Wie entsteht Lungenkrebs bei Nie-Raucher:innen?
Lungenkrebs gilt als typische Rauchererkrankung, aber ein nicht unerheblicher Teil der Patient:innen hat nie im Leben geraucht. Luftverschmutzung ist generell mit Lungenkrankheiten assoziiert. Eine britisch-koreanisch-taiwanesische Studiengruppe präsentierte in einer Plenarsitzung epidemiologische und tierexperimentelle Hinweise dazu, warum sie als Verursacher von Krebs infrage kommen könnte.
Die epidemiologischen Daten belegen, so Charles Swanton, London, UK, dass die Konzentration von partikulärem Material einer Größe von 2,5 mm („Feinstaub“) mit einem erhöhten Risiko für verschiedene Tumoren, darunter das NSCLC, korreliert [1]. Andererseits fanden sich in normalem Lungengewebe von 247 gesunden Proband:innen mit ultratiefen Sequenziermethoden in bis zu einem Drittel der Fälle Treibermutationen in den Genen für EGFR und KRAS, ohne dass ein maligner Tumor nachweisbar gewesen wäre. Dazu passt, dass partikuläres Material in drei verschiedenen Tiermodellen mit vorbestehenden EGFR- oder KRAS-Mutationen in Lungengewebe dosisabhängig die Tumorlast erhöhte. Parallel stiegen die Titer von Interleukin 1β, dessen Blockade wiederum die Tumorbildung verhindern konnte. Damit übereinstimmend findet man unter Interleukin-1β-Inhibitoren – etwa zur Therapie rheumatischer Erkrankungen – weniger Lungentumoren.
Demnach wären potentiell onkogene Mutationen, wie sie viele Menschen in einzelnen Zellen aufweisen, eine notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung für die Tumorbildung. Anstelle klassischer Karzinogene, die weitere DNA-Mutationen verursachen, könnten dann offenbar auch physikalische Reize und die inflammatorische Reaktion, die sie auslösen, als Promotor wirken und zur malignen Entartung der Zellen führen, so Swanton.
Auch 6–8 % der Patient:innen mit kleinzelligem Lungenkarziom (SCLC) sind Nie-Raucher:innen. In einer retrospektiven Kohortenstudie, die Michael Oh, Los Angeles, USA, vorstellte, zeigten sie im Vergleich zu Raucher:innen mit SCLC charakteristische Unterschiede in der Mutationslandschaft ihrer Tumoren [2]; insbesondere fanden sich bei Nie-Raucher:innen häufiger onkogene Treibermutationen etwa in EGFR und PIK3CA sowie eine geringere Tumormutationslast und ein weniger immunogenes Microenvironment. Möglicherweise stellen SCLC-Erkrankungen von Nie-Raucher:innen also eine distinkte, durch besondere genomische Eigenschaften charakterisierte Entität dar, die man eventuell mit zielgerichteten Therapien gegen EGFR oder PIK3CA behandeln sollte.
Frühes NSCLC: Neoadjuvant mit zwei Checkpoint-Inhibitoren
Die klinischen Stadien I–IIIA des NSCLC sind chirurgisch oder strahlentherapeutisch im Prinzip heilbar, auch wenn Rezidive in den höheren Stadien häufig sind. Deshalb empfiehlt etwa die aktuelle Onkopedia-Leitlinie in den Stadien II und IIIA vor der Operation eine neoadjuvante Chemotherapie [3]. Auf der Suche nach immuntherapeutischen Alternativen brachte eine Kombination aus zwei Immuncheckpoint-Inhibitoren erste vielversprechende Resultate, wie Martin Schuler, Essen, berichtete [4].
Neben dem PD-1-Inhibitor Nivolumab erhielt die Hälfte der Patient:innen in der Phase-II-Studie NEOpredict-Lung randomisiert zusätzlich Relatlimab, einen Antikörper gegen das Checkpoint-Molekül LAG-3. LAG-3 unterdrückt als Rezeptor für MHC-Klasse-II-Moleküle die Proliferation, Aktivierung und Homöostase der T-Zellen. Von den 60 eingeschlossenen Patient:innen mit NSCLC im Stadium IB–IIIA konnten 58 R0-reseziert werden; die verbleibenden zwei wiesen eine zuvor nicht erkannte Pleurakarzinose auf. Relatlimab war sehr gut verträglich, sodass inzwischen das Studienprotokoll angepasst wurde, um höhere Dosen des Antikörpers zu gestatten.
