NTRK
Im Genom von Tumoren findet sich eine Vielzahl von Alterationen. Bis jetzt wurden vor allem Punktmutationen, -deletionen oder -amplifikationen entdeckt und als molekulargenetische Marker für die Präzisionsonkologie erforscht, weniger Genfusionen, die durch ein chromosomales Rearrangement entstehen. Ein molekulargenetischer Marker, der derzeit in den Fokus rückt und eine zielgerichtete, personalisierte Behandlung von Tumoren ermöglicht, betrifft Fusionen der neurotrophen Tyrosin-Rezeptor-Kinase(NTRK)-Gene. Die erst in jüngerer Vergangenheit erkannte und dokumentierte Bedeutung von Genfusionen beruht auf ihrem technisch gegenüber den o. g Alterationen aufwendigeren Nachweis. Erst durch Methoden der modernen Molekularpathologie wie die massive Parallelsequenzierung konnte in größerem Maße mit ausreichender Sensitivität nach Genfusionen gesucht werden. Da die NTRK-Genfamilie für Tropomyosin-Rezeptor-Kinasen (TRK) kodiert, führen NTRK-Genfusionen zur Expression von TRK-Fusionsproteinen, die den primären onkogenen Treiber bei TRK-Fusionstumoren darstellen. Im Gegensatz zu den Erfahrungen bei der zielgerichteten Therapie gegen z. B. BRAF- oder ERBB2-Alterationen zeigen TRK-Inhibitoren eine Wirksamkeit unabhängig von Lokalisation und histologischem Typ des Tumors und können daher Histologie-agnostisch eingesetzt werden. Der erste selektive TRK-Inhibitor Larotrectinib wurde bereits 2019 ohne Organbezug zugelassen, im Laufe des Jahres 2020 ist mit der Zulassung des TRK-/ROS1-Inhibitors Entrectinib zu rechnen.Mit den NTRK-Genfusionen und TRK-Fusionstumoren widmen wir uns im dritten Teil unserer Biomarkerserie somit einem onkogenen Treiber, der bei soliden Tumoren noch kaum in die entitäts-spezifischen Leitlinien aufgenommen wurde. Gleichwohl gibt es ein gemeinsames Positionspapier der DGHO und von weiteren medizinischen Fachgesellschaften mit entitätsübergreifenden Empfehlungen zu Diagnostik und Therapie sowie Empfehlungen der ESMO zur NTRK-Diagnostik im klinischen Alltag und in der Forschung.
Schlüsselwörter: Biomarker, NTRK, Larotrectinib, neurotrophe Tyrosin-Rezeptor-Kinase-Gene, Entrectinib, TRK-/ROS1-Inhibitor, NTRK-Genfusionen, TRK-Fusionstumoren
Im Genom von Tumoren findet sich eine Vielzahl von Alterationen. Bis jetzt wurden vor allem Punktmutationen, -deletionen oder -amplifikationen entdeckt und als molekulargenetische Marker für die Präzisionsonkologie erforscht, weniger Genfusionen, die durch ein chromosomales Rearrangement entstehen.
Ein molekulargenetischer Marker, der derzeit in den Fokus rückt und eine zielgerichtete, personalisierte Behandlung von Tumoren ermöglicht, betrifft Fusionen der neurotrophen Tyrosin-Rezeptor-Kinase(NTRK)-Gene. Die erst in jüngerer Vergangenheit erkannte und dokumentierte Bedeutung von Genfusionen beruht auf ihrem technisch gegenüber den o. g Alterationen aufwendigeren Nachweis. Erst durch Methoden der modernen Molekularpathologie wie die massive Parallelsequenzierung konnte in größerem Maße mit ausreichender Sensitivität nach Genfusionen gesucht werden. Da die NTRK-Gen-familie für Tropomyosin-Rezeptor-Kinasen (TRK) kodiert, führen NTRK-Genfusionen zur Expression von TRK-Fusionsproteinen, die den primären onkogenen Treiber bei TRK-Fusionstumoren darstellen.
