhanden. Dies macht es zu einem attraktiven therapeutischen Ziel.
In präklinischen Studien zeigte Tarlatamab eine effektive Aktivierung von T-Zellen und die anschließende Lyse von DLL3-positiven SCLC-Zellen [35]. In der Phase-II-Studie DeLLphi-301 wurde Tarlatamab bei Betroffenen mit einem fortgeschrittenen SCLC untersucht, die mindestens zwei vorherige Therapielinien erhalten hatten [36].
Bei einer Dosierung von 10 mg alle zwei Wochen erreichte Tarlatamab eine objektive Ansprechrate (ORR) von 40 %, mit einem medianen PFS von 4,9 Monaten und einem medianen OS von 14,3 Monaten. Die mediane Ansprechdauer (DOR) wurde zum Zeitpunkt der Analyse noch nicht erreicht, wobei 58 % der Behandelten eine Ansprechdauer von mindestens sechs Monaten erzielen konnten.
Bezüglich der Sicherheit war das Nebenwirkungsprofil von Tarlatamab handhabbar. Die häufigsten unerwünschten Ereignisse waren das Zytokinfreisetzungssyndrom (CRS), Müdigkeit und Fieber. Schwerwiegende Nebenwirkungen führten bei etwa 3 % der Teilnehmenden zum Abbruch der Behandlung [36].
Basierend auf diesen Ergebnissen erteilte die FDA im Mai 2024 eine beschleunigte Zulassung für Tarlatamab zur Behandlung von Erwachsenen mit ED-SCLC, deren Erkrankung nach einer platinbasierten Chemotherapie fortgeschritten ist. Zusammenfassend stellt Tarlatamab eine vielversprechende neue Therapieoption beim vorbehandelten SCLC dar, mit überzeugender Wirksamkeit und einem akzeptablen Sicherheitsprofil.
Darüber hinaus laufen derzeit Phase-III-Studien, in denen der Einsatz von Tarlatamab untersucht wird im Vergleich zur Standardbehandlung (z. B. Topotecan) in der Zweitlinie (NCT05740566, DeLLphi 304) oder die Kombination von Tarlatamab mit Durvalumab als Erhaltungstherapie in der Erstlinie nach platinhaltiger Immunchemotherapie des ED-SCLC (NCT06211036, DeLLphi 305) sowie die Gabe von Tarlatamab als Erhaltungstherapie nach cCRT in der Erstlinientherapie des LD-SCLC (NCT06117774, DeLLphi 306).
Rovalpituzumab-Tesirin (Rova-T)
Rovalpituzumab-Tesirin (Rova-T) ist ein experimentelles ADC, das ebenfalls auf DLL3 abzielt. In frühen klinischen Studien erreichte Rova-T initial vielversprechende Ergebnisse. In einer Phase-I-Studie wurde eine ORR von 18 % bei vorbehandelten SCLC-Patienten berichtet, wobei bei jenen mit einer hohen DLL3-Expression (≥ 50 % der Tumorzellen) eine ORR von 38 % beobachtet wurde [37].
Trotz dieser frühen Erfolge führten nachfolgende größere Studien zu enttäuschenden Ergebnissen. Die Phase-III-Studie TAHOE, in der man die Rova-T als Zweitlinientherapie mit Topotecan verglich, wurde vorzeitig abgebrochen, da eine kürzere Gesamtüberlebenszeit in der Rova-T-Gruppe festgestellt worden war [38].
Ebenso ergab sich in der Phase-III-Studie MERU, in der Rova-T als Erhaltungstherapie nach der Erstlinienchemotherapie analysiert worden war, kein Überlebensvorteil verglichen mit der Placebogabe [39].
Aufgrund dieser negativen Ergebnisse stellte das Unternehmen AbbVie im August 2019 die Entwicklung von Rova-T ein. Rückblickend ließ sich für Rova-T trotz anfänglicher Hoffnungen in späteren klinischen Studien weder die Wirksamkeit noch die Sicherheit für die Behandlung des SCLC nachweisen.
