ESMO Breast - Auf dem Weg zur immer individuelleren Therapie

Dank des immer besseren Verständnisses der Tumorpathogenese ist es in den letzten Jahren gelungen, auf molekularer Ebene Zielstrukturen zu definieren, die sich diagnostisch und/oder therapeutisch nutzen lassen und den Weg zu einer an die Tumorbiologie angepasste Therapie ebnen. Das diesjährige "Breast Cancer Meeting" der europäischen Krebsgesellschaft ESMO (European Society of Medical Oncology), das aus gegebenem Anlass virtuell als Web-Konferenz stattfand, fokussierte auf dieses Thema.

Schlüsselwörter: Mammakarzinom, ZNS-Metastasen, Biomarker, Checkpoint-Inhibition, AKT-Inhibitor, Trastuzumab Deruxcetan, T-DXd, Docetaxel, Trastuzumab, Pertuzumab, Durvalumab, Ipatasertib, Paclitaxel

Die Zukunft der klinischen Onkologie sind multidimensionale Therapieansätze, die auf den einzelnen Patienten zugeschnitten sind, prognostizierte Prof. Fabrice André, Institut Gustave Roussy, Villejuif/Frankreich, in seiner Keynote-Lecture. In den letzten Jahren wurden zahlreiche genetische und genomische Veränderungen identifiziert, die der Tumorentstehung zugrunde liegen und das Proliferationsverhalten definieren. Die Strategie, Treibergene der Tumorentstehung zu detektieren und mit zielgerichteten Therapien auszuschalten, sei in Teilbereichen bereits in den klinischen Alltag implementiert, so André.
Diese Entwicklung gehe weiter: Molekulare Veränderungen und deren frühzeitige Detektion müssten genutzt werden, um bösartige Tumoren frühzeitig zu identifizieren. Biotechnologien werden nicht nur benötigt, um molekulare Zielstrukturen zu identifizieren, sondern auch, um Subklone nachzuverfolgen und eine mögliche Immuntoleranz sowie Re-sistenzmechanismen besser zu verstehen. Zudem sei die Biotechnologie wichtig, um Moleküle für eine zielgerichtete und individuelle Behandlung zu entwickeln. Innovative Moleküle, die bereits im klinischen Alltag angekommen sind, sind  die Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (ADC). Diese Technologie lasse sich ausbauen. André schloss nicht aus, dass es zukünftig möglich sein wird, Patienten mit einem individuell zugeschnittenen ADC zu behandeln.

ZNS-Metastasen beim HER2-positiven Mammakarzinom

Mit Trastuzumab Deruxtecan (T-DXd) befindet sich ein neues ADC für die Behandlung des HER2+ metastasierten Mammakarzinoms in der klinischen Prüfung. In den USA ist die Substanz bereits für Patientinnen mit mindestens zwei anti-HER2-basierten Vortherapien zugelassen.
In der zulassungsrelevanten Phase-II-Studie DESTINY-Breast01 hatte T-DXd bei besagten Patientinnen in gut 60 % der Fälle eine objektive Tumorrückbildung (ORR) und ein medianes progressionsfreies Überleben (PFS) von 16,4 Monaten erreicht. Das Besondere an der Studie war, dass auch Patienten mit stabilen ZNS-Metastasen eingeschlossen wurden. Die aktuelle Subgruppenauswertung zeigt für diese prognostisch besonders ungünstigen Patientinnen ein medianes PFS von 18,1 Monaten (Abb.1).

Auch die Ansprechrate (58,3 %) sowie die mediane Ansprechdauer (16,9 vs. 14, 8 Monate) lagen im Bereich der Gesamtpopulation. Eine primäre Progression im Gehirn hatten nur 8 % der mit T-DXd behandelten ZNS-metastasierten Patientinnen (Abstract PPS 138-O).

Neue Biomarker für eine pCR beim HER2+ Mammakarzinom?

Untersuchungen, die im Rahmen der PREDIX-HER2-Studie beim frühen HER2+ Mammakarzinom durchgeführt wurden, weisen auf neue prädiktive Marker für das Erreichen einer pathologischen Komplettremission (pCR) unter neoadjuvanter Therapie hin.
In der Studie war das ADC T-DM1 im neoadjuvanten Setting mit Docetaxel plus Trastuzumab/Pertuzumab verglichen worden. In beiden Studienarmen lag die pCR-Rate bei etwa 45 %. Sub-Auswertungen sollten weitere Aufschlüsse geben. Sie zeigten, dass Patientinnen, bei denen vor Therapiebeginn mindestens 10 % Tumor-infiltrierende Lymphozyten (TILs) im peripheren Blut nachweisbar waren, eine signifikant höhere Chance auf eine pCR hatten als jene mit einem niedrigeren TIL-Spiegel (pCR 52,2 % vs. 30,4%; p = 0,009).
Ein noch stärkerer Prädiktor für das Erreichen einer pCR war ein früher Abfall des SUVmax > 75 % in der Positronen-Emissions-Tomographie mit dem FDG-Tracer zur Bestimmung des Glukosestoffwechsels im Tumor (18F-FDG-PET). Über 70 % der Patientinnen, die bereits nach zwei Zyklen einen so deutlichen Abfall des SUV-Wertes zeig-ten, erreichten eine pCR versus 22,5 % bei einem geringeren Abfall (SUVmax ≤ 75 %) (Abstr. PPS2 97-O).

