BRAF
Krebserkrankungen entstehen, wenn Mutationen in kritischen Genen akkumulieren, die die normalen Programme von Zellproliferation, -differenzierung und -tod stören. Im vierten Teil unserer Biomarker-Serie widmen wir uns einer weiteren dieser onkologischen Treibermutationen an zentralen Punkten in zellulären Signalübertragungswegen – den Mutationen des BRAF-Gens, den für den Nachweis notwendigen molekularpathologischen Testverfahren und den sich aus der genetischen Alteration ergebenden therapeutischen Konsequenzen. Das BRAF-Gen (proto-oncogene B-Raf oder v-Raf murine sarcoma viral oncogene homolog B1) kodiert für die Serin/Threonin-Protein-kinase B-Raf, die durch die Mutation des BRAF-Gens konstitutiv aktiviert ist. Das Protoonkogen ist in mutierter Form bei einigen malignen Tumoren nachweisbar, u. a. beim malignen Melanom, kolorektalen Karzinom (CRC), nicht kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) sowie bei einigen glialen Hirntumoren und beim Schilddrüsenkarzinom. Bei diesen Tumoren spielt die molekularbiologische Untersuchung auf eine BRAF-Mutation eine wichtige Rolle für Diagnostik und Prognoseabschätzung sowie bei einigen Entitäten auch für die Therapieplanung. So bietet die das Tumorwachstum fördernde BRAF-V600-Mutation auch einen Angriffspunkt für eine zielgerichtete Therapie mit spezifischen Tyrosinkinase-Inhibitoren: den BRAF-Inhibitoren wie Vemurafenib, Dabrafenib und Encorafenib. Diese werden meist in Kombination mit MEK-Inhibitoren eingesetzt, die weiter "downstream" im Signalweg ansetzen. Bei Weitem am häufigsten tritt die BRAF-V600-Mutation beim Melanom auf. Hier gibt es auch die breiteste Zulassung für Therapien mit BRAF-Inhibitoren, während beim NSCLC bisher nur ein BRAF-Inhibitor für die Behandlung in der metastasierten Situation zugelassen ist. Beim CRC wurde vor Kurzem die Kombination aus BRAF- und EGFR-Inhibitor als erste zielgerichtete Therapie speziell für Patienten mit BRAF-V600E-mutiertem metastasiertem CRC zugelassen.
Schlüsselwörter: BRAF, Melanom, Kolorektalkarzinom, NSCLC, Schilddrüsenkarzinom, Gehirntumoren, BRAF-Inhibitor, MEK-Inhibitor, ImmunCheckpoint-Inhibitoren, Trametinib, Dabrafenib, Binimetinib, Encorafenib, Cobimetinib, Vemurafenib
BRAF steht für „B-rapidly accelerated fibrosarcoma“. Lokalisiert auf dem langen Arm von Chromosom 7 (7q34), kodiert das BRAF-Gen die aus 766 Aminosäuren bestehende gleichnamige zytoplasmatische Serin/Threonin-Kinase. Diese besteht aus drei konservierten Domänen (CR1–CR3), die charakteristisch für die Mitglieder der Raf-Kinasen-Familie sind. Eine Mutation des BRAF-Gens ist fast immer eine Punktmutation, betrifft Exon 15 – und hier hauptsächlich das Codon V600. Die häufigste Mutation führt zu einer T>A Nu-kleotidsubstitution im BRAF-Gen an der Position 1799, was zu einer Substitution von Valin durch Glutamat an der Position 600 führt (V600E-Mutation) [1–3]. Die Folge ist eine unkontrollierte Zellteilung, Angiogenese und Metastasierung, denn die Braf-Enzym-Kinase spielt eine Schlüsselrolle bei der Regulation von Wachstumssignalen des MAPK(Mitogen-aktivierte Protein-Kinase)-Signalwegs, über den Proliferation, Migration und Apoptose von Zellen beeinflusst werden (Abb. 1).

Mutationen im BRAF-Gen können somit zu einer Daueraktivierung des MAPK-Signalweges führen und zur Krebsentstehung beitragen. Bei etwa 7 % aller Krebserkrankungen liegt eine BRAF-Mutation vor, von denen die BRAF-V600E-Mutation mit 90 % am häufigsten auftritt [4].
