Single Nucleotide Polymorphisms (SNP) bei Thrombophilie: Genetische Feinjustierung
DOI: https://doi.org/10.47184/td.2025.03.01Mithilfe molekulargenetischer Diagnostik können bei Personen mit Thrombophilie individuelle Risikoprofile identifiziert werden. So werden eine differenzierte Risikostratifizierung und eine personalisierte Therapieplanung möglich. Neben den klassischen genetischen Risikofaktoren wie der Faktor V-Leiden- und der Prothrombin-Mutation konnte in den vergangenen Jahren eine Vielzahl weiterer genetischer Varianten mit möglicher Relevanz für die Hämostase identifiziert werden.
Schlüsselwörter: PAI-1, FXIII, ApoB, ApoE, A1AT, FXI, HPA-1, Fibrinogen, Faktor V H1299R
Der Begriff Thrombophilie bezeichnet eine Störung der Blutgerinnung, die zu einem erhöhten Risiko für Thromboembolien führt [1]. Während der Fokus hier zunächst vorrangig auf venösen Thromboembolien (VTE) lag, gewinnen mittlerweile auch arterielle thrombotische Ereignisse wie die periphere arterielle Verschlusskrankheit oder Schlaganfälle an Bedeutung [2]. Thromboembolische Ereignisse können gravierende Folgen für die Gesundheit haben [3]. Eine Thrombophilie kann sowohl vererbt als auch erworben sein. Grundsätzlich lassen sich zwei zentrale Mechanismen unterscheiden: erstens der Verlust der Aktivität physiologischer Gerinnungsinhibitoren wie Protein C, Protein S und Antithrombin und zweitens die gesteigerte Aktivität von Prokoagulatoren, zum Beispiel die Erhöhung von Prothrombin bei der Prothrombinvariante G20210A. Studien deuten darauf hin, dass häufig die Kombination mehrerer genetisch-determinierter Varianten von Gerinnungskomponenten zur Erhöhung des Risikos beiträgt [4]. Neben etablierten Markern, insbesondere der Faktor V-Leiden- und Prothrombin-Mutation G20210A sowie Protein C-, Protein S- und Antithrombinmangel, existieren zahlreiche weitere potenzielle Risikofaktoren [1].
Molekulargenetische Diagnostik
Die molekulargenetische Untersuchung ist bei hereditären Erkrankungen und für die Pharmakogenetik von zentraler Bedeutung. Der Einsatz der Genotypisierung ermöglicht die gezielte Untersuchung dieser genetischen Risikofaktoren. Dabei wird insbesondere auf Sequenzen bekannter Einzelnukleotid-Polymorphismen, sogenannter SNPs (Single Nucleotide Polymorphisms), die mit thromboembolischen Erkrankungen assoziiert sind, getestet. In der Regel kommt hier eine Real-Time-PCR zum Einsatz. Wird die molekulargenetische Untersuchung in Kombination mit der Anamnese, klinischen Parametern und ergänzenden Labordaten interpretiert, trägt dies erheblich zu einer individuellen Risikostratifikation – insbesondere zur Abschätzung des Erst- und Rezidivrisikos für thrombotische Ereignisse – bei [5] (Abb. 1).

Abb. 1: Von der Thrombose ungeklärter Ursache zur Diagnose mit personalisierter Behandlung. Aus der EDTA-Blutprobe von Patient:innen wird die DNA isoliert. Anschließend ermöglicht das Thrombophilie-Screening mittels Real-Time-PCR die Analyse mehrerer thromboseverursachender SNPs (Grafik: Autor:innen/Trillium; Bildelemente: smart.servier.com [oben], Peggy und Marco Lachmann-Anke auf Pixabay [unten links], TaqMan® Genotyper Software [unten Mitte], Freepik [unten rechts]).
Single Nucleotide Polymorphisms
SNPs sind die häufigste Art der genetischen Variation; sie befinden sich an spezifischen Positionen in der DNA-Sequenz. Hierdurch können sie zu Variationen in der Aminosäuresequenz des Genprodukts führen. Ein SNP ist dadurch charakterisiert, dass mehr als 1 % der Population an dieser Position das alternative Nukleotid aufweist. Einige SNPs sind mit bestimmten Erkrankungen assoziiert; ihr Nachweis kann Hinweise auf Krankheitsursachen und genetische Prädispositionen liefern [6].
