Schnelle Orientierung

POCT in der Mikrobiologie

Bei der Sepsis und anderen infektiologischen Fragestellungen kommt es darauf an, sich rasch Überblick über mögliche Erreger zu verschaffen. POCT-Systeme und Schnelltests können für die erste Orientierung nützlich sein, wenn vor Ort kein mikrobiologisches Labor zur Verfügung steht.
Schlüsselwörter: Sepsis, Screening, POCT, Schnelltest, LFIA, NAT

 

Schnelltests, die man direkt am Krankenbett durchführen kann, haben speziell in der mikrobiologischen Diagnostik eine lange Tradition – man denke nur an den 1932 entwickelten Paul-Bunnell-Test zum Nachweis einer EBV-Infektion (infektiöse Mono­nukleose): Man mischt Patienten­serum mit einer Suspension tierischer Erythrozyten und beobachtet bei Vorliegen entsprechender heterophiler Antikörper mit freiem Auge eine Ausflockung.
Auch wenn solch einfache Agglutina­tionsreaktionen, meist auf Basis von Latexpartikeln, zunehmend durch spezifischere Assays verdrängt werden, finden sich die diversen Tropffläschchen (siehe Bild oben) noch heute als „Monospot“, „Antistreptolysintest“ usw. in vielen Arztpraxen und kleinen Krankenhäusern.
Neue Dynamik erhielten mikrobiologische Schnelltests ab den 1980er-Jahren durch die Einführung der Lateral Flow Immunoassays zum Antigen- und Antikörpernachweis. Und seit über 20 Jahren kommen nun auch immer mehr voll­automatische Testsys­teme auf den Markt, die komplexe Reaktionen wie etwa die Nukleinsäuretestung (NAT) mit PCR oder isothermen Verfahren so einfach machen, dass eine mikrobiologische und virologische Diagnostik außerhalb des Zentrallabors inzwischen prinzipiell überall verfügbar ist.

Herausforderung Sepsis
Klinische Bedeutung hat diese Entwicklung insbesondere für die Diagnostik der Sepsis, die deutschlandweit die häufigste Todesursache auf (nicht-kardiologischen) Intensivstationen darstellt[1]. Krankenhäuser ohne eigenes mikrobiologisches Labor sind bei der Sepsis auf schnelle, patientennah durchführbare Tests als Entscheidungshilfe angewiesen. Lange Transportzeiten in ein Zentrallabor sind hier nicht hinnehmbar.
Nach der aktuellen Definition von 2016 ist die Sepsis eine lebensbedrohliche Organdysfunktion, die durch eine entgleis­te Reaktion auf eine Infektion ausgelöst wird[2]. Auch wenn nicht der Erreger, sondern der Wirt im Zentrum dieses Geschehens steht, bleibt die Infektion die Grundvoraussetzung für die Entwicklung einer Sepsis. Das rasche Erkennen und eine optimale Antibiotikatherapie zum frühestmöglichen Zeitpunkt sind deshalb entscheidend für das Überleben des Patienten.
Was das Erregerspektrum betrifft, so stellt die Sepsis in der Regel keine speziellen Anforderungen an die mikrobiologische Schnelldiagnostik, denn im Vordergrund stehen Hautkeime wie etwa Staphylo­kokken und Streptokokken, Darmbakterien wie etwa E. coli und Enterobacter sowie Klebsiellen und Pseudomonas aeruginosa.
Entscheidend für eine schnelle Identifikation ist die Empfindlichkeit der eingesetzten Tests in der Originalprobe (ohne Blutkultur) sowie gegebenenfalls die Spezifität des Nachweises von Resistenzgenen.
Die nachfolgende Tabelle zeigt Beispiele sinnvoller POC- und Schnelltests bei Sepsis und anderen kritischen Indikationen. Sie erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit; Legionellen, CMV, Meningokokken, Pneumokokken und viele weitere Erreger wären hier aufzuführen.
Da es auch im Gefolge von Virus- oder Pilzinfektionen (zum Beispiel Candida) zu septischen Verlaufsformen kommen kann, ist eine generelle Unterscheidung zwischen bakteriellen und nicht-bakteriellen In­fektio­nen wünschenswert. Im Zentral­labor hat sich dafür neben CRP vor allem das Procalcitonin (PCT) bewährt, das als Empfehlung auch Eingang in die deutsche Leitlinie von 2010 fand[3]. Für die patientennahe Bestimmung steht seit Kurzem ein POC-Test für PCT zur Verfügung, der ohne Probenvorbehandlung ein Ergebnis innerhalb von 20 Minuten liefert.

Molekulare Resistenzbestimmung
Bei hohen Inzidenzen multiresistenter Erreger oder auch bei Ausbrüchen werden seit Jahren Nukleinsäuretests zum Nachweis einer Oxacillinresistenz (mec-A beim MRSA) erfolgreich eingesetzt. Die Resultate POC-geeigneter Verfahren stehen innerhalb weniger Stunden zur Verfügung und erreichen Sensitivitäten und Spezifitäten von über 90%[4]. Im März 2016 wurde auch der erste kartuschenbasierte PCR-Assay zur Differenzierung von Carbapenem-Resis­tenzgenen (KPC, NDM,VIM, IMP und OXA-48) von der FDA zugelassen. Mit ständigen Erweiterungen des Testspektrums ist zu rechnen, denn noch können längst nicht alle Resis­tenzgene häufiger Sepsiserreger wie etwa Pseudomonas aeruginosa mit molekularbiologischen Verfahren erfasst werden.

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Harald Maier

Mitglied der Redaktion

Kreiskliniken Altötting-Burghausen