ZL-1310
ZL-1310 ist ein neuartiges, ebenfalls gegen DLL3 gerichtetes ADC. Das ADC besteht aus einem humanisierten monoklonalen DLL3-Antikörper, der mit einem neuartigen Camptothecin-Derivat – einem Topoisomerase-I-Inhibitor – verbunden ist. Diese Konstruktion zielt darauf ab, die Herausforderungen früherer ADCs, wie etwa die unspezifische Toxizität, zu überwinden.
In einer laufenden Phase-Ia/Ib-Studie (NCT06179069) wird ZL-1310 bei Patienten mit zuvor behandeltem ED-SCLC untersucht, die mindestens eine platinbasierte Chemotherapie erhalten hatten. Die vorläufigen Ergebnisse aus der Dosis-eskalationsphase (Teil 1a) wurden auf dem EORTC-NCI-AACR-Symposium (ENA 2024) präsentiert. In dieser Studie erhielten 25 Teilnehmende die Substanz ZL-1310 in vier verschiedenen Dosierungen (0,8 mg/kg, 1,6 mg/kg, 2,0 mg/kg und 2,4 mg/kg). Von den 19 Behandelten, die für die Wirksamkeitsbewertung verfügbar waren, erreichten 74 % (n = 14) eine partielle Remission. Bemerkenswert ist, dass alle sechs bewertbaren Patienten mit Hirnmetastasen ebenfalls eine partielle Remission zeigten.
Bezüglich der Sicherheit wurde ZL-1310 gut vertragen. Die meisten therapieassoziierten unerwünschten Ereignisse (TEAEs) waren vom Grad 1 oder 2. TEAEs vom Grad ≥ 3 traten bei 20 % der Studienteilnehmenden auf, wobei Neutropenie das häufigste Ereignis war (12 %). Ein dosislimitierendes Toxizitätsereignis (Grad 4; vorübergehende Neutropenie/Thrombozytopenie) wurde in der 2,4-mg/kg-Kohorte beobachtet. Es gab keine behandlungsbedingten Todesfälle oder Therapieabbrüche aufgrund von TEAEs.
Basierend auf diesen vielversprechenden Daten wurde ZL-1310 von der FDA mit einem Orphan-Drug-Status ausgezeichnet. Fazit: ZL-1310 zeigt in frühen klinischen Studien eine vielversprechende Wirksamkeit und ein akzeptables Sicherheitsprofil bei Betroffenen mit einem vorbehandelten ED-SCLC.
Sacituzumab-Govitecan
Sacituzumab-Govitecan (SG) ist ein ADC, das auf das Trop-2-Protein abzielt, das in vielen soliden Tumoren – einschließlich des SCLC – überexprimiert ist. In der Phase-II-Studie TROPiCS-03 wurden die Wirksamkeit und Sicherheit von SG bei Patienten mit ED-SCLC untersucht, die nach einer platinbasierten Chemotherapie und einer Anti-PD-(L)1-Therapie ein Fortschreiten der Erkrankung aufwiesen [40]. Sie erhielten 10 mg/kg des Medikaments an den Tagen 1 und 8 eines 21-Tage-Zyklus. In der Studie wurde eine ORR von 41,9 % festgestellt, mit einer medianen DOR von 4,7 Monaten.
Das Sicherheitsprofil war handhabbar und stimmte mit früheren Studien überein. Basierend auf diesen Ergebnissen erteilte die FDA im Dezember 2024 die Breakthrough Therapy Designation für SG zur Behandlung von Erwachsenen mit ED-SCLC, deren Erkrankung nach einer platinbasierten Chemotherapie fortgeschritten ist. Insgesamt zeigt SG eine vielversprechende Wirksamkeit und ein akzeptables Sicherheitsprofil bei der Behandlung von ED-SCLC nach vorheriger Therapie.
