Die diagnostische Leukapherese und ihr Potential für die Diagnostik der minimalen Resterkrankung beim Melanom

Die Diagnose einer minimalen Resterkrankung (MRD) ist bei Tumorerkrankungen sowohl in der adjuvanten Situation wie auch in der Remission nach Therapie – zur Verlaufskontrolle – wichtig. Es bedeutet vor allem eine technische Herausforderung, die wenigen im Körper verbliebenen Krebszellen mit hoher Sensitivität und Spezifität nachzuweisen. Verfahren, mit denen Tumorzellen oder zirkulierende Tumor-DNA (ctDNA) in einer Blutprobe (liquid biopsy) nachzuweisen sind, finden gerade im metastasierten Stadium erste klinische Anwendung. In dieser Arbeit geben wir zum einen einen Überblick über die bisher gängigen Verfahren. Zum anderen beschreiben wir eine Technik, bei der wir die Leukapherese anwenden, um die Sensitivität der Detektion von Melanom-Zellen in der adjuvanten Situation zu erhöhen und dadurch zuverlässigere Kriterien für die Anwendung einer adjuvanten Therapie zu gewinnen; das Verfahren wird derzeit in einer experimentellen Studie erprobt.


Schlüsselwörter: Minimale Resterkrankung, MRD, malignes Melanom, adjuvante Therapie, Leukapherese.


Das kutane maligne Melanom ist eine der aggressivsten humanen Krebserkrankungen mit stetig steigender Inzidenz [1]. Haben sich einmal Fernmetastasen gebildet, sinken die Überlebenschancen der Patienten dramatisch [2]. Trotz der vielversprechenden therapeutischen Entwicklungen der letzten Jahre, wie der Einführung von Immuncheckpoint-Inhibitoren und mutationsspezifischen small mole­cule inhibitors, ist die Mortalität bei Patienten mit metastasiertem Melanom nach wie vor hoch. Große Hoffnung wird daher aktuell in adjuvante Therapiestrategien gesetzt. Hierbei werden Patienten medikamentös behandelt, bei denen entweder Melanom-Zellen im Wächterlymphknoten gefunden wurden oder die aufgrund der Charakteristika des Primärtumors (Ulzeration, Tumordicke) ein deutlich erhöhtes Metastasierungsrisiko aufweisen, bei denen aber mit bildgebenden Verfahren wie Ultraschall, Computertomographie, Magnetresonanztomographie oder Positronenemissions-Tomographie keine weitere Krebs-Aussaat im Körper nachgewiesen werden konnte. 

Der Zustand, bei dem sich wenige Tumorzellen im Körper des Patienten befinden, die mit den aktuell vorhandenen diagnostischen Methoden nicht nachweisbar sind, wird als minimale Resterkrankung (MRD = minimal resid­ual disease) bezeichnet. Ein MRD-positiver Status muss nicht auf das adjuvante Stadium beschränkt sein, sondern kann auch nach dem Ansprechen auf die immer effektiveren neuen Therapien mit Immuncheckpoint- und Kinaseinhibitoren auftreten. Diese können zwar zu einer vollständigen Remission in der Schnittbildgebung führen, jedoch auch wenige Krebszellen im Körper unentdeckt lassen, welche später zu einem Rückfall führen können. 

Die Diagnose einer MRD in der adjuvanten Situation wie auch in der Remissionsphase nach erfolgter Therapie stellt derzeit eine große Herausforderung dar, da neue diagnostische Verfahren erprobt und etabliert werden müssen, um die wenigen im Körper verbliebenen Krebszellen mit hoher Sensitivität und Spezifität zu dia­gnostizieren. Um die MRD zu diagnostizieren und auch z. B. Verlaufskontrollen unter Therapie bzw. in Therapiepausen zu erlauben, werden derzeit Verfahren erprobt, welche auf dem Nachweis von Tumorzellen oder zirkulierender Tumor-DNA (ctDNA) in einer Blutprobe (liquid biopsy) basieren und bereits klinisch für das metastasierte Stadium Verwendung finden.

Liquid biopsy

Im Rahmen einer Blutentnahme bei Krebspatienten, auch liquid biopsy genannt, können sowohl zirkulierende Tumorzellen (CTCs = circulating tumor cells), wie auch zellfreie DNA (cfDNA) bzw. zirkulierende Tumor-DNA (ctDNA) gewonnen und analysiert werden. In den vergangenen zehn Jahren wurde das Potential von CTCs und cfDNA/ctDNA als zirkulierende Biomarker deutlich, um im Rahmen einer liquid biopsy Informationen über den Krankheits- und Therapieverlauf in Echtzeit zu erhalten. Mit dem minimal-invasiven Charakter und der Möglichkeit einer mehrfachen Blutentnahme liegen die Vorteile einer liquid biopsy gegenüber einer Gewebsbiopsie klar auf der Hand. Derzeit ist jedoch unklar, ob CTCs oder cf/ctDNA vergleichbare oder sogar komplementäre Biomarker darstellen; auch haben beide Methoden ihre Vor- und Nachteile:

