Drogen- und Medikamententestung im Speichel

Massenspektrometrisches Multitarget-Screening

Am MVZ Labor Dessau GmbH wurde ein massenspektrometrisches Verfahren entwickelt, das aus Speichel 57 unterschiedliche Drogen und Medikamente nachweist. Die Methode stellt eine sinnvolle Alternative zum klassischen Drogenscreening mit Immunoassays aus Urin dar.

Der Nachweis eines Drogen- oder Medikamentenmissbrauchs erfolgt im Rahmen suchtmedizinischer Therapien, im Strafvollzug oder auch in der Arbeitsmedizin überwiegend aus Urin. Dort liegen die gesuchten Substanzen wie Amphetamine, Kokain oder Opiate in deutlich höheren Konzentrationen als im Blut vor, sodass man sie mit vergleichsweise unempfindlichen, aber preiswerten und schnellen immunchemischen Verfahren in einem Zeitfenster von ein bis ca. fünf Tagen zuverlässig nachweisen kann.

Ein weiterer Vorteil von Urin ist die nicht-invasive Probennahme. Allerdings muss die Probe unter Sichtkontrolle gewonnen werden, um die Abgabe eines negativen Fremdurins oder Manipulationen zur Erzielung eines falsch-negativen Ergebnisses auszuschließen – etwa durch Zugabe von Detergenzien oder durch Verdünnung. Das führt jedoch zu Problemen im Praxisablauf und kann zudem das Arzt-Patienten-Verhältnis belasten. Strenggenommen müssten auch alle Entscheidungsgrenzen zwischen „negativ“ und „positiv“, die sogenannten Cut-Off-Werte, beim Drogenscreening auf Urinkreatinin bezogen werden, um Verdünnungseffekte zu korrigieren. Das ist aber bei den immunchemischen Tests – besonders, wenn es sich um Gruppentests handelt – naturgemäß nicht möglich.

Speichel als Alternative

Aus diesen Gründen haben wir die Matrix Speichel für das routinemäßige Drogenscreening als eine mögliche Alternative systematisch getestet. Dies wurde vor allem durch kommerziell erhältliche Speichelnahmesysteme sowie die verbesserte Sensitivität neuerer analytischer Methoden wie der Tandemmassenspektrometrie mit vorgeschalteter Flüssigchromatografie (LC-MS/MS) möglich. Speichelproben bieten gegenüber Urin drei wesentliche Vorteile: Sie lassen sich sehr einfach unter Sichtkontrolle gewinnen, in der Regel können die nicht metabolisierten Muttersubstanzen nachgewiesen werden und das Zeitfenster der letzten Einnahme von Benzodiazepinen sowie dem Cannabis-Metaboliten Tetrahydrocannabiol (THC) lässt sich besser eingrenzen, weil die manchmal wochenlange Ausscheidung im Urin entfällt.


Testspektrum LC-MS/MS im Speichel

Substitutionsmedikamente: D-/L-Methadon, EDDP, Buprenorphin, Norbuprenorphin
Amphetamine: Amphetamin, Methamphetamin, MDMA, MDA, MBDB, BDB, MDEA, Butylone, Mephedron, Methylon, MDPV
Benzodiazepine: Diazepam, Nordiazepam, Oxazepam, Midazolam, Flurazepam, Desalkylflurazepam, Temazepam, 7-Aminoclonazepam, Alprazolam, Flunitrazepam, 7-Aminoflunitrazepam, Bromazepam, Lorazepam
Kokain: Kokain, Benzoylecgonin, Methylecgonin, Lidocain
Opiate: Morphin, Codein, 6-Acetylmorphin, 6-Acetylcodein, Norcodein, Dihydrocodein
Opioide: Naloxon, Tilidin, Tramadol, O-Desmethyltramadol, Oxycodon, Noroxycodon, Fentanyl, Nortilidin, Hydromorphon
Cannabinoide: THC
Sonstige: Zolpidem, Zopiclon, Zaleplon, Ketamin, Methylphenidat, Ritalinsäure, Pregabalin, Gabapentin, Bupropion


Methodische Aspekte

In den Speichel gelangen Drogen durch passive Diffusion aus dem Blut, durch Filtration sowie durch aktive Sekretion oder auch orale Kontamination. Das Verhältnis der Substanzen zwischen Blut und Speichel wird durch den pKa-Wert der Substanz, ihre Lipidlöslichkeit, die Fähigkeit, sich an Proteine zu binden und durch das Molekulargewicht beeinflusst. Viele der Drogen sind schwache Basen und liegen im Blut (pH 7,4) oft ungeladen vor. Im Speichel (pH 6,8) ionisieren sie dagegen; sie geraten in eine „Ionenfalle“ und können sich deshalb dort anreichern. Dennoch sind die Konzentrationen im Speichel häufig deutlich niedriger als im Urin. Dieser Nachteil wird allerdings durch die hochsensitive Nachweismethode LC-MS/MS kompensiert.