Etwa 40 % aller malignen Melanome zeigen eine BRAF-V600-Mutation [5]. Beim metastasierten CRC geht man von einer Häufigkeit von 8–12 % aus [6–11]. Beim NSCLC lässt sich eine BRAF-V600-Mutation in nur 1–2 % der Fälle nachweisen [12]. Bei glialen Hirntumoren kommen BRAF-Mutationen in ca. 8 % der Fälle vor, wobei die Häufigkeit je nach Subtyp stark schwankt [13]. Beim papillären Schilddrüsenkarzinom weist etwa die Hälfte der Tumoren eine BRAF-V600-Mutation auf [14].
Die BRAF-Mutationsanalyse kann an Paraffinmaterial des Tumors oder an Plasma (Liquid Biopsy) durchgeführt werden, wobei bei der Untersuchung des Plasmas die Möglichkeit falsch negativer Befunde in Betracht gezogen werden muss. Mittels PCR lassen sich dann aus der genomischen DNA die relevanten Bereiche des BRAF-Gens vermehren und durch die DNA-Sequenzierung analysieren. Neben Real-time-PCR-basierten Plattformen kommen auch NGS-basierte Verfahren zum Einsatz.
BRAF-Mutationen beim Melanom
Beim malignen Melanom wird der RAS-RAF-MEK-ERK(MAPK)-Signalweg in etwa 40 % der Fälle durch ein mutiertes BRAF-Gen aktiviert, deutlich seltener durch ein mutiertes NRAS-Gen und in ca. 2–5 % der Fälle durch ein mutiertes KIT-Gen. Diese Mutationen sind in der Regel exklusiv. Das Melanom ist damit der solide Tumor, bei dessen Behandlung die Bestimmung des BRAF-Mutationsstatus aufgrund der großen Häufigkeit von
onkogenen Mutationen im BRAF-Gen heute die größte Rolle spielt. Ganz überwiegend handelt es sich bei den BRAF-Mutationen beim Melanom um die V600E-Mutation (Abb. 2).

Melanome mit einer BRAF-Mutation (Abb. 3) zeigen meist ganz bestimmte klinische Eigenschaften im Vergleich zu BRAF-Wildtyp-Tumoren.

BRAF-V600E-mutierte Melanome treten häufiger bei jüngeren Patienten auf, zeigen einen superfiziell spreitenden Subtyp und entstehen in Körperregionen mit intermittierender UV-Belastung wie Stamm und proximale Extremitäten [14]. Seltene BRAF-V600-Mutationen (insbesondere V600K und V600R) sind häufiger bei älteren Patienten beschrieben. Ob BRAF-mutierte Melanome eine andere Prognose haben als BRAF-Wildtyp-Melanome wird in der Literatur kontrovers diskutiert.
Die BRAF-V600-Mutation eröffnet aber bei Patienten mit fortgeschrittener Melanomerkrankung (momentan ab Stadium III) eine hocheffektive Therapie-option. Daher ist im Stadium III und IV eine molekulargenetische Testung auf Vorliegen aktivierender Mutationen im BRAF-Gen obligat.
Therapie mit BRAF- und MEK-Inhibitor-Kombinationen
Eine wichtige Rolle im MAPK-Signalweg spielt nicht nur BRAF; auch MEK ist eine bedeutende, BRAF-nachgelagerte Komponente im Signalübertragungsweg (downstream) (Abb. 1). So werden beim Melanom BRAF-Inhibitoren generell gemeinsam mit Inhibitoren der nachgeschalteten Kinase MEK eingesetzt (MEK-Inhibitoren), um die Wirkung zu verstärken. Hierbei ist zu betonen, dass die BRAF-Inhibitoren das V600-mutierte BRAF inhibieren, während MEK-Inhibitoren das normale, nicht mutierte MEK inhibieren. Daher können MEK-Inhibitoren grundsätzlich auch bei anderen Mutationen, die den Signalweg oberhalb von MEK einschalten, eingesetzt werden. Eine Studie bei Patienten mit metastasiertem Melanom und einer aktivierenden NRAS-Mutation verglich den MEK-Inhibitor Binimetinib mit der damaligen Standard-Chemotherapie Dacarbazin und konnte ein verbessertes progressionsfreies Überleben (PFS), aber kein verbessertes Gesamtüberleben (OS) im Binimetinib-Arm zeigen [15].
