Serie "Vom Biomarker zur Therapie": BRCA und HRD

Bei immer mehr Tumorentitäten dient der Nachweis einer BRCA(BReast CAncer early onset)-Mutation sowohl als prognostischer Faktor als auch als prädiktiver Biomarker für das Ansprechen auf eine Therapie mit Hemmstoffen des Enzyms Poly-ADP-Ribose-Polymerase (PARP-Inhibitoren). Die Bedeutung der BRCA-Mutation als Verursacher einer dysfunktionalen DNA-Reparatur durch die homologe Rekombination (HR) variiert jedoch zwischen den Tumorarten. Während beim fortgeschrittenen Mamma- und Pankreas-karzinom das Vorliegen einer BRCA-Keimbahnmutation Voraussetzung für die zielgerichtete Therapie mit einem PARP-Inhibitor ist, ist eine BRCA-Mutation – somatisch oder in der Keimbahn – beim high-grade Ovarialkarzinom heute meist keine Voraussetzung mehr für die Behandlung mit PARP-Inhibitoren. Ausschlaggebend ist hier vielmehr das Ansprechen des Tumors auf eine Platin-haltige Chemotherapie. Der dysfunktionale DNA-Reparatur-Signalweg, wie er vor allem, aber nicht nur, bei BRCA-Mutationen vorliegt, ist der Angriffspunkt der zielgerichteten Therapie mit PARP-Inhibitoren. Im Falle einer HR-Defizienz (HRD) kann die durch PARP-Inhibitoren verursachte synthetische Letalität zum Tragen kommen. Diese Folge unserer Biomarker-Serie soll die Bedeutung und therapeutischen Implikationen von BRCA-Mutationen und einer gestörten homologen Rekombination bei Patientinnen mit Ovarialkarzinom, aber auch bei verschiedenen anderen Tumoren näher beleuchten.

Breast cancer 1 early onset (BRCA) und homologe Rekombinationsdefizienz (HRD)

BRCA1 und BRCA2 sind Tumorsuppressor-Gene; BRCA1 wurde bereits 1994 als Gen entdeckt, das die Wahrscheinlichkeit beeinflusst, ein Mamma- oder Ovarialkarzinom zu entwickeln [1], BRCA2 [2] ein Jahr später. Ebenfalls 1994 wurde beschrieben, dass BRCA1 für ein aus 1.863 Aminosäuren bestehendes Protein, nämlich für einen Tumorsuppressor kodiert, der für die Reparatur beschädigter DNA-Fragmente zuständig ist [3]. Fast ebenso lang ist bekannt, dass in embryonalen Stammzellen von Mäusen mit einem BRCA1-Defekt keine intakte Reparatur von DNA-Doppelstrangbrüchen über die homologe Rekombination (HR) stattfinden kann [4]. BRCA1 trägt somit zum Erhalt der genomischen Integrität bei, indem es die HR fördert und mutagene nicht-homologe Reparaturprozesse einschränkt [4]. BRCA1 befindet sich auf Chromosom 17, dort ist es Teil des Genlocus q21.31. Mutationen im BRCA1-Gen können dort 22 Exons betreffen.
Wie BRCA1 kodiert auch BRCA2 für ein an der DNA-Reparatur beteiligtes Tumorsuppressor-Protein. Mutationen am BRCA2-Gen können sich auf 27 Exons auf Chromosom 13q13.1 verteilen. Da die Proteine BRCA1 und BRCA2 im Ablauf der HR zur Reparatur von DNA-Doppelstrangbrüchen eine kritische Rolle spielen, haben Mutationen der Gene von BRCA1 und/oder -2 Auswirkung auf die Funktionalität dieses Reparaturmechanismus, auf die Chromosomenstabilität und damit auf die Tumorsuppression. Mutationen der BRCA1- und BRCA2-Gene gehen mit einem stark erhöhten Risiko für verschiedene Tumorarten einher, insbesondere für Mamma-, Ovarial-, Prostata- und kolorektale Karzinome [5].