Ifinatamab-Deruxtecan (DS-7300)
Das neuartige ADC Ifinatamab-Deruxtecan (I-DXd, DS-7300) ist auf das Protein B7-H3 gerichtet. B7-H3 ist ein Transmembranprotein, das in verschiedenen soliden Tumoren, einschließlich des SCLC, überexprimiert wird und mit einer schlechten Prognose assoziiert ist [41]. In präklinischen Studien konnte DS-7300 spezifisch an B7-H3 binden und das Wachstum von B7-H3-exprimierenden Krebszellen in vitro hemmen. In vivo waren signifikante Antitumoraktivitäten in verschiedenen Xenograft-Modellen nachweisbar, so auch in patientenabgeleiteten Xenograft-Modellen (PDX) von SCLC [41].
DS-7300 wurde zudem bereits in einer Phase-I/II-Studie (NCT04145622) bei fortgeschrittenen soliden Tumoren, darunter SCLC, analysiert. Bei einer medianen Nachbeobachtungszeit von 11,7 Monaten betrug die ORR bei evaluierbaren SCLC-Patienten 52,4 %, mit einem medianen PFS von 5,6 Monaten. Das mediane OS lag bei 12,2 Monaten.
Die Behandlung wurde im Allgemeinen gut vertragen, mit einem Sicherheitsprofil, das mit früheren Berichten übereinstimmt [42].
Basierend auf diesen vielversprechenden Ergebnissen wurde die Phase-III-Studie IDeate-Lung02 (NCT06203210) initiiert, um die Wirksamkeit und Sicherheit von DS-7300 beim rezidivierten SCLC weiter zu evaluieren. Der erste Patient wurde im August 2024 in diese Studie eingeschlossen.
Grundsätzlich zeigt DS-7300 in präklinischen und frühen klinischen Studien eine vielversprechende Wirksamkeit und ein akzeptables Sicherheitsprofil bei der Behandlung von SCLC.
ABBV-011
Ein weiteres neuartiges ADC ist ABBV-011, welches das in SCLC überexprimierte Protein SEZ6 („seizure-related homolog protein 6“) anvisiert. Das ADC besteht aus einem spezifisch gegen SEZ6 gerichteten monoklonalen Antikörper, der mit dem zytotoxischen Wirkstoff Calicheamicin über einen stabilen, nicht spaltbaren Linker gekoppelt ist [43]. In präklinischen Studien bewies ABBV-011 eine starke Bindung an SEZ6-positive SCLC-Zellen, gefolgt von einer internen Aufnahme und Freisetzung des Wirkstoffs. Dies führte zu einer signifikanten Hemmung des Tumorwachstums in vitro und in vivo [43].
In einer Phase-I-Studie (NCT03639194) wurden die Sicherheit, Verträglichkeit und vorläufige Wirksamkeit von ABBV-011 beim rezidivierten oder refraktären SCLC untersucht. Die Teilnehmenden erhielten ABBV-011 intravenös alle drei Wochen in Dosen von 0,3 bis 2,0 mg/kg. Die maximale tolerierte Dosis wurde nicht erreicht, jedoch traten dosisabhängig Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Übelkeit und Thrombozytopenie auf.
Bei einer Dosis von 1,0 mg/kg betrug die ORR 25 %, mit einer medianen DOR von 4,2 Monaten und einem medianen PFS von 3,5 Monaten [44].
Basierend auf den dargestellten Daten weist ABBV-011 ein handhabbares Sicherheitsprofil und eine vielversprechende antitumorale Aktivität bei vorbehandelten SCLC-Patienten auf. SEZ6 stellt somit ein potenzielles therapeutisches Ziel für die Behandlung des SCLC dar und rechtfertigt weitere klinische Untersuchungen.