Im Gegensatz zu den Erfahrungen bei der zielgerichteten Therapie gegen z. B. BRAF- oder ERBB2-Alterationen zeigen TRK-Inhibitoren eine Wirksamkeit unabhängig von Lokalisation und histologischem Typ des Tumors und können daher Histologie-agnostisch eingesetzt werden.
Der erste selektive TRK-Inhibitor Larotrectinib wurde bereits 2019 ohne Organbezug zugelassen, im Laufe des Jahres 2020 ist mit der Zulassung des TRK-/ROS1-Inhibitors Entrectinib zu rechnen.
Mit den NTRK-Genfusionen und TRK-Fusionstumoren widmen wir uns im dritten Teil unserer Biomarkerserie somit einem onkogenen Treiber, der bei soliden Tumoren noch kaum in die entitäts-spezifischen Leitlinien aufgenommen wurde. Gleichwohl gibt es ein gemeinsames Positionspapier der DGHO und von weiteren medizinischen Fachgesellschaften mit entitätsübergreifenden Empfehlungen zu Diagnostik und Therapie sowie Empfehlungen der ESMO zur NTRK-Diagnostik im klinischen Alltag und in der Forschung.
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Neurotrophe Tyrosin-Rezeptor-Kinase(NTRK)-Genfusionen sind zwar insgesamt sehr selten, sie sind jedoch starke onkogene Treiber. Die NTRK-Genfamilie kodiert für Tropo-myosin-Rezeptor-Kinasen (TRK), eine Familie von Tyrosin-Rezeptor-Kinasen mit drei Mitgliedern, den drei trans-membranären Proteinen TRKA, TRKB und TRKC. Diese werden von den Genen NTRK1, NTRK2 und NTRK3 kodiert [1].
Die NTRK-Genfamilie trägt in frühen Entwicklungsphasen unter anderem zur neuronalen Entwicklung und Differenzierung bei. Nach der Embryo-nalphase werden die NTRK-Gene vor allem in Zellen des Nervensystems exprimiert. NTRK1 (Chromosom 1q21-22), NTRK2 (Chromosom 9q22.1) und NTRK3 (Chromosom 15q25) sind damit vor allem Entwicklungsgene.
Genfusionen von NTRK-Genen führen zur Transkription von chimären TRK-Proteinen, die durch eine Kombination aus Überexpression und verstärkter Rezeptordimerisierung zu einer onkogen wirksamen Kinaseaktivierung führen [1]. Durch die ligandenunabhängige, konstitutive Aktivierung der Kinase-Domäne der TRK-Fusionsproteine werden verschiedene onkogene Signalwege dauerhaft aktiviert (Abb. 1).

Dies führt zu einer ungehemmten Zellproliferation und somit letztendlich zu TRK-Fusionstumoren. NTRK-Genfusionsereignisse treten zwischen NTRK1, 2 oder 3 und verschiedenen, nicht verwandten Genpartnern auf. Die onkogenen Rearrangements der NTRK-Gene entstehen aus der Fusion der 3`-Region eines NTRK-Gens und der 5`-Region eines anderen Gens durch intra- oder interchromosomale Umlagerung [1].
Bisher wurden mehr als 25 Fusionspartner der NTRK-Gene identifiziert [2, 4, 5]. Die erste Genfusion TPM3-NTRK1 wurde schon 1982 beim kolorektalen Karzinom berichtet [6]. NTRK-Genfusionen schließen sich mit anderen Genmutationen wie ALK und BRAF im Allgemeinen gegenseitig aus [7].
Prävalenz
TRK-Fusionstumoren gelten als ultra rare diseases [8]. Die Onkopedia-Leitlinien bezeichnen Genfusionen unter Einbeziehung der NTRK-Gene (NTRK1–3) als sehr seltene Subgruppe bei einer Vielzahl von Tumorarten. Beim NSCLC wird die Inzidenz mit 0,1 bis 0,3 % angegeben [9]. NTRK-Genfusionen wurden bisher bei über 30 verschiedenen soliden Tumoren nachgewiesen – neben dem NSCLC beim kolorektalen Karzinom, Schilddrüsenkarzinom, bei Sarkomen und verschiedenen pädiatrischen Tumoren (Tab. 1).

