Serie „Vom Biomarker zur Therapie“: Paneldiagnostik als Prognosetool
Mit diesem Beitrag verlassen wir auf eine gewisse Weise das angestammte Terrain unserer Biomarker-Serie, in der wir uns bisher mit für bestimmte Therapien prädiktiven Biomarkern beschäftigt haben. Der Begriff Biomarker in diesem engeren Sinne meint das Vorhandensein eines bestimmten molekularen Markers für eine Zielstruktur einer zielgerichteten Therapie – kurz, er ist prädiktiv für die Therapierbarkeit eines Tumors mit einem bestimmten Medikament.Mit dem aktuellen Beitrag zu Genpanels zur Bestimmung der Prognose von Patient:innen nehmen wir einen anderen Blickwinkel ein und richten den Fokus auf die Auswahl der am besten für eine/n individuelle/n Patient:in geeigneten Therapie bzw. vor allem auf das Ausmaß der für sie oder ihn notwendigen Therapie. Wie ist die Prognose, wie viel Therapie wird er oder sie benötigen, um möglichst lange zu überleben oder um sogar eine Heilung zu ermöglichen? Fragen, die sich Betroffene und Behandelnde vor allem in frühen Erkrankungsstadien stellen, um Über- und Untertherapien zu vermeiden.Bei allen Tumorarten werden prognostische Gruppen auf Basis von klinischen oder histologischen Parametern eingeteilt. Wie immer in der Biomarker-Reihe fokussieren wir unseren Blick jedoch auf molekulare Parameter, die allerdings in der klinischen Routine in Deutschland noch wenig zur Bestimmung der Prognose von Patient:innen herangezogen werden. Die derzeit einzige Tumorentität, bei der falls notwendig Genpanels zur exakten Bestimmung der Prognose und des resultierenden Therapiebedarfs von Patientinnen eingesetzt werden, ist das frühe Mammakarzinom. Diese Instrumente zur Ergänzung der Prognoseabschätzung sind eine zugelassene Kassenleistung. In den USA wird eine Reihe solcher prognostischer Genpanels angeboten, nicht nur beim Mammakarzinom, sondern auch beim Prostata- und beim muskelinvasiven Blasenkarzinom sowie beim Kolonkarzinom.
Die Trennung von prädiktiven und prognostischen Markern ist in der Realität kaum strikt durchführbar, denn jeder prädiktive Biomarker hat auch prognostische Bedeutung. Oft verhält es sich so, dass der jeweilige Biomarker zunächst eine ausgesprochen ungünstige prognostische Bedeutung hatte, aber nun aufgrund der verfügbaren zielgerichteten Medikamente besonders effektiv behandelt werden kann, zumindest für eine gewisse Zeit. Prominentes Beispiel hierfür ist HER2, das beim Mammakarzinom auf einen aggressiv wachsenden Tumor hinweist, aber heute mit einer Vielzahl an verschiedenen HER2-gerichteten Antikörpern, Tyrosinkinase-Inhibitoren und Antikörper-Drug-Konjugaten über multiple Therapielinien hinweg behandelt werden kann.
Die Analyse prognostischer Faktoren soll den wahrscheinlichen Verlauf der Tumorerkrankung vorhersagen, also Aussagen zur Rezidivwahrscheinlichkeit sowie zur Länge des progressionsfreien Überlebens oder des Gesamtüberlebens ermöglichen. Bei den meisten Tumorerkrankungen werden zur Bestimmung der Prognose nur klinische und histologische Parameter (Patientenalter und weitere patientenspezifische Faktoren wie z. B. Übergewicht und Komorbiditäten, Tumorgröße, Differenzierungsgrad oder Tumorsubtyp, Lymphknotenbeteiligung, Vorhandensein von Metastasen) berücksichtigt. Allerdings werden heute immer mehr Genpanels zum Tumor-Profiling entwickelt, die die Aktivität und das Zusammenspiel von Genen im Tumor ermitteln und so genauere Aussagen zum wahrscheinlichen Tumorverhalten und Krankheitsverlauf zulassen.
