Serie "Vom Biomarker zur Therapie": Mikrosatelliteninstabilität (MSI)
MSI-H, das Kürzel für eine hohe Mikrosatelliteninstabilität, ist ein Biomarker, der uns in den letzten Jahren immer häufiger begegnet und dessen Testung nun auch Voraussetzung für den Einsatz verschiedener Immuncheckpoint-Inhibitoren bei zwei soliden Tumoren ist. Um was es bei der Testung auf eine mögliche MSI-H eigentlich geht, ist eine zugrundeliegende Mismatch-Reparatur-Defizienz (dMMR). Bei Tumoren mit dMMR funktioniert die Korrektur von Basen, die bei der Replikation falsch in DNA-Stränge eingebaut wurden („Mismatch“), durch bestimmte Reparaturproteine nicht. Aufgrund von Mutationen in den Mismatch-Reparatur-Genen ist die DNA-Reparatur bei diesen Tumoren deutlich reduziert. Einen Hinweis auf einen solchen Gendefekt im DNA-Reparatursystem liefert die Mikrosatelliteninstabilität. MSI-H ist damit ein Biomarker für dMMR und ein Hinweis auf eine Hypermutabilität der Tumorzellen. MSI-H/dMMR-Tumoren haben eine höhere Mutationslast und eine höhere Expression von Neoantigenen auf der Oberfläche der Tumorzellen, die vom Immunsystem erkannt werden können. Außerdem exprimieren MSI-H-Tumor-assoziierte Makrophagen vermehrt Immuncheckpoint-Moleküle. Dies prädestiniert MSI-H/dMMR-Tumoren für eine Therapie mit Immuncheckpoint-Inhibitoren.Am häufigsten treten Tumoren mit MSI-H und dMMR beim kolorektalen Karzinom (CRC), Endometrium- und Magenkarzinom auf. Aktuell in Europa zugelassen sind Pembrolizumab sowie Nivolumab und Ipilimumab beim metastasierten MSI-H/dMMR CRC. Des Weiteren ist Dostarlimab beim fortgeschrittenen MSI-H/dMMR Endometriumkarzinom zugelassen. Nachdem über viele Jahre die MSI-Analyse vor allem zur Diagnostik des Lynch-Syndroms, des häufigsten erblichen Darmkrebssyndroms, durchgeführt wurde, wird die Identifikation von MSI-H als prädiktiver Marker für die Effektivität einer Immuncheckpoint-Blockade immer wichtiger – ein Grund für uns, die 13. Folge unserer Biomarker-Serie der Diagnostik und der klinischen Relevanz von MSI-H/dMMR zu widmen.
Schlüsselwörter: Mikrosatellitenstabilität, MSI, MSH-H, dMMR, prädiktiver Biomarker, Kolorektales Karzinom, CRC, Endometriumkarzinom, Magenkarzinom, Immuncheckpoint-Inhibitoren, Keytruda, Dostarlimab, Durvalumab, Tecentriq, Atezolizumab, Nivolumab
Mikrosatelliten, auch short tandem repeats (STRs) genannt, sind kurze DNA-Sequenzen, die über das gesamte Genom verstreut sind und aus sich wiederholenden Sequenzen bestehen. Die häufigsten und klinisch relevantesten Mikrosatelliten sind Mononukleotid-Repeats, die aus der Wiederholung einzelner Basen bestehen (sog. Homopolymer-Sequenzen). Bei ihnen kommt es während der DNA-Replikation besonders häufig zu Basenfehlpaarungen (Mismatches), die zu Insertionen und Deletionen von Basen führen, wenn sie nicht repariert werden.
Verantwortlich für die Korrektur solcher Fehler bei der DNA-Replikation sind Mismatch-Reparatur (MMR)-Proteine. Defekte MMR-Gene, die für die DNA-Reparatur-Proteine kodieren, führen zu einem Verlust der MMR-Proteinaktivität und zu einer defekten Mismatch-Reparatur (dMMR). Folge ist eine hohe Mikrosatelliteninstabilität (MSI-H). Diese zeichnet sich durch Längenalterationen in diesen Sequenzen in der Tumor-DNA aus.
