Molekulare Diagnostik und Biomarker-basierte Therapie beim Mammakarzinom
Die moderne und zeitgemäße molekulare Diagnostik weist immer mehr den Weg hin zu einer personalisierten, auf die Patientin zugeschnittenen Therapie. Was bedeutet molekulare Diagnostik beim Mammakarzinom konkret? Welche Biomarker müssen wann und wozu getestet werden? Welche Marker sind therapierelevant für zielgerichtete oder auch immunonkologische Therapien? Welche Marker haben prognostische Relevanz und welche Diagnostik wird für die Therapieplanung benötigt? Der folgende Artikel will Antworten auf diese Fragen geben – in einer Tumorentität, die sich mit der Einteilung in die intrinsischen Subtypen schon früh in Richtung einer personalisierten Therapie entwickelt hat und in der mit der antihormonellen Therapie und mit Anti-HER2-Therapien zielgerichtete Behandlungsverfahren schon lange Realität sind. Doch nun steht das Mammakarzinom am Beginn eines Paradigmenwechsels hin zu einer molekular stratifizierten Therapie. Inzwischen sind zahlreiche genetische Alterationen bekannt, die als prognostische und prädiktive Marker fungieren und die Grundlage für zunehmend komplexere Biomarker-basierte Therapien bilden. Dies stellt an Ärzte und Pathologen gleichermaßen neue und ständig wachsende Anforderungen zur optimalen strategischen Ausrichtung einer effektiven Therapie.
Schlüsselwörter: Mammakarzinom, molekulare Diagnostik, Biomarker, In-situ Hybridisierung, PCR, NGS
Primärdiagnostik: Einteilung in Subtypen und Therapieansprechen
In der Primärdiagnostik sind konventionelle immunhistochemische Methoden zumeist ausreichend, um die obligatorischen Biomarker zu bestimmen, die für die Einteilung in die prognostisch relevanten molekularen Subtypen des Mammakarzinoms – Luminal A, Luminal B, HER2-positiv und Basal-ähnlich – notwendig sind (Abb. 1).

Abb. 1 Obligatorische Biomarker der Primärdiagnostik für die Einteilung in die Subtypen und zur Therapieplanung (IHC und ISH). Mod. nach [1, 3].
So wird die Expression des Östrogenrezeptors (ER) und des Progesteronrezeptors (PR) immunhistochemisch bestimmt [1, 2]. Auch für den Nachweis der Expression des humanen epidermalen Wachstumsfaktors 2 (HER2) kommt die Immunhistochemie (IHC) zum Einsatz, alternativ bzw. ergänzend die In-situ-Hy-bridisierung (ISH) zum Nachweis einer Genamplifikation [1, 2].
Außerdem erlaubt die Beurteilung der Expression des Proliferationsmarkers Ki67 eine Aussage über die Proliferationsrate des Tumors. Dazu wird ebenfalls immunhistochemisch die Rate an Ki67-positiven Tumorzellkernen bestimmt. Dabei ist zu beachten, dass bislang kein validierter einheitlicher Grenzwert für Ki67 existiert, um eine Klassifizierung in Luminal-A- oder Luminal-B-Tumoren vorzunehmen oder eine Entscheidung für oder gegen eine adjuvante Chemotherapie zu treffen [1]. Die Identifikation der Subtypen ist prädiktiv für die medikamen-töse Therapie – Hormonrezeptor(HR)-positive Tumoren können mit einer endokrinen Therapie, HER2-positive Tumoren mit einer Anti-HER2-gerichteten Therapie [1, 2] behandelt werden.
Die Auswertung der oben genannten Marker erfolgt zunehmend unter Zuhilfenahme von digitalen Auswertungssystemen, um die Reproduzierbarkeit der Auswertung zu erhöhen.