Metastasierte Situation
Bei Nachweis einer BRAF-V600-Mutation stellt die Kombination aus BRAF- und MEK-Inhibitor heute beim fortgeschrittenen/metastasierten Melanom eine Standardtherapie dar, wobei hierfür mit Dabrafenib + Trametinib, Vemurafenib + Cobimetinib und Encorafenib + Binimetinib drei Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Alle drei Kombinationen haben in ihren jeweiligen Zulassungsstudien [22–24] gute Überlebensdaten gezeigt; direkte randomisierte Vergleichsdaten zwischen den drei Kombinationen liegen nicht vor. Die Kombination von BRAF- und MEK-Inhibitor hat zu deutlichen Verbesserungen des progressionsfreien und des Gesamtüberlebens bei Patienten mit einem fortgeschrittenen Melanom gegenüber den BRAF-Monotherapien geführt [22, 23, 25–27]. Die Kombination Dabrafenib + Trametinib wurde in der offenen Phase-II-Studie COMBI-MB auch bei Melanom-Patienten mit BRAF-V600-Mutation und Hirnmetastasen untersucht und erzielte hohe intrakranielle Ansprechraten [28].
Kombination mit Immun-Checkpoint-Inhibitoren
In der kürzlich publizierten Studie IMspire150 führte die Erstlinientherapie mit Vemurafenib + Cobimetinib in Kombination mit dem PD-L1-Inhibitor Atezolizumab bei Patienten mit nicht-resezierbarem fortgeschrittenem Melanom mit BRAF-V600-Mutation zu einer signifikanten Verlängerung des PFS gegenüber Vemurafenib + Cobimetinib + Placebo.
Die IMspire150-Studie ist die erste Phase-III-Studie, die einen ImmunCheckpoint-Inhibitor in Kombination mit einer zielgerichteten Therapie mit einem BRAF- und einem MEK-Inhibitor untersucht hat [29]. Erste Daten der COMBI-I-Studie werden erwartet. Die Rekrutierung dieser Phase-III-Studie, die eine Erstlinientherapie mit dem Anti-PD1-Antikörper Spartalizumab (PDR001) in Kombination mit Dabrafenib und Trametinib versus Placebo, Dabrafenib und Trametinib bei Patienten mit nicht-resezierbarem oder metastasiertem Melanom mit BRAF-V600-Mutation untersucht, ist abgeschlossen.
Die Frage, ob eine erneute Behandlung mit einem BRAF-Inhibitor mit oder ohne MEK-Inhibitor nach vorangegangener Progression unter BRAF-Inhibitor-basierter Therapie sinnvoll ist, wurde zumindest retrospektiv untersucht und lässt sich vorsichtig positiv beantworten, vor allem bei denjenigen Melanom-Patienten, die auf die erste BRAF-Inhibitor-basierte Therapie mit einer kompletten Remission angesprochen hatten [30, 31].
Adjuvanz
Im Gegensatz zum fortgeschrittenen Melanom ist in der Adjuvanz nur eine BRAF-/MEK-Inhibitor-Kombination zugelassen, nämlich Dabrafenib in Kombination mit Trametinib. Grundlage für die Zulassung war die Phase-III-Studie COMBI-AD bei Patienten mit reseziertem BRAF-V600-mutiertem Melanom im Stadium III, die ein Jahr lang entweder Dabrafenib + Trametinib oder Placebo erhalten hatten. Die BRAF/MEK-Inhibitor-Kombination verlängerte das mediane PFS und OS signifikant [26, 32]. Auch das rezidivfreie und das Fernmetastasen-freie Überleben wurden signifikant verbessert [33]. Auf Basis dieser Daten aus der COMBI-AD-Studie wurde auch ein statistisches cure rate model generiert, das den Anteil der Patienten berechnet, bei denen es wahrscheinlich nicht zu einem Rezidiv kommt. Diese cure rate betrug 54 % im Dabrafenib + Trametinib-Arm gegenüber 38 % im Placebo-Arm [33].
Die auf dem virtuellen ASCO-Kongress 2020 gezeigte 5-Jahres-Analyse der COMBI-AD-Studie bestätigte einen Langzeitvorteil durch die adjuvante Therapie mit Dabrafenib + Trametinib [34].

