Gastkommentar: Mensch und Mikroskop

Der Beitrag des Kollegen Schuff-Werner verdeutlicht die Weiterentwicklung der hämatologischen Labordiagnostik aus technischer Sicht und wirft zugleich wirtschaftliche und berufspolitische Fragen auf. Hochautomatisierte computergestützte NGS-Analysen und der zunehmende Einsatz von künstlicher Intelligenz versprechen eine genauere und schnellere Diagnostik und werden zudem mit bis zu 5.000 Euro mehr als komfortabel vergütet.  
Ein Blutausstrich, dessen Untersuchung am Anfang einer jeden hämatologischen Stufendiagnostik stehen sollte, bringt dem Labor dagegen gerade einmal 40 Cent, was die anfallenden Kosten bei Weitem nicht deckt. Eine Kompensation ist auch durch weitere Untersuchungen – etwa zur Erkennung  eines  Eisenmangels als häufigster Ursache für eine Anämie – kaum möglich. 
In vielen Fällen können geschulte Fachkräfte mithilfe des Mikroskops eine Blickdiagnose stellen, die im Falle einer Blutung bei der akuten Promyelozytenleukämie sogar Menschenleben retten kann, ohne dass man auf das Ergebnis der molekularbiologischen Untersuchung auf eine PML-RARA-Mutation warten müsste. Der Mensch und das Mikroskop sind und bleiben in der Dia­gnostik unersetzlich und dies muss auch honoriert werden.

Autor
Dr. med. Carl Thomas Nebe
Labor für Haematologie Mannheim
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