Diagnostik zur Therapieplanung
Frühes Mammakarzinom – keine therapierelevanten molekularen Einzelmarker
Beim frühen Mammakarzinom gibt es derzeit noch keine Zulassungen für molekulare Therapien, für die entsprechend molekulargenetische Biomarker zu bestimmen wären. Aufgrund dieser fehlenden therapeutischen Konsequenzen sind Genomanalysen beim frühen Mammakarzinom bisher kein Standard. Allerdings stehen Multigenexpressionstests zur Verfügung, die bei Patientinnen mit HR-positiven, HER2-negativen Tumoren zum Einsatz kommen können. Diese Tests bestimmen die Expression proliferationsassoziierter Gene und erlauben eine bessere Beurteilung des individuellen Rückfallrisikos – und damit des wahrscheinlichen Nutzens einer adjuvanten Chemotherapie. Allerdings sollten beim Einsatz dieser Genexpressionsprofile für die adjuvante Therapieentscheidung alle klinisch-pathologischen Faktoren weiterhin berücksichtig werden [2]. Ob ein Multigenexpressionstest im individuellen Fall sinnvoll ist, sollte in einer interdisziplinären Tumorkonferenz besprochen werden.Patientinnen mit triple-negativem Mammakarzinom (TNBC) sollten auch in der adjuvanten Situation auf eine Keimbahnmutation der Tumorsuppressorgene BRCA1 und BRCA2 getestet werden. Das Ergebnis der humangenetischen Untersuchung auf eine gBRCA-Mutation hat auch unmittelbare Auswirkungen auf nicht erkrankte Familienmitglieder der Patientin. Diskutiert wird bei gBRCAmt- Karzinomen außerdem eine bessere Wirksamkeit von Platinderivaten [1]. Mit Blick auf die vorzeitige Auswertung der OlympiA-Studie, die eine adjuvante Therapie mit dem PARP-Inhibitor Olaparib bei Hochrisiko-Patientinnen mit HER2-negativem frühem Mammakarzinom und einer BRCA1/2-Keimbahnmutation untersucht, sei angemerkt, dass die Bestimmung des BRCA-Status in der Keimbahn der Patientin zukünftig auch schon bei Frauen mit frühem Mammakarzinom von Bedeutung sein könnte.
Metastasiertes Mammakarzinom: Reflextestung auf therapie-relevante Biomarker
Beim metastasierten Mammakarzinom gibt es mittlerweile eine Reihe von therapierelevanten Biomarkern, die in der klinischen Routine für die Therapieplanung des MBC vorliegen sollten, um zielgerichtete oder immunonkologische Therapieansätze einsetzen zu können. In einer Analyse von 442 mittels sogenanntem Whole Genome Sequencing (WGS) analysierten metastasierten Mammakarzinomen lagen bei 42 % der Tumoren therapeutisch relevante Mutationen vor [4]. Hierzu gehören – als sog. Reflextestung – der BRCA-Keimbahnmutationsstatus, die PD-L1-Expression und der PIK3CA-Mutationsstatus sowie bei Patientinnen mit sekretorischem Mammakarzinom das Vorliegen einer NTRK-Genfusion.
Patientinnen mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem, HER2-negativem Mammakarzinom sollten auf eine Keimbahnmutation in den Tumorsuppressorgenen BRCA1 bzw. BRCA2 getestet werden, um die Möglichkeit der Therapie mit den PARP-Inhibitoren Olaparib und Talazoparib abzuklären [5, 6]. Der Nachweis einer gBRCA1/2-Mutation der Patientin kann auch die Testung und Beratung gesunder Familienmitglieder (Klientinnen) nach sich ziehen. Hier ist eine Beratung in einem Zentrum des Konsortiums „Familiärer Brust- und Eierstockkrebs (https://www.konsortium-familiaerer-brustkrebs.de/) sinnvoll.
Liegt bei postmenopausalen Patientinnen mit HR-positivem, HER2-nega-tivem, lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Mammakarzinom eine PIK3CA- Mutation vor und schreitet die Erkrankung nach endokriner Therapie fort, kann der selektive PI3Kα-Inhibitor Alpelisib in Kombination mit Fulvestrant zum Einsatz kommen [7].

Abb. 2 Obligatorische Biomarker für die erweiterte Diagnostik beim metastasierten Mammakarzinom (Genomanalysen und Immunhistochemie). Mod. nach [2].
Für die Analyse der PIK3CA-Muta-tion kann auch eine Liquid Biopsy erwogen werden. Hier ist allerdings aktuell zu beachten, dass der Hersteller Alpelisib in Deutschland zum 1. Mai 2021 vom Markt genommen hat, sodass die Substanz aus dem Ausland importiert werden muss.