BRCA1/2-Mutationen bei verschiedenen Tumoren

Mammakarzinom

Keimbahnmutationen von BRCA1/2 erhöhen durch die Einschränkung der HR und die daraus resultierende genomische Instabilität das Brustkrebsrisiko. Frauen mit BRCA1- oder BRCA2-Mutation erkranken rund 20 Jahre früher als Frauen ohne familiäres Risiko; zudem haben sie ein lebenslanges Risiko von etwa 60 % bzw. 40 %, an einem Mammakarzinom bzw. kontralateralen Mammakarzinom zu erkranken [6]. Die Häufigkeit von BRCA-Keimbahnmutationen bei Mammakarzinom-Patientinnen liegt etwa bei 7 %. Somatische BRCA-Mutationen im Tumor liegen bei nur etwa 3 % aller Mammakarzinome vor [7]. Anders ausgedrückt: Von den beim Mammakarzinom nachgewiesenen BRCA-Mutationen sind etwa ein Drittel somatische Mutationen und zwei Drittel Keimbahnmutationen [8].
BRCA1-assoziierte Mammakarzinome weisen häufig einen charakteristischen histopathologischen und immunhisto-chemischen Phänotyp auf. Es sind häufig invasive Karzinome mit medullären Eigenschaften, einer G3-Morphologie und Östrogenrezeptor-, Progesteronrezeptor- und HER2-Negativität (triple-negativ) [6]. Bei unselektierten Patientinnen mit einem triple-negativen Mammakarzinom (TNBC) konnte eine Mutationsprävalenz von BRCA1-Mutationen bei 8,5 % bzw. von BRCA2-Mutationen bei 2,7 % nachgewiesen werden [9].
Das Vorliegen einer BRCA-Keimbahnmutation hat bei Patientinnen mit fortgeschrittenem Mammakarzinom Auswirkungen auf die Systemtherapie und ist außerdem Voraussetzung für die Therapie mit einem PARP(Poly-ADP-Ribose- Polymerase)-Inhibitor.

Ovarialkarzinom

Die Häufigkeit somatischer BRCA-Mutationen wird beim high-grade serösen Ovarialkarzinom mit 6–7 % angegeben [10, 11]. BRCA-Keimbahnmutationen sind weitaus häufiger. In einer australischen Fall-Kontrollstudie waren BRCA-Keimbahnmutationen bei 14 % aller Patientinnen mit nicht-muzinösem Ovarialkarzinom und bei 17 % der Frauen mit high-grade serösen Karzinomen nachweisbar [12]. In der AGO-TR1-Studie wurde bei 523 Patientinnen mit primärem oder rezidiviertem Ovarialkarzinom bei 20,8 % eine BRCA-Keimbahnmutation nachgewiesen [13].
Nach aktuellen Schätzungen – beruhend auf populationsbasierten Daten – haben Trägerinnen einer BRCA1-Mutation bis zum 69. Lebensjahr ein kumulatives Risiko von 39 %, Eierstockkrebs zu entwickeln. Bei BRCA2-Mutationen ist die Wahrscheinlichkeit für ein Ovarialkarzinom mit 11–22 % erheblich niedriger [6]. Beim Ovarialkarzinom ist eine BRCA-Mutation nur in einigen Fällen Voraussetzung für eine PARP-Inhibitor-Therapie.

Pankreaskarzinom

Bei 4–7 % der Patienten mit einem Pankreaskarzinom liegt eine BRCA-Keimbahnmutation vor [14–17]. Ihr Nachweis ist Voraussetzung für eine Erhaltungstherapie mit dem PARP-Inhibitor Olaparib. BRCA-mutierte Karzinome sind häufiger primär sensibel gegenüber Platin-basierten Chemotherapien als BRCA-Wildtyp-Karzinome.

Prostatakarzinom

Bei etwa einem Fünftel der Patienten mit kastrationsresistentem metastasiertem Prostatakarzinom (mCRPC) liegen Mutationen des BRCA1/2- oder des ATM-Gens vor [18], jedoch weisen nur 2–5 % der Patienten BRCA-Keimbahnmutationen auf [19]. Patienten mit BRCA2-Mutation haben aggressivere Tumoren, höhere Gleason-Scores und eine schlechtere Prognose [20]. Auch beim mCRPC ist der Nachweis einer BRCA1/2-Mutation Voraussetzung für eine Erhaltungstherapie mit Olaparib.