Bei einem Thrombophilie-Screening liegt der Schwerpunkt auf der Genotypisierung der SNPs FVL (Faktor V G1691A) und Prothrombin (G20210A). Trotz Diagnostik bleibt die molekulare Ursache von thrombotischen Ereignissen häufig unklar. Das Einbeziehen zusätzlicher genetischer Marker kann dann gegebenenfalls zur Klärung beitragen und auch Implikationen für die Prognose sowie eine adäquate Therapie haben. Die umfangreichsten Daten bezüglich der Einbeziehung von weiteren SNPs in der molekularen Diagnostik liegen für die Varianten von Plasminogen-Aktivator-Inhibitor-1 (PAI-1), Faktor XIII (FXIII), Apolipoprotein B (ApoB), Apolipoprotein E (ApoE), Alpha-1-Antitrypsin (A1AT), Faktor XI (FXI), Human Platelet Alloantigen-1 (HPA-1), Fibrinogen und Faktor V H1299R vor [1].
Plasminogen-Aktivator-Inhibitor-1
PAI-1 ist eine Serinprotease, die als zentraler Inhibitor der fibrinolytischen Aktivatoren tPA sowie uPA fungiert und somit eine regulatorische Rolle in der Fibrinolyse übernimmt. Über diesen Mechanismus kann PAI-1 sowohl pro- als auch antikoagulatorische Effekte vermitteln. Neben der Fibrinolyse sind tPA und uPA an Prozessen wie Zelladhäsion und -migration beteiligt [2, 7].
Ein funktioneller Insertions-/Deletions-Polymorphismus in der Promotorregion des PAI-1-Gens (4G/5G, rs1799762) beeinflusst die Genexpression und ist mit den PAI-1-Plasmakonzentrationen assoziiert. Das 4G-Allel ermöglicht die Bindung eines Transkriptionsaktivators und ist mit erhöhten PAI-1-Spiegeln verknüpft. Das 5G-Allel begünstigt die Bindung eines Transkriptionsrepressors, was eine verminderte Transkription und entsprechend niedrigere PAI-1-Spiegel zur Folge hat. Der homozygote 4G/4G-Genotyp ist mit persistierend erhöhten PAI-1-Konzentrationen und einer konsekutiv eingeschränkten Fibrinolyse assoziiert [8]. Es ist jedoch zu beachten, dass genetische Faktoren lediglich etwa 20 % der interindividuellen Variabilität der PAI-1-Spiegel erklären; die stärkste Assoziation besteht mit einer Adipositas [9, 10].
Epidemiologische Daten belegen eine Assoziation des 4G/4G-Genotyps mit einem moderat erhöhten Risiko für venöse Thromboembolien (OR 1,15; 95 %-KI 1,07–1,25) sowie mit einem geringfügig erhöhten Risiko für arterielle Thrombosen (OR 1,09; 95 %-KI 1,01–1,18) [1, 2].
Darüber hinaus wird dieser Genotyp mit einer erhöhten Inzidenz von Schwangerschaftskomplikationen wie Präeklampsie und habituellen Aborten in Verbindung gebracht [8, 11, 12]. Der Polymorphismus könnte insbesondere bei gleichzeitiger Präsenz weiterer prothrombotischer genetischer Faktoren zu einer Risikopotenzierung führen [1, 11, 12].
Faktor XIII
FXIII ist eine Transglutaminase, die durch Bildung von Isopeptidbindungen körpereigene Zellen und Proteine miteinander vernetzt und damit wesentlich zur Stabilisierung des Fibrinnetzwerks sowie zur Wundheilung beiträgt [13, 14]. Im Plasma liegt FXIII als Heterotetramer vor, bestehend aus zwei katalytisch aktiven A-Untereinheiten und zwei B-Untereinheiten. Gemeinsam bilden sie im Plasma einen stabilen Komplex, der als Trägerstruktur fungiert und unter anderem an Fibrinogen bindet [13].
Die B-Untereinheit übernimmt mehrere Funktionen: Sie schützt die A-Untereinheit vor frühzeitiger Aktivierung und proteolytischem Abbau und stellt zugleich eine Bindungsstelle für Thrombin bereit. Diese Interaktion, unterstützt durch die Anwesenheit von Kalziumionen, ist Voraussetzung für die proteolytische Aktivierung von FXIII. Der aktivierte FXIIIa katalysiert die Quervernetzung von α- und γ-Ketten von Fibrin, was zu einer erhöhten mechanischen Stabilität führt [15].