Defekte der DNA-Mismatch-Reparatur können entweder durch Keimbahnmutationen in den MMR-Genen MLH1, MSH2, MSH6 und PMS2 (Lynch-Syndrom) [1, 2] oder durch spontane somatische Veränderungen entstehen. Dabei handelt es sich meist um epigenetische Veränderungen, v. a. um eine Hypermethylierung der Promotorregion des MLH1-Gens (epigenetic silencing) [3].
Es kommt nur selten vor, dass dMMR und MSI-H nicht gemeinsam auftreten; beispielsweise scheint eine durch eine Mutation des MSH6-Gens verursachte dMMR zu einer geringer ausgeprägten MSI zu führen. Umgekehrt findet sich in seltenen Fällen bei MSI-H-Tumoren kein Ausfall eines der bekannten Proteine [4]. Tumoren, die keine dMMR aufweisen, zeigen typischerweise eine Mikrosatellitenstabilität (MSS) bzw. eine geringe Mikrosatelliteninstabilität (MSI-Low/MSI-L). Beim kolorektalen Karzinom (CRC) sowie beim Endometrium- und Magenkarzinom unterscheiden sich diese beiden Typen (MSS und MSI-L) kaum [5, 6], sodass sich das klinische Management von MSI-L-Tumoren nicht von dem bei MSS-Tumoren unterscheidet.
Bei Personen mit einer Keimbahnmutation in einem der vier MMR-Gene spricht man vom Lynch-Syndrom. Es ist das häufigste erbliche Darmkrebssyndrom, das mit erhöhtem Risiko nicht nur für Darmkrebs, sondern auch für verschiedene andere Krebserkrankungen einhergeht. Die Betroffenen können das klinische Bild eines nicht-polypösen Kolonkarzinoms (Hereditäres Nicht Polypöses Kolonkarzinom (HNPCC)) entwickeln, zu dem auch Endometrium-, Magen- und seltener andere Karzinome gehören [7]. Die Tumoren von Lynch-Syndrom-Anlageträgern sind nahezu immer hochgradig mikrosatelliteninstabil.
Prävalenz von MSI-H/dMMR
MSI-H/dMMR/ findet sich bei vielen Tumorentitäten mit verschiedenen Häufigkeiten. Tumoren, bei denen MSI-H besonders häufig auftritt, sind das kolorektale Karzinom, das Endometrium- und das Magenkarzinom (Abb. 1). Insgesamt weisen etwa 2–4 % aller diagnostizierten Tumoren eine dMMR auf [8, 9].

Abb. 1 Prävalenz von MSI-H bei verschiedenen Tumortypen. Mod. nach [10].
Erhöhte Immunogenität
Bei MMR-defizienten Tumoren sind 10- bis 100-mal mehr Mutationen nachweisbar als bei Tumoren mit intakter MMR [8, 11]. Aufgrund des defekten MMR-Systems akkumulieren genomweit Mutationen durch nicht reparierte Basenfehlpaarungen. In Protoonkogenen und insbesondere in Tumorsuppressorgenen können diese Mutationen die Karzinogenese vorantreiben [12]. Solche Mutationen führen zur Generierung hoch immunogener Frame-shift-Antigene, die dem Immunsystem auf der Oberfläche von MSI-H-Tumorzellen über MHC-Moleküle präsentiert werden [13, 14].
Prädiktiver Biomarker für die Immuncheckpoint-Inhibition
Ein großer Teil der klinischen Bedeutung von MSI-H/dMMR liegt in ihrer Funktion als prädiktive Marker für die Therapie mit Checkpoint-Inhibitoren. Entitätsübergreifend wurde hier eine hohe Ansprechrate sowie ein lang andauerndes Ansprechen beobachtet [8, 15].