Molekulare Subtypisierung und personalisierte Therapie
Das SCLC kann basierend auf der Expression spezifischer Transkriptionsfaktoren in verschiedene molekulare Subtypen unterteilt werden. Diese Klassifikation ermöglicht ein besseres Verständnis der Tumorbiologie und könnte zukünftig zu personalisierten Therapieansätzen führen. Die Hauptsubtypen sind:
- SCLC-A (ASCL1-dominant): charakterisiert durch eine hohe Expression des Transkriptionsfaktors ASCL1.
- SCLC-N (NEUROD1-dominant): gekennzeichnet durch eine dominante Expression von NEUROD1.
- SCLC-P (POU2F3-dominant): definiert durch eine hohe Expression von POU2F3.
- SCLC-Y (YAP1-dominant): Dieser Subtyp weist eine erhöhte Expression von YAP1 auf.
- SCLC-I („inflamed“): Dieser Subtyp zeigt eine geringe Expression der oben genannten Transkriptionsfaktoren, jedoch eine signifikante Infiltration von Immunzellen und eine erhöhte Expression von Genen, die mit Immunantworten assoziiert sind.
Diese molekularen Subtypen unterscheiden sich nicht nur in ihrer Genexpression, sondern auch in ihrem klinischen Verhalten und ihrem Ansprechen auf Therapien. So sprechen beispielsweise die Subtypen SCLC-I und SCLC-Y besser auf eine Kombination aus Etoposid-/platinbasierter Standardtherapie und Immuncheckpoint-Inhibitoren an [45]. Die Identifizierung dieser Subtypen ist ein bedeutender Schritt hin zu personalisierten Behandlungsstrategien für SCLC-Patienten.
Fazit und Ausblick
Trotz der Fortschritte in der Therapie bleibt das SCLC eine große klinische Herausforderung mit begrenzten Langzeiterfolgen. Die Integration von neuen Behandlungsansätzen wie ADCs, zielgerichteten Therapien und Immuntherapiekombinationen führte bereits zu vielversprechenden Ergebnissen, erfordert jedoch eine weitere klinische Validierung.
Fortschritte in der Liquid Biopsy und der Biomarkerforschung könnten zukünftig eine personalisierte Therapie ermöglichen und die Prognose der Patienten verbessern.
Der Fokus zukünftiger Forschung sollte auf der Optimierung kombinierter Behandlungsstrategien und der Identifikation resistenzbrechender Mechanismen liegen, um die Überlebensraten nachhaltig zu steigern.
Interessenkonflikte
Potenzielle Interessenkonflikte: Marcel Kemper hat Studienunterstützung sowie Erstattung von Reise- und Kongresskosten erhalten von Pierre Fabre, Amgen, AstraZeneca, Boehringer Ingelheim, Daiichi Sankyo, Janssen-Cilag, Novartis, Roche und Takeda. Lea Elisabeth Reitnauer hat die Erstattung von Reise- und Kongresskosten erhalten von Daiichi Sankyo. Georg Evers hat Honorare für Vorträge sowie Erstattung von Reisekosten erhalten von BMS, MSD, Pfizer, Bayer, AstraZeneca, Boehringer Ingelheim, Roche, Merck, Takeda, Novocure, Pierre Fabre, Janssen-Cilag, Lilly, Servier, Celgene, Actelion, CLS Behring, Fresenius, AOP Health, Amgen und Daiichi-Sankyo. Annalen Bleckmann hat Honorare für Vorträge sowie beratende Tätigkeiten und/oder Studienunterstützung sowie Erstattung von Reise- und Kongresskosten erhalten von Bayer, BMS, Takeda, MSD, Boehringer Ingelheim, AstraZeneca, Sanofi, Pfizer, Lilly, Eli Lilly Cork Limited, Amgen, RG GmbH, Roche, Novartis, Janssen, Daiichi-Sankyo, BeiGene, Servier und Immatics.
Die Autoren erklären, dass sie sich bei der Erstellung des Beitrags von keinen wirtschaftlichen Interessen leiten ließen.