Mammakarzinom
Eine Besonderheit stellt hier das Mammakarzinom dar, genauer gesagt frühe Hormonrezeptor-positive und HER2neu-negative Mammakarzinome (luminale Signaturen). Ist bei diesen Karzinomen basierend auf den konventionellen Prognosefaktoren die prognoseorientierte adjuvante Therapie unklar – liegt also weder ein geringes noch ein klar erhöhtes Risiko vor –, so können in diesen Fällen mit einem intermediären Risiko weitere Parameter herangezogen werden. Dazu kann zum einen die Dynamik des Proliferationsmarkers Ki-67 nach einer kurzen (ca. 14-tägigen) endokrinen Induktionstherapie untersucht werden. Zum anderen stehen hierzu neben verschiedenen Algorithmen und Scores unterschiedliche Genexpressionsprofile (GEP) zur Verfügung. Diese sollen Hilfestellung geben bei der Bestimmung der für die individuelle Patientin angemessenen Therapie, um Über- und Untertherapien zu vermeiden. Konkret geht es dabei um die Frage, ob zusätzlich zur grundsätzlich indizierten adjuvanten endokrinen Therapie auch mit einer adjuvanten Chemotherapie behandelt werden sollte, um das Rückfallrisiko zu senken. Eine solche unklare prognostische Situation kann bei Patientinnen mit luminalen Karzinomen ohne Lymphknotenbefall (N0) oder auch bei nur geringer Lymphknotenbeteiligung (N11-3LK+) und intermediärer Biologie vorliegen.
Die verschiedenen Genpanels analysieren an einer Tumorprobe die Aktivität verschiedener Gene, die das Wachstumsverhalten des Karzinoms im frühen Krankheitsstadium beeinflussen können. Tab. 1 gibt einen Überblick über die in Deutschland zur Verfügung stehenden GEP für die Prognoseabschätzung früher Mammakarzinome. Alle in der Tabelle aufgeführten GEP sind RNA-basiert, klinisch validiert und werden von der Kommission Mamma der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie e. V. (AGO) mit einem + bzw. +/- empfohlen.
Tab. 1 Übersicht über die in Deutschland verfügbaren Genpanels für den Einsatz bei Patientinnen mit frühem Mammakarzinom.
Mod. nach [1].
Test | MammaPrint® | Oncotype DX® | EndoPredict® | Prosigna® (PAM50) | Breast Cancer IndexTM |
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Firma | Agendia | Genomic Health, Exact Sciences Deutschland | Myriad | Veracyte | Biotheranostics |
Anzahl Gene | 70 | 21 (16 Tumorgene und 5 Referenzgene) | 12 (8 Tumorgene, 3 Normalisierungsgene, 1 Kontrollgen) | 50 + 8 Referenzgene | 5 (MGI) + 2 (H/I Ratio) |
Gewebe | Frischgewebe oder FFPE-Gewebe | FFPE-Gewebe | FFPE-Gewebe | FFPE-Gewebe | FFPE-Gewebe |
Technik | NGS-basierter Kit oder Microarray | qRT-PCR | qRT-PCR | Direkte Hybridisierung (nCounter®) | qRT-PCR |
Zentrales Labor | Ja | Ja | Nein, dezentrale Durchführung | Nein, dezentrale Durchführung | Ja |
Risikoklassifizierung | Niedriges – hohes Risiko | Niedriges – mittleres – hohes Risiko | Niedriges – hohes Risiko | Niedriges – mittleres – hohes Risiko | Niedriges – hohes Risiko |
Getestete Population | N0–1, < 70 Jahre | N0–1, HR+, endokrin behandelt | N0–1, HR+, HER2–, endokrin behandelt | N0–1, HR+, HER2, endokrin behandelt | pT1-3, pN0-pN1, HR+, HER2–, endokrin behandelt |
Getestete Indikation | Prognostisch | Prognostisch | Prognostisch | Prognostisch | Prognostisch |
Prognose nach 5 Jahren (Spätrezidive) | Nicht separat gezeigt | Ja | Ja | Ja | Ja |