Bereits heute sind die ersten Checkpoint- Inhibitoren für bestimmte MSI-H/dMMR-Tumoren zugelassen, wie beispielsweise das MSI-H/dMMR-CRC oder das MSI-H/dMMR-Endometriumkarzinom. In den USA liegt daneben bereits eine entitätsagnostische Zulassung von Pembrolizumab für vorbehandelte MSI-H/dMMR-Tumoren vor. Aktuell werden Checkpoint-Inhibitoren auch bereits in niedrigeren Tumorstadien, beispielsweise in der neoadjuvanten oder adjuvanten Therapie von MSI-H/dMMR-Tumoren, untersucht [16].
Bei MSI-H/dMMR-Tumoren findet sich häufig eine membranäre PD-L1-Expression, insbesondere auf Tumor-assoziierten Makrophagen, aber auch auf den Tumorzellen selbst, die die körpereigene Immunantwort gegen den Tumor unterdrückt, sowie eine hohe Anzahl Tumor-infiltrierender Lymphozyten (TiLs) [8, 17, 18], die bei vielen Tumorarten einen positiven prognostischen Faktor darstellen [13, 19–22]. Diese Immunzell-Infiltration ist sehr wahrscheinlich auf die hohe Anzahl an Mutationen der MSI-H/dMMR-Tumoren und damit die Häufigkeit von Neoantigenen zurückzuführen [13]. Die Tumoren haben also einen immunogenen Phänotyp, sodass eine Reaktivierung des Immunsystems durch einen Checkpoint-Inhibitor eine aussichtsreiche Therapiestrategie darstellt [5, 8, 13, 23].
MSI-H hat außerdem eine gewisse prognostische Bedeutung, die bei den einzelnen Tumoren jedoch auch stadienabhängig ist. So gilt der Nachweis von MSI-H/dMMR nur bei frühen CRC und Magenkarzinomen als positiver prognostischer Marker [19, 24].
MSI-H beim CRC
Bei etwa 15 % aller CRC lässt sich eine MSI feststellen, wobei nur bis zu 3 % der Fälle ihre Ursache in einer ererbten Keimbahnmutation haben und 12 % auf einer spontanen Mutation beruhen [2, 25–27].
Beim CRC in den Stadien II und III wird mit 15–20 % deutlich häufiger eine dMMR festgestellt als beim metastasierten CRC. Diese dMMR-Tumoren in den Stadien II oder III sind mit einer besseren Prognose und einer geringeren Fernmetastasierungsrate assoziiert als CRC ohne defiziente MMR [5, 20, 28–32].
MSI-H-CRC finden sich vorwiegend im proximalen Kolon. Diese Tumoren sind trotz niedriger Rate von Fernmetastasen lokal oft größer und weisen eine gemischte Differenzierung, häufig mit muzinösen und siegelringzelligen Anteilen, auf [33]. Eine verstärkte lymphozytäre Reaktion ist ebenfalls typisch für MSI-H-Tumoren [26, 33–35]. Es zeichnen sich Hinweise ab, dass Lynch-Syndrom-assoziierte MSI-H-Tumoren eine stärkere Immunzell-Infiltration aufweisen als sporadische [36].
Beim metastasierten CRC liegt nur in etwa 4–5 % der Fälle MSI-H vor [26, 37–39]. Die Überlebensdaten bei diesen Tumoren scheinen deutlich schlechter zu sein als bei Stadium-IV-Tumoren mit MSI-L oder mit MSS. Ein möglicher Grund hierfür könnte ihre hohe Rate an BRAF-Mutationen sein [5, 38, 40]
Patienten mit einem MSI-H-CRC im Stadium II haben eine gute Prognose; von einer Chemotherapie mit 5-FU profitieren sie wahrscheinlich nicht [41-43]. Die S3-Leitlinie empfiehlt daher, bei nachgewiesener MSI-H keine adjuvante Chemotherapie im Stadium II einzusetzen [44].