Ein angeborener Mangel an FXIII ist selten, aber klinisch relevant, da er mit einer erhöhten Blutungsneigung, Wundheilungsstörungen sowie einem erhöhten Risiko für Aborte assoziiert ist [16]. Im Gegensatz hierzu ist die Bedeutung einer erhöhten FXIII-Aktivität für thromboembolische Erkrankungen bislang nicht abschließend geklärt und Gegenstand aktueller Diskussionen [1]. Einzelne Studien deuten darauf hin, dass insbesondere bei Frauen eine gesteigerte FXIII-Aktivität mit einem erhöhten Risiko für koronare sowie periphere arterielle Erkrankungen assoziiert sein könnte [17].
Von besonderem Interesse ist in diesem Zusammenhang der im F13A1-Gen beschriebene Val34Leu-Polymorphismus (rs5985), der mit einer veränderten Aktivierbarkeit von FXIII assoziiert ist. Diese Variante führt zu einer beschleunigten Aktivierung durch Thrombin und kann chemische wie physikalische Eigenschaften der Fibrinvernetzung modifizieren [18].
Die Auswirkungen des Polymorphismus sind komplex: Während protektive Effekte im Hinblick auf die koronare Herzerkrankung sowie venöse Thromboembolien beschrieben wurden, existieren Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für zerebrale ischämische Ereignisse wie Schlaganfälle [17–19]. Zudem wurde bei homozygoten Trägerinnen dieser Variante ein erhöhtes Risiko für Frühaborte beobachtet [18, 20].
Als mögliche Ursache wird eine veränderte Fibrinnetzstruktur diskutiert, die das empfindliche Gleichgewicht zwischen Koagulation und Fibrinolyse während der frühen Schwangerschaft beeinflusst und dadurch die Nidation sowie die uteroplazentare Durchblutung beeinträchtigen könnte. Diese Effekte könnten sich insbesondere in Kombination mit anderen genetischen Risikofaktoren wie dem 4G/5G-Polymorphismus im Promotorbereich des PAI-1-Gens verstärken [18].
Apolipoprotein B-100
Apolipoproteine sind essenzielle Proteinbestandteile der Lipoproteine, die in HDL (High Density Lipoprotein), LDL (Low Density Lipoprotein) und VLDL (Very Low Density Lipoprotein) unterteilt werden. Dabei nimmt ApoB eine zentrale Rolle im Lipidstoffwechsel ein, da insbesondere die subendotheliale Retention ApoB-haltiger Lipoproteine als initialer Schritt in der Atherogenese gilt [21].
ApoB kommt in zwei strukturell unterschiedlichen Isoformen vor: ApoB-100 und ApoB-48 [22]. ApoB-100 fungiert sowohl als struktureller Bestandteil von LDL und VLDL als auch als Ligand für den LDL-Rezeptor (LDLR) [22, 23]. Eine verminderte Rezeptorbindung kann den LDL-Katabolismus beeinträchtigen und zu erhöhten Konzentrationen zirkulierender arthrogener LDL-Partikel führen [24, 25].
Die Punktmutation R3500Q (rs5742904) im ApoB-Gen führt zu einer verminderten Affinität zwischen ApoB-100 und dem LDLR und ist verantwortlich für eine Form der familiären Dyslipidämie, die als familiärer ApoB-100-Defekt (FDB) bezeichnet wird [24, 25]. Es handelt sich dabei um eine autosomal-dominant vererbte Störung, die mit einer Hypercholesterinämie einhergeht und phänotypisch der familiären Hypercholesterinämie ähnelt [22–25]. Etwa 2 bis 5 % der Patient:innen mit dem klinischen Bild einer familiären Hypercholesterinämie tragen diese spezifische Mutation [24].
Erhöhte ApoB-Konzentrationen – insbesondere in Kombination mit erhöhtem LDL – gelten als maßgeblich beteiligt an der Bildung atherosklerotischer Plaques, die sich im Verlauf von Jahren oder Jahrzehnten klinisch in Form der koronaren Herzkrankheit, eines Myokardinfarkts oder zerebrovaskulärer Ereignisse manifestieren können [23–25].