Prädiktive Aussage zum Nutzen einer Chemotherapie | Schlecht validiert | Ja | Nicht gezeigt | Nicht gezeigt | Zum Nutzen einer erweiterten adjuvanten Therapie nach 5 Jahren |
Zulassungsstatus | FDA-Zulassung, CE-zertifiziert | CE-zertifiziert | CE-zertifiziert | FDA-Zulassung, CE-zertifiziert |
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AGO-Empfehlungsgrad | + | + | + | + | +/- (zur Abschätzung des Spätrezidiv-Risikos) |
MammaPrint®
MammaPrint kann bei Patientinnen mit frühem Östrogenrezeptor(ER)-positivem/HER2-negativem Mammakarzinom mit einer Tumorgröße unter 5 cm und entweder negativen oder bei 1–3 befallenen Lymphknoten sowohl prä- als auch postoperativ eingesetzt werden. Der validierte genomische Test analysiert 70 Gene, die an der Metastasierungskaskade beteiligt sind. Erste prospektive Daten lieferte die MINDACT-Studie. Die multizentrische, randomisierte Phase-III-Studie (Microarray In Node-negative and 1 to 3 positive lymph node Disease may Avoid ChemoTherapy, MINDACT) verglich prospektiv die Risikoeinschätzung mit MammaPrint mit klinisch-pathologischen Kriterien [2, 3]. Die Studie zeigte, dass Patientinnen mit klinischen Hochrisikofaktoren, aber einem genomisch niedrigen Risiko auf eine Chemotherapie verzichten konnten, da sie keinen signifikanten oder klinisch relevanten Vorteil durch die Chemotherapie hatten (5-Jahres-fernmetastasenfreies Überleben 94,7 %). Mittlerweile ergaben Langzeitdaten der Studie mit einem medianen Follow-up von 8,7 Jahren ein 5-Jahres-fernmetastasenfreies Überleben von 95,1 % und bestätigten MINDACT als positive Deeskalationsstudie. Der Benefit durch eine zusätzlich zur adjuvanten endokrinen Therapie gegebene adjuvante Chemotherapie blieb sehr klein, auch bei Frauen mit einer nodal-positiven Erkrankung. Das bedeutet vereinfacht: Patientinnen mit niedrigem Risiko gemäß MammaPrint erreichten in der Studie auch ohne adjuvante Chemotherapie hervorragende Therapieergebnisse. Allerdings zeigte sich bei Frauen unter 50 Jahren mit einem hohen klinischen und niedrigen genomischen Risiko ein 5%iger Benefit durch die Chemotherapie. MammaPrint ermöglicht eine Risikoeinschätzung bezüglich der Fernmetastasierung in den nächsten fünf Jahren und erlaubt eine Aussage, ob eine Patientin auf eine adjuvante Chemotherapie verzichten kann. Klinische Parameter werden nicht berücksichtigt.
Während der Test früher nur mit Frischgewebe durchgeführt werden konnte, kann heute mit dem MammaPrint® BluePrint®-Kit FFPE-Gewebe verwendet werden. Der Kit ist CE-gekennzeichnet. MammaPrint wurde in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen und wird seit Juli 2021 von der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) übernommen.
Oncotype DX®
Der Oncotype DX Breast Recurrence Score®-Test identifiziert bei Patientinnen mit HR-positivem, HER2neu-negativem Mammakarzinom im Frühstadium diejenigen Patientinnen, die von einer adjuvanten Chemotherapie profitieren, und ermöglicht anhand des Recurrence Score die Einordnung des zu erwartenden Chemotherapienutzens. Dieser Recurrence Score wurde anhand von 21 Genen entwickelt und validiert [4]. Dabei handelt es sich um 16 tumorassoziierte Gene, deren Expression mittels RT-PCR in Relation zur Expression von fünf Referenzgenen gemessen wird. Daraus errechnet sich der Recurrence Score (RS) mit Werten zwischen 1 und 100, wobei niedrige RS-Werte mit einer günstigen Prognose assoziiert sind.
