Alles Krebs, oder was?

Gastkommentar

Zu Recht fokussiert sich das Interesse der In-vitro-Diagnostik unter dem Stichwort liquid biopsy auf onko­logische Fragestellungen; schließlich ist Krebs in der EU seit 2007 Todesursache Nr. 1. Aber bei den extrazellulären Vesikeln geht der Blick der klinischen Forschung weit über das Thema Krebsdiagnostik hinaus.

Ein Beispiel: Mesenchymale Stammzellen (MSC) haben ihren festen Platz in der Leukämiebehandlung und galten lange Zeit auch als „Wundermittel“ gegen Krankheiten, bei denen untergegangene Zellen ersetzt oder Immunreaktionen unterdrückt werden sollen. Allem Anschein nach erzielen diese Zellen ihre therapeutische Wirkung aber nicht wie ursprünglich angenommen durch Differenzierung und Integration in das betreffende Gewebe, sondern durch die Freisetzung extrazellulärer Vesikel.

2011 konnten wir diese Vermutung erstmals am Menschen bestätigen: Es gelang uns, eine Leukämiepatientin mit einer nicht mehr beherrschbaren Immunreaktion gegen allogene Stammzellen zu therapieren, indem wir ihr gereinigte Exosomen von MSC infundierten – und das ohne erkennbare Nebenwirkungen[1].

Die Botschaft lautet – bei aller Begeisterung für extrazelluläre Vesikel als „Hoffnungsträger der Krebsdiagnostik“ – auch andere Krankheiten und Anwendungen nicht aus den Augen zu verlieren.


Priv.-Doz. Dr. rer. nat. Bernd Giebel
UK Essen, Institut für Transfusionsmedizin

 


[1] Kordelas L et al. MSC-derived exosomes: a novel tool to treat therapy-refractory graft-versus-host disease. Leukemia 2014;4:970–3.