Gelungener Start für einen Balanceakt

Web-basiertes Schulungsprogramm für Patient Blood Management

Patient Blood Management stellt sicher, dass jeder Patient die Blutprodukte erhält, die er benötigt und vermeidet zugleich die Gabe nicht indizierter Transfusionen. Ein Schulungsprogramm des DRK ermöglicht die Fortbildung und Zertifizierung im Internet.

Während der Anteil gesunder junger Blutspender in der Bevölkerung abnimmt, steigt die Zahl risikoreicher Eingriffe insbesondere bei älteren Patienten, die häufig auch noch durch Anämien vorbelastet sind. Um der dadurch bedingten drohenden Knappheit an Blutprodukten zu begegnen, kann man zwei gegensätzliche Ansätze verfolgen: Einer davon ist sicher die – vielleicht noch etwas futuristisch anmutende – Möglichkeit, kompatible Blutzellen biotechnologisch herzustellen (mehr). Die andere besteht darin, die wertvolle Ressource Blut so gezielt wie möglich einzusetzen.
Unter der Bezeichnung Patient Blood Management haben Transfusionsmediziner in aller Welt deshalb in Zusammenarbeit mit Anästhesisten und anderen Fach- arztgruppen ein Bündel von Maßnahmen verabschiedet, die im Vorfeld und Verlauf von geplanten Operationen zum Einsatz kommen sollen. Diese beinhalten
• die Überprüfung und gegebenenfalls Auffüllung der Eisenspeicher etwa einen Monat vor dem Eingriff,
• die Anwendung gewebeschonender Operationstechniken,
• den Ersatz eingreifender chirurgischer Eingriffe durch endoskopische Verfahren (z. B. bei Herzklappenoperationen),
• die maschinelle Autotransfusion (MAT) und Rückgewinnung von Blutverlusten (Cell Saver),
• die Schulung der Mitarbeiter über vermeidbare Transfusionstrigger.
Im Bereich der Schulung und Qualifizierung von Ärzten geht der Blutspendedienst Baden-Württemberg – Hessen (Institut Frankfurt) in Zusammenarbeit mit dem Institut für Anästhesiologie der Universität neue Wege: Er hat ein Web- basiertes Schulungsprogramm entwickelt, das allen ärztlichen Mitarbeitern die Teilnahme an einer Fortbildung im Internet zu den Themen Patient Blood Management, Gerinnungsdiagnostik und allgemeine Transfusionsmedizin ermöglicht (mehr).

Online-Zertifikat
Die Qualifizierung erfolgt anschließend online durch einen Multiple-Choice-Test. Bei mindestens 80% richtigen Antworten erhalten die Teilnehmer ein Zertifikat, das die erfolgreiche Kursteilnahme beschei­nigt. Damit kann die Universitätsklinik belegen, dass alle Ärzte auf dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Forschung sind und die Grundlagen der Anwendung von Blutprodukten auch nach den Regeln von modernem Patient Blood Management beherrschen[1].
Die ersten Auswertungen zeigen bereits Auswirkungen an: Der Bedarf an Erythrozytenkonzentraten ging im vergangenen Jahr um ca. 10% zurück. Das Ziel der Maßnahmen sind allerdings keinesfalls „Einsparungen um jeden Preis“. Auch die medizinischen Risiken einer „Untertransfusion“, wie sie zum Beispiel in Großbritannien im Rahmen von Hämo­vigilanz-Studien (SHOT Daten 2014) adressiert wurden, gilt es zu beachten und zu vermeiden (mehr).

Personalisierte Medizin
Die Herausforderung der Zukunft besteht also in einem Balanceakt, auf der einen Seite sicherzustellen, dass jeder Patient die Blutkomponenten transfundiert bekommt die er benötigt, und auf der anderen Seite Transfusionen, die medizinisch nicht unbedingt nötig sind, vermieden werden. Damit leistet die Initiative Patient Blood Management nicht zuletzt einen Beitrag zur personalisierten Medizin.
In der Anästhesiologie hat das Web- basierte Qualitätsmanagement gerade auch bei jungen ärztlichen Kollegen die Anwendung von Blutprodukten verbes- sert. Nach diesem gelungenen Start wird das Modell nun auch für andere medizinische Fachbereiche geprüft und gegebenenfalls erweitert. 


Prof. Dr. med. Michael Schmidt

DRK-Blutspendedienst Baden-Württemberg – Hessen gGmbH