DGHO 2021: Biomarker-orientierte Therapie bei verschiedenen Tumoren

Biomarker- und Subgruppen-spezifische Therapie / Nebenwirkungsmanagement / molekular-basierte Therapien beim Mammakarzinom und bei Tumoren des Gastrointestinaltrakts

Schlüsselwörter: Karzinome, Biomarker, ADC, Nebenwirkungsmanagement

Neue Anti-HER2-Therapien beim Mammakarzinom: hoch effektiv bei adäquatem Therapiemanagement

Gerade in der Behandlung des metastasierten HER2-positiven Mammakarzinoms haben in letzter Zeit neue Anti-HER2-Therapeutika mit beeindruckenden Effektivitätsdaten für Aufsehen gesorgt, allen voran das Antikörper-Drug-Konjugat (ADC) Trastuzumab-Deruxtecan (T-DXd). In der Studie DESTINY-Breast03 reduzierte die Zweitlinientherapie mit dem ADC das Risiko für Progression oder Tod um 72 % (HR 0,28; 95%-KI 0,22–0,37; p = 7,8 x10-22) vs. T-DM1 [1]. 
„In früheren Studien gab es Todesfälle aufgrund von interstitiellen Lungenerkrankungen (ILD) – umso positiver ist, dass in beiden Studienarmen der  DESTINY-Breast03 keine Fälle einer ILD oder Pneumonitis vom Grad 4 oder 5 beobachtet wurden“, erklärte Prof. Peter Fasching, Erlangen. Eine Grad-3-ILD trat bei 0,8 % der mit T-DXd behandelten Patientinnen auf (0 % unter T-DM1). 
Essentiell für das Management seien die Informationen von Therapeuten und Patienten und die engmaschige Überwachung der Patientinnen. Bei ersten Anzeichen einer ILD sollte T-DXd sofort abgesetzt und erst nach Abklingen der Symptome wieder aufgenommen werden. Eine Behandlung mit Kortikosteroiden sei zu erwägen (Tab. 1), so Fasching.

Tab. 1 Vorgehensweise bei ILD unter Therapie mit Trastuzumab-Deruxtecan. Mod. nach [2]. 

Nebenwirkung

Schweregrad

Anpassung der Behandlung

Interstitielle
Lungenerkrankung
(ILD, interstitial
lung disease
)/
Pneumonitis

Asymptomatische ILD/

Pneumonitis (Grad 1)

Unterbrechung der Behandlung mit T-DXd bis zur Rückbildung zu Grad 0, dann:

  • bei Rückbildung innerhalb von 28 Tagen oder weniger nach dem Datum des erstmaligen Auftretens: Dosis beibehalten.
  • bei Rückbildung innerhalb von mehr als 28 Tagen nach dem Datum des erstmaligen Auftretens: Dosis um eine Stufe reduzieren (s. Fachinformation).
  • sobald Verdacht auf eine ILD/Pneumonitis besteht: Kortikosteroid-Behandlung in Erwägung ziehen ([2], Abschnitt 4.4).

 

Symptomatische ILD/Pneumonitis
(Grad 2 oder höher)

  • T-DXd dauerhaft absetzen.
  • Bei Verdacht auf eine ILD/Pneumonitis: umgehend eine Kortikosteroid-Behandlung einleiten

TKI-Nebenwirkung Diarrhö: Gutes Management erhält Compliance

Der hochselektive HER2-Tyrosinkinase-Inhibitor (TKI) Tucatinib führte in der Placebo-kontrollierten Phase-II-Studie HER2CLIMB in Kombination mit Trastuzumab und Capecitabin bei Patientinnen mit metastasiertem HER2-positivem Mammakarzinom nach T-DM1 und dualer HER2-Blockade zu einer signifikanten Verlängerung des OS (HR 0,66; p = 0,005) [3]. Im klinischen Alltag erfordert die Kombination v. a. ein gutes Management der Diarrhö; bei knapp 70 % der Patientinnen der Studie kam es zu Grad-1/2-Durchfällen. „Bereits eine Grad-2-Diarrhö beeinträchtigt Patienten in ihrem Alltag massiv, sodass die Versorgung mit Antidiarrhetika sehr wichtig für den Erhalt der Compliance ist“, betonte Fasching. Auch auf die Entwicklung eines Hand-Fuß-Syndroms sollte geachtet werden. Das Management der Diarrhö steht auch bei der Therapie mit dem irreversiblen Pan-HER-TKI Neratinib im Vordergrund, der als erweiterte adjuvante Therapie das Überleben ohne invasive Erkrankung gegenüber Placebo signifikant verbesserte [4]. „Wir sollten die möglichen Nebenwirkungen dieser neuen Anti-HER2-Therapien gut kennen, um frühzeitig reagieren zu können – dann sind diese hochwirksamen Substanzen sicher einsetzbar“, so Fasching. 