Apolipoprotein E
ApoE ist ein Glykoprotein, das als Ligand für LDLR fungiert und eine zentrale Rolle im Lipidstoffwechsel einnimmt [26]. Über seine Interaktion mit LDLR vermittelt ApoE den intrazellulären Transport und Abbau triglyzeridreicher Lipoproteine, wodurch es maßgeblich zur Regulation der Cholesterin- und Lipidhomöostase beiträgt [26, 27]. Darüber hinaus wird ApoE auch immunmodulatorisches, geweberegeneratives sowie zellproliferationsregulierendes Potenzial zugeschrieben [26].
Der ApoE-Genort weist beim Menschen einen funktionellen Polymorphismus auf. Dabei existieren drei häufige Allele – ε2, ε3 und ε4 –, die für die entsprechenden Proteinisoformen ApoE2, ApoE3 und ApoE4 kodieren. ApoE3 ist mit über 60 % die prädominante Isoform. Die Varianten ApoE2 (p.(R158C), rs7412) und ApoE4 (p.(C112R), rs429358) unterscheiden sich jeweils durch eine einzelne Aminosäuresubstitution, was sich funktionell auf die Rezeptorbindung triglyzeridreicher Lipoproteine auswirkt [27, 28]. Diese Veränderungen beeinflussen das Lipidprofil und können mit unterschiedlichen kardiovaskulären Risikokonstellationen einhergehen.
Das ApoE2-Allel ist in der Regel mit niedrigeren LDL-Cholesterinspiegeln, aber auch mit einer Neigung zur Hypertriglyzeridämie assoziiert, während das ApoE4-Allel mit erhöhten LDL-C-Werten und einer Neigung zur Hypercholesterinämie einhergeht [1, 27]. Vor allem bei Vorliegen des ApoE4-Allels zeigte sich in mehreren epidemiologischen und klinischen Studien eine erhöhte Inzidenz für die koronare Herzkrankheit und zerebrovaskuläre Ereignisse [26, 27, 29]. Für ApoE2 hingegen wurden insbesondere bei Frauen Assoziationen mit einem erhöhten Risiko für tiefe Venenthrombosen beschrieben [30]. Auch der heterozygote Genotyp ApoE3/E4 wurde in Einzelfällen mit einem leicht erhöhten Risiko für venöse Thrombosen in Verbindung gebracht (OR 1,31; 95 %-KI 1,30–10,48) [31].
Alpha-1-Antitrypsin
A1AT, auch als α1-Proteinase-Inhibitor (α1-Pi) oder SERPINA1 (Serinprotease-Inhibitor, Gruppe A, Mitglied 1) bezeichnet, ist ein zirkulierendes Glykoprotein. Es wirkt unter anderem inhibierend auf die neutrophile Proteinase 3 sowie auf bakterielle Serinproteasen. Darüber hinaus wird A1AT antiinflammatorisches und immunmodulierendes Potenzial zugeschrieben.
Das A1AT-Gen weist einen autosomal kodominanten Erbgang auf. Die häufigsten Allele sind das funktionell unauffällige M-Allel sowie die Mangelallele S und Z.
Die PiZ-Mutation (rs28929474), welche die Aminosäuresubstitution Glu342Lys (E342K) bedingt, führt zu einer strukturellen Veränderung des Proteins. Diese begünstigt die intrazelluläre Polymerisation in Hepatozyten, wodurch es zu einem Alpha-1-Antitrypsin-Mangel (AATD) mit reduzierten Serumkonzentrationen kommt. In der klinischen Praxis sind rund 98 % der Personen mit AATD-bedingten Erkrankungen Träger des Z-Allels; der homozygote Genotyp Pi*ZZ liegt bei etwa 96 % dieser Patient:innen vor.
Bei Vorliegen dieses homozygoten Pi*ZZ-Genotyps kommt es zu einer signifikanten intrazellulären Akkumulation von A1AT (85 bis 90 %) und einer deutlichen Reduktion der Plasmaspiegel auf etwa 10 bis 15 % des Normwerts. Im Zusammenhang mit diesem Genotyp wurde ein erhöhtes Risiko für venöse Thromboembolien (VTE) beschrieben (OR ca. 2,2) [32]. Heterozygote (z. B. Pi*MZ) weisen häufig A1AT-Spiegel im unteren Referenzbereich auf [33].
Faktor XI
FXI ist eine Serinprotease, die eine zentrale Rolle im Rahmen der intrinsischen Blutgerinnung einnimmt und darüber hinaus zur Regulation der Thrombinbildung beiträgt. Zudem interagiert FXI sowohl mit Thrombozyten als auch mit Endothelzellen und dient als Vermittler bei inflammatorischen Prozessen [34].
