Auf dem Weg zur individualisierten Immunsuppression

Aus zweifachem Anlass haben wir die Transplantationsimmunologie als Schwerpunktthema dieser Ausgabe gewählt: Das Heft wird auf der DGTI- und DGI-Jahrestagung 2016 verteilt, und zwei unserer Autoren widmen ihre Beiträge dem kürzlich verstorbenen Prof. Terasaki, der zu den Vätern des noch jungen Fachs zählt.
Jährlich werden weltweit über 100.000 Organ- und über 50.000 Knochenmarktransplantationen durchgeführt. Ihr Erfolg hängt entscheidend von der Auswahl und Dosierung der diversen Glukokortikoide, Calcineurin- und mTOR-Inhibitoren, Zytostatika, monoklonalen Antikörper und Fusionsproteine ab, die heute im Rahmen der immunsuppressiven Therapie kombiniert werden. Aufgrund unterschiedlicher Angriffspunkte sind deren komplexe Auswirkungen auf  Transplantat und Empfänger allerdings kaum vorhersehbar. Insbesondere sagen die standardmäßig durchgeführten Blutspiegelbestimmungen wenig über die individuelle biologische Wirksamkeit der Medikamente aus, und auch die gängigen Marker der Organschädigung wie Kreatinin und Bilirubin sind weder spezifisch noch sensitiv.
Deshalb steht die Suche nach zusätzlichen Biomarkern, die eine individuelle Vorhersage von Wirksamkeit und Toxizität erlauben, im Zentrum der Forschung. Zu unterscheiden sind Marker der pharmakologischen Wirkung eines Medikaments und Marker der Immunantwort. In die erste Kategorie fallen pharmakogenetische Analysen des Medikamentenstoffwechsels (CYP3A4/5, POR, ABCB1 u. a.), detaillierte Betrachtungen der Pharmakokinetik (Maximal- und Minimalspiegel, AUC) sowie vor allem Biomarker der Pharmakodynamik, also der Wirkung am Zielmolekül. Hierfür kommt die Hemmung der lymphozytären Calcineurinphosphatase durch Ciclosporin und Tacrolimus bzw. der Inosin-Monophosphat-Dehydrogenase durch Mycophenolat infrage. Für das Monitoring der mTOR-Inhibitoren Everolimus und Sirolimus wurde der Phosphorylierungsgrad der Downstream-Effektoren p70S6 Kinase und S6 Protein vorgeschlagen.
Klinische Studien scheinen einen Zusammenhang zwischen Transplantatabstoßung und mangelndem Ansprechen dieser Biomarker auf die Medikation zu belegen.
Als Marker der humoralen Immun­antwort werden seit Langem HLA-Antikörper getes­tet. Neue­re Verfahren erfassen die T-Zell­aktivierung und Zytokinexpression mittels Flowzytometrie oder ELISpot-Assay bzw. die mRNA-Expression zytotoxischer Moleküle (Perforin, Granzym B) mit Microarrays oder PCR. Durch die Analyse der körper­eigenen Immunregulation (Tregs = regulatory T cells) kann man möglicherweise Patienten identifizieren, die weniger Immunsuppressiva benötigen.
Zu den Visionen der individualisierten Immunsuppression bei Nierentransplantierten gehört schließlich der „Rejectostix“, im Idealfall ein Teststreifen, der eine Abstoßung vor dem Auftreten klinischer Symptome anzeigen soll. mRNA- und Protein­profile im Urin wurden hierfür vorgeschlagen, doch vom Teststreifenformat sind sie noch weit entfernt. Näher am Routineeinsatz dürften miRNA und cfDNA aus dem Transplantat als Biomarker der Organschädigung sein. Die Messungen erfolgen aus dem Blut und Urin mit NGS oder droplet digital PCR.
Wer mehr zum Stand der Forschung wissen möchte, dem sei das HIER vorgestellte Buch Personalized Immunosuppression in Transplantation von Prof. Michael Oellerich (Göttingen) und Prof. Amitava Dasgupta (Houston, TX) empfohlen.

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