Allgemein sehr selten, sind sie bei folgenden seltenen Entitäten praktisch pathognomonisch und werden hier daher auch für diagnostische Zwecke eingesetzt:
• beim infantilen Fibrosarkom,
• beim kongenitalen mesoblastischen Nephrom, insbesondere vom zellulären Subtyp,
• beim sekretorischen Mammakarzinom, einer besonderen morphologischen Entität, die vorwiegend bei Kindern und jungen Frauen auftritt, aber mit unter 0,15 % aller Mammakarzinome sehr selten ist [10], sowie
• beim sekretorischen Speicheldrüsenkarzinom (Mammary Analogue Secretory Carcinoma, MASC).
Bei diesen Tumorentitäten sind die NTRK-Genfusionen pathognomonisch,
also kennzeichnend für diese Erkrankungen. Die chromosomale Translokation t(12;15)(p13;q25) mit dem Fusionsgen ETV6-NTRK3 wird bei bis zu 95 % von Patienten mit einem dieser seltenen Malignome nachgewiesen. ETV6 ist ein Transkriptionsfaktor, das Fusionsgenprodukt stimuliert den MAPK- und den PI3K/AKT-Signalübertragungsweg.
Die Translokation ETV6-NTRK3 wird auch beim Strahlentherapie-induzierten Schilddrüsenkarzinom beobachtet [11].
Diagnostik
Die NTRK-Diagnostik kann entweder mit dem Ziel des Nachweises einer NTRK-Genfusion als Voraussetzung für die Therapie mit einem TRK-Inhibitor erfolgen oder aber zur Sicherung der Dia-gnose bei Verdacht auf einen der seltenen Tumoren mit sehr hoher Prävalenz von NTRK-Genfusionen. Bruchpunkte von NTRK1, NTRK2 und NTRK3 und Fusionspartner sind allerdings hochvariabel [1, 3]; so ist aufgrund der Vielzahl von möglichen Fusionen von NTRK1, 2 und 3 die Detektion dieser Genfusionen eine Herausforderung. Von großer Bedeutung ist daher insbesondere das Verfahren des Next Generation Sequencing (NGS), bei dem vor allem RNA-basiert eine Vielzahl von genetischen Alterationen in einem einzigen Ansatz ermittelt werden kann. Die Wahl der geeigneten Testmethode richtet sich außerdem nach der Tumorentität sowie der Gewebe-qualität und -menge (Abb. 2).

Die Immunhistochemie (IHC) ist eine Routinemethode der Pathologie, in den meisten Laboren verfügbar, kostengünstig, materialschonend und sehr schnell. Sie wird allerdings nur für ein Vor-Screening bei Tumoren mit niedriger Prävalenz von NTRK-Genfusionen zum Nachweis von TRK-Proteinen empfohlen [14]. Der Einsatz der IHC zum Nachweis von TRK-Alterationen beruht zunächst auf der Tatsache, dass Fusionen in der Regel mit einer Proteinüberexpression einhergehen. Nachgewiesen wird jedoch ein Epitop in der zytoplasmatischen Domäne, das sowohl beim Wildtypprotein als auch beim chimären Protein des Tumors vorhanden ist. Daher ist zwar die Sensitivität in der Regel gut (> 90 %), doch die Spezifität kann stark eingeschränkt sein. Ein positives Ergebnis der IHC muss daher in einem zweiten Schritt immer mittels NGS oder FISH bestätigt werden [14]. Die ESMO nennt hierfür nur NGS als geeignete Methode [5].
Die Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) ist eine Routinemethodik in der Molekularpathologie und eine verbreitete und relativ schnelle Methode für Fusionsgen-Tests. FISH kann in der Regel nur eine Genfusion pro Probe nachweisen, sodass drei parallele FISH-Tests notwendig sind. Sie ist eine sensitive und spezifische Methode, die jedoch bei Vorliegen ungewöhnlicher Bruchpunktsituationen oder auch intrachromosomaler Fusionen mit geringem Bruchpunktabstand falsch negativ sein kann [5]. Im Gegensatz zur IHC erlaubt die FISH- Analyse keine Aussage, ob die detektierte Alteration zur Expression eines chimären Proteins geführt hat. Das bedeutet, dass mögliche posttranskriptionelle Ereignisse nicht berücksichtigt werden.