Reflextestung am Biopsiematerial nach Erstdiagnose
Nach der Diagnose eines CRC empfehlen die American Society of Clinical Oncolgy (ASCO) und das National Comprehensive Cancer Network (NCCN) der USA die MSI-H/dMMR-Testung am Biopsiematerial [45, 46]. Auch die S3-Leitlinie zählt die Bestimmung des MSI-Status zu den molekular-pathologischen Untersuchungen kolorektaler Karzinome vor Therapieeinleitung, da diese der molekularpathologischen Charakterisierung der Erkrankung, der prognostischen Einschätzung sowie der Gewinnung prädiktiver Informationen hinsichtlich der Therapieauswahl dient [44].
Eine MSI-Testung spielt über die onkologische Indikation hinaus eine große Rolle bei der Identifikation von Anlageträgern des Lynch-Syndroms [47]. Obwohl eine MSI-Analyse des Tumorgewebes eine hereditäre Prädisposition nicht beweisen kann, kann sie wertvolle Hinweise auf eine erbliche Tumorursache liefern, insbesondere wenn klinische Kriterien wie ein junges Erkrankungsalter oder eine Häufung von Tumoren vorliegen. Man schätzt, dass allein in Deutschland ca. 300.000 bis 400.000 Menschen die Anlage eines Lynch-Syndroms tragen, wobei die allermeisten Betroffenen sich dessen nicht bewusst sind.
Eine verbesserte Erkennung von Lynch-Syndrom-Anlageträgern ist von großer Bedeutung für eine bessere klinische Vorsorge und für die Verhinderung fortgeschrittener Tumoren. Dies ist insbesondere in jüngerem Alter von großer Bedeutung, da hier keine Indikation zur Teilnahme an koloskopischen Vorsorgeprogrammen für die Allgemeinbevölkerung besteht.
Pembrolizumab beim MSI-H CRC
Als erster Checkpoint-Inhibitor ist für Patienten mit metastasiertem MSI-H/dMMR-CRC seit Anfang 2021 der PD-1-Antikörper Pembrolizumab in Europa als Erstlinientherapie zugelassen.
Die Zulassung durch die EMA basiert auf den Ergebnissen der Phase-III-Studie KEYNOTE-177, die eine Pembrolizumab-Monotherapie mit einer Kombinationschemotherapie nach Wahl des Prüfarztes bei 307 Patienten mit nicht vorbehandeltem metastasiertem MSI-H/dMMR-CRC verglichen hatte [48]. Gegenüber der Chemotherapie (entweder mFOLFOX oder FOLFIRI mit oder ohne Bevacizumab/Cetuximab) lag das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) mit Pembrolizumab bei 16,5 Monaten gegenüber 8,2 Monaten im Kontrollarm (Abb. 2 links). Die objektive Ansprechrate lag im Pembrolizumab-Arm bei 44 % (11 % komplette Remissionen) und bei 33 % unter Chemotherapie.

Abb. 2 KEYNOTE-177-Studie: Kaplan-Meier-Kurve des PFS (links) und Dauer des Ansprechens (rechts). Mod. nach [48] (links) und [49] (rechts).
Die mediane Dauer des Ansprechens im Immuntherapie-Arm war zum Analyse-Zeitpunkt noch nicht erreicht, im Chemotherapie-Arm betrug sie 10,6 Monate (Abb. 2 rechts). In der finalen Überlebensanalyse, die auf dem ASCO Annual Meeting 2021 präsentiert wurde, zeigte sich ein Trend zu einem verlängerten Gesamtüberleben, der jedoch statistisch nicht signifikant war (HR 0,74; 95%-KI 0,53–1,03; p = 0, 0359) [49].