HRD und „BRCA-ness“

Das Verständnis der Bedeutung einer BRCA-Mutation hat sich nach ihrer Entdeckung gewandelt. Zunächst wurde eine Wirksamkeit von PARP-Inhibitoren nur bei Tumoren mit einer BRCA-Keimbahnmutation vermutet und in Studien geprüft. Später hat man die Grundlagen ihres Wirkprinzips ausgedehnt, und zwar auf Tumoren mit somatischer Inaktivierung von BRCA1 oder auf Tumoren mit einer anormalen Funktion anderer Gene, die an DNA-Reparaturwegen über die homologe Rekombinationsreparatur (HRR) beteiligt sind („BRCA-ness“) [21].
In Tumoren mit einer HR-Defizienz (HRD) können DNA-Doppelstrangbrüche kaum noch fehlerfrei repariert werden, da nur noch fehleranfällige Wege wie die nicht-homologe Endverknüpfung aktiviert werden können [21]. Daher lässt sich eine HRD anhand der genomischen Fehler, wie sie durch die – anstelle der HR aktivierte – nicht-homologe Endverknüpfung entstehen, durch drei Parameter messen: den Verlust der Heterozygotie > 15 Mb (loss of heterozygosity (LOH), die allelische Imbalance der Telomere (allelic imbalance extending to the telo-mere, TAI) und größere chromosomale Rearrangements, sichtbar anhand einer Anzahl der DNA-Brüche von mindestens  10 Mb (large-scale state transitions, LST).
Um eine HR-Defizienz diagnostisch festzustellen, liegen mehrere kommerzielle Tests vor, die verschiedene dieser genannten Parameter berücksichtigen. Der in Studien zum Ovarialkarzinom zu-meist eingesetzte Test MyChoice HRD (Myriad) vereint alle drei genannten Parameter zu einem HRD-Score. Bei einem Score von ≥ 42 ist von einer HRD auszugehen, bei einem Score < 42 von einer intakten DNA-Reparatur durch die HR.

PARP-Inhibitoren bei HRD-positiven Tumoren

Die physiologische Funktion der PARP-Enzyme ist, DNA-Einzelstrangbrüche zu reparieren, wobei sie als Regulatoren der Basenexzisionsreparatur (BER) fungieren. PARP-Inhibitoren nutzen – ähnlich wie eine Chemotherapie mit Platinderivaten – eine bereits bestehende eingeschränkte Fähigkeit der Tumorzelle aus, DNA-Doppelstrangbrüche fehlerfrei reparieren zu können. Ihr Wirkmechanismus kommt bei Tumorzellen mit einer HRD zum Tragen.
Werden PARP-Enzyme durch einen PARP-Inhibitor blockiert, fällt die Reparaturmöglichkeit von Einzelstrangbrüchen über die BER aus und akkumulierte unreparierte Einzelstrangbrüchen werden bei der Vervielfältigung der DNA an der Replikationsgabel zu Doppelstrangbrüchen. Diese können bei Tumoren mit HRD kaum noch fehlerfrei repariert werden (Abb. 1).

 In der Folge sterben die Tumorzellen schließlich ab, sodass hier vom Wirkprinzip der selektiven synthetischen Letalität gesprochen werden kann [22] (Abb. 2).

Wie bereits erwähnt, können auch Mutationen in anderen Genen als BRCA1 und 2 zu einer dysfunktionalen HR führen und somit das Krebsrisiko erhöhen. Dazu gehören ATM, CHEK2, BARD1, BRIP1, Mre11, RAD50, NBS1, RAD51C, RAD51D und PALB2 [23]. Dennoch zeigte sich bisher bei manchen Tumoren wie z. B. dem Prostatakarzinom nur bei einer durch eine BRCA-Mutation hervorgerufenen HRD eine ausreichende Wirksamkeit eines PARP-Inhibitors [24]. Auf der anderen Seite wurde auch bei als HR-kompetent eingestuften Tumoren eine gewisse Wirksamkeit eines PARP-Inhibitors beobachtet [25, 26].
Derzeit ist der BRCA-Status ein Biomarker für Einschränkungen der DNA-Reparatur im HR-Signalweg. Seine Bedeutung als prädiktiver Marker muss im Kontext der verschiedenen soliden Tumoren individuell beurteilt werden.