Auch die relativ kostengünstige
Transkriptase-Polymerase-Kettenreaktion (PCR) kann nur auf einzelne bekannte Genfusionen, zur Identifikation von bekannten Translokationspartnern und Bruchpunkten angewendet werden. Bislang nicht bekannte Fusionspartner oder Bruchpunkte sind nicht nachweisbar. Reverse Transkriptase-Polymerase-Kettenrektion(RT-PCR)-Assays erkennen wie auch RNA-basierte NGS Fusionen auf RNA-Ebene [15].
Mit Next Generation Sequencing (NGS) kann ein spezifischer onkogener Treiber wie die NTRK-Genfusion im Genom der Tumorzelle direkt nachgewiesen werden. Die Genomanalyse mittels NGS – entweder auf DNA- oder RNA-Ebene – erlaubt es, den genetischen Code von mehreren Genen gleichzeitig zu bestimmen. Beim NSCLC kann das „Multiplexing“ von Vorteil sein, denn es ist möglich, mehrere potentiell nutzbare Ziele wie NTRK, ALK oder ROS1 gleichzeitig zu prüfen. Abhängig vom eingesetzten Ausgangsmaterial (DNA/RNA) und der gewählten Technik (Amplicon-basiert vs. Hybrid Capture Assay) können so mit guter bis sehr guter Sensitivität TRK-Fusionen nachgewiesen werden. Das Verfahren ist kostenintensiver und zeitaufwendiger als die anderen Methoden; die Bearbeitungszeit beträgt zwischen 1 und 3 Wochen. Außerdem ist NGS nicht überall verfügbar. NTRK2 und 3 besitzen sehr große Introns und zahlreiche Bruchpunkte, was einen Nachteil für ein DNA-basiertes Genpanel darstellt. Mit RNA-basiertem NGS vermeidet man die Schwierigkeiten bei der Sequenzierung der großen Intron-Regionen in den NTRK-Genen. Wenn nicht routinemäßig eine NGS-Paneldiagnostik durchgeführt wird, müssen positive IHC-Befunde mit einem RNA/DNA-NGS-Panel bestätigt werden [5, 15].
Der Nachweis von NTRK-Gen-fusionen im Rahmen einer erweiterten molekularen Testung wird beim NSCLC bereits in den Onkopedia-Leitlinien der DGHO empfohlen: Vor Beginn einer medikamentösen Erstlinientherapie sollen bei NSCLC-Patienten im Stadium IV Therapie-relevante Mutationen erhoben werden, das schließt auch die Testung auf NTRK-Fusionen ein [9].
Auch die ESMO-Leitlinien empfehlen für NSCLC-Patienten im Stadium IV die Testung auf molekulargenetische Marker, inklusive der NTRK-Genfusionen [5]. Bei anderen Entitäten wird ebenfalls angestrebt, im metastasierten Stadium eine NTRK-Diagnostik durchzuführen. Auf NTRK sollte sowohl in klinischen Studien als auch in der klinischen Praxis in einem zweistufigen Ansatz getestet werden. In einem Prä-Screening kann zunächst die immunhistochemische Analyse zur Erkennung von TRK-Fusionsproteinen erfolgen. Zur Bestätigung ist im zweiten Schritt NGS indiziert [15, 16].
Tumorentitätsunabhängige Therapie mit TRK-Inhibitoren
TRK-Inhibitoren sind eine neue, wirksame Behandlungsoption für onkologische Patienten mit nachgewiesenen NTRK-Genfusionen in den Tumorzellen. Die Substanzen inhibieren die Signalübertragung der drei TRK-Proteine A, B und C. Die bislang beobachteten Ansprechraten sind hoch, die Wirkung tritt schnell ein [14]. Bisher ist mit Larotrectinib in Deutschland erst ein solcher Kinase-Inhibitor zugelassen, ein weiterer steht vor der Zulassung.