Nivolumab + Ipilimumab beim MSI-H-CRC
Seit Juli 2021 ist mit der Kombination aus dem PD-1-Antikörper Nivolumab und dem CTLA4-Inhibitor Ipilimumab auch eine duale Checkpoint-Blockade beim metastasierten MSI-H/dMMR-CRC möglich. Die Kombination kann nach vorheriger Fluoropyrimidin-basierter Kombinationschemotherapie eingesetzt werden. Die Zulassung basiert auf den Daten der multizentrischen, offenen, einarmigen Phase-II-Studie CheckMate-142 [50]. Insgesamt erhielten 119 Patienten nach früherer systemischer Chemotherapie Nivolumab in Kombination mit Ipilimumab. Die ORR lag bei 55 %; 3 % der Patienten erzielten eine komplette Remission. Die 1-Jahres-Überlebensrate, die mit der Kombinationsbehandlung erreicht wurde, lag bei 85 %.
MSI-H beim Endometriumkarzinom
Neben der Einteilung in Tumoren von Typ I (endometrioide östrogenabhängige Tumoren) und II (meist serös, östrogenunabhängig, mit schlechterer Prognose) werden Endometriumkarzinome heute auf molekularer Ebene definiert. Bei 30–40 % der deutlich häufigeren Typ-I-Tumoren findet sich eine MSI-H, bei den Typ-II-Tumoren dagegen deutlich seltener [51].
In fortgeschrittenen Tumorstadien können sie aufgrund ihrer hohen Mutationslast und der erhöhten Anzahl an Neoantigenen immunonkologisch mit Checkpoint-Inhibitoren behandelt werden, wie übrigens auch die POLE-ultramutierten Tumoren mit ihrer extrem hohen Mutationslast. Damit gehören Endometriumkarzinome zu den genetisch instabilsten soliden Tumoren. Insgesamt liegt bei etwa 20–30 % aller Endometriumkarzinome eine MSI-H aufgrund genetischer oder epigenetischer Defekte im DNA-MMR-Signalweg vor [9, 52].
Seit April 2021 ist für Patientinnen mit rezidivierendem oder fortgeschrittenem MSI-H/dMMR-Endometriumkarzinom, deren Erkrankung nach oder während einer Platin-basierten Chemotherapie fortschreitet, die Immuntherapie mit dem PD-1-Antikörper Dostarlimab zugelassen.
Die Zulassung beruht auf den Daten der GARNET-Studie. Die einarmige Phase-I/II-Studie untersucht Dostarlimab in mehreren Parallelkohorten, u. a. beim fortgeschrittenen und rezidivierten Endometriumkarzinom. Die Wirksamkeit wurde anhand der Daten von 126 Patientinnen mit rezidiviertem oder fortgeschrittenem MSI-H/dMMR-Endometriumkarzinom ausgewertet [53]. Alle Patientinnen hatten eine vorangegangene Behandlung mit einer Platin-basierten Therapie erhalten.
Bei 103 Patientinnen mit messbarer Erkrankung und mindestens sechsmonatigem Follow-up führte die Monotherapie mit Dostarlimab zu einer objektiven Ansprechrate (ORR) von 45 %. Bei 11 % der Patientinnen wurde eine komplette Remission beobachtet. Die Krankheitskontrollrate (DCR) lag bei 57 %. Auch hier war zum Zeitpunkt des Datenschnitts das mediane Ansprechen noch nicht erreicht. Die geschätzte Wahrscheinlichkeit (Kaplan-Meier), nach einem Jahr noch auf die Therapie anzusprechen, lag bei 91 %.
MSI-H beim Magenkarzinom
Beim lokalisierten Magenkarzinom wird eine Mikrosatelliteninstabilität/Mismatch-Reparatur-Defizienz bei rund 7–10 % beobachtet [54]. Der Nachweis von MSI-H/dMMR hat in diesem Stadium prognostische Bedeutung: Eine Metaanalyse von vier randomisierten kontrollierten Studien ergab, dass Patienten mit resezierbarem MSI-H-Magenkarzinom deutlich höhere 5-Jahres-Überlebensraten hatten als Patienten mit MSI-L- oder MSS-Tumoren [54]. Dieser Überlebensvorteil wurde in mehreren unabhängigen Studien beobachtet und besteht trotz eines limitierten histologischen Ansprechens von MSI-H-Magenkarzinomen auf neoadjuvante Therapie [55, 56].