Die Aktivierung von FXI zu FXIa kann bei Kontaktaktivierung durch den Faktor XIIa katalysiert werden. Physiologischerweise erfolgt die Aktivierung hauptsächlich durch Thrombin. Die prokoagulatorische Wirkung von FXIa resultiert sowohl aus der Aktivierung der Faktoren V, VIII, IX und X als auch aus der Inaktivierung des Tissue Factor Pathway-Inhibitors (TFPI), der die Faktoren VIIa und Xa sowie die Prothrombinase hemmt [35].
Ein Mangel an FXI ist typischerweise mit einer milden Blutungsneigung assoziiert [36, 37], während erhöhte FXI-Spiegel mit einem gesteigerten Risiko für thromboembolische und kardiovaskuläre Ereignisse, einschließlich ischämischer Schlaganfälle, in Verbindung gebracht wurden [37–40].
Im F11-Gen wurden die SNPs rs2036914 (c.56-282T>C) und rs2289252 (c.1481-188C>T) identifiziert, die mit einer erhöhten FXI-Aktivität assoziiert sind [41, 42].
Für rs2036914 ist in homozygoter Ausprägung ein moderat erhöhtes Risiko für VTE beschrieben (OR 1,15), während bei rs2289252 bereits in heterozygoter Form eine vergleichbare Assoziation besteht (OR 1,19) [42, 45]. Darüber hinaus wurde für beide Varianten ein Zusammenhang mit einem erhöhten Risiko für tiefe Beinvenenthrombosen festgestellt [43, 44]. Für rs2289252 konnte zudem ein Zusammenhang mit schwangerschaftsassoziierten Thrombosen nachgewiesen werden [45].
Human Platelet Alloantigen-1
Der Fibrinogenrezeptor stellt ein integrales Membranprotein aus der Familie der Integrine dar und besteht aus einem Heterodimer der Glykoproteine IIb (GPIIb) und IIIa (GPIIIa). Er übernimmt eine zentrale Funktion bei der Thrombozytenaggregation. Die Gene für beide Untereinheiten liegen auf demselben Chromosom. Ein SNP im GPIIIa-Gen begründet das klinisch relevante HPA-System, das die wichtigste thrombozytäre Blutgruppeneigenschaft darstellt [46, 47].
Das HPA-1-System ist biallelisch aufgebaut: Das HPA-1a-Allel kodiert für ein Leucin an Position 59 von GPIIIa, während das HPA-1b-Allel ein Prolin an dieser Stelle aufweist [48]. Dieser Aminosäureaustausch beruht auf einem T>C-Substitutionsereignis im Codon 176 (rs5918) und führt zu einer strukturellen Veränderung im Bereich des Fibrinogenrezeptors.
Der HPA-1b-Polymorphismus wurde als ein hereditärer Risikofaktor für die Thrombozyten-Thrombogenität, die bei bereits bestehender koronarer Herzkrankheit zu einem vorzeitigen Myokardinfarkt oder einem Bypass-Verschluss führen kann, identifiziert (adjustierte OR 2,49; 95 %-KI 1,06–5,86) und wurde auch mit ischämischen Schlaganfällen in Verbindung gebracht [49–51]. Darüber hinaus besteht bei homozygotem Vorliegen des HPA-1b-Genotyps bei Frauen ein erhöhtes Risiko für das Auftreten einer fetalen bzw. neonatalen Alloimmunthrombozytopenie (FNAIT) während der Schwangerschaft [48].
Fibrinogen
Fibrinogen, ein lösliches Glykoprotein, stellt das Vorläufermolekül des Fibrins dar und wird im Rahmen der Gerinnungskaskade durch Thrombin – eine Serinprotease – proteolytisch in Fibrin umgewandelt. Dabei entstehen unlösliche Fibrinfasern, die als strukturelles Gerüst des Thrombus fungieren. Neben seiner zentralen Funktion in der Fibrinbildung spielt Fibrinogen eine bedeutende Rolle bei der Thrombozytenaggregation: Es bindet über spezifische Sequenzen mit hoher Affinität an Integrinrezeptoren auf aktivierten Thrombozyten und wirkt so als bivalenter Brückenbildner zwischen einzelnen Blutplättchen – ein essenzieller Mechanismus in der primären Hämostase.
