Noch keine schlüssige Erklärung

Eigentlich hatten wir die Sepsis deshalb als Schwerpunktthema dieser Frühjahrsausgabe vorgesehen, weil seit Längerem eine Neufassung der deutschen Sepsis­leitlinie angekündigt war. Wer aber heute – ein gutes Jahr nach Ablauf der Verlängerungsfrist – das Dokument von der Website der AWMF1 herunterladen möchte, erhält einen roten Warnhinweis „Gültigkeit abgelaufen“. Das Leitlinien­sekretariat in Jena teilte uns mit, ein neues Publikations­datum könne nicht genannt werden, man hoffe aber auf eine Fertigstellung noch in diesem Jahr. Was tun?
Kurz vor Redaktionsschluss kam uns eine brandneue Definition des Sepsis­begriffs vom Februar 2016 zu Hilfe, auf die wohl auch bei der Neufassung der AWMF-Leitlinie gewartet werden musste. Was diese Definition im Detail beinhaltet, lesen Sie in unserem CME-Beitrag ab S. 42. Was sie aber nicht beinhaltet, können wir bereits hier vorwegnehmen: Auch das internationale Expertenteam hat noch keine patho­physiologisch schlüssige Erklärung für den plötzlichen Ausbruch des „Zytokinsturms“ – und deshalb gibt es bis auf die Behandlung mit Breitbandanti­biotika auch keine Kausaltherapie.
So bleibt der Medizin zweieinhalb Jahrtausende nach der Erstbeschreibung der Sepsis durch Hippokrates weiterhin nicht viel mehr übrig, als kritische Situationen so schnell und so patientennah wie möglich zu erkennen und – wenn es dann doch unvermeidbar sein sollte – die Vitalfunktionen des Patienten zu stützen, bis der Sturm (hoffentlich) vorübergeht.


1 Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaft­lichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V.

 

Prof. Dr. med. Georg Hoffmann
Mitglied der Redaktion