Im metastasierten Stadium profitieren Patienten mit MSI-H/dMMR-Magenkarzinom von einer PD-1-Blockade: In einer explorativen Subgruppenanalyse der KEYNOTE-062-Studie zeigen Patienten mit MSI-H/dMMR-Tumoren, die Pembrolizumab als Monotherapie erhielten, ein deutlich verlängertes Gesamtüberleben im Vergleich zur platinhaltigen Chemotherapie im Standardarm (HR 0,29; 95%-KI 0,11–0,81), auch die Kombination aus einer Chemotherapie mit Pembrolizumab war der alleinigen Chemotherapie überlegen (HR 0,37; 95%-KI 0,14–0,97) [57].
Des Weiteren liegen Subgruppendaten zur Effektivität der Kombination aus einer platinhaltigen Chemotherapie und dem Anti-PD-1-Antikörper Nivolumab bei Patienten mit MSI-H/dMMR-Magenkarzinom aus der CHECKMATE-649- Studie vor. Hier zeigt die Kombination aus Checkpoint-Inhibitor und einer platinhaltigen Chemotherapie ein verbessertes Überleben im Vergleich zur alleinigen Chemotherapie (HR 0,33; 95%-KI 0,12–0,87) [58].
Somit besteht in der palliativen Erstlinientherapie bei MSI-H/dMMR-Tumoren ein klarer Benefit durch die Gabe eines PD-1-Inhibitors. Offen bleibt die Frage, ob die Kombination aus Chemotherapie und PD-1-Inhibitor eine höhere Effektivität als eine PD-1-Monotherapie aufweist. Im Hinblick auf den Benefit einer PD-1-Blockade in der weiteren Therapiesequenz hat die kombinierte Post-Hoc-Auswertung der Phase-II-Studie KEYNOTE-059, der Phase-III-Studie KEYNOTE-061 und der KEYNOTE-062-Studie ergeben, dass der MSI-H-Status bei Patienten mit Magenkarzinom oder Adenokarzinom des gastroösophagealen Übergangs unabhängig von der Therapielinie ein prädiktiver Biomarker für die PD-1-Therapie in Form von Pembrolizumab sein könnte [59].
Weitere Studien untersuchen derzeit den Stellenwert von PD-1-Inhibitoren auch in der perioperativen Systemtherapie bei resektabler Erkrankung.
MSI-Diagnostik
Eine möglichst frühe Information über den MSI-Status ermöglicht dem behandelnden Arzt eine optimale Wahl der Therapie und Beratung des Patienten.
So sollte beim CRC und Endometriumkarzinom heute eine Upfront-Testung des MSI-Status am Biopsiematerial erfolgen. In ihren Leitlinien aus dem Jahr 2019 empfiehlt die ESMO ein zweistufiges Testverfahren mittels Immunhistochemie (IHC) und gegebenenfalls eine nachfolgender PCR- oder NGS-Testung [60].
Prinzipiell kann man zwei Testverfahren unterscheiden: zum einen solche, die die Ursache oder Surrogatmarker der Ursache einer Defizienz der DNA-Mismatch-Reparatur erkennen, und zum anderen Testverfahren, die die Konsequenzen (Mikrosatelliteninstabilität) detektieren.
Die Konsequenzen einer defizienten DNA-Mismatch-Reparatur werden aus Veränderungen in Mikrosatelliten abgelesen. Da das humane Genom in kodierenden wie nicht-kodierenden Regionen mehrere Hunderttausend Mikrosatelliten beinhaltet, ist es sinnvoll, eine ausgewählte Subgruppe von Mikrosatelliten in einem Testverfahren zu untersuchen, die auch die Reproduzierbarkeit und Standardisierung von Testverfahren und Ergebnissen erlaubt.