Kolorektales Karzinom
Beim metastasierten kolorektalen Karzinom liegt bei 8–12 % der Patienten eine BRAF-Mutation vor, in etwa 95 % dieser Fälle eine BRAF-V600E-Mutation [35-37]. Die Prognose von Patienten mit BRAF-mutiertem CRC ist außerordentlich schlecht [35, 38]. CRC mit BRAF-Mutation kommen häufiger bei älteren Patienten und Frauen vor [39].
Pathologisch zeichnen sich die Tumoren durch eine schlechtere Differenzierung, eine muzinöse Histologie und Mikrosatelliteninstabilität (MSI) aus; die Tumoren sind zudem meist größer und finden sich häufiger im rechtsseitigen Kolon [30–42]. Bezüglich des Metastasierungsmusters finden sich bei BRAF-mutierten CRC eher peritoneale Metastasen als auf die Leber beschränkte Filiae oder Lungenmetastasen [43].
RAS- und BRAF-Mutationen schließen sich gegenseitig fast immer aus [44]. Möglichst noch vor Einleitung der Erstlinientherapie sollte im metastasierten Stadium eine Bestimmung von (ALL) RAS- und BRAF-Mutationen erfolgen [35].
Während eine BRAF-Mutation kein prädiktiver Biomarker für das Ansprechen auf eine Standard-Chemotherapie zu sein scheint, deuten einige Studien und neuere Meta-Analysen auf einen Zusammenhang zwischen BRAF-Mutation und reduziertem Ansprechen auf eine Anti-EGFR-Therapie hin [44, 45, 46]. Allerdings werden die Studien – auch aufgrund der schlechten Datenlage – kontrovers diskutiert. Es liegen auch gegenteilige Ergebnisse vor [47], sodass man davon ausgehen muss, dass der BRAF-Mutationsstatus das Ansprechen auf eine Anti-EGFR-Therapie nicht definitiv voraussagt [37].
Allerdings ist BRAF ja im Signalweg downstream des EGF-Rezeptors (Abb. 1), sodass es plausibel ist, wenn die Aktivierung des Signalwegs durch eine BRAF-Mutation das Ansprechen auf eine EGFR-gerichtete Therapie verringert. In jedem Fall ist eine alleinige EGF-Rezeptor-Inhibition als Behandlung für Patienten mit BRAF-V600E-Mutation nicht ausreichend wirksam.
Seit Juni 2020 zugelassen ist die Kombination aus Encorafenib und Cetuximab (siehe unten). Eine Anti-EGFR-Therapie wird nur beim metastasierten BRAF-Wildtyp-CRC empfohlen [48].
Therapie
Für Patienten mit metastasiertem BRAF-V600E-mutiertem CRC fehlte mit dem bislang verfügbaren therapeutischen Spektrum eine effektive Therapieoption. Die S3-Leitlinie empfiehlt, bei Vorliegen einer BRAF-V600-Mutation bei einem Patienten mit mCRC aufgrund der schlechten Prognose bereits frühzeitig eine intensivierte Chemotherapie einzuleiten, aber auch innovative Behandlungsansätze im Rahmen klinischer Studien frühzeitig in Betracht zu ziehen [35]. Im Gegensatz zum malignen Melanom konnte eine BRAF-Inhibitor-Monotherapie beim metastasierten CRC bisher nur eine begrenzte Wirksamkeit erzielen [49]. Vielversprechendere Ergebnisse zeigte in Studien die Kombination von BRAF- und EGFR-Inhibition [50–52]; auch die Kombination aus BRAF-, MEK- und EGFR-Inhibitor erwies sich als durchführbar und wirksam [53].
Eine aktuelle Analyse untersuchte bei CRC-Patienten mit BRAF-V600E-Mutation, die im Rahmen einer Phase-II-Studie eine Therapie mit Dabrafenib, Trametinib und Panitumumab erhielten, den Einfluss des BRAF-V600E-Mutations-Subtyps (BM-Subtyp) auf das Therapieansprechen. Beim BRAF-V600E-mutierten CRC finden sich zwei transkriptionale Hauptsubtypen: BM1 und BM2. Bei Patienten mit BM1-Subtyp zeigten sich eine bessere Ansprechrate sowie ein verlängertes medianes PFS und OS als beim BM2-Subtyp. Bei BM1 wurde eine größere Immunreaktivität beobachtet, beim BM2-Subtyp eine erhöhte Expression von Zellzyklus-Signaturen. Die Untersuchung kam zu dem Schluss, dass der BM-Subtyp signifikant mit dem Outcome einer Therapie mit Dabrafenib, Trametinib und Panitumumab assoziiert ist und als stand alone-prädiktiver Biomarker über den Mutationsstatus hinaus dienen kann. Daraus könnte sich ein noch nuancierterer Ansatz bei der zielgerichteten Therapie ergeben [54].