BRCA und HRD bei verschiedenen Tumoren

Ovarialkarzinom

In der Therapie des Ovarialkarzinoms war die Entdeckung und die Bestätigung des Konzeptes der synthetischen Letalität bei zunächst BRCA-mutierten, später auch HRD-positiven Tumoren bahnbrechend. Bei etwa 50 % der high-grade serösen epithelialen Ovarialkarzinome (EOC) liegt aufgrund von genetischen und epigenetischen Alterationen von am HR-Signalweg beteiligten Genen eine defekte DNA-Reparatur über die HR vor. Beim EOC ist die HRD somit ein relevanter Faktor, der jetzt über die in vielen Studien zum Ovarialkarzinom als hochwirksam beschriebene Substanzklasse der PARP-Inhibitoren zielgerichtet behandelt werden kann [22].
Erstes Einsatzgebiet der PARP-Inhibitoren beim EOC war die Erhaltungstherapie nach Ansprechen auf die Platin-haltige Chemotherapie in der Rezidivsituation. Während die erste Zulassung eines PARP-Inhibitors in dieser Indikation (Olaparib) noch mit der Restriktion auf Patientinnen mit BRCA-Mutation erfolgte, sind mittlerweile Olaparib, Niraparib und Rucaparib für die Erhaltungstherapie im Rezidiv ohne Einschränkung hinsichtlich des BRCA-Status zugelassen (Tab. 1).

Tabelle 1: Derzeitiger Zulassungsstatus der PARP-Inhibitoren

Einzige Voraussetzung ist hier aktuell, dass bei der Patientin ein epithelialer high-grade Tumor im Rezidiv vorliegt und die Patientin auf eine Platin-haltige Therapie angesprochen hat. Auch wenn PARP-Inhibitoren ihre Rationale eigentlich bei HRD-positiven Tumoren finden, wurde in Studien mit Niraparib auch eine Wirksamkeit bei HRD-negativen Tumoren beobachtet [25, 26].
Auch in der Erstlinientherapie profitieren Frauen mit einem fortgeschrittenen Platin-sensiblen Ovarialkarzinom von einer Erhaltungstherapie mit einem PARP-Inhibitor. Auf Basis der Daten der SOLO-1-Studie ist Olaparib nach Ansprechen auf die Platin-haltige Erstlinienchemotherapie nur bei Frauen mit einer BRCA-Mutation zugelassen [27]. Auf Basis der Daten der PAOLA-Studie wurde Olaparib außerdem als Erstlinien-Erhaltungstherapie in Kombination mit Bevacizumab bei HRD-positiven Tumoren zugelassen [28]. Für Niraparib erfolgte die Zulassung in der Erstlinie auf Basis der Daten der PRIMA-Studie – ebenso wie in der Rezidivsituation unabhängig vom Bio-marker-Status [26] (Tab. 1).
Unstrittig ist, dass Patientinnen mit BRCA-Mutation (Keimbahn oder somatisch) auch beim Ovarialkarzinom besonders deutlich von einem PARP-Inhibitor profitieren. Beim Ovarialkarzinom ist ein negativer BRCA-Mutationsstatus aber kein Biomarker, um die Patientinnen von einer PARP-Inhibitor-Therapie auszuschließen. Noch unklarer ist die Datenlage zum HRD-Status als Biomarker für die Wirksamkeit einer PARP-Inhibitor-Therapie, da die Studienergebnisse mit verschiedenen Substanzen, verschiedenen Tests und Cut-offs erzielt wurden. Trotzdem ist eine frühe Testung auf die BRCA-Mutation wichtig – zur Prognoseabschätzung, zur Klärung eines familiären Risikos und um bei der Primär- und Rezidivtherapie die bestmögliche Therapie wählen zu können. Patientinnen mit high-grade Ovarialkarzinom sollte möglichst bei der Erstdiagnose die Testung auf eine BRCA-Mutation angeboten werden.