Im Jahr 1997 haben die Bethesda-Leitlinien daher erstmals ein Referenzpanel von fünf Mikrosatelliten vorgestellt und empfohlen [61]. Dieses sogenannte Bethesda-Panel umfasst zwei Mononukleotid-Loci (BAT25 und BAT26) und drei Dinukleotid-Loci (D2S123, D5S346 und D17S250). Der Test detektiert eine Verschiebung in der Größe der Mikrosatelliten-Loci. Hierfür werden die DNA-Sequenzen der Loci amplifiziert und ihre Größe mittels Kapillarelektrophorese ermittelt.
Sind mindestens zwei der fünf Mikrosatelliten-Loci im Tumor relativ zum Normalwert verändert, ergibt sich per definitionem ein MSI-hoch(MSI-H)-Status. Ist nur ein Locus in der Größe verändert, wird die Konstellation als MSI-low (MSI-L) definiert. Im Gegensatz zu den MSI-H-Tumoren, die als defizient in der DNA-Mismatch-Reparatur (dMMR) beschrieben werden, verhalten sich MSI-L- Tumoren ähnlich wie MSS-Tumoren.
Es existieren mittlerweile mehrere Alternativen zum Bethesda-Panel. Eine häufig genutzte Alternative ist ein Panel des Unternehmens Promega, bei dem die Dinukleotidmarker durch Mononukleotidmarker (NR-21, NR-24, MONO-27) ersetzt wurden.
NGS-basierte Analysen, die Mikrosatellitenregionen untersuchen, können prinzipiell ebenfalls verwendet werden. Die Analyse ist jedoch aufgrund der repetitiven Sequenzen der Mikrosatelliten technisch herausfordernd und wird in Studien weiter untersucht.
Ursächlich für die Mikrosatelliteninstabilität bzw. die Defizienz der DNA-Mismatch-Reparatur ist die Methylierung oder eine funktionell abrogative Mutation (bspw. Stopp-Mutation, die zu einem Expressionsverlust führt) in einem der Gene, die für die DNA-Mismatch-Reparaturproteine kodieren. Die Immunhistochemie für MMR-Proteine ist in dem Kontext ein indirektes Nachweisverfahren dieser Ursache. Die Kernkomponenten der DNA-Mismatch-Reparatur sind MLH1 und MSH2 sowie PMS2 und MSH6. Sie treten üblicherweise als Heterodimere auf (MSH2/MSH6 und MLH1/PMS2); MSH2 kann auch einen Heterodimer mit MSH3 bilden. Es sollten daher immunhistochemisch MLH1, MSH2, PMS2 und MSH6 untersucht werden.
Kommt es zu einer Mutation in dem DNA-Mismatch-Reparaturgen MLH1, ist auf Proteinebene ein Verlust von MLH1 und PMS2 sichtbar. Tumoren mit einer MSH2-Mutation zeigen einen Verlust von MSH2 und MSH6. Umgekehrt führen Mutationen in PMS2 oder MSH6 in der Regel nur zu einem Verlust des betroffenen Proteins. Der zugehörige Test weist vergleichbare Leistungsmerkmale gegenüber dem oben dargestellten Mikrosatellitentest sowie eine insgesamt hohe Konkordanz auf.
Allerdings kann die Beurteilbarkeit der Immunhistochemie – insbesondere bei extrakolonischen Tumoren und Tumoren mit einer niedrigen Proliferationsrate – schwierig sein, sodass eine Kombination mit einem PCR-basierten Verfahren sinnvoll ist. Ein geringer Anteil von weniger als 5 % der MSI-Fälle zeigt keinen MMR-Proteinverlust, beispielsweise aufgrund einer weiter bestehenden Expression eines ansonsten nicht funktionellen Proteins.
Fazit
Patienten mit metastasiertem MSI-H/dMMR CRC und Endometriumkarzinom profitieren von den neuen Zulassungen der Checkpoint-Inhibitoren, zumal ihr Ansprechen auf eine Chemotherapie und ihre Prognose im Tumorstadium IV in der Regel schlecht ist.
MSI-H ist – neben der Tumor Mutational Burden und der PD-L1-Expression – ein prädiktiver Marker für die Immuntherapie mit Checkpoint-Inhibitoren.