BRAF-/EGFR-Inhibitor-Kombination
Am 3. Juni 2020 wurde die Kombination des BRAF-Inhibitors Encorafenib und des Anti-EGFR-Antikörpers Cetuximab zur Behandlung von Patienten mit metastasiertem CRC und einer BRAF-V600E-Mutation nach Versagen einer vorangegangenen systemischen Therapie zugelassen. Damit steht diesen Patienten eine chemotherapiefreie Behandlung zur Verfügung. Grundlage der Zulassung sind die Ergebnisse der dreiarmigen BEACON-Studie, die eine signifikante Verlängerung des Gesamtüberlebens und eine signifikant höhere Ansprechrate unter Encorafenib, Binimetinib und Cetuximab gegenüber dem Kontrollarm (Irinotecan plus Cetuximab) zeigte [38]. Auch ohne den MEK-Inhibitor war das Gesamtüberleben unter Encorafenib plus Cetuximab signifikant länger als im Kontrollarm (im Median 9,3 Monate vs. 5,9 Monate; p < 0,001). Das Sterberisiko unter der Zweifachkombination war im Vergleich zur Chemotherapie-basierten Kontrollgruppe um 40 % reduziert [38].
NSCLC
Beim nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) wird lediglich in 1–2 % der Fälle eine BRAF-Mutation nachgewiesen. Bei etwa der Hälfte handelt es sich um V600-Mutationen, davon in der großen Mehrzahl V600E-, selten V600G-Mutationen [55]. Das BRAF-mutierte NSCLC ist jedoch offensichtlich eine heterogene Erkrankung mit drei verschiedenen funktionellen Klassen oder Subtypen. Die Subtypen II und III zeigten in einer Untersuchung ein aggressiveres klinisches Verhalten und ein schlechteres Outcome als Subtyp I. Um diesen molekularen Subtypen Rechnung zu tragen, könnten Klassen-/Subtypen-spezifische Therapien nötig sein [56].
35–40 % der Patienten mit NSCLC werden im Stadium IV diagnostiziert. Bei Patienten mit metastasiertem NSCLC sollte vor Beginn einer medikamentösen Erstlinientherapie die Erhebung von therapierelevanten Mutationen erfolgen, was u. a. die Testung auf BRAF-V600- Mutationen beinhaltet [57]. Bei Vorliegen einer BRAF-V600-Mutation sollte Patienten mit einem NSCLC im Stadium IV eine Therapie mit dem BRAF-Inhibitor Dabrafenib und dem MEK-Inhibitor Trametinib angeboten werden [57]. Dabrafenib/Trametinib kann in der Erst- oder Zweitlinientherapie eingesetzt werden. Direkte Vergleiche gegenüber Immunchemotherapien liegen nicht vor [57].
Gehirntumoren
BRAF-V600E-Mutationen treten bei neuroepithelialen Hirntumoren mit unterschiedlicher Häufigkeit von 2 bis > 50 % auf [13]. Maligne Gliome sind mit ca. 50 % die häufigsten primären Hirntumoren bei Erwachsenen. Sie werden in der neuen WHO-Klassifikation 2016 histomorphologisch und molekular-
genetisch definiert und in WHO-Grad I bis IV eingeteilt.
Bei Gliom-Subtypen treten BRAF-V600-Mutationen selten auf, sehr selten auch bei Glioblastomen. Häufig weisen das epithelioide Glioblastom, das anaplastische pleomorphe Astrozytom oder das Xanthoastrozytom eine BRAF-V600E-Punktmutation auf [58]. In der Literatur wurden beim pleomorphen Xanthoastrozytom Häufigkeiten von 38–100 % beschrieben, beim Ganglio-gliom 18–57 %, beim anaplastischen Gangliogliom 50 % und beim pilozytischen Astrozytom 9 %. Bei hoch mali-gnen Gliomen inklusive Glioblastom liegt die Häufigkeit unter 3 % [59].