Die prädiktive Aussagekraft des Tests wurde in der Studie NSABP B-20 bei nodal-negativen Patientinnen [5, 6] und in der SWOG-8 814-Studie [7] bei nodal-positiven Patientinnen validiert. In den vergangenen Jahren folgten weitere große prospektive Studien zur Validierung bei nodal-negativen und -positiven (1–3 befallene Lymphknoten) Patientinnen. Die TAILORx-Studie [8], in die nur Frauen ohne befallene Lymphknoten eingeschlossen waren, zeigte keinen relevanten Unterschied zwischen einer alleinigen endokrinen Therapie und der endokrinen Therapie plus Chemotherapie bei Frauen mit mittlerem Risiko (RS 11–25) hinsichtlich des Überlebens ohne invasive Erkrankung nach neun Jahren. Bei jungen Patientinnen unter 51 Jahren dagegen brachte die zusätzliche Chemotherapie einen Vorteil.
Ergebnisse der RxPONDER-Studie bei Frauen mit 1–3 befallenen Lymphknoten verdeutlichten, dass postmenopausale Patientinnen mit einem RS 0–25 auf eine Chemotherapie verzichten können, und zwar unabhängig von weiteren klinischen oder pathologischen Parametern [9]. Prämenopausale Patientinnen profitierten jedoch von einer zusätzlichen adjuvanten Chemotherapie.
Seit 2022 wird der Oncotype DX-Test in Deutschland durchgeführt. Auch Oncotype DX wurde für das nodal-negative Mammakarzinom in den einheitlichen Bewertungsmaßstab der gesetzlichen Krankenversicherung (EBM) aufgenommen und wird von allen deutschen gesetzlichen Krankenversicherungen erstattet.
EndoPredict®
EndoPredict ist ein GEP der zweiten Generation, der Gene berücksichtigt, die für frühe und auch späte Fernrezidive aussagekräftig sind. Bei EndoPredict handelt es sich um ein 12-Gen-Array mit acht informativen Brustkrebs-assoziierten Genen mit hoher Aussagekraft bezüglich des fernmetastasenfreien Überlebens, drei Referenzgenen (Normalisierungsgene) und einem weiteren Gen (HBB-Gen zum Nachweis von verbliebener genomischer DNA) für Patientinnen mit ER-positivem, HER2-negativem Mammakarzinom im Frühstadium, die nodal-negativ oder -positiv sind (N0, N1, Mikrometastasen).
Die Daten zur Genexpression alleine liefern den EP-Score von 0–10, wobei Werte bis 5 ein geringes Risiko für ein Fernrezidiv bedeuten, Werte über 5 ein hohes. Zusammen mit Tumorgröße und Nodalstatus liefert das GEP den EPclin-Score, der in mehreren Studien bei prä- und postmenopausalen Patientinnen verifiziert wurde [10–13]. Der Test identifizierte in allen Validierungsstudien konsistent zuverlässig eine große Niedrigrisikogruppe, also Frauen, die mit der alleinigen endokrinen Therapie eine gute Prognose hatten. Außerdem wurde in einer Analyse die Prädiktion des Chemotherapienutzens bei prä- und postmenopausalen Patientinnen gezeigt [14]. EndoPredict zeigt zusätzlich das Fernrezidivrisiko über bis zu 15 Jahre, lässt also eine Aussage über das mögliche Auftreten eines Spätrezidivs zu [11].
EndoPredict ist als CE-zertifiziertes IVD-Kit verfügbar und kann nach entsprechendem Training von der Molekularpathologie vor Ort dezentral durchgeführt werden. Der Test wird von den gesetzlichen und privaten Krankenkassen erstattet.
Prosigna®
Der Prosigna-Gensignaturtest war früher bekannt als PAM50 (Predictor Analysis of Microarray 50). Er analysiert die Aktivität von 50 Genen im FFPE-Brustkrebsgewebe. Auch Prosigna® ist ein GEP der zweiten Generation. Als einziger GEP erlaubt Prosigna auf Basis der PAM50-Gensignatur die Klassifizierung des Mammakarzinoms in einen der vier intrinsischen Subtypen (Luminal-A, Luminal-B, HER2-enriched oder basal-like). Außerdem kann mit dem GEP auch das Risiko einer Patientin für ein Fernrezidiv in den nächsten 10 Jahren ermittelt werden (Risk of Recurrence Score, ROR-Score). Für beides werden die Genexpressionsdaten zusammen mit klinischen und pathologischen Variablen gewichtet. Der ROR-Score erlaubt die Zuordnung zu einer von drei Risikogruppen für die Entstehung von Fernrezidiven (gering 0–10 %; intermediär 11–20 %; hoch > 20 %) als Basis für die Entscheidung bezüglich einer adjuvanten Chemotherapie.
