Frühe Krankheitsstadien
Studien zur Neoadjuvanz
Die Bedeutung einer neoadjuvanten Chemotherapie bei lokal fortgeschrittenen Plattenepithelkarzinomen der Kopf-Hals-Region (LA-SCCHN) wird kontrovers diskutiert. Bei nicht operablen Tumoren hatten Studien mit Cisplatin, 5-FU und einem Taxan als Induktion vor definitiver Radiotherapie widersprüchliche Therapieergebnisse erbracht [1, 2].
Nun untersuchte die beim ESMO-Kongress vorgestellte chinesische Phase-III-Studie EAGLE die Wirksamkeit eines modifizierten neoadjuvanten Regimes bei resezierbaren LA-SCCHN in Mundhöhle und Oropharynx. Im Rahmen der Untersuchung erhielten 270 Studienteilnehmer:innen entweder 2 Zyklen Docetaxel, Cisplatin und Cetuximab (TPE), gefolgt von Chirurgie und postoperativer Radiotherapie (S+PORT), oder alleinige S+PORT.
Auch in diesem Setting zeigten sich keine relevanten Unterschiede zwischen beiden Behandlungsarmen hinsichtlich des Gesamtüberlebens (HR 1,09) und anderer Wirksamkeitsendpunkte [3]. Allerdings profitierten Patient:innen, die nach TPE eine pathologische Komplettremission (pCR) erreichten – das war etwa jede:r zehnte Erkrankte – von der Behandlung mit einem Überlebensvorteil (HR 0,38; p = 0,03) [3].
Therapiestudien zur neoadjuvanten Therapie mit PD-(L)1-Checkpoint-Inhibitoren (CPI) zeigten im Vergleich zu den eher ernüchternden neoadjuvanten Studien mit Zytostatika bei LA-SCCHN erste ermutigende Ergebnisse. So deutet sich in jüngster Zeit im präoperativen Setting bei resektablen Tumoren ein klinischer Nutzen an [4]. Beim ESMO 2022 steuerte die Phase-II-Studie IMMUNEBOOST-HPV Daten zum neoadjuvanten Einsatz des CPI Nivolumab (2 Zyklen mit je 240 mg) vor einer Radiochemotherapie (RCT) gegenüber alleiniger RCT bei HPV-positiven Hochrisiko-Oropharynx-Karzinomen bei. Zwar wurde der primäre Studienendpunkt – die Rate an Patient:innen, die die gesamte Therapie in angemessener Zeit erhalten konnten – nicht erreicht, weil bei rund 10 % der Erkrankten die gewünschte Cisplatin-Dosis von mindestens 200 mg wegen Toxizität nicht gegeben werden konnte, doch zeigten sich nach einem medianen Follow-up von gut 15 Monaten vielversprechende onkologische Ergebnisse. So wurde im experimentellen Arm nur ein Rückfall unter 41 Betroffenen beobachtet, im Kontrollarm hingegen drei Rezidive bei 20 Patient:innen [5]. Die Daten sind aber noch unreif und bedürfen weiterer Validierung.
Kombination CPI plus RCT
Die simultane RCT mit hochdosiertem Cisplatin ist Behandlungsstandard bei nicht operablen LA-SCCHN, doch kann diese Therapie nicht verhindern, dass nicht einmal jede:r zweite Betroffene über 3 Jahre krankheitsfrei bleibt. Die Phase-III-Studie KEYNOTE-412 untersuchte, ob die Hinzunahme von Pembrolizumab zur RCT gegenüber alleiniger RCT das ereignisfreie Überleben (EFS) verbessern kann. Die beim ESMO-Kongress prominent präsentierte Primäranalyse ergab einen numerischen Trend zugunsten von Pembrolizumab-RCT versus Placebo-RCT (EFS-Ereignisse; 42,5 % vs. 47,8 %), der aber statistisch nicht signifikant war (HR 0,83; p = 0,0429; bei einer Überlegenheitsschwelle von p = 0,0242) [6]. Die 24-Monats-EFS-Rate betrug 63,4 % versus 56,2 % zugunsten der CPI-Kombination, wobei die Unterschiede bei hoher PD-L1-Expression (CPS ≥ 20) besonders ausgeprägt waren (71,2 % vs. 62,6 %) [6]. Ob sich diese Tendenz erhärtet und die Kombination CPI/RCT ein sinnvoller Ansatz bei Erkrankten mit hoher PD-L1-Expression sein könnte, müssen zukünftige Studien-Updates zeigen.