Fusionen der NTRK-Gene wurden bisher ganz überwiegend beim sekretorischen Mammakarzinom beobachtet, sodass eine Testung mittels Next Generation Sequencing (NGS) auf NTRK-Genfusionen nur bei dieser kleinen Subgruppe an Patientinnen routinemäßig erfolgen sollte. Die Patientinnen können dann die beiden indikationsübergreifend zugelassenen NTRK-Inhibitoren Entrectinib [8] oder Larotrectinib [9] erhalten.
Für die Behandlung von Patientinnen mit einem dreifach negativen, metastasierten Mammakarzinom ist aufgrund der an die PD-L1-Expression gebundenen Zulassung des Checkpoint-Inhibitors Atezolizumab in Kombination mit nab-Paclitaxel auch die Information über die PD-L1-Expression in den Tumor-assoziierten Immunzellen [10] notwendig. Im Unterschied zu den erstgenannten Biomarker-Analysen erfolgt die prädiktive PD-L1 Bestimmung immunhistochemisch.
Molekulare Diagnostik im klinischen Alltag
Wie der Nachweis der für den Einsatz zielgerichteter Therapien notwendigen prädiktiven Biomarker im Einzelnen erfolgt, ist in der Zulassung der jeweiligen Substanz geregelt. Zu unterscheiden sind die Untersuchung von möglichst aktuellem Tumorgewebe, an dem sowohl spontane somatische Mutationen als auch Keimbahnmutationen nachgewiesen werden, sowie der Nachweis von Keimbahnmutationen im Blut.
BRCA-Keimbahnmutation: Voraussetzung für PARP-Inhibitor-Therapie
Alle metastasierten HER2-negativen Mammakarzinome sollten auf das Vorliegen einer BRCA1/2-Keimbahnmutation getestet werden. Die Häufigkeit von BRCA-Keimbahnmutationen bei Mammakarzinom-Patientinnen liegt bei etwa 7 % [11]. Mit 11,2 % etwas häufiger treten BRCA Keimbahnmutationen beim TNBC auf [12].
Mutationen der BRCA1- oder BRCA2-Gene haben Auswirkungen auf die Funktionalität der Homologen Rekombination zur Reparatur von DNA-Doppelstrangbrüchen. Beim fortgeschrittenen Mammakarzinom dient der BRCA-Status als prädiktiver Biomarker zur Beurteilung der voraussichtlichen Wirksamkeit einer Therapie mit den die DNA-Reparatur-Prozesse weiter einschränkenden PARP(Poly-ADP-Ribose-Polymerase)-Inhibitoren. Zugelassen sind hierfür Olaparib [5] und Talazoparib [6] bei nachgewiesener BRCA1/2-Keimbahnmutation nach Vorbehandlung mit einer Anthrazyklin- oder Taxan-haltigen Systemtherapie. Von der AGO Kommission Mamma wird das Vorliegen einer BRCA1/2-Keimbahnmutation bei Frauen mit einem metastasierten HER2-negativen Mammakarzinom als prädiktiver Faktor für das Ansprechen auf die Therapie mit PARP-Inhibitoren mit ++ bewertet; die Mutationsanalyse in der Keimbahn an der Blutprobe wird ebenfalls mit ++ empfohlen [2].
Untersucht werden hierbei mittels NGS-basierter Testung alle Exons der beiden BRCA-Gene. Die Testung zum Nachweis einer BRCA-Keimbahnmutation bei Frauen mit einem HER2-negativen metastasierten Mammakarzinom als Voraussetzung für die Anwendung eines PARP-Inhibitors erfolgt im Sinne eines Pflichttests (Companion Diagnostics). Die Keimbahntestung fällt zwar unter das Gendiagnostikgesetz, aber da es sich um eine diagnostische Testung zur Therapieplanung bei einer bereits bestehenden Krebserkrankung handelt, kann sie nach einem Aufklärungsgespräch mit der Patientin von jedem behandelnden Arzt veranlasst werden.