Bei den WHO-Grad-I-Gliomen ist das pilozytische Astrozytom die häufigste Variante, die sich biologisch und klinisch deutlich von WHO-Grad-II-bis-IV-Gliomen unterscheidet, und damit als eigene Entität erkannt wird. Das pilozytische Astrozytom ist eine typische Erkrankung des Kindesalters und wird heute als Single Pathway Disease erkannt, da Tumoren dieses Typs durch eine Aktivierung des MAPK-Signalwegs gekennzeichnet sind. Ursächlich hierfür können BRAF-Mutationen sein. Therapie der Wahl ist die Resektion. Im Rezidiv kann bei Vorliegen einer BRAF-V600E-Punktmutation ein BRAF-Inhibitor eingesetzt werden [58]. Bei einigen Gliomen mit einer BRAF-V600E-Punktmutation ist diese prädiktiv für das Ansprechen auf BRAF-Inhibitoren [13, 60].
Allerdings gibt es zur Therapie von primären Hirntumoren noch keine Zulassung für einen BRAF-Inhibitor. So wurde auch noch nicht gezeigt, ob auch bei Hirntumoren die Kombination eines BRAF-Inhibitors mit einem MEK-Inhibitor weitere Vorteile bringt [58].
Die unverblindete, nicht-randomisierte VE-BASKET-Multi-Kohortenstudie untersuchte den BRAF-Inhibitor Vemurafenib bei verschiedenen Tumoren mit BRAF-V600-Mutation (ausgenommen maligne Melanome), unter anderem bei 24 Patienten mit verschiedenen Gliomen. Die objektive Ansprechrate betrug 25 %, das mediane PFS 5,5 Monate, wobei sich das Ansprechen zwischen den verschiedenen histologischen Subtypen stark unterschied [59].
Schilddrüsenkarzinom
Beim Schilddrüsenkarzinom ist die BRAF-V600E-Mutation nur beim papillären Schilddrüsenkarzinom zu finden, nicht in follikulären Schilddrüsenkarzinomen. Dem Nachweis einer BRAF-Mutation kommt beim Schilddrüsenkarzinom somit vor allem eine diagnostische Bedeutung zu. Außerdem ist die Mutation hier ein prädiktiver molekularer Marker für ein aggressives Tumorwachstum sowie für eine schlechte Prognose und hat damit eine Bedeutung für die Therapieplanung. Auch beim Schilddrüsenkarzinom ist noch kein BRAF-Inhibitor zugelassen. Der Multikinase-Inhibitor Sorafenib (Hemmung der RAF-Kinase) ist indiziert zur Behandlung von Patienten mit progressivem, lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem, differenziertem Schilddrüsenkarzinom, das gegenüber einer Radiojodtherapie refraktär ist.
Vemurafenib wurde in einer nicht-randomisierten, unverblindeten Phase-II-Studie bei 51 Patienten mit metastasiertem oder nicht-resezierbarem papillärem Schilddrüsenkarzinom mit BRAF-V600-Mutation untersucht, die refraktär auf eine Radiojodtherapie waren und teilweise mit einem VEGFR-Multikinase-Inhibitor vorbehandelt waren. 38,5 % der nicht mit einem Multikinase-Inhibitor vorbehandelten Patienten zeigten eine partielle Remission, 57,7 % eine Krankheitsstabilisierung [14].
Fazit
Die BRAF-V600-Mutation stellt eine Treibermutation dar, die bei verschiedenen Tumorentitäten wie dem malignen Melanom, dem NSCLC und dem CRC therapeutische Relevanz hat. Dabei kann der BRAF-Inhibitor auch in Kombination eingesetzt werden. So ist die BRAF
+ MEK-Inhibition mittlerweile beim Melanom und NSCLC Standard, beim CRC hat vor Kurzem die Kombination aus BRAF- und EGFR-Inhibitor die Zulassung bekommen. In der klinischen Prüfung befinden sich weitere Kombinationen, wie die Dreifach-Kombination aus BRAF-, MEK- und Checkpoint-Inhibitoren beim Melanom.