Larotrectinib
Larotrectinib wurde als erstes tumoragnostisches, d. h. primär durch die molekulare Alteration indiziertes, Arzneimittel in der EU zugelassen. Die Substanz wird als Monotherapie zur Behandlung von erwachsenen und pädiatrischen Patienten mit soliden Tumoren und nachgewiesener NTRK-Genfusion eingesetzt. Sie ist zugelassen bei lokal fortgeschrittener/metastasierter Erkrankung, für die keine zufriedenstellenden Therapieoptionen verfügbar sind [17]. Der erste Vertreter der Klasse der selektiven TRK-Inhibitoren hemmt die Signale von TRKA, -B und -C und zeichnet sich durch hohe TRK-Spezifität aus. Off-target-Effekte werden größtenteils vermieden [17–19].
Aktuelle Ergebnisse des erweiterten Datensatzes zu Larotrectinib mit insgesamt 159 Patienten (davon 153 auswertbar) aus einer gepoolten Analyse der 3 zulassungsrelevanten Studien der Phasen I und II zeigen ein hohes und langanhaltendes Ansprechen von Larotrectinib bei Erwachsenen und Kindern mit TRK-Fusionstumoren bei guter Verträglichkeit (Abb. 3) [20].

Die objektive Ansprechrate (ORR) lag bei 79 %, die mediane Dauer des An
sprechens (DoR) bei 35,2 Monaten. Das mediane Gesamtüberleben (OS) lag bei 44,4 Monaten, das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) betrug 28,3 Monate. Die Verträglichkeit von Larotrectinib während der langen Anwendungsdauer war gut und die Mehrzahl der unerwünschten Ereignisse mild (Grad 1 oder 2), Nebenwirkungen vom Grad 3 und 4 traten kaum auf [20]. Bei 260 unabhängig von ihrem TRK-Fusionsstatus mit Larotrectinib behandelten Patienten wurde die Sicherheit der Therapie untersucht: Die häufigsten therapieassoziierten Ereignisse von Grad 3 oder 4 waren erhöhte Alanin-Aminotransferase (ALT) (3 %), Anämie (2 %) und Neutropenie (2 %). Der Wachstumsmodulationsindex (Growth Modulation Index, GMI) – das Verhältnis zwischen der PFS-Zeit unter Larotrectinib und der Zeit bis zur Progression (TTP) der vorangegangenen Therapie – lag bei 66 % der Patienten unabhängig von Tumorart und Alter bei ≥ 1,33, was als Grenzwert für ein bedeutsames klinisches Ansprechen gilt. 60 % der Patienten erreichten einen GMI von > 2 [21]. Auch bei den 14 analysierten Patienten mit primären Hirntumoren und NTRK-Genfusion zeigte Larotrectinib Aktivität mit einer ORR von 36 % [22]. In einer gepoolten Analyse der Phase-I- und -II-Studien mit 11 NSCLC-Patienten lag die ORR bei 71 %, die mediane DoR bei 12,9 Monaten [23]. Bei den 14 Patienten mit gastrointestinalen Tumoren und NTRK-Genfusion lagen die ORR bei 43 % und das mediane OS bei 33,4 Monaten. Fast alle Patienten mit kolorektalem Karzinom (CRC) hatten neben der NTRK-Genfusion auch eine Mikrosatelliteninstabilität (MSI) [24].
Entrectinib
Ein zweiter NTRK-Inhibitor, Entrectinib, wurde von der US-amerikanischen Zulassungsbehörde FDA im August 2019, in Japan bereits im Juni 2019 zugelassen.
Die Indikation bei Patienten mit NTRK-Genfusionen entspricht der von Larotrectinib, allerdings bei pädiatrischen Patienten erst ab einem Alter von 12 Jahren. Zusätzlich wurde aufgrund der geringern NTRK-Selektivität im Vergleich zu Larotrectinib eine Zulassung für das ROS1-positive NSCLC erteilt. Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) hat Entrectinib 2017 in das PRIME-Programm (Priority Medicines) aufgenommen. Die Zulassung für die EU wird gegen Ende 2020 erwartet.