Bei diesen derzeit üblichen Bluttestungen werden nur BRCA-Keimbahnmutationen identifiziert, zirkulierende Tumorzellen oder zellfreie DNA werden nicht detektiert. Die beauftragten Labore sollten die Qualitätssicherungsmaßnahmen zur BRCA-Testung erfolgreich durchgeführt haben. Außerdem ist die qualitätsgesicherte Interpretation der gewonnenen Daten wichtig.
PIK3CA-Mutationen beim HR-positiven Mammakarzinom
Beim Mammakarzinom ist die PI3K/AKT1/MTOR-Signalkaskade einer der am häufigsten durch genetische Aberrationen gestörten Signalwege; bei etwa 10–40 % aller Mammakarzinome finden sich PIK3CA-Mutationen [13]. Am häufigsten treten sie bei luminalen, HR-positiven Tumoren auf [14]. Die Häufigkeit von somatischen Mutationen ist bei metastasierten Tumoren meist höher. So wurden beim metastasierten Mammakarzinom bei 42 % der Tumoren PIK3CA-Mutationen nachgewiesen [15].
Das PIK3CA-Gen kodiert für die katalytische α-Untereinheit der Phosphatidylinositol-3-Kinase (PI3Kα). Aktivierende Mutationen führen dazu, dass das PIK3CA-Protein das Tumorwachstum anregt, da es sich permanent in der aktivierten α-Isoform befindet und den nachgeschalteten AKT-Signalweg stimuliert. Seit der Zulassung von Alpelisib ist die PIK3CA-Testung therapierelevant. Alpelisib ist ein spezifischer PI3Kα-Inhibitor, der an die α-Struktur der Kinase bindet und so den PI3K/AKT-Signalweg blockiert. Die Zulassung beruht auf den Daten der SOLAR-1-Studie, in der Alpelisib plus Fulvestrant das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) im Vergleich zur Fulvestrant-Monotherapie bei endokrin vorbehandelten Frauen von 5,7 auf 11 Monate signifikant verlängerte (HR 0,65) [16]. Die Marktrücknahme von Alpelisib im Mai 2021 bei weiterhin bestehender Zulassung wurde oben bereits erwähnt.
Therapievoraussetzung für den Einsatz von Alpelisib ist der Nachweis einer somatischen PIK3CA-Genmutation. Dieser wird bei Mammakarzinom-Patientinnen üblicherweise an Tumormaterial (FFPE-Gewebeprobe einer aktuellen Metastase) durchgeführt. Der Nachweis anhand freier Tumor-DNA im Blut ist zwar möglich und von der Zulassung gedeckt, wird aber in Deutschland noch nicht regelhaft erstattet. Die schnellen PCR-basierten Einzelgentests erfassen nur bekannte Mutationen des PIK3CA-Gens in bestimmten Hotspot-Regionen einzelner Gene. Beim Next Generation Sequencing (NGS) mit unterschiedlich großen Genpanels können auch unbekannte Mutationen detektiert werden. PIK3CA-Mutationen sind in einer Reihe von Genpanels enthalten.
NTRK-Genfusionen – extrem selten
Fusionen der Neurotrophen Tyrosin-Rezeptor-Kinase(NTRK)-Gene führen zur Expression von Tropomyosin-Rezeptor-Kinasen(TRK)-Fusionsproteinen, die als starke onkogene Treiber gelten. Allerdings treten NTRK-Genfusionen beim Mammakarzinom insgesamt extrem selten (< 1 %) auf. Sehr häufig sind sie dagegen beim sekretorischen Mammakarzinom, das aber mit < 0,15 % aller Mammakarzinome wiederum sehr selten ist [17].
Damit tumorentitätsübergreifend zugelassene TKI wie Entrectinib und Laro-trectinib zum Einsatz kommen können, ist der Nachweis von NTRK-Genfusionen mittels NGS Voraussetzung. Die IHC wird beim Mammakarzinom für ein Vor-Screening empfohlen, wenn keine Sequencing-Plattform verfügbar ist. Ein positives Ergebnis muss mittels NGS bestätigt werden [18]. Nur beim sekretorischen Mammakarzinom sollte direkt eine NGS-Analyse durchgeführt werden.