Anzahl der PD-L1-Genkopien als Prädiktor der Checkpoint-Inhibition

Eine explorative Analyse im Rahmen der randomisierten Phase-II-Studie SAPHIR02-IMMUNO bei Patientinnen mit metastasiertem Mammakarzinom, bei denen eine Erhaltungstherapie mit dem Immuncheckpoint-Inhibitor Durvalumab mit einer Chemotherapie-Erhaltung verglichen wurde, zeigt klare Vorteile für die Checkpoint-Blockade.
Zudem weisen die Daten auf neue prädiktive Biomarker für den Einsatz einer Immuntherapie hin: Bislang gelten das Fehlen einer Hormonrezeptor(HR)-Expression sowie die immunhistochemisch nachgewiesene PD-L1-Positivität auf den Immunzellen als prädiktive Faktoren für den Einsatz der Immuntherapie. In der SAFIR02-Studie wurde der prädiktive Wert einer veränderten Kopienzahl (CNA: copy number alteration) des PD-L1-Gens (CD274 auf 9p24.1 lokalisiert) untersucht.
Die explorative Analyse weist eine erhöhte PD-L1/CD274-Kopienzahl oder eine Amplifikation als prädiktiv für eine höhere Effektivität von Durvalumab aus. Sowohl das PFS als auch das Gesamtüberleben (OS) waren bei diesen Patientinnen im Durvalumab-Arm länger, und zwar sowohl bei der Gesamtpopulation (PFS: HR 0,47; OS: HR 0,17) als auch bei den Patientinnen mit triple-negativem Mammakarzinom (TNBC; PFS: HR 0,39; OS: HR 0,18). Eine signifikante Korrelation zwischen der PD-L1/CD274-Genkopienzahl und der immunhistochemisch bestimmten PD-L1-Expression zeigte sich nur bei der Bestimmung auf den Tumorzellen, nicht aber auf den Immunzellen. Beim HR+ metastasierten Mammakarzinom wiesen nur 10 % der Patientinnen einen PD-L1/CD274-Zugewinn an Genkopien bzw. eine Amplifikation auf, betonte Prof. Thomas Bachelot, Leon Berard Centre, Lyon/Frankreich (Abstract PP3 128-O).

Oraler AKT-Inhibitor beim TNBC in der klinischen Prüfung

Der PI3K/AKT-Signalweg ist beim Mammakarzinom häufig als Folge von PIK3CA- oder AKT-Mutationen sowie bei dem Verlust des Tumorsuppressors  PTEN aktiviert. Mit Ipatasertib befindet sich ein oraler Inhibitor des AKT-Signalweges in der klinischen Prüfung bei Tumoren mit einer hohen Prävalenz aktivierter PI3K/AKT-Signalwege.
In der Placebo-kontrollierten, randomisierten Phase-II-Studie LOTUS wurde Ipatasertib bei Patientinnen mit fortgeschrittenem TNBC in der Erstlinie zusätzlich zu Paclitaxel eingesetzt. Primärer Stu-dienendpunkt war das PFS. In der Studie profitierten Patientinnen mit veränderten PIK3CA/AKT/PTEN-Genen besonders deutlich (HR 0,44 vs. HR 0,60 in der Intent-to-treat(ITT)-Population).
Die jetzt vorgestellte finale Auswertung zum OS zeigt für die ITT-Population einen numerischen OS-Vorteil von 25,8 Monaten versus 16,9 Monaten
(HR 0,80). Die mediane Überlebenszeit von über 2 Jahren sei sehr bedeutungsvoll für Patientinnen mit  metastasiertem TNBC, erklärte Prof. Rebecca Dent, National Cancer Centre Singapore. Der numerische OS-Vorteil bestätigte sich für Patientinnen mit niedrigem PTEN (23,1 vs. 15,8 Monate) und jene mit PIK3CA/AKT1/PTEN-Veränderungen (25,8 vs. 22,1 Monate). Dent hob hervor, dass junge Patientinnen in einem Alter von unter 50 Jahren  mit einem medianen Überleben von 35,2 Monaten (vs. 15,1 Monate im Kontrollarm; HR 0,41) besonders deutlich profitierten.
Sie empfahl, die Kombination Ipatasertib/Paclitaxel vor dem Hintergrund der Daten weiter zu validieren (Abstract PPS 139-O).

Birgit-Kristin Pohlmann

 

Virtuelles Breast Cancer Meeting der European Society of Medical Oncology (ESMO Breast), 22.–24.05.2020.