Mammakarzinom

Mammakarzinome mit BRCA1/2-Mutation sprechen besonders gut auf DNA-schädigende Substanzen wie PARP-Inhibitoren und Platinderivate an [7]. So zeigte in der prospektiven TNT-Studie bei Patientinnen mit fortgeschrittenem TNBC nur die Subgruppe der Frauen mit BRCA1/2-Mutation in der Keimbahn eine doppelt so hohe Ansprechrate auf Carboplatin wie auf Docetaxel. Frauen mit nachgewiesener HRD profitierten nicht stärker von Platin [29]. Beim frühen TNBC hingegen ist die Datenlage bisher weniger klar. In der GeparSixto-Studie profitierten die Frauen mit TNBC zwar von Carboplatin, es wurde jedoch kein spezieller Vorteil durch Carboplatin für Patientinnen mit BRCA-Keimbahnmutation beobachtet [30]. Die aktuelle S3-Leitlinie Mammakarzinom 2020 formuliert das evidenzbasierte Statement, dass bei Frauen mit BRCA-Mutation eine Platin-haltige Chemotherapie im Vergleich zu einer Standard-Chemotherapie zu einem besseren Therapieansprechen führen kann [6].
Das Vorliegen einer BRCA1/2-Keimbahnmutation bei Frauen mit einem metastasierten HER2-negativen Mammakarzinom wird von der AGO-Kommission Mamma als prädiktiver Faktor für das Ansprechen auf die Therapie mit PARP-Inhibitoren mit ++ bewertet [31]. Zugelassen sind hierfür Talazoparib auf Basis der EMBRACA-Studie [32] und Olaparib auf Basis der OlympiAD-Studie [33] bei nachgewiesener BRCA1/2-Keimbahnmutation nach Vorbehandlung mit einer Anthrazyklin- oder Taxan-haltigen Systemtherapie. Die Substanzen können in der Erst-, Zweit- und Drittlinientherapie eingesetzt werden. Vor diesem Hintergrund lautet die Empfehlung, alle metastasierten HER2-negativen Mammakarzinome auf das Vorliegen einer BRCA1/2-Keimbahnmutation zu testen, um eine möglichst Subtyp-spezifische systemische Therapie durchführen zu können. Die AGO-Kommission Mamma empfiehlt die Mutationsanalyse in der Keimbahn an der Blutprobe mit ++ [34].

Pankreaskarzinom

Bei Patienten mit metastasiertem Adenokarzinom des Pankreas mit einer BRCA1/2-Keimbahnmutation ist derzeit eine Erhaltungstherapie mit Olaparib nach Ansprechen auf eine vorangegangene Platin-haltige Chemotherapie zugelassen. Die Zulassung beruht auf den Daten der POLO-Studie, in der die Erhaltungstherapie mit Olaparib gegenüber Placebo zu einer statistisch signifikanten und klinisch relevanten Verlängerung des progressionsfreien Überlebens bei Patienten mit BRCA1/2-Keimbahnmutation geführt hatte [35]. Die Therapie ist ein erster Schritt hin auf dem Weg zu einer personalisierten Therapie auch beim Pankreaskarzinom und erfordert vorab eine genetische Testung auf BRCA-Mutationen in der Keimbahn.

Prostatakarzinom

Seit Oktober ist Olaparib beim mCRPC zugelassen. Voraussetzung für die Erhaltungstherapie mit dem PARP-Inhibitor ist das Vorliegen einer BRCA-Mutation (somatisch oder Keimbahn). In der zulassungsrelevanten Phase-III-Studie PROFOUND war das mediane radiographische progressionsfreie Überleben bei Patienten mit Mutation im BRCA1-, BRCA2- oder ATM-Gen unter Olaparib signifikant länger als unter Abirateron/Enzalutamid [23]. Auch das mediane Gesamtüberleben wurde verbessert [36]. Lagen bei den Patienten Mutationen anderer Gene der HRR vor, war die Wirksamkeit von Olaparib geringer.