Das molekulare Tumorboard
Für eine Reihe weiterer tumorgenetischer Veränderungen sind derzeit beim Mammakarzinom noch keine zielgerichteten Therapien zugelassen, jedoch könnten Patientinnen beispielsweise von der Teilnahme an Studien mit zielgerichteten Substanzen profitieren, die eigentlich für andere Tumorentitäten zugelassen sind. Eine solche Chance auf die Detektion neuer Therapietargets bietet die Besprechung in einem molekularen Tumorboard, dessen Ziel u. a. die Identifizierung von möglicherweise therapeutisch relevanten genetischen Veränderungen ist.
Von einer solchen Fallbesprechung in einem interdisziplinären molekularen Tumorboard und weiterführenden genetischen Analysen können z. B. Patientinnen profitieren, bei denen die Standardtherapien bereits ausgeschöpft sind. Eine aktuelle Studie hat gezeigt, dass Patienten, bei denen sich die Ärzte an die Empfehlungen des molekularen Tumorboards gehalten haben, ein signifikant längeres progressionsfreies Überleben (PFS) und Gesamtüberleben (OS) erreichen [19].
Auch mögliche Therapieresistenzen können bei solchen weiterführenden Analysen entdeckt werden. So kann auf Mutationen im Östrogenrezeptor (ESR1-Mutationen) getestet werden. Diese werden unter einer Behandlung mit Aromatasehemmern selektiert. In retrospektiven Analysen der prospektiven Studien SoFEA und PALOMA3 sprachen Mammakarzinome mit ESR1-Mutation besser auf eine Therapie mit Fulvestrant an als auf einen Aromatasehemmer [20]. Die AGO empfiehlt in ihren aktuellen Leitlinien die Untersuchung der Exons 4, 7 und 8 an aktuellem Metastasengewebe oder im Blutplasma, um eine solche Resistenz gegenüber endokrinen Therapien mit Aromatasehemmern zu detektieren [2].
Mutationen des ERBB2-Gens treten unabhängig von einer HER2-Überexpression oder -Amplifikation auf. Um eine mögliche Wirksamkeit von Neratinib bzw. Lapatinib zu prüfen, sollte deshalb auch der ERBB2-Mutationsstatus bestimmt werden. Das Vorliegen einer Mikrosatelliteninstabilität (MSI) führt zu einer deutlich erhöhten Rate an Mutationen [21], was möglicherweise Rückschlüsse auf die Wirksamkeit von Immuncheckpoint-Inhibitoren erlaubt. Die AGO empfiehlt die Testung der MSI an Gewebe mit einem +. Downstream von PI3K liegt die Kinase AKT, die ebenfalls therapeutisch adressiert werden kann. In der Phase-II-Studie FAKTION verlängerte die Hinzunahme des AKT-Inhibitors Capivasertib zu Fulvestrant bei Frauen mit unter einer Aromatasehemmer-Therapie fortgeschrittenem HR-positivem Mammakarzinom das PFS signifikant [22]. Auch bei Frauen mit metastasiertem TNBC führte die Hinzunahme von Capivasertib zu Paclitaxel in der Phase-II-Studie PAKT bei Frauen mit metastasiertem TNBC zu einem verlängerten PFS und Gesamtüberleben gegenüber einer Paclitaxel-Monotherapie. Für die Patientinnen mit einer PIK3CA/AKT1/PTEN-Alteration war der Vorteil durch das zusätzliche Capivasertib mit einem noch deutlicheren PFS-Vorteil verbunden [23].
Dateninterpretation, Therapiewahl
Die hier aufgezeigten Möglichkeiten machen ein interdisziplinäres Management in der Therapie des frühen, aber besonders des metastasierenden Mammakarzinoms heute zwingend erforderlich. Damit wachsen auch die Anforderungen an die Interpretation der gewonnenen molekularen Informationen. Eine wichtige Rolle spielen deshalb intelligente Softwareanwendungen, die die Dateninterpretation und Therapiewahl unterstützen – dies umso mehr, als in umfassenden Genomanalysen auch häufig unklare oder neue genetische Veränderungen detektiert werden, deren klinische Konsequenzen oft noch nicht vollkommen abgeklärt werden konnten.

Abb. 3 Optionale Biomarker für die erweiterte Diagnostik beim metastasierten Mammakarzinom (Genomanalysen und Immunhistochemie). Mod. nach [2].
