Liquid Biopsy und Companion Diagnostics (CDx): Sehr persönlich!

Liquid Biopsy und Companion Diagnostics (CDx) haben in der Onkologie während der vergangenen zwei bis drei Jahrzehnte Hand in Hand für große Fortschritte gesorgt; und das Potenzial der beiden Verfahren ist bei Weitem noch nicht ausgeschöpft. 
Die vielfältigen Methoden der CDx geben Auskunft über die Treibermutationen sowie gegebenenfalls über sekundäre Resistenzen eines Tumors. Die Ergebnisse entscheiden über den gezielten Einsatz von Medikamenten wie den Tyrosin­kinase-Inhibitoren (TKI) im Sinne einer personalisierten Medizin. Mutationen der Tyrosinkinasen zählen zu den Schlüssel- oder Treibermutationen im Tumorgewebe, deren Identifizierung und vor allem deren gezielte Hemmung deutliche Therapieerfolge bringen. Bei der chronisch-myeloischen Leukämie ist die Therapie mit TKI bereits Standard.
Den Mutationsstatus zu kennen ist bei der Primärdiagnose als auch im Verlauf der Therapie unerlässlich, denn Krebszellen reagieren auf den Selektionsdruck durch Inhibitoren mit der Entwicklung von Resis­tenzen. Außerdem lässt sich die Minimal Residual Disease (MRD) nach bzw. während einer Therapie bestimmen.
Spätestens an dieser Stelle kommt die Liquid Biopsy ins Spiel, die als minimal-invasive Methode die Detektion von Mutationen aus frei im Blut oder anderen Körperflüssig­keiten (Urin, Punktate, Liquor) zirkulierender Tumor-DNA bzw. -RNA (ctDNA/RNA) erleichtert. Auch Tumorzellen (CTC) können in der Liquid Biopsy detektiert werden. Eine Biopsie im ursprünglichen Wortsinn (Probennahme aus lebendem Gewebe) kann dagegen für die Patienten belastend sein und ist im Falle einiger Tumoren, z. B. der Lunge, technisch äußerst aufwendig. Ausführliche Fachartikel zum Schwerpunktthema „Liquid Biopsy und CDx“ finden Sie hier.

Präanalytik

Bereits bei der Blutentnahme können Fehler auftreten, die die anschließende Analyse deutlich beeinträchtigen. Beispielsweise kann ein zu starker Unterdruck während der Blutentnahme oder die Verwendung einer Nadel mit einem zu kleinen Durchmesser zur Zerstörung von Leukozyten führen. Die aus den Leukozyten austretende genomische DNA verdünnt die ctDNA und ist damit eine der größten Fehlerquellen [1]. 
Zellfreie DNA/RNA oder auch zirkulierende Tumorzellen (CTC) besitzen in vitro nur eine sehr begrenzte Haltbarkeit, die durch die Verwendung von Probenröhrchen mit stabilisierenden Reagenzien deutlich verlängert werden kann. Das hat den Vorteil, dass nach der Blutentnahme das Plasma nicht sofort gewonnen werden muss und die Blutprobe ungekühlt sogar über mehrere Tage transportiert bzw. gelagert werden kann. 

Gewinnung von ctDNA/RNA

Die Konzentration an ctDNA in einem Milli­liter Blut liegt im unteren Nanogramm-Bereich. Aus der Liquid-Biopsy-Probe genug ctDNA zu sammeln, um sie zum Next Generation Sequencing (NGS) einsetzen zu können, ist deshalb eine Herausforderung. Mittlerweile gibt es kommerzielle Testkits für das sogenannte Targeted Sequencing (zielgerichtete Sequenzierung) bei verschiedenen Krebsarten wie dem kolorektalen Karzinom oder dem nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (S. 217 oben). Dazu reichert man die gewünschten Zielsequenzen durch eine Multiplex-PCR oder ein Hybrid-Capture-Verfahren an, bevor sie mittels NGS sequenziert werden. Das Limit of Detection (LOD) der hier vorgestellten Methode liegt bei beachtlichen sieben mutierten Molekülen in der gesamten Probe.
Auch Urin eignet sich als Probenmaterial für die Liquid Biopsy. Da die Lokalisation eines Tumors Einfluss auf die Menge an zellfreier DNA bzw. RNA und CTCs aus dem jeweiligen Organ hat, macht es Sinn, zur molekularen Charakterisierung von Prostata-Karzinomen Urin als Ausgangsmaterial zu verwenden. Aus den darin vorhandenen Exosomen kann z. B. ctRNA gewonnen und mittels RT-qPCR quantifiziert werden. Diese Untersuchung lässt eine Aussage darüber zu, ob bei einer Person mit einem erhöhten PSA-Wert zwischen 2–10 ng/ml eine Biopsie durchgeführt werden sollte. Dieser Assay steht als CE-IVD-zertifiziertes Testkit zur Verfügung. 

