Neuigkeiten zur Behandlung urologischer Tumoren
Genitourinary Cancers Symposium 2019 (ASCO-GU), San Francisco
Wir erleben derzeit eine spannende Phase der Erweiterung von Therapieoptionen über nahezu alle Tumorentitäten. Auch bei den urologischen Tumoren werden, insbesondere durch Fortschritte der Immunonkologie, neue Therapieoptionen und -algorithmen diskutiert. Aber auch die etablierten Therapiestrategien entwickeln sich weiter und führen zu besser verträglichen Behandlungen sowie zu einer verbesserten Anwendung. Beim Genitourinary Cancers Symposium der American Society of Clinical Oncology (ASCO-GU) in San Francisco wurden viele wichtige Ergebnisse aus aktuellen klinischen Studien präsentiert.
Nierenzellkarzinom
Immunonkologische Kombination ist TKI-Standard überlegen
Die Kombination der zwei Immuncheckpoint-Inhibitoren Nivolumab und Ipilimumab ist als Erstlinientherapie für Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom (RCC) und mittlerem oder hohem Risiko zugelassen – auf der Basis einer Überlegenheit gegenüber Sunitinib bezüglich des Gesamtüberlebens (OS), die in der randomisierten Phase-III-Studie CheckMate-214 gezeigt werden konnte. Beim ASCO-GU wurde die erweiterte Wirksamkeits- und Sicherheitsanalyse für die 1.096 Patienten der ITT-Population mit einer verlängerten Nachbeobachtungszeit von median 32,4 Monaten präsentiert [1]. 847 der eingeschlossenen Patienten wiesen ein mittleres oder hohes Risiko auf. Bei ihnen fand sich eine konsistente Verbesserung der Wirksamkeit unter der Immunkombination gegenüber Sunitinib auch noch nach 30 Monaten: Unter der Immun-Kombinationstherapie waren noch 60%, unter Sunitinib nur 47% der Patienten am Leben (Hazard Ratio 0,66; p < 0,0001; Abb. 1), 28% versus 12% der Patienten lebten noch ohne Progress (HR 0,77; p = 0,0014), und die Ansprechraten auf die beiden Protokolle lagen bei 42% versus 29% (p = 0,0001) mit 11% versus 1% Komplettremissionen bei den Patienten mit mittlerem und hohem Risiko. Für die Subgruppe der Patienten mit geringem Risiko fanden sich für keine der genannten Zielgrößen signifikante Unterschiede. Mit der längeren Nachbeobachtungszeit wurden keine neuen Sicherheitssignale beobachtet. Therapie-assoziierte unerwünschte Ereignisse waren mit 94% vs. 97% ähnlich häufig, Therapie-assoziierte Nebenwirkungen vom Grad 3–4 traten unter der Immun-Kombination mit 47% vs. 64% seltener auf, und dann vorwiegend in den ersten beiden Monaten der Behandlung.

Kombination von Immuntherapie und TKI erweist sich als effektiv
Mit Spannung wurden die Daten zur Kombination eines PD-1-Inihibitors mit einem Tyrosinkinaseinhibitor (TKI) erwartet. Eine erste Phase-Ib-Studie zur Kombination von Pembrolizumab und Axitinib in der Erstlinientherapie des fortgeschrittenen RCC hatte vielversprechende Ergebnisse bezüglich OS und PFS gezeigt und damit Hinweise auf sich gegenseitig verstärkende Effekte von Immuncheckpoint-Inhibition und Antiangiogenese gegeben. In der randomisierten Phase-III-Studie KEYNOTE-426 wurde das Potential von Pembrolizumab (200 mg i. v. q3w, maximal 35 Zyklen) plus Axitinib (2 x 5 mg/d) im Vergleich zu Sunitinib bei 861 therapienaiven Patienten mit fortgeschrittenem oder metastasiertem RCC untersucht [2]. Etwa zwei Drittel der eingeschlossenen Patienten wiesen ein mittleres oder hohes Risiko auf. Primärer kombinierter Endpunkt waren OS und PFS.
Mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 12,8 Monaten zeigte sich eine signifikante Überlegenheit der Kombination gegenüber Sunitinib mit einer OS-Rate nach 12 bzw. 18 Monaten von 89,9% versus 78,2% bzw. 82,3% versus 71,1% (HR 0,53; p < 0,0001). Ohne Progress am Leben waren nach 12 bzw. 18 Monaten 59,6% versus 46,2% bzw. 41,1% versus 32,9% der Patienten (medianes PFS 15,1 vs. 11,1 Monate; HR 0,69; p = 0,0001). Auch für die objektive Ansprechrate zeigte sich mit 59,3% versus 35,7% ein signifikanter Vorteil zugunsten der neuen Kombination (p < 0,0001). Im Vergleich zu Sunitinib wurde dieser Vorteil der Kombinationstherapie konsistent über alle Subgruppen beobachtet, d. h. unabhängig von IMDC-Risikoprofil oder PD-L1-Expression. Die Toxizität war in beiden Studienarmen vergleichbar.
Prostatakarzinom
Enzalutamid plus ADT verlängert PFS beim hormonsensitiven Prostatakarzinom
Bei Männern mit metastasiertem hormonsensitivem Prostatakarzinom kommt es unter einer alleinigen Androgendeprivations-Therapie (ADT) häufig binnen ein bis drei Jahren zu einem Progress. In der randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Phase-III-Studie
ARCHES wurde bei 1.150 Patienten mit metastasiertem hormonsensitivem Prostatakarzinom der Androgenrezeptor-Inhibitor Enzalutamid (160 mg/d) in Kombination mit ADT gegen die alleinige ADT geprüft [3]. Eingeschlossen wurden sowohl High- als auch Low-Volume-Patienten gemäß den CHAARTED-Kriterien sowie solche mit oder ohne vorherige Docetaxel-Therapie. Primäres Ziel der Studie war der Nachweis einer Verlängerung des radiologischen progressionsfreien Überlebens (rPFS).
Im Ergebnis führte die Kombination der ADT mit Enzalutamid zu einer signifikanten Verlängerung des rPFS mit einer Reduktion des Risikos für radiologische Progression oder Tod um 61% (HR 0,39; p < 0,0001; Abb. 2). Dieser Vorteil zeigte sich mit einer Reduktion um zwischen 47% und 80% in allen Subgruppen und unabhängig vom Krankheitsvolumen oder einer Docetaxel-Vortherapie. Auch sekundäre Endpunkte wie die Zeit bis zur PSA-Progression (HR 0,19), die Zeit bis zur ersten antineoplastischen Therapie (HR 0,28), die Rate an nicht mehr detektierbarem PSA (50,5%) und die objektive Ansprechrate (19,3%) deuteten auf einen signifikanten Vorteil der zusätzlichen Enzalutamid-Gabe hin (alle Vergleiche p < 0,0001), ohne dass dabei die Lebensqualität signifikant beeinträchtigt worden wäre. Das Sicherheitsprofil der Kombination aus Enzalutamid und ADT war konsistent mit dem aus früheren Studien bei Männern mit kastrationsresistentem Prostatakarzinom (CRPC).

Neuer AR-Antagonist wirksam beim nicht-metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinom
Der Androgenrezeptor-Antagonist Apalutamid verlängerte in der randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Phase-III-Studie SPARTAN mit 1.207 Patienten mit nicht metastasiertem (M0) CRPC und einer PSA-Verdopplungszeit von ≤ 10 Monaten gegenüber Placebo signifikant das fernmetastasenfreie Überleben (MFS; median 40,5 vs. 16,2 Monate; HR 0,28). Des Weiteren war eine signifikante Verlängerung des PFS (HR 0,29), der Zeit bis zur Metastasierung (HR 0,27) und der Zeit bis zum symptomatischen Progress zu beobachten (HR 0,45). Die Abbruchrate betrug unter Apalutamid 10,6% versus 7,0 % im Placeboarm.