Umso wichtiger ist die interdisziplinäre Diskussion in einem molekularen Tumorboard, in dem neben Onkologen und Pathologen auch die jeweilig benötigten Fachärzte sowie Genetiker, Statistiker und Bioinformatiker beraten, um personalisierte Therapiestrategien zu erarbeiten. Ein molekulares Tumorboard erfüllt seinen Sinn nur, wenn die Informationen zu den genetischen Veränderungen den Ärzten nicht nur übermittelt werden, sondern auch im Kontext des Zustands der Patientinnen und Patienten und deren bisheriger Behandlung eingeordnet werden.
Ablauf und Methoden der molekularen Diagnostik
Die molekulargenetischen Untersuchungstechniken haben sich in den letzten Jahren rasant entwickelt, von der In-situ-Hybridisierung (ISH) und Polymerasekettenreaktionen (PCR) zum Next Generation Sequencing (NGS). Die Nachweisverfahren zur Bestimmung von Genmutationen gliedern sich grundsätzlich in zwei Gruppen: den gezielten Nachweis bekannter Genveränderungen mit ISH- und PCR-basierten Verfahren und auf der anderen Seite umfassende Sequenzanalysen mithilfe von NGS, mit denen auch unbekannte Mutationen detektiert werden können. Einen Überblick über Vor- und Nachteile der Verfahren gibt Tab. 1.
Tab. 1 Vergleich der Methoden zur molekularen Diagnostik. Mod. nach [2, 18, 24, 25].
Nachweisverfahren | Vorteile | Nachteile | Einsatzbereiche in der Therapie des Mammakarzinoms |
---|---|---|---|
ISH | - verbreitete und etablierte Routinemethode - relativ schnell | - detektiert nur die Genveränderungen, nach denen gesucht wurde - jede ISH-Analyse erfordert separate Gewebeprobe, benötigt daher viel Gewebematerial | Zur Bestimmung von Kopienzahlveränderungen wie der HER2-Amplifikation und zur Bestimmung von NTRK-Genfusionen |
PCR | - sicher und kostengünstig - die Verfahren sind schnell - einfache Auswertung | - detektiert nur bekannte Mutationen - pro Test kann nur nach einer Mutation gesucht werden, für den Nachweis einer weiteren Mutation ist eine neue Probe erforderlich | Zum Nachweis bekannter Mutationen in bestimmten Hotspot-Regionen einzelner Gene, z. B. der PIK3CA-Mutation |
NGS | - umfassende Analysen an nur einer Probe möglich - mehrere genomische Regionen gleichzeitig erfassbar - detektiert alle Genveränderungen, auch unbekannte | - höherer technischer Aufwand - nicht breit verfügbar - große Datenmengen - Bedeutung der entdeckten Mutation für Tumorgenese und -wachstum oft unklar | - Nachweis von BRCA1/2-Mutationen - Genpanels zur parallelen Testung auf ESR1-, HER2-, PIK3CA-, ALK- und PTEN-Mutationen sowie MSI |
Bei der ISH können mittels spezifischer Sonden (komplementären DNA-Abschnitten) bestimmte DNA-Sequenzen gebunden und mithilfe diverser Färbemethoden im Zellkern detektiert werden. Die ISH ist eine sensitive und spezifische Methode, kann aber bei ungewöhnlichen Bruchpunktsituationen oder intrachromosomalen Fusionen mit geringem Bruchpunktabstand falsch negativ sein. PCR-basierte Verfahren haben einige Vorteile, z. B. ihre Schnelligkeit. Auch die Auswertung ist aufgrund der geringen Datenmenge einfach und erfordert keine bioinformatische Expertise. Pro Test kann nur nach einer Mutation gesucht werden. Dies relativiert die Zeitersparnis des Verfahrens, wenn nach mehreren Veränderungen gesucht werden soll.
NGS-basierte Verfahren reichen von einer beschränkten Sequenzierung mit Genpanels mit einer Auswahl von genomischen Zielregionen bis zur umfassenden Sequenzierung des Gesamtgenoms (Whole Genome Sequencing, WGS) oder des Gesamtexoms (Whole Exome Sequencing, WES) aus einer Probe. Die Anforderungen an die Interpretation der Ergebnisse sind hoch. In der Klinik werden oft verschiedene kommerziell erhältliche Genpanels eingesetzt, die eine Reihe relevanter genetischer Veränderungen abdecken.