Sowohl die retrospektiven Analysen von 1.478 postmenopausalen, nur mit einer adjuvanten endokrinen Therapie behandelten Patientinnen mit frühem hormonrezeptorpositivem Mammakarzinom der ABCSG-8-Studie [15] als auch von 1.017 ebensolchen Patientinnen der ATAC-Studie [16] belegen den klinischen Wert des Tests zur Bestimmung des Fernmetastasierungsrisikos. In beiden Studien lieferte Prosigna zusätzliche prognostische Informationen für die Wahrscheinlichkeit von Fernrezidiven innerhalb von 10 Jahren gegenüber den klinisch-pathologischen Standardparametern für Patientinnen mit und ohne Lymphknotenbeteiligung.
Der Prosigna-GEP ist seit 2012 CE-zertifiziert und seit 2013 von der amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) für den Einsatz beim frühen hormonrezeptorpositiven und HER2-negativen Mammakarzinom postmenopausaler Frauen zugelassen. Der Test wird auf dem nCounter®-Analysesystem durchgeführt. Der Prosigna-Test kann vor Ort von geschulten Patholog:innen durchgeführt werden; es bedarf keiner Versendung von Tumorproben in Zentrallabore. Auch vom G-BA ist der Gensignaturtest zugelassen; die Kosten werden also erstattet.
Breast Cancer IndexTM
Zur Beantwortung der Frage, ob eine erweiterte adjuvante endokrine Therapie mit Tamoxifen über einen gegenüber dem Therapiestandard verlängerten Zeitraum durchgeführt werden sollte, kann der Breast Cancer Index (BCI) herangezogen werden (AGO-Empfehlung mit +/-). Dieser ermöglicht auch eine prädiktive Aussage, ob die Patientin von der verlängerten adjuvanten Hormontherapie profitiert. Der Test analysiert die Aktivität von sieben Genen und besteht quasi aus zwei Biomarker-Panels: Für den Index zum molekularen Grading (MGI) werden fünf Gene analysiert und das Verhältnis zweier weiterer Gene, die HOXB13/IL17BR-Ratio oder kurz HI-Ratio, erlaubt eine Aussage zur Östrogenabhängigkeit und dem Ansprechen auf eine endokrine Therapie [17–19]. Die Integration von MGI und H/I führt zum prognostischen BCI-Score, der das Fernrezidivrisiko sowohl in den Jahren 0–10 als auch explizit in den Jahren 5–10 nach Diagnose in % wiedergibt [17, 18, 20]. Der Test liefert also ein prognostisches und auch ein prädiktives Ergebnis, das den Wert einer erweiterten adjuvanten Hormontherapie mit Tamoxifen über fünf Jahre hinaus bei nodalpositiven Patientinnen angibt [21]. Die Tests werden zentral im Labor von Biotheranostics, San Diego, CA, USA, durchgeführt.
Head-to-Head-Vergleiche der verschiedenen Testverfahren
Verschiedene Übersichtsarbeiten haben sich mit dem direkten Vergleich der verschiedenen GEP beschäftigt, deren Zusammenfassung schwierig ist, da teilweise ähnliche Ergebnisse [22] in der Risikoklassifizierung, teilweise aber auch deutliche Unterschiede gefunden wurden [23]. Eine retrospektive Biomarker-Analyse von Studiendaten kam zu dem Schluss, dass bei Patientinnen ohne Lymphknotenbeteiligung der Prosigna- ROR sowie BCI und EPclin sowohl die beste prognostische Aussagekraft für Rezidive insgesamt als auch für Spätrezidive hatten [12].
Festzustellen bleibt also, dass die Tests nicht austauschbar sind und nicht bei einer Patientin mehrere GEPs parallel zum Einsatz kommen sollten. Außerdem sollten alle Ergebnisse der Multigen-Assays nur im Kontext der individuellen klinischen und therapierelevanten Faktoren berücksichtigt werden.