Darüber hinaus ist Fibrinogen als Adhäsions- und Gerinnungsprotein an zahlreichen biologischen Prozessen beteiligt, darunter Wundheilung, Entzündungsreaktionen und Angiogenese. Diese Funktionen beruhen auf spezifischen Bindungsstellen für verschiedene Zelltypen und Plasmaproteine [52].
Die Annahme, dass erhöhte Fibrinogenspiegel mit einem gesteigerten kardiovaskulären Risiko assoziiert sind, wird durch zahlreiche prospektive Studien gestützt. So wurde beispielsweise ein signifikanter Zusammenhang zwischen Fibrinogenspiegeln und dem Auftreten einer koronaren Herzkrankheit beschrieben (OR 1,8; 95 %-KI 1,6–2,0) [53]. Erhöhte Fibrinogenkonzentrationen können zu einer Vergrößerung des Thrombusvolumens sowie zur Bildung dichter, kompakter Fibrinnetzwerke führen. Gleichzeitig ist eine Beeinträchtigung der Fibrinolyse zu beobachten, unter anderem durch gestörte Plasminogenbindung an seine Rezeptoren.
Epidemiologische Daten zeigen, dass insbesondere bei älteren Personen eine Hyperfibrinogenämie mit einem erhöhten Risiko für venöse Thrombosen einhergeht (OR 1,8; 95 %-KI 1,0–3,5) [54]. Plasmaspiegel ≥ 5,0 g/L sind insgesamt mit einer etwa vierfach erhöhten Thrombosewahrscheinlichkeit assoziiert [55]. Auch im Kontext arterieller Thrombosen, einschließlich ischämischer Schlaganfälle, wurde ein entsprechender Zusammenhang beschrieben [53, 56].
Ein genetischer Einfluss auf den Fibrinogenspiegel konnte für den -455G/A-Polymorphismus (rs1800790) im β-Fibrinogen-Gen nachgewiesen werden [57, 58]. In Kombination mit dem FXIII Val34Leu-Polymorphismus wurden die höchsten Fibrinogenkonzentrationen beobachtet, was auf einen prothrombotischen Phänotyp hindeutet, der mit der Entstehung von Fibringerinnseln im Rahmen akuter Lungenembolien assoziiert sein kann [59].
Faktor-V-H1299R-Mutation
FV ist ein Protein, das eine essenzielle Funktion in der Gerinnungskaskade übernimmt. In seiner aktivierten Form (FVa) dient er als Kofaktor für den Prothrombinase-Komplex, in dem er den Faktor Xa und das Substrat Prothrombin räumlich so positioniert, dass Prothrombin effizient in Thrombin umgewandelt werden kann. Die Inaktivierung von FVa erfolgt durch eine proteolytische Spaltung durch aktiviertes Protein C (APC), wobei Protein C in Komplexbildung mit seinem Kofaktor Protein S vorliegen muss. Veränderungen an den Spaltstellen für APC können zu einer verminderten Inaktivierung von FVa und somit zur sogenannten „Activated Protein C Resistance“ (APC-Resistenz) führen [60–63].
Klinisch bedeutsam ist insbesondere die FV-Leiden-Mutation, ein SNP an Position 534, der zu einem Aminosäureaustausch von Arginin zu Glutamin führt (c.1691G>A (p.Arg534Gln)). Diese Veränderung verhindert die proteolytische Inaktivierung durch APC und ist mit einem signifikant erhöhten Risiko für VTE sowie schwangerschaftsassoziierte Komplikationen wie habituelle Aborte assoziiert [64–66].
Neben FV-Leiden sind weitere genetische Varianten im F5-Gen beschrieben, die mit einem erhöhten Thromboserisiko in Verbindung stehen. Hierzu zählt der SNP c.3980A>G (p.His1327Arg), auch bekannt als FV-Ferrara bzw. H1299R (rs1800595). Diese Variante tritt regelmäßig gemeinsam mit drei weiteren Polymorphismen – c.1238T>C (p.Met413Thr, rs6033), c.5290A>G (p.Met1764Val, rs6030) und c.6665A>G (p.Asp2222Gly, rs6027) – auf. Zusammen bilden diese vier Varianten den sogenannten HR2-Haplotyp [67].
