Chronische lymphatische und akute myeloische Leukämie: Zielgerichtete Behandlungsstrategien im Fokus
Beim 63. Jahreskongress der American Society of Hematology (ASH) 2021 wurden u. a. aktuelle Ergebnisse zu chronischen lymphatischen (CLL) und akuten myeloischen Leukämien (AML) präsentiert. Im Nachgang zum Kongress wurden die Studiendaten beim virtuellen Münchener Fachpresse-Workshop diskutiert.
Das Behandlungsziel bei der CLL besteht darin, mit Chemotherapie-freien und zeitlich limitierten Therapien die Krankheit langfristig zu kontrollieren. Da die auf der CLL14-Studie basierende Kombination aus Obinutuzumab und Venetoclax zwar generell für die Primärtherapie der CLL zugelassen ist, aber nur bei unfitten Patient:innen geprüft wurde, wurde die CLL13-Studie für fitte Patient:innen ohne TP53-Mutationen aufgelegt. Die vierarmige Phase-III-Studie prüfte drei verschiedene auf ein Jahr begrenzte Anti-CD20-basierte und Venetoclax-haltige Kombinationsregime in der ersten Therapielinie: Rituximab/Venetoclax (RVe), Obinutuzumab/Venetoclax (GVe) oder Obinutuzumab, Ibrutinib und Venetoclax (GIVe) im Vergleich mit der klassischen FCR-Chemoimmuntherapie (bei über 65-Jährigen: Bendamustin/Rituximab) [1].
Deutlich tiefere Remissionen
Wie Prof. Clemens Wendtner, München, berichtete, war nach median 28 Monaten beim ersten ko-primären Studienendpunkt – der Rate an MRD-Negativität nach 15 Monaten (< 10-4) – der Unterschied zwischen GVe und FCR signifikant (MRD-Negativitätsrate 86,5 % versus 52,0 %; p < 0,0001); auch GIVe war mit 92,2 % überlegen (p < 0,0001), während RVe mit 57,0 % das Signifikanzniveau verfehlte [1]. „Mittels Next Generation Sequencing (NGS) konnte die Überlegenheit von GIVe und GVe vs. CIT auch auf einem hochsensitiven Niveau gezeigt werden. Allerdings kam es unter der Ibrutinib-haltigen Kombination vermehrt zu Grad-III- und -IV-Toxizitäten; so wurden insbesondere mehr Infektionen beobachtet“, resümierte Wendtner.
In der Phase-III-Studie GLOW hatte die Kombination Venetoclax/Ibrutinib (VenI) – auf ein Jahr begrenzt – das Risiko für Progression oder Tod versus einer Chemoimmuntherapie aus Chlorambucil Obinutuzumab (ClbO) um fast 80 % reduziert (HR 0,216; p < 0,0001). Beim ASH 2021 wurde die Rolle der MRD als Prognosefaktor für das progressionsfreie Überleben (PFS) evaluiert. Unter VenI erreichten drei Monate nach Ende der Behandlung mit 40,6 % über fünfmal mehr Patient:innen als im Kontrollarm (7,6 %) einen MRD-negativen Status (< 10-5); bei unmutiertem IGHV war der Unterschied noch deutlicher (45,5 % vs. 5,6 %) [2]. Zudem bestätigte sich nach einem medianen Follow-up von 34,1 Monaten ein überlegenes PFS unter VenI (80,5 % vs. 35,8 %; HR 0,212; p < 0,0001). „Die vielversprechende Kombination wird in der aktuell laufenden CLL17-Studie nun im Vergleich mit Ibrutinib-Monotherapie sowie Venetoclax plus Obinutuzumab evaluiert“, so Wendtner.
Praxisverändernde Daten bei der IDH1-mutierten AML
Im Fokus der Medikamentenentwicklung bei der AML stehen Patient:innen-Subgruppen mit Treibermutationen, für die neue zielgerichtete Substanzen entwickelt werden. Ein Highlight beim ASH 2021 war die randomisierte Phase-III-Studie AGILE, deren Daten als praxisverändernd gelten. Die Studie evaluierte die Kombination aus dem IDH1-Inhibitor Ivosidenib plus Azacitidin (IVO + AZA, n = 72) im Vergleich zu Placebo/Azacitidin (PBO+AZA, n = 74) bei Patient:innen mit neu diagnostizierter AML mit IDH1-Mutation, die aufgrund höheren Lebensalters und/oder Komorbiditäten nicht für eine Induktions-Chemotherapie infrage kamen [3]. Die Mutation betrifft 6–10 % der AML-Erkrankten. Wie Nico Gagelmann, Hamburg, berichtete, wurde nicht nur eine signifikante und klinisch relevante Verbesserung des ereignisfreien Überlebens (EFS, primärer Endpunkt) zugunsten der IVO+AZA-Gruppe erreicht (HR 0,33; p = 0,0011). Auch die relevanten sekundären Endpunkte einschließlich des OS (median 24,0 vs. 7,9 Monate; HR 0,44) waren signifikant und in klinisch bedeutsamem Ausmaß verbessert – bei günstigem Sicherheitsprofil [3].
Redaktion/Claudia Schöllmann
Virtueller Münchener Fachpresse-Workshop der POMME-med GmbH am 21.12.2022.