Fortgeschrittenes hepatozelluläres Karzinom: längeres Gesamtüberleben durch Ramucirumab
Patienten mit fortgeschrittenem hepatozellulärem Karzinom (HCC) und erhöhtem Alpha-Fetoprotein (AFP; mindestens ≥ 400 ng/ml) können von Ramucirumab profitieren: Mit dem Angiogenese-Hemmer lässt sich auch bei HCC-Patienten, bei denen die Erkrankung unter Sorafenib fortgeschritten ist, noch das Gesamtüberleben verlängern.
In Deutschland treten rund 9.100 Leberkrebs-Neuerkrankungen pro Jahr auf, bei ca. 8.000 Todesfällen [1]. Wie Prof. Dr. Peter Galle von der Universität Mainz berichtete, steigen hier sowohl Inzidenz als auch Mortalität. Denn anders als bei anderen Tumorentitäten sind für die Behandlung des HCC in den letzten Jahren nur wenige Fortschritte erzielt worden – obwohl die Patienten bei Diagnosestellung meist schon schwerkrank sind. Das HCC entwickelt sich meist auf dem Boden einer chronischen Lebererkrankung, die in eine Zirrhose mündet. Ursachen sind vor allem die Alkoholhepatitis und eine Hepatitis C. Da für die Hepatitis C heutzutage eine reelle Heilungschance besteht, wird nach Ansicht von Galle der Risikofaktor NASH (nicht-alkoholische Steato-Hepatitis), wie sie bei Diabetikern und Adipösen auftritt, an Gewicht gewinnen.
In dieser palliativen Situation gab es bis 2007 nur die lokoregionäre Therapie mit TACE (Transarterielle Chemoembolisation) oder als letzte Möglichkeit die Lebertransplantation. 2007 wurde mit Sorafenib erstmals eine Systemtherapie beim HCC eingeführt.
Für die Tumorangiogenese sind insbesondere die VEGF-Rezeptoren 1 und 2 relevant, der VEGFR-2 gilt als wichtigster Mediator [2]. Wird nun VEGFR-2 mit einem monoklonalen Antikörper wie Ramucirumab (Cyramza®) blockiert, wird die Energieversorgung des Tumors reduziert und das Wachstum gestoppt. Dass dies funktioniert, hat der VEGFR-2-Antagonist schon beim Adenokarzinom des Magens, beim Kolorektalkarzinom und beim fortgeschrittenen nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) unter Beweis gestellt. Bei einem hypervaskularisierten Tumor wie dem hepatozellulären Karzinom (HCC) erscheint eine Therapie mit einem Angiogenese-Hemmer ebenfalls aussichtsreich.
REACH-Studie mit zunächst enttäuschendem Ergebnis
Daher wurde in der REACH-Studie geprüft, ob Patienten mit einem fortgeschrittenen HCC von Ramucirumab in der Zweitlinientherapie profitieren können. Wie Prof. Dr. Arndt Vogel von der Medizinischen Hochschule Hannover berichtete, war das Ergebnis dieser REACH-Studie zunächst enttäuschend: Das primäre Studienziel, die Verlängerung des Gesamtüberlebens unter Ramucirumab, wurde nicht erreicht. Bei den Subgruppen-Analysen fiel jedoch eine Patientengruppe auf: Die REACH-Teilnehmer mit einem AFP-Wert von über 400 ng/ml wiesen eine Überlebensverlängerung von median 4,2 auf 7,8 Monate auf (Hazard Ratio 0,67; 95%-Konfidenzintervall 0,51–0,89; p = 0,0059; [3]).
Gute Wirkung bei hohen AFP-Spiegeln
Diesen Umstand hat man in der Folge in der REACH-2-Studie näher untersucht. Dafür wurden nur Patienten mit AFP-Spiegeln von mehr als 400 ng/ml eingeschlossen. Alle 292 Patienten in REACH-2 hatten ein fortgeschrittenes Leberzellkarzinom (BCLC-Stadium [Barcelona Clinic Liver Cancer] B/C) mit relativ guter Leberfunktion (Child-Pugh A). Zudem war bei diesen Patienten das HCC nach oder während einer Erstlinientherapie mit Sorafenib weiter fortgeschritten [4]. Die Studienteilnehmer erhielten – im Verhältnis 2 : 1 randomisiert – in zweiwöchigen Zyklen entweder eine Therapie mit Ramucirumab (8 mg/kg Körpergewicht i. v. an Tag 1) oder Placebo.
Unter Ramucirumab wurde im Vergleich zum Kontrollarm eine signifikante Verlängerung des Gesamtüberlebens (OS: median 8,51 versus 7,29 Monate; HR 0,71; 95%-KI 0,53–0,95; p = 0,0199) und des progressionsfreien Überlebens (PFS: median 2,83 versus 1,61 Monate; HR 0,45; 95%-KI 0,34–0,60; p < 0,0001) erzielt [4]. Eine Krankheitskontrolle (komplette oder partielle Remission sowie stabile Erkrankung) erreichten im Ramucirumab-Arm fast 60% der Patienten, in der Kontrollgruppe nur knapp 40% (p = 0,0006; [4]).
Die Metaanalyse von REACH und REACH-2 zeigte im Vergleich zum Placeboarm eine signifikante Verlängerung des Gesamtüberlebens um mehr als drei Monate im Ramucirumab-Arm [5]. Das Mortalitätsrisiko wurde um 31% reduziert [4].
Gute Verträglichkeit
In beiden REACH-Studien erwies sich die Ramucirumab-Monotherapie als gut verträglich, betonte Vogel. Signifikant häufiger war im Vergleich zur Placebogruppe vor allem eine Proteinurie (18,7% vs. 5,4%), die die Therapie limitieren kann. Häufig entwickelten die Studienteilnehmer unter Ramucirumab auch einen Bluthochdruck (21,5% vs. 9%; [4]). Die Patienten der Verumgruppe klagten auch häufiger über Kopfschmerzen (16,8% vs. 6,3%) – vermutlich durch den Hochdruck bedingt, so Vogel. Dennoch beeinträchtige dieses insgesamt günstige Nebenwirkungsprofil die Lebensqualität der ohnehin schwerkranken Patienten nicht noch weiter.
In seinem Fazit betonte Vogel den großen Behandlungsfortschritt, den die Therapie mit dem Angiogenese-Hemmer Ramucirumab für die Patienten mit fortgeschrittenem HCC bedeutet. Außerdem habe die klinische Forschung noch ein weiteres wichtiges Ergebnis gebracht: Mit dem AFP-Wert über 400 ng/ml steht erstmals ein prädiktiver Marker bei Patienten mit fortgeschrittenem HCC zur Verfügung.
Angelika Ramm-Fischer
Launch-Pressekonferenz „Ramucirumab: Neue Perspektiven für Patienten mit fortgeschrittenem oder nicht resezierbarem hepatozellulärem Karzinom (HCC)“ am 21.08.2019 in Bad Homburg, veranstaltet von Lilly Deutschland GmbH, Bad Homburg.