Fast ein Drittel der Menschen in Deutschland reagiert allergisch (Basis: 22.563 Befragte in Deutschland; April 2019 bis September 2020 [1]). Noch höher ist die Prävalenz der nachweisbaren Sensibilisierungen. Hier können IgE-Antikörper gegen bestimmte, meist typische Allergene nachgewiesen werden, aber die Betroffenen zeigen keine entsprechende Symptomatik. Das kann bedeuten, dass der Antikörper tatsächlich klinisch nicht relevant ist, aber es kann auch bedeuten, dass bisher nur ein erster Kontakt mit dem Allergen erfolgt ist, der zur Antikörperbildung geführt hat, aber kein zweiter Kontakt, der die Symptome hätte auslösen können. Diese Diskussion hat nicht nur akademischen Wert, sondern ist gerade in der zunehmenden Multiplex-Testung interessant. Findet man z. B. hochtitrige Antikörper gegen Bienen- und/oder Wespengift, so stellt sich die Frage, was man mit diesem Ergebnis anfängt. Sollen die Betroffenen prophylaktisch einen Adrenalin-Pen mitführen? Soll das Ergebnis überhaupt an diese übermittelt werden, wenn es sich um einen Zufallsbefund handelt? Die Diskussion hierzu ist noch nicht abgeschlossen – wichtig ist aber, sich vor dem Test mit den jeweiligen Betroffenen zu überlegen, welche Konsequenzen so ein Ergebnis haben soll [2]. Eine Konsequenz ist der Verzicht auf „kritische“ Allergene, z. B. gegen Insektengifte in einigen Multiplex-Tests.
Sehr erfreulich ist, dass es in den letzten Jahren weitere Fortschritte und Entwicklungen in der Allergiediagnostik gegeben hat, woraus auch neue Behandlungsmöglichkeiten resultieren.
Dazu zählt die Weiterentwicklung verschiedener Arten von Blutuntersuchungen einschließlich spezifischer IgE-Tests. Bei letzteren führt die Erweiterung des Testspektrums durch rekombinante, gut charakterisierte Allergene oft zu einer genaueren und spezifischeren Diagnose als der Einsatz traditioneller Allergen-Extrakte [3]. Insbesondere bei den klassischen Allergenextrakten ist zu befürchten, dass durch die neue IVDR viele Substanzen vom Markt verschwinden werden. Damit wird die Diagnose v. a. von seltenen Allergien deutlich behindert.
Eine exponentielle Entwicklung gibt es bei den Smartphone-Apps: Mittlerweile sind viele Apps verfügbar, die es Patient:innen ermöglichen, den Pollenflug erstaunlich genau räumlich und zeitlich zu verfolgen. Ebenso können Symptome systematisch erfasst und die Medikamente verwaltet werden. So stehen schnell Informationen zur Verfügung, um z. B. durch Pollenvermeidung prophylaktisch aktiv zu werden. Ebenso einfach lässt sich die ausreichende Verfügbarkeit von Medikamenten verfolgen und es werden automatisch Hinweise gegeben, wenn der Vorrat zur Neige geht.
Für die Therapie gibt es mehrere Studien zur Sublingualen Immuntherapie (SLIT). Dies ist eine für Betroffene, insbesondere für Kinder angenehmere Form der desensibilisierenden Immuntherapie. Im Gegensatz zur traditionellen subkutanen Immuntherapie (SIT) werden die Allergene in Form von Tabletten oder Tropfen unter die Zunge gegeben und von der Schleimhaut aufgenommen. SLIT konnte in einigen Studien für diverse Allergene als eine wirksame Alternative bestätigt werden [4].
Pathophysiologie
Wichtige pathophysiologische Aspekte in der Genetik und der Umgebung der Betroffenen zeigt Abb. 1.