Beim ASCO-GU wurden nun die Daten mit einer zusätzlichen Nachbeobachtungszeit von zwölf Monaten im Hinblick auf die Patienten präsentiert, die nach der Entblindung der Studie auf Apalutamid verblieben waren oder von Placebo auf Apalutamid gewechselt hatten [4]. Die mediane Behandlungsdauer unter Apalutamid betrug 25,7 Monate und unter Placebo 11,5 Monate. Der Hauptgrund für ein Absetzen der Therapie war die Progression des Prostatakarzinoms (53% vs. 73%). Patienten mit Nachweis einer Metastasierung (60% vs. 79%) erhielten daraufhin eine systemische Therapie mit zumeist Abirateron. Patienten im Apalutamid-Arm hatten auch nach Metastasierung eine verlängerte progressionsfreie Zeit (PFS2) mit einer Reduktion des Risikos für eine sekundäre Progression oder Tod um 50% (HR 0,50). Daraus schlossen die Autoren, dass mit einem frühen Einsatz von Apalutamid eine höhere Effektivität erreicht werden kann als mit dem Einsatz nach bereits erfolgter Metastasierung. Das Sicherheitsprofil blieb unverändert, es kam nicht zu einem Anstieg der kumulativen Toxizität.
Weniger Nebenwirkungen unter effektiver AR-gerichteter Therapie
Aufgrund seiner andersartigen Molekülstruktur werden mit dem Androgenrezeptor-Antagonisten Darolutamid weniger Nebenwirkungen im Vergleich zu anderen Medikamenten dieser Substanzklasse erwartet. In der randomisierten, doppelblinden Phase-III-Studie ARAMIS wurde bei 1.509 Männern mit nicht-metastasiertem CRPC Darolutamid in Kombination mit ADT gegen Placebo geprüft [5]. Primärer Endpunkt war das MFS.
Mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 17,9 Monaten führte Darolutamid gegenüber Placebo zu einer signifikanten Verlängerung des MFS von 18,4 auf 40,4 Monate (HR 0,41; p < 0,001; Abb. 3). Das Risiko für Fernmetastasen und Tod verringerte sich in allen Subgruppen – einschließlich der Patienten mit einer PSA-Verdopplungszeit von weniger oder mehr als sechs Monaten. In einer Interimsanalyse zum Gesamtüberleben war Darolutamid mit einer Risikoreduktion um 45% assoziiert (HR 0,71; p = 0,045), das progressionsfreie Überleben wurde ebenso signifikant verlängert (median 36,8 vs. 14,8 Monate; HR 0,38; p < 0,001) wie die Zeit bis zur Schmerzprogression (median 40,3 vs. 25,4 Monate; HR 0,65; p < 0,001). Die Lebensqualität blieb unter Darolutamid erhalten. Zudem wurde ein vorteilhaftes Sicherheitsprofil ohne relevante Zunahme von Stürzen, Frakturen, kognitiven Störungen, Epilepsie oder Hypertonie berichtet. Die Rate von Studienabbrüchen bewegte sich auf dem Niveau der Placebogruppe (8,9% vs. 8,7%), sodass Darolutamid beim nicht-metastasierten CRPC eine vielversprechende Therapieoption darstellt.

Anti-PD-1/PARP-Kombination beim metastasierten CRPC im Fokus
Für mit Docetaxel vorbehandelte Männer mit metastasiertem CRPC gibt es nur wenige Therapieoptionen. Für den PD-1-Inhibitor Pembrolizumab liegen erste positive Studiendaten bei Patienten mit vorbehandeltem PD-L1-positivem, fortgeschrittenem und Docetaxel-resistentem mCRPC vor. Der PARP-Inhibitor Olaparib zeigte ebenfalls eine anti-tumorale Aktivität bei vorbehandelten Patienten mit mCRPC. In der Phase-I/II-Studie KEYNOTE-365 werden verschiedene Pembrolizumab-Kombinationstherapien bei mCRPC geprüft. In der aktuell beim ASCO-GU vorgestellten Kohorte A erhielten 42 mit Docetaxel vortherapierte Patienten Pembrolizumab (200 mg i. v., q3w) in Kombination mit Olaparib (2 x 400 mg/d; [6]).