BRCA-Testung

Bei der Therapie des metastasierten Mammakarzinoms, des high-grade Ovarialkarzinoms, des metastasierten Pan-kreaskarzinoms und des mCRPC ist das Vorliegen einer BRCA-Mutation weg-weisend für die Therapiewahl, wenn auch nicht immer zwingende Voraussetzung für eine PARP-Inhibitor-Therapie.
Es kann prinzipiell eine somatische Testung am Tumorgewebe durchgeführt werden, die nicht unter das Gendiagnostikgesetz fällt und somit nicht zwingend eine genetische Beratung erfordert, da die Untersuchung zur Feststellung einer BRCA-Mutation als Biomarker für das Ansprechen auf eine medikamentöse Tumortherapie erfolgt. Bei der somatischen Testung des Tumorgewebes ist jedoch darauf hinzuweisen, dass weder eine Aussage über das Risiko des Vorliegens einer BRCA-Mutation bei Familienangehörigen getroffen noch das eigene Krebsrisiko für eine ggf. notwendige Krebsvorsorge eingeschätzt werden kann (z. B. intensivierte Brustkrebsvorsorge bei Patientinnen mit Ovarialkarzinom und BRCA-Keimbahnmutation). Diese Informationen würde nur die Keimbahn-Mutationsanalyse des Blutes erbringen.
Beim HER2-negativen metastasierten Mamma- und beim metastasierten Pankreaskarzinom wird derzeit nur auf eine pathogene BRCA1- bzw. BRCA2-Mutation in der Keimbahn getestet. Die Testung erfolgt im Sinne von „Companion Diagnostics"; nur beim Nachweis der Keimbahn-Mutation ist der Einsatz eines PARP-Inhibitors möglich und vergütungsfähig. Es handelt sich dabei also um eine wegweisende molekularpathologische Untersuchung im Sinne des Gendiagnostikgesetzes, die von jedem Arzt veranlasst werden kann. Beim Ovarial- und Prostatakarzinom hingegen wäre eine rein somatische Testung generell möglich und wird auch vielfach durchgeführt. Hier sollte den Patienten jedoch aus oben genannten Gründen die Möglichkeit einer Keimbahntestung zur Einschätzung des eigenen Risikos eines Zweitmalignoms und des familiären Risikos angeboten werden. Ein HRD-Test, wie z. B. der in den aktuellen Erstlinien-Studien zum fortgeschrittenen Ovarialkarzinom (PAOLA, PRIMA) eingesetzte Myriad-MyChoice-Test, ist zwar aktuell bereits in Deutschland verfügbar (Universitätsklinikum Marburg, Prof. Denkert), die Kosten werden aber von den Krankenkassen bei noch fehlender Zulassung nicht übernommen. Aufgrund einer Empfehlung des Komitees für Medizinalprodukte der EMA (positive opinion des CHMP der EMA) wird die Zulassung des Myriad-MyChoice-Tests aber zeitnah erwartet.

Fazit

Die HRD der Tumorzellen scheint den entscheidenden prädiktiven Marker für die Effektstärke einer Behandlung mit einem PARP-Inhibitor darzustellen. Verschiedene Gen-Alterationen und Mechanismen können eine HRD hervorrufen; eine der häufigsten und wirkungsvollsten ist die Inaktivierung der Tumorsuppressorgene BRCA1 und 2, sodass der BRCA-Status ein Biomarker für eine HRD ist. Patientinnen mit BRCA-Mutationen sprechen nach heutiger Datenlage indikationsübergreifend am besten auf die Therapie mit PARP-Inhibitoren an. Dennoch gilt beim Ovarialkarzinom nicht der Umkehrschluss, dass Patientinnen ohne BRCA-Mutation nicht von einem PARP-Inhibitor profitieren können. Der BRCA-Status ist damit zwar ein entscheidender, aber im negativen Falle kein ausschließender Biomarker. Auch zwischen den einzelnen PARP-Inhibitoren können diesbezüglich Unterschiede bestehen. Während der BRCA-Mutationsstatus beim Ovarialkarzinom eher der Nutzen-Risiko-Bewertung und ergänzenden Information dient, ist die Testung beim metastasierten Mammakarzinom, Pan-kreaskarzinom und mCRPC verpflichtende Therapievoraussetzung. Die Bestimmung des HRD-Status erhält erst jetzt mit der aktuellen Zulassung von Olaparib in Kombination mit Bevacizumab Eingang in die klinische Routine in Deutschland. Es ist jedoch absehbar, dass der HRD-Status zu einem wichtigen Entscheidungs-Faktor werden könnte, um die Behandlungsstrategie gerade in dem großen Kollektiv der Patientinnen mit einem fortgeschrittenen primären Ovarialkarzinom ohne BRCA-Mutation (BRCA-Wildtyp) festzulegen.

Autoren
Dr. med. Klaus Pietzner
Klinik für Gynäkologie mit Zentrum für onkologische Chirurgie
Charité – Universitätsmedizin Berlin