Prostatakarzinom
Das Prostatakarzinom ist eine extrem heterogene Tumorerkrankung; Art und Geschwindigkeit der klinischen Tumorprogression unterscheiden sich folglich erheblich zwischen den Patienten. Um indolente von aggressiv wachsenden bzw. rezidivierenden Tumoren besser unterscheiden und Patienten einer individuelleren Therapie zuführen zu können, wird neben den aktuell gängigen Biomarkern der Bedarf an weiteren Biomarker diskutiert. So wurde vor Kurzem u. a. die Forderung nach einer verbesserten Risikostratifizierung als wichtiger „unmet need“ in der Forschung postuliert [24]. Ein Problem bei der Entwicklung prognostischer Genpanels für das Prostatakarzinom könnte die Multifokalität bereits bei primären Prostatakarzinomen mit daraus resultierender genomischer Heterogenität und unterschiedlicher Aggressivität der veschiedenen Tumorfoci bei ein und demselben Patienten darstellen [25, 26]. Konkret sollten v. a. Männer mit niedrigem Risiko, die sicher einer aktiven Überwachung (active surveillance) zugeführt werden können, noch besser als bisher von jenen abgegrenzt werden, die ein hohes Risiko haben, dass ihr Prostatakarzinom in ein fortgeschrittenes Stadium übergeht.
In den USA sind derzeit verschiedene kommerzielle Genpanels für Prostatakarzinome in verschiedenen Krankheitsstadien verfügbar:
- So soll mit der Keimbahntestung (Blut- oder Speichelprobe) mittels PROSTATENOW™ zum einen die Prognose von Männern mit lokal begrenztem Prostatakarzinom bestimmt werden können, zum anderen soll der Test auch prädiktiv für das Ansprechen auf die Therapie im fortgeschrittenen Stadium sein und außerdem das Risiko für Prostatakrebs bei gesunden Männern vorhersagen (https://geneticsnow.com/prostatenow/).
- Eine genomische Testung mit Decipher® Prostate verspricht eine genauere Risikostratifizierung für Männer mit lokal begrenztem Prostatakarzinom und eine verbesserte Therapieentscheidung. Der Test kann sowohl nach der Biopsie als auch nach einer erfolgten radikalen Prostatektomie zur Entscheidung über das Ausmaß der nötigen adjuvanten Therapie durchgeführt werden. Indiziert ist der Test für alle lokalen Stadien, wenn der Patient noch keine Bestrahlung des Beckens und noch keine Androgendeprivationstherapie erhalten und außerdem eine Lebenserwartung von mindestens 10 Jahren hat (https://decipherbio.com/).
- Ein weiterer prognostischer Test für frühe Prostatakarzinome ist Prolaris® von Myriad Genetics, der auf der Analyse von 46 Genen beruht (https://prolaris.com/).
- Auch ProMark® ist ein prognostischer Test, der die Aggressivität des Prostatakarzinoms bestimmen soll (http://www.metamarkgenetics.com/metamarkgenetics.com/patients-caregivers/our-services/promark.html).
- Der Oncotype DX Genomic Prostate Score Assay ist eine 17-Gen-Signatur (12 Prostatakrebs-assoziierte Gene und 5 Referenzgene), die die Therapieentscheidung für Männer mit lokal begrenztem Prostatakarzinom verbessern und die Aggressivität des Tumors bestimmen soll und außerdem das Risiko, nach 10 Jahren Metastasen zu entwickeln und an dem Prostatakarzinom zu versterben, sowie das Risiko eines biochemischen Rezidivs innerhalb der nächsten drei Jahre ermittelt (https://www.oncotypeiq.com/en-US/prostate-cancer/healthcare-professionals/oncotype-dx-genomic-prostate-score/about-the-test).