Immuntherapie beim mTNBC: Monitoring und Aufklärung wichtig

Beim metastasierten triple-negativen Mammakarzinom (mTNBC) erweitern – nach den PARP-Inhibitoren bei Patientinnen mit BRCA-Keimbahnmutation – Immuncheckpoint-Inhibitoren die Therapieoptionen. Zugelassen ist mittlerweile neben der Erstlinientherapie mit Atezolizumab in Kombination mit nab-Paclitaxel bei Patientinnen mit PD-L1-Positivität auf Immunzellen auch Pem-brolizumab in Kombination mit verschiedenen Chemotherapiepartnern. 
Der PD-1-Inhibitor kann als Erstlinientherapie bei Vorliegen eines Combined Positive Scores (CPS) ≥ 10 eingesetzt werden. „Hier ist das Monitoring auf „immune-related events“ ganz wichtig, denn früh erkannt und richtig behandelt sind diese gut beherrschbar“, sagte Assoz. Prof. PD Dr. Marija Balic, Graz, Österreich. Die Aufklärung der Patientinnen sei hierbei eine wichtige Komponente. 

Zukünftige Optionen beim TNBC

Auch das Trop-2-gerichtete ADC Sacituzumab Govitecan stellt eine vielversprechende neue Substanz beim mTNBC dar. Sie ist bislang in der EU nur zur Zulassung empfohlen, findet sich aber bereits im AGO-Therapiealgorithmus für die Behandlung des PD-L1-negativen mTNBC ohne BRCA-Mutation nach mindestens zwei Vortherapien. Im Nebenwirkungsprofil des ADC steht die Hämatotoxizität im Vordergrund, v. a. Neutropenien. Auch Diarrhöen sind häufig – eine nicht ganz unproblematische Kombination, wie Prof. Richard Greil, Salzburg, Österreich, bemerkte. Eine Option sei die prophylaktische Gabe von G-CSF, so Balic. Mit Spannung erwartet werden erste Daten von Kombinationsstudien beim TNBC, wie erste Daten der derzeit rekrutierenden Phase-II-Studie Saci-IO TNBC mit Sacituzumab Govitecan (SG) +/- Pembrolizumab bei PD-L1-negativen Patientinnen. 
Der für postmenopausale Frauen mit metastasiertem, HR-positiven, HER2-negativen (HR+/HER2–) Mammakarzinom  mit Progress nach der endokrinen Therapie in Kombination mit Fulvestrant zugelassene PI3Kα-Inhibitor Alpelisib wurde zwar im Mai 2021 durch den Hersteller vom deutschen Markt genommen, kann aber laut Prof. Annalen Bleckmann, Münster, weiter über die Auslandsapotheke bezogen werden. 

Von großer Wichtigkeit bei Therapie mit der wirksamen Substanz sei ein gutes Management der häufigen Hyperglykämien. Diese treten im Median 15 Tage nach Therapiebeginn auf und sollten zunächst mit Metformin behandelt werden. Wichtig sei neben der Aufklärung der Frauen ein enges Monitoring des Blutzuckerspiegels sowie die Zusammenarbeit mit der Endokrinologie. 

Biomarker beim Magen- und Ösophaguskarzinom 

Noch ist die Anzahl an zu bestimmenden prädiktiven Biomarkern für eine immunonkologische und zielgerichtete Therapie bei Magen- und Ösophaguskarzinomen begrenzt, so Prof. Rupert Langer, Linz, Österreich. Bestimmt werden sollte bei Adenokarzinomen, ob ein Epstein- Barr-Virus(EBV)-positiver Subtyp oder eine hohe Mikrosatelliteninstabilität (MSI-H) vorliegen; außerdem sollten der PD-L1- und HER2-Status ermittelt werden. Der PD-L1-Status wird beim Magenkarzinom mittels CPS bestimmt, da oft nur wenige Tumorzellen PD-L1-positiv sind. Alle drei Marker, der PD-L1-, MSI- und EBV-Status, seien mit einem Ansprechen auf die Immuntherapie assoziiert.