Die Kombination erwies sich als gut verträglich und zeigte vielversprechende Aktivität in dieser nicht bezüglich der PD-L1-Expression selektierten Patientenkohorte. Das Sicherheitsprofil der Pembrolizumab/Olaparib-Kombination war konsistent mit jenem der Einzelsubstanzen. Die häufigsten therapieassoziierten Nebenwirkungen von Grad 3–4 waren Anämie (27%), Fatigue, Asthenie und Neutropenie (je 7%). Alle immunvermittelten Nebenwirkungen waren von Grad 1–2. Am häufigsten wurde eine Hypothyreose beobachtet (bei 5% der Patienten). Die PSA-Ansprechrate – der primäre Wirksamkeits-Endpunkt – betrug 12% im Gesamtkollektiv. Patienten mit zu Studienbeginn messbarer Erkrankung zeigten in 14% der Fälle ein PSA-Ansprechen und eine mediane Zeit bis zur PSA-Progression von 15,3 Wochen. Ein radiologisches Ansprechen nach den RECIST-Kriterien wurde bei diesem Patientenkollektiv in 7% der Fälle beobachtet. In der Gesamtkohorte betrug das mediane radiologische progressionsfreie Überleben 4,7 Monate, das mediane Gesamtüberleben 13,5 Monate. Die Ergebnisse sprechen für die weitere Evaluation der Kombination aus Pembrolizumab und Olaparib bei mit Docetaxel vorbehandelten Patienten mit mCRPC.
Urothelkarzinom
Auch ältere Patienten profitieren von Immuntherapie
Das lokal fortgeschrittene oder metastasierte Urothelkarzinom wird vor allem im höheren Alter diagnostiziert. Kommt eine Cisplatin-basierte Chemotherapie oder auch ein alternatives Carboplatin-basiertes Regime als Erstlinientherapie nicht infrage, stellt der PD-L1-Inhibitor Atezolizumab eine wirksame Therapieoption dar. Zugelassen ist Atezolizumab in der EU sowohl bei für Cisplatin ungeeigneten Patienten mit PD-L1-positiven Tumoren in der ersten Therapielinie als auch nach Versagen einer platinbasierten Therapie – dann unabhängig vom PD-L1-Status. In der einarmigen Phase-II-Studie IMvigor210 wurde Atezolizumab (1.200 mg, q3w) als Erstlinientherapie (Kohorte 1) sowie nach platinbasierter Chemotherapie (Kohorte 2) geprüft und die Ergebnisse mit denen bei historischen Kontrollen verglichen. In Kohorte 1 wurde ein signifikant verlängertes Gesamtüberleben, nicht aber eine Steigerung der objektiven Ansprechrate festgestellt, in Kohorte 2 war auch die Ansprechrate signifikant erhöht.
In einer beim ASCO-GU präsentierten Langzeitanalyse der IMvigor210-Studie lag der Fokus auf Subgruppen bezüglich des Alters (</≥ 65 und </≥ 75 Jahre) und des PD-L1-Status [7]. In beiden Kohorten war die Wirksamkeit der Atezolizumab-Monotherapie bei Patienten mit metastasiertem Urothelkarzinom ≥ 75 Jahre vergleichbar jener in der Gesamtpopulation. Auch im Hinblick auf unerwünschte Ereignisse waren in Kohorte 1 und 2 bei ≥ 75-jährigen Patienten keine relevanten Unterschiede zu den entsprechenden ITT-Populationen festzustellen. Bei einer Auswertung nach Patientenalter gab es zudem keine auffälligen Unterschiede in puncto Wirksamkeit und Sicherheit innerhalb der PD-L1-Subgruppen. In beiden Kohorten schien das fortgeschrittene Alter ein langanhaltendes Ansprechen nicht zu verhindern. Auch wenn die mediane Dauer des Ansprechens in den meisten Subgruppen der Kohorte 1 noch nicht erreicht war, zeigten insbesondere Patienten ≥ 75 Jahre dieser Kohorte ein anhaltendes Ansprechen zur Zeit der Datenauswertung.
Ine Schmale
Genitourinary Cancers Symposium (ASCO-GU) 2019, 14.-16.02.2019 in San Francisco.