Mit dem auf der Analyse von 16 Genen basierenden Prolaris®-Test-Kit für lokal begrenzte Prostatakarzinome ist auch in Deutschland ein prognostischer Test zur Bestimmung der Aggressivität eines Prostatakarzinoms verfügbar. Der CE-zertifizierte Test kann dezentral in verschiedenen Pathologien an FFPE-Gewebe durchgeführt werden. Er bestimmt – wie der zentrale Test in den USA – das 10-Jahres-Risiko eines Patienten, bei konservativer Therapie an seinem Prostatakarzinom zu versterben sowie das 10-Jahres-Risiko, nach der definitiven Therapie (radikale Prostatektomie oder Radiotherapie) Metastasen zu entwickeln.
Auch die schwedische Firma Prostatype Genomics entwickelt einen Gen-expressionstest als Entscheidungshilfe für die bestmögliche individuelle Therapie, dessen Ergebnis zusammen mit klinischen Parametern den sogenannten P-Score ergeben (https://www.prostatypegenomics.com/).
Im klinischen Alltag in Deutschland spielen genomische Tests und Scores zur Risikostratifizierung beim Prostatakarzinom noch keine Rolle. Die EAU-Leitlinien bezeichnen die Tests zwar als vielversprechend, fordern aber weitere Daten. Die Tests sollten den Patienten nicht routinemäßig angeboten werden, sondern bestimmten Subgruppen vorbehalten bleiben wie Männern mit intermediärem Risiko, die sich für eine aktive Überwachung entscheiden würden [27]. Gemäß den aktuellen S3-Leitlinien sollten für die Abschätzung der Prognose in der Routineversorgung keine über die Pathomorphologie hinausgehenden weiterführenden Untersuchungen wie beispielsweise molekularbiologische Analysen durchgeführt werden [28].
Prognostische Genpanels bei Männern mit einem frühen Prostatakarzinom werden derzeit nicht von den deutschen Krankenkassen übernommen. Unter dem Aspekt prognostisch relevanter molekularer Testungen sollte allerdings die Testung auf BRCA1/2-Mutationen als Voraussetzung für die PARP-Inhibitor-Therapie bei Patienten mit metastasiertem, kastrationsresistentem Prostatakarzinom nicht unerwähnt bleiben. Patienten mit BRCA-Mutationen weisen per se eine ungünstigere Prognose auf, haben aber heute die Möglichkeit, therapeutisch von der PARP-Inhibition zu profitieren. Diese diagnostische Testung wird von den Leitlinien empfohlen und von den Kassen übernommen. Erbringt die BRCA-Testung zur Therapieplanung einen positiven Befund, kann dies im Falle einer Keimbahnmutation auch Implikationen für Familienmitglieder haben.
Weitere Tumorarten, bei denen prognostische Gentests entwickelt werden
In den USA ist für bestimmte Patient:innen mit einem Kolonkarzinom im Stadium II oder III auch der klinisch validierte Oncotype DX Colon Recurrence Score-Test kommerziell verfügbar, der 12 Gene (7 Tumor- und 5 Referenzgene) auswertet. Der Test zur Bestimmung des individuellen Rezidivrisikos wird von Medicare übernommen (https://www.oncotypeiq.com/en-US/colon-cancer/healthcare-professionals/oncotype-dx-colon-recurrence-score/about-the-test).
Von Decipher wurde der Decipher® Bladder Genomic Classifier entwickelt. Er dient der Bestimmung des molekularen Subtyps beim muskelinvasiven Blasenkarzinom und zur Identifizierung von Patient:innen, die von einer neoadjuvanten Chemotherapie (NAC) vor der radikalen Zystektomie profitieren. Der Test soll auch prädiktiv für den Nutzen der NAC sein (https://decipherbio.com/bladder/). Weder Medicare noch private US-Krankenversicherungen übernehmen die Kosten des Tests.
Fazit
Auch das genomische Profiling mit Multigenpanels zur Bestimmung von Prognose und Rezidivrisiko ist ein Schritt auf dem Weg zur Präzisionsonkologie. Diese Panels tragen dazu bei, Behandlungsstrategien zu individualisieren, um Patient:innen in frühen Tumorstadien mit adäquaten adjuvanten Therapien zu versorgen. Durch den Einsatz der Multigenassays kann bei vielen Frauen mit frühem Mammakarzinom der Einsatz unnötiger Chemotherapien minimiert und so ihre Lebensqualität bestmöglich erhalten werden.