HER2-Heterogenität 

Die Bestimmung des HER2-Status bei gastroösophagealen Adenokarzinomen ist mit dem Problem der intratumoralen Heterogenität assoziiert. Aus diesem Grund muss möglichst viel Tumorgewebe untersucht werden, laut S3-Leitlinie mindestens aus 5 Biopsien. Auch an eine Untersuchung von Resektat oder Meta­stase sei zu denken, so Langer. Die Heterogenität der HER2-Expression bezeichnete Prof. Florian Lordick, Leipzig, als „Steilvorlage für Resistenzen“ und verwies auf die Ergebnisse der VARIANZ-Studie [5]. 
Die prospektive Studie hatte zum einen deutliche Diskrepanzen bei der Bewertung des HER2-Status bei intermediärer HER2-Expression aufgezeigt, zum anderen aber deutlich gemacht, dass HER2-Borderline-Positivität und HER2-Heterogenität als Resistenzfaktoren für eine Anti-HER2-Therapie beim metastasierten Magenkarzinom betrachtet werden sollten.

Welche Anti-HER2-Therapie nach Trastuzumab?

Die zugelassene Erstlinientherapie bei Patienten mit metastasiertem HER2+  Magenkarzinom ist Trastuzumab in Kombination mit Chemotherapie. Die Hinzunahme von Pertuzumab erbrachte keinen relevanten Zusatznutzen; in der Zweitlinie hat sich weder T-DM1 noch eine Trastuzumab-Rechallenge als sinnvoll erwiesen, so PD Dr. Alexander Stein, Hamburg. Dass die HER2-Amplifikation häufig nicht komplett verloren geht, könnte laut Stein ein Grund für die Effektivität von Trastuzumab-Deruxtecan in der Dritt- und  Zweitlinie sein [6]. 

Metastasiertes Pankreaskarzinom: Molekulare Stufendiagnostik 

Beim Pankreaskarzinom spielt die molekulare Diagnostik mangels therapeutischer Konsequenzen noch keine große Rolle. Wichtigster Biomarker, der eine genotypspezifische Therapie erlaubt, ist eine BRCA-Keimbahnmutation (gBRCA). Sie ist die Voraussetzung für eine Erhaltungstherapie mit Olaparib bei Patienten mit metastasiertem Adenokarzinom des Pankreas, deren Erkrankung nach mindestens 16-wöchiger Platin-haltiger Erstlinien-Chemotherapie nicht progredient ist. Ein therapeutisch angreifbares Target stellen auch die seltenen BRAF-Mutationen bei Patienten ohne KRAS-Mutation dar. Onkogene Treiber beim Pankreaskarzinom sind auch NRG1-Fusionsproteine. Daten des Phase-II-Teils der eNRGy-Studie lieferten Hinweise auf die Wirksamkeit des bispezifischen Antikörpers Zenocutuzumab vorliegender NRG1-Fusion [7]. 
Während Dr. Ralph Fritsch, Zürich, Schweiz, für eine umfassende und frühe, aber auch stratifizierte und mehrstufige molekulare Testung plädierte, verwies Prof. Volker Kunzmann, Würzburg, auf die Möglichkeit, Patienten, die für eine PARP-Inhibitor-Therapie infrage kommen, mittels Patientencharakteristika und klinischer Kriterien zu identifizieren. Liegt ein Defekt in den DNA-Reparaturgenen vor, so liefern ein junges Alter, eine positive Familienanamnese und die Platin-Sensitivität des Patienten einen zuverlässigen Hinweis. Solche Patienten sollten im molekularen Tumorboard besprochen und einer humangenetischen Beratung und Keimbahndiagnostik zugeführt werden. Kommerzielle Tests am Tumorgewebe zeigten Mutationen an Genen der homologen Rekombination nicht immer zuverlässig an, so Kunzmann. Auch die – zunächst immunhistochemische – Testung auf MSI-H hielt er mit Hinweis auf die Studie KEYNOTE-158 mit Pembrolizumab beim Pankreaskarzinom für lohnend [8], ebenso das Screening auf NTRK-Fusionen mit IHC oder FISH. Bei beiden könne ggf. eine molekulare Bestätigungsdiagnostik durchgeführt werden.

Mascha Pömmerl