Adjuvantes Osimertinib langfristig wirksam
Auf der Basis der Phase-III-Studie ADAURA wurde der EGFR-Tyrosinkinase-Inhibitor (TKI) Osimertinib als erste zielgerichtete Substanz zur adjuvanten Therapie des NSCLC mit EGFR-Mutationen zugelassen. Bereits in der Primäranalyse war das Risiko bezüglich des primären Endpunkts krankheitsfreies Überleben durch den TKI um 83 % vermindert. In der aktualisierten Auswertung, die Masahiro Tsuboi, Chiba, Japan, präsentierte [5], war die Reduktion mit 73 % immer noch eindrucksvoll (Hazard Ratio 0,27; 95%-Konfidenzintervall 0,21–0,34), ebenso die 4-Jahres-Raten von 73 % versus 38 %. Die Aktivität war bei Hirnmetastasen ähnlich (HR 0,24; 95%-KI 0,14–0,42).
Patient:innen, die besonders von adjuvantem Osimertinib profitieren könnten, identifizierte Myung-Ju Ahn, Seoul, Südkorea, in einer Kohortenstudie [6]: Darin war bei 278 Patient:innen mit EGFR-mutiertem NSCLC der Stadien IA–IIIA neben dem radiologischen Follow-up auch zirkulierende Tumor-DNA (ctDNA) auf das Vorliegen der EGFR-Mutation untersucht worden – als Biomarker für verbliebenen Tumor. ctDNA fand sich präoperativ bei jedem/jeder vierten Erkrankten, in höheren Stadien häufiger als in niedrigen. Von diesen präoperativ positiven Patient:innen wies postoperativ wiederum ein Viertel noch ctDNA, also eine minimale Resterkrankung (MRD), auf. Die Rezidivrate hing stark vom ctDNA-Status vor und nach der Operation ab: Bereits präoperativ negative Patient:innen waren noch zu 83,3 % rezidivfrei, von den präoperativ positiven, aber postoperativ MRD-negativen waren es 78,0 %, und von denen mit prä- und postoperativ positivem ctDNA-Signal hatte bereits jede:r zweite ein Rezidiv erlitten.
Metastasiertes NSCLC: Immuntherapien auch langfristig erfolgreich
Immuncheckpoint-Inhibitoren – mit oder ohne Chemotherapie – sind inzwischen Erstlinien Standard beim metastasierten NSCLC ohne Treibermutationen. Für drei Studien, die zur Zulassung solcher Medikamente in dieser Situation geführt hatten, wurden in Paris 4- bzw. 5-Jahres-Daten vorgestellt:
In der KEYNOTE-189-Studie, so Marina Garassino, Chicago, IL, USA, konnte beim nicht plattenepithelialen NSCLC die Kombination aus Pembrolizumab und Pemetrexed/Platin gegenüber der alleinigen Chemotherapie das Gesamtüberleben von median 10,6 auf 22 Monate verdoppeln und die 5-Jahres-Raten von 11,3 % auf 19,4 % erhöhen – trotz eines erlaubten Crossovers, das etwas mehr als die Hälfte der Patient:innen in Anspruch genommen hatte [7]. Der Vorteil war unabhängig von der PD-L1-Expression und besonders ausgeprägt, wenn Pembrolizumab über alle vorgesehenen 35 Zyklen gegeben wurde.
In der KEYNOTE-407-Studie war beim Plattenepithelkarzinom eine platinbasierte Chemotherapie mit oder ohne Pembrolizumab gegeben worden. Auch hier war Pembrolizumab trotz Crossover beim Gesamtüberleben mit einer 5-Jahres-Rate von 18,4 % versus 9,7 % und einer medianen Überlebenszeit von 17,2 versus 11,6 Monaten deutlich überlegen, so Silvia Novello, Turin, Italien [8].
Die Phase-III-Studie POSEIDON umfasste drei Arme, so Melissa Johnson, Nashville, TN, USA [9]: Chemotherapie alleine, mit dem PD-L1-Antikörper Durvalumab oder mit Durvalumab plus den CTLA-4-Antikörper Tremelimumab. Am besten schnitt die Triple-Therapie ab, mit einer medianen Überlebenszeit von 14 Monaten (vs. 11,7 Monate unter alleiniger Chemotherapie) und 4-Jahres-Raten von 20,7 % versus 8,3 %. Damit scheint Durvalumab plus Tremelimumab plus Chemotherapie im Falle einer Zulassung eine weitere vielversprechende Erstlinienoption beim metastasierten NSCLC darzustellen.