Zellsortierung 

Eine der Hauptaufgaben bei der Quantifizierung zirkulierender Tumorzellen in der Liquid Biopsy ist die sichere Abgrenzung der CTCs von den in deutlichem Überschuss vorhandenen Leukozyten. Die CTCs lassen sich mithilfe spezifischer Antikörper Fluoreszenz-markieren und im Zellsorter durchflusszytometrisch von den Leukozyten trennen. In einem ersten vorbereitenden Schritt werden die Erythrozyten lysiert, die verbleibenden Zellen fixiert und permeabilisiert. Nach einer Aufkonzentrierung wird die Probe in die Reaktionsgefäße verteilt, auf deren Boden die spezifischen, gegen charakteristische Strukturen von Krebszellen wie Cytokeratin gerichteten Antikörper immobilisiert sind. Nach der Zugabe des Lösungspuffers finden diese während der Inkubationsphase ihre Zielstrukturen. Im Zellsorter erfolgt die Trennung der Zellen anhand ihres Fluoreszenzsignals. Die auf diese Art und Weise gewonnenen Tumorzellen zeichnen sich durch einen sehr hohen Grad an integrer DNA aus und lassen sich beispielsweise in einer Einzelzellanalyse mittels Whole Genome Sequencing (WGS) analysieren. Ein vorgestellter Assay ist so weit vorkonfektioniert, dass vor der Zellsortierung nur noch wenige Arbeitsschritte notwendig sind; vor allem das Pipettieren der unterschiedlichen Antikörper entfällt. Durch die schonende Trocknung sind diese Assays inklusive der Antikörper ungeöffnet bis zu zwei Jahre bei Zimmertemperatur haltbar. Das spart zusätzlich Kühlkapazität  und vereinfacht die Logistik zwischen den Studienlaboren. 

CDx aus FFPE-Gewebe

Eine weitere auf NGS basierende Methode selektiert Zielsequenzen mit dem Hybrid-Capture-Verfahren (Hybridisierung), bevor diese mittels NGS sequenziert werden (S. 214). Ausgangsmaterial ist hier allerdings nicht die Liquid Biopsy, sondern FFPE-Gewebe (Formalin-fixiert Paraffin-eingebettet). 1 bis 32 Proben lassen sich ohne Batching analysieren. Die Ergebnisse stehen bereits nach einem Tag, zeitgleich mit der IHC-Färbung, zur Verfügung. Die CE-IVD-Zertifizierung ist noch in Vorbereitung.
Ebenfalls aus FFPE-Schnitten erfolgt die Analyse von MSI-Loci (Mikrosatelliten-Instabilität) aus soliden Tumoren. Bei den Mikrosatelliten handelt es sich um nicht-codierende repetitive DNA-Sequenzen, bestehend aus 4 bis 6 Basenpaaren. Die MSI entsteht durch Loss-of-Function-Mutationen in den Genen des DNA-Reparatursystems. Fehler bei der DNA-Replikation können dadurch nicht mehr korrigiert werden. Häufig sprechen Tumoren mit hoher MSI gut auf eine Immuntherapie mit Checkpoint-Inhibitoren an, weil sich die Tumorzellen von normalem Gewebe phänotypisch besonders stark unterscheiden. Für einige Tumoren, z. B. bei einer Form von erblichem Darmkrebs, ist die MSI sogar das hervorstechende Merkmal und spielt eine große Rolle bei der Auswahl der Therapie. Auch für diesen Nachweis gibt es CE-IVD-zertifizierte Assaykits.

Dringend nötig – Referenzmaterial

Methoden, die so dicht an der Nachweisgrenze arbeiten und so entscheidende Konsequenzen für die betroffenen Patienten haben wie die Gewinnung von ctDNA, benötigen eine sorgfältige Kontrolle. Diese wiederum ist auf Referenzmaterialien angewiesen. Die Referenzproben sollten in getrennten Kontingenten einerseits Wildtyp-DNA beinhalten und andererseits eine ausreichende Menge an ctDNA, die zusätzlich auch noch DNA mit den typischen krebsrelevanten somatischen Mutationen (beispielsweise Single Nucelotide Variations oder auch Indels, bei denen zwischen 50 und 10.000 Basenpaaren entweder eingefügt oder verlorengegangen sind), enthält. 
All diese Methoden bewegen sich mit enor­mer Präzision auf der molekularen oder zellulären Ebene. Man kann also auf die weitere Entwicklung gespannt sein – und wohl auch auf ein Update dieser Übersicht. 

Dr. Gabriele Egert
Mitglied der Redaktion

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