Neue Substanz als Gamechanger?
Auf großes Interesse stießen die 5-Jahres-Daten einer Studie mit Xevinapant, einer Apoptose-aktivierenden Substanz aus der Klasse der IAP(Inhibition of Apoptosis)-Hemmer. Xevinapant wurde bei LA-SCCHN ergänzend zur RCT eingesetzt und mit alleiniger RCT verglichen. Wenngleich es sich nur um eine Phase-II-Studie mit einer vergleichsweise geringen Zahl an Patient:innen (n = 96) handelte, waren die Ergebnisse äußerst beeindruckend.
Die 5-Jahres-Gesamtüberlebensrate war unter Xevinapant etwa verdoppelt (53 % vs. 28 %; HR 0,47), ebenso das progressionsfreie Überleben nach 3 Jahren (72 % vs. 36 %; HR 0,21) [7]. Ein solches Ergebnis habe man „seit Dekaden“ nicht mehr gesehen, so Prof. Jean Bourhis, Lausanne, Schweiz, beim ESMO-Kongress. Die neue Substanz wurde gar als zukünftiger Gamechanger in dieser Indikation gehandelt. Derzeit läuft die konfirmatorische Phase-III-Studie TrilynX.
Rezidivierte/Metastasierte (r/m) Situation
Neues Dreifachregime auf dem Prüfstand
Der CPI Pembrolizumab ist zusammen mit Platin und 5-FU als Erstlinientherapie beim r/m SCCHN zugelassen, basierend auf den Daten der Zulassungsstudie KEYNOTE-048 [8], deren 5-Jahres-Daten erneut den anhaltenden klinischen Nutzen dieser Behandlung unterstrichen [9]. Wegen der Toxizität von 5-FU und dessen aufwendiger Applikation wird allerdings nach Alternativen zu dieser Chemotherapiekomponente gesucht. Die einarmige Phase-IV-Studie KEYNOTE-B10 untersuchte bei 100 Erkrankten mit r/m SCCHN die Wirksamkeit und Verträglichkeit einer Dreierkombination, bei der 5-FU durch Paclitaxel ersetzt wurde. Die Ansprechrate erwies sich als vergleichbar zum 5-FU-haltigen Regime in KEYNOTE-48 (42,7 % bzw. 35,8 %) [10]. Allerdings wirkte sich der Ersatz von 5-FU durch ein Taxan nicht – wie erhofft – positiv auf die Toxizität des Regimes aus [10]. Die Daten sind allerdings wegen der recht geringen Zahl eingeschlossener Patient:innen, dem einarmigen Design und dem nicht ermittelten PD-L1-Status mit Vorsicht zu interpretieren.
Salvage-Chemotherapie nach CPI vielversprechend
CPI sind als Erst- und Zweitlinientherapie bei r/m SCCHN etabliert. Ungeklärt ist die Frage nach der bestmöglichen Folgetherapie nach Versagen dieser Behandlung. Eine japanische Studie untersuchte retrospektiv die Daten von 480 Patient:innen, die in zehn Zentren behandelt worden waren und nicht mehr auf Platin und Nivolumab ansprachen. Eine Hälfte hatte eine Sal-vage-Chemotherapie (SLC: 36,5 % Taxan, 29,5 % Paclitaxel/Cetuximab oder 19,7 % S-1) erhalten, die andere nicht. Die SLC erwies sich als sehr wirksam: Das mediane Gesamtüberleben betrug mit SLC 13,0 Monate, ohne SLC nur 3,1 Monate [7]. Paclitaxel/Cetuximab war im Hinblick auf das Gesamtansprechen besonders wirksam (54,9 % vs. 27,9 % für Taxan vs. 25,5 % für S-1) [11].
Die SLC mit Paclitaxel/Cetuximab erwies sich in einer multivariaten Analyse dann auch als unabhängiger prognostischer Faktor für das OS (HR 0,501; p = 0,001 vs. Taxan) – ebenso wie die vorherige Krankheitsstabilisierung mit dem CPI (HR 0,534; p < 0,001) [11].