ROS1-Genfusionen treten bei 1–2 % der Patienten mit NSCLC auf [25, 26]. Patienten mit ROS1-Fusions-positivem NSCLC sind eher jünger und haben nie geraucht; das ZNS ist bei 47 % der erste und einzige Progressionsort [27]. Auch für Entrectinib wurde bei NTRK-Fusions-positiven Tumoren eine von der Tumorlokalisation unabhängige Wirksamkeit gezeigt [28]. Die Substanz hemmt die Kinaseaktivität der TRK-Proteine und von ROS1 [29, 30]. Entrectinib überwindet die Blut‐Hirn‐Schranke und ist nur ein schwaches Substrat des Efflux‐Transporters P‐Glykoprotein (P‐gp), wodurch sich Entrectinib in ausreichender Konzentration im ZNS befindet [31].
Die Wirksamkeit von Entrectinib wird in den Phase-I- und -II-Studien STARTRK-1, STARTRK-2 und ALKA- 372-001 untersucht, in die sowohl Patienten mit ROS1-Fusions-positivem NSCLC als auch mit NTRK-Fusions-positiven soliden Tumoren (10 verschiedene Entitäten mit mind. 19 verschiedenen Histologien) eingeschlossen sind [28, 32–34].
In einer integrierten Analyse der Studien (Datenschnitt 31.05.2018) lag die ORR bei 54 hinsichtlich der Wirksamkeit auswertbaren Patienten nach einer medianen Follow-up-Zeit von 12,9 Monaten bei 57 % [35]. Die mediane DoR betrug 10 Monate. Bei TKI-naiven, aber mit Chemotherapie vorbehandelten Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem ROS1-Fusions-positivem NSCLC lag die ORR bei 79,2% und die mediane DoR bei 24,6 Monaten [36]. Von 12 Patienten mit ZNS-Beteiligung (intra- und extrakraniell) zu Beginn der jeweiligen Studie erzielten 50 % ein partielles Ansprechen und 33 % eine Krankheitsstabilisierung. 55 % der Patienten mit Hirnmetastasen (n = 11) zeigten unter Entrectinib ein intrakranielles Ansprechen [35]. In den 3 Studien wurden konsistent eine gute Verträglichkeit und ein gut handhabbares Sicherheitsprofil beobachtet. Die meisten unerwünschten Ereignisse waren von Grad 1/2, meist reversibel und konnten durch Therapieunterbrechung oder Dosisreduktion gut gehandhabt werden. Die häufigsten Nebenwirkungen von Grad 3/4 waren Gewichtszunahme (10 % in der NTRK-positiven Sicherheitspopulation) und Anämie (12 %). Häufigste schwerwiegende Nebenwirkung waren Störungen des zentralen Nervensystems (4 %) [35].
Fazit
Immer mehr prädiktive genetische Marker bedingen eine immer intensivere molekulare Testung bei Tumorpatienten. Bereits die aktuelle Studienlage zeigt jedoch das hohe therapeutische Potential von NTRK-Genfusionen bzw. der daraus resultierenden Fusionsproteine.
Bei Tumoren mit niedriger Prävalenz von NTRK-Genfusionen wird spätestens während der letzten leitliniengerechten Therapielinie die NTRK-Diagnostik empfohlen [14], in den Leitlinien zur Therapie des NSCLC vor Beginn einer systemischen Therapie im metastasierten Stadium [9]. Klinisch durchaus berechtigt wird gegenwärtig im Expertenkreis eine möglichst frühe Testung (Upfront-Screening) für das NSCLC und andere Tumoren mit niedriger Frequenz an NTRK-Genfusionen gefordert. Dabei gilt, dass die Diagnostik zum Nachweis einer NTRK-Genfusion nur sinnvoll ist, wenn die Therapie mit einem NTRK-Inhibitor die bestverfügbare Therapie darstellen würde. Bei den seltenen Tumoren mit extrem hoher Frequenz hingegen kann der Nachweis der Fusion in histopathologisch unklaren Fällen diagnostisch wegweisend sein und ermöglicht vor allem bei diesen Tumoren die zielgerichtete und zumeist hocheffektive Therapie.