Kommerzielle Speichelsammelsys­teme, beispielsweise von Greiner Bio-One, Immunalysis oder Thermo Scientific, gewährleis­ten eine standardisierte Probennahme. Wir verwenden ein flüssigkeitsbasiertes Sammelsystem von Greiner Bio-One. Dank des zugesetzten Farbstoffs können wir photometrisch den genauen Speichelanteil der Probe bestimmen. Zusammen mit weiteren, „perianalytischen“ Parametern wie Probenvolumen, Cortisolkonzentration und Amylaseaktivität erhalten wir so standardisierte, untereinander vergleichbare Ergebnisse.
Eine von uns entwickelte Methode zur Quantifizierung von Drogen und missbrauchsrelevanten Medikamenten im Speichel weist derzeit bei Entscheidungsgrenzen von 0,1 bis 1,0 ng/mL die im Kas­ten aufgeführten 57 Substanzen nach. Zur Quantifizierung und zur Qualitätskontrolle werden jeder Probe 56 korres­pondierende, deuterierte Standards in einer Konzentration von 0,5 ng/mL hinzugefügt. Eine chromatografische Bestätigungs­analyse, wie sie bei positiven immunchemischen Verfahren nötig ist, entfällt.

Ergebnisse

Um die Vergleichbarkeit des Drogenscreenings aus Speichel versus Urin zu prüfen, untersuchten wir zwei verschiedene Gruppen substituierter Patienten. Bei einem Kollektiv mit 194 Probanden (902 Speichelproben) aus einer einzigen Schwerpunktpraxis für Suchtkranke wurden über einen Zeitraum von sechs Wochen Proben aus dem Urin (ca. 1.000 Proben) auf missbrauchsrelevante Stoffe getestet und im Anschluss daran ebenfalls sechs Wochen lang aus dem Speichel. Das zweite Kollektiv setzte sich aus über 1.000 Patienten verschiedener Praxen zusammen (1.072 Speichel- und 6.900 bis 9.000 Urinproben).
In beiden Gruppen wurden sehr gut vergleichbare Ergebnisse erhalten: Die in der Grafik dargestellten Positiv­raten der Einzelpraxis belegen, dass sich Amphetamine aus Speichel besser nachweisen lassen als aus Urin, während die Ergebnisse für Benzodiazepine, Kokain und Opiate in beiden Materialien etwa gleich waren. Das gilt ebenso für Methadon bzw. EDDP und Buprenorphin bzw. Norbuprenorphin (hier nicht dargestellt). Auch bei Patienten mit niedrigdosierten  Substituten wurden keine falsch negativen Ergebnisse erhalten.

Wertvolle Informationen

Eine detaillierte Aufschlüsselung der Ergebnisse aus Speichel zeigte in gut drei Viertel (!) aller Opiat-positiven Fälle durch den Nachweis des Heroin-Metaboliten 6-Acetylmorphin einen kürzlichen Heroin­missbrauch an. In 3,5% der Fälle gelang der Nachweis von Opioiden oder sonstigen Substanzen, die mit immunchemischen Methoden routinemäßig nicht erfasst werden.
Abschließend sei angemerkt, dass die Methodenentwicklung aus Speichel generell einfacher ist als aus Urin, da die hierfür als Referenzmaterial benötigten Muttersubstanzen leichter verfügbar sind als die vielfältigen Metabolite. Als weiterer großer Vorteil der Matrix Speichel in Kombination mit LC/MS-MS erwies sich die Möglichkeit, schnell auf neue Designerdrogen, etwa „Badesalze“ (Cathinone), sowie auf lokale Drogenkonsummuster reagieren zu können, da man nicht auf die Entwicklung entsprechender Immunoassays seitens der Industrie warten muss.

 

Dr. rer. medic. Michael Böttcher
MVZ Labor Dessau GmbH, Limbach Gruppe
Drogen- und Medikamentenanalytik