Das Vorliegen des HR2-Haplotyps wird mit einer milden APC-Resistenz und einem im Vergleich zu FV-Leiden leicht erhöhten Risiko für VTE (etwa zwei- bis dreifach) in Verbindung gebracht [66, 68]. Innerhalb dieses Haplotyps scheint die Variante p.Asp2222Gly den stärksten funktionellen Einfluss auf die Gerinnungsbalance zu haben, während die übrigen SNPs, darunter auch FV-Ferrara, nur eine geringfügige zusätzliche Risikokomponente darstellen [69].
Ob der FV-Ferrara-SNP darüber hinaus mit Schwangerschaftskomplikationen wie Früh- und Totgeburten, Präeklampsie oder intrauteriner Wachstumsrestriktion (IUGR) assoziiert ist, wird derzeit kontrovers diskutiert [64, 66, 68, 70]. In zusammengesetzt heterozygoter Konstellation mit der FV-Leiden-Variante kann der FV-HR2-Haplotyp eine verstärkte APC-Resistenz hervorrufen, was mit einer deutlich erhöhten thromboembolischen Gefährdung einhergehen kann [67].
Zusammenfassung
Thrombophilie stellt eine pathophysiologische Störung des hämostatischen Gleichgewichts dar, die durch eine Verschiebung zugunsten prokoagulatorischer Mechanismen sowohl venöse als auch – in bestimmten Konstellationen – arterielle thromboembolische Ereignisse begünstigen kann. Die Ätiologie ist häufig multifaktoriell und schließt sowohl hereditäre als auch erworbene Komponenten ein.
Die molekulargenetische Diagnostik nimmt in der Identifikation individueller Risikoprofile eine zentrale Rolle ein. Sie ermöglicht nicht nur eine differenzierte Risikostratifizierung, sondern unterstützt auch eine personalisierte Therapieplanung. Neben den klassischen genetischen Risikofaktoren wie der FV-Leiden-Mutation (R506Q) und der Prothrombin-Mutation (G20210A) konnte in den vergangenen Jahren eine Vielzahl weiterer genetischer Varianten mit möglicher Relevanz für die Hämostase identifiziert werden. Hierzu zählen unter anderem Polymorphismen in den Genen für PAI-1, Faktor XIII, Apolipoprotein B-100, Apolipoprotein E, Alpha-1-Antitrypsin, Faktor XI, HPA-1 und Fibrinogen sowie der FV-HR2-Haplotyp [1].
Diese Varianten beeinflussen unterschiedliche hämostaseologische Teilprozesse, darunter Fibrinolyse, Stabilität des Fibrinnetzwerks, Lipidstoffwechsel, Entzündungsantworten und thrombozytäre Funktionen. In ihrer Gesamtheit stellen sie eine potenzielle Erweiterung des diagnostischen Repertoires dar – insbesondere bei Patient:innen ohne Nachweis der klassischen Risikovarianten, aber mit klinisch relevanter Thromboseneigung oder familiärer Belastung.
Im Kontext der sich rasch weiterentwickelnden Hämostaseologie erscheinen solche genetischen Marker perspektivisch geeignet, um das individuelle Thromboserisiko präziser zu bewerten. Dabei ist zu beachten, dass es sich bei vielen dieser Polymorphismen um Marker mit relativem Risiko handelt, deren pathogenetische Bedeutung in der Summe aller individuellen Faktoren zu betrachten ist und letztlich in ein absolutes Risiko transformiert werden muss. Die Genetik wirkt hier als möglicher Multiplikator bestehender Risiken, während die Gewichtung einzelner Varianten im Gesamtkontext bislang nur unvollständig verstanden ist.
Ein erweitertes molekulargenetisches Thrombophilie-Screening kann in bestimmten klinischen Situationen – wie rezidivierenden Thrombosen, Schwangerschaftskomplikationen oder frühzeitigen kardiovaskulären Ereignissen – zur differenzierteren Ursachenzuordnung beitragen. Dabei kann insbesondere die Betrachtung kombinierter genetischer Konstellationen sowie deren Korrelation mit plasmatischen Parametern die diagnostische Aussagekraft erhöhen.
Die genetische Analyse sollte im Sinne eines integrativen Ansatzes stets im Rahmen der Gesamtheit aller klinischen, laborchemischen und anamnestischen Facetten erfolgen. Ihre Bedeutung liegt dabei weniger in der isolierten Risikoquantifizierung als vielmehr in der Finalisierung des diagnostischen Prozesses zur Abschätzung des absoluten Risikos hämostaseologisch relevanter Erkrankungen.