Anforderung und Befund – standardisierte Abläufe
Die Beauftragung von molekularen Analysen sollte zielgerichtet und möglichst nach festgelegten Abläufen erfolgen (Abb. 4).

Abb. 4 Durchführung der Molekulardiagnostik in der Onkologie. Mod. nach [26].
Um die Ergebnisse einer molekularpathologischen Untersuchung richtig interpretieren zu können, muss die Anforderung der Testung ausreichende Informationen über die Patientin enthalten. Dazu gehören alle klinischen Angaben zur Patientin, die relevante(n) Fragestellung(en), also der Grund für die Anforderung, und das verwendete Probenmaterial.
Der molekularpathologische Befund wiederum sollte in möglichst standardisierter Form ausgeführt werden und neben den eingangs übermittelten Daten zur Diagnose/zum Befund, zur Probe und zur Fragestellung folgende Informationen enthalten:
- Prozentsatz an Tumorzellen in der Probe
- Verwendete Nachweismethode und Angaben zum durchgeführten Test mit Sensitivität dieser Methoden
- Analysierte Zielsequenzen
- Variantenallelfrequenz
- Abdeckung (Coverage)
- Ergebnis bei PCR: positive/negative Ergebnisse, level of detection, level of background
- Ergebnis bei NGS: Angabe der Mutationen (Sequenzvarianten) gemäß der Human Genome Variation
- Society (HGVS)
- Kommentar/Interpretation/Empfehlung: Interpretation der gefundenen Veränderungen, prädiktive
- Relevanz für bestimmte zielgerichtete Therapien
- Evtl. Empfehlung möglicher klinischer Studien/Off-label-Therapien
Wurde eine umfassende NGS-Analyse durchgeführt, enthält der Befund einen Abgleich der Daten der NGS-Analyse mit eigenen und öffentlich zugänglichen Datenbanken, der die Einteilung in pathogene und nicht-pathogene Varianten erleichtert. Software-Tools können die Dateninterpretation und Einteilung in klinisch relevante, pathogene, prognostische und prädiktive Genveränderungen unterstützen. Sie helfen auch bei der Bericht-erstellung und geben Vorschläge für Therapien und passende klinische Studien.
Fazit und Ausblick
Gemäß §2 des Sozialgesetzbuchs (SGB) V haben Patienten Anspruch da-rauf, dass Qualität und Wirksamkeit der Leistungen den medizinischen Fortschritt berücksichtigen. Eine umfassende genomische Analyse eines Tumors bedeutet jedoch nicht per se eine Heilungsmöglichkeit für die Patientin – darüber sollten Patientinnen informiert werden.
Die pathogene Relevanz vieler entdeckter Mutationen ist oft unklar, und nur ein kleiner Teil der entdeckten genetischen Veränderungen ist therapeutisch angreifbar. Grundsätzlich sollte also vor allem auf klinisch relevante genetische Veränderungen getestet werden. Außerdem sollte die molekulare Diagnostik beim Mammakarzinom auch zu einer möglichst optimalen Therapiesteuerung eingesetzt werden, z. B. bei endokriner Resistenz.
Der Anspruch auf die Berücksichtigung des medizinischen Fortschritts in der Behandlung bedeutet für die Umsetzung von molekular gesteuerten Therapien beim Mammakarzinom und in der Onkologie im Allgemeinen aber auch, dass Ärzten nicht nur das zielgerichtete Arzneimittel, sondern auch die zugehörigen Testungen finanziert zur Verfügung stehen müssen. Notwendig ist also die Schaffung von entsprechenden Rahmenbedingungen und belastbarer Kostenübernahmen seitens der Kostenträger, um die Molekulardiagnostik flächendeckend zu implementieren. Voraussichtlich werden zunehmend umfassende und damit kostenintensivere NGS-Analysen notwendig werden, wenn weitere zielgerichtete Substanzen für die Therapie des metastasierten Mammakarzinoms eine Zulassung erhalten.