Während die Isolierung von cfDNA aus Blut technisch einfacher ist als die Detektion und Isolierung von CTCs, hat die Analyse von cfDNA den großen Nachteil, dass diese Moleküle auch von „normalen“ Zellen wie Leukozyten im Blut stammen können. Daher kann die ctDNA nur bei genauer Kenntnis zuvor identifizierter/charakterisierter Mutationen (welche abhängig vom klinischen Stadium sein können) als Biomarker verwendet werden. Ein Beispiel beim Melanom ist der Nachweis von BRAF-Mutationen. Jedoch finden sich aktivierende BRAF-Mutationen in nur etwa der Hälfte der Melanome. Bislang wurden auch noch keine Multi-Gen-Panels für die Analyse von cf/ctDNA entwickelt, welche die Analyse von mehreren mutierten Genen erlauben würden. Beiden Methoden/Biomarkern ist gemein, dass ihre klinische Anwendbarkeit bislang nur für Patienten mit hoher Tumorlast (wie z. B. metastasierte Patienten) gezeigt wurde und ihr Nutzen für die MRD-Diagnostik derzeit noch unklar ist.

Nachweis zirkulierender Tumorzellen 

CTCs sind Krebszellen, die sich vom Primärtumor oder von Metastasen gelöst haben und über den Blutkreislauf im Körper zirkulieren. Ihr Nachweis ist aufgrund ihrer äußert niedrigen Frequenz mit 1 CTC pro 106–107 Leukozyten im Blut technisch sehr schwierig; auch variiert die Anzahl der nachweisbaren CTCs im peripheren Blut stark zwischen unterschiedlichen Krebsentitäten. Zusätzlich hat vor allem die Tumorlast einen Einfluss auf die CTC-Frequenz im peripheren Blut. Während für Krebsentitäten epithelialen Ursprungs inzwischen standardisierte und von der FDA zugelassene Verfahren wie CellSearch® existieren, gilt dies bisher nicht für das maligne Melanom. 

Mit dem CellSearch®-Verfahren, welches CTCs über den epithelialen Marker EpCAM anreichert, werden nur bei 26–49% der Patienten mit metastasierten Karzinomen CTCs in einer 7,5-ml-Blutprobe gefunden [3]. Bei nicht-metastasierten Patienten liegt der Anteil mit nur 5–24% noch deutlich niedriger. Es zeigte sich jedoch für Kolon-, Brust-, Prostata- und nicht-kleinzelliges Lungenkarzinom, dass sowohl die Wahrscheinlichkeit, CTCs zu detektieren, wie auch die Anzahl der detektierten CTCs sehr stark mit dem Volumen der analysierten Blutprobe zusammenhängen [3]. Mit einem Probenvolumen von 50 ml konnten z. B. bei Melanom-Patienten mit Fernmetastasen in 40% der Fälle CTCs nachgewiesen werden [4]. 

Die diagnostische Leukapherese zur CTC-Isolierung

Um den Nachweis von CTCs weiter zu verbessern, wurde von einer Düsseldorfer Arbeitsgruppe die diagnostische Leukapherese (DLA) zur Detektierung und Isolierung von CTCs bei Karzinom-Patienten erprobt [5]. Im Rahmen einer Leukapherese werden die mononukle­ären Zellen (MNCs) durch Zentrifugation konzentriert und abgetrennt und das restliche Blut wieder zurück zum Patienten geleitet. In Abhängigkeit von der Apherese-Dauer kann man das Blutvolumen mehrmals prozessieren und so Zellen (MNCs und CTCs) aus mehreren Litern Blut gewinnen und konzentrieren. Die Leukapherese gestaltet sich auch bei Patienten im fortgeschrittenen Krankheitsstadium nahezu komplikationslos und wird z. B. auch zur Mobilisierung von dendritischen Zellen für immuntherapeutische Interventionen nach Resektion des Primärtumors und Hochdosis-Chemotherapie eingesetzt [6]. 

Die Überlegung, eine diagnostische Leukapherese zur CTC-Analyse zu benutzen, leitet sich vor allem aus Untersuchungen ab, in denen Leukapheresate, die bei der Mobilisierung hämatopoetischer Stammzellen gewonnen wurden, signifikant mit Karzinomzellen kontaminiert waren [3]. Die Studie der Düsseldorfer Gruppe zeigte, dass (i) eine DLA im Vergleich zu einer Blutprobe von 1–10 ml den Anteil der Patienten mit CTCs mehr als verdoppelt und (ii) zu einer Konzentrierung der CTCs zusammen mit den mononukleären Zellen führt, sodass eine CTC-Detektionsrate von 90% sogar bei nicht-metastasierten Brustkrebs-Patientinnen erreicht wurde [5]. Die verlässlich hohen Detektionsraten aus den DLA-Produkten in dieser Studie beruhen auf dem großen Blutvolumen, aus dem die CTCs gesammelt wurden (mehr als die Hälfte des gesamten Blutvolumens wurde prozessiert); vor dem Hintergrund der niedrigen CTC-Frequenz ist das Risiko eines falsch-negativen Resultats bei einer singulären Venenpunktion und einer Entnahme von 1–10 ml Blut sehr hoch. 

Derzeit ist unklar, ob diese vielversprechenden Daten auch auf das Melanom übertragbar sind. Wir führen deshalb zurzeit mit Unterstützung der Hiege-Stiftung eine experimentelle Studie durch, in der wir untersuchen, ob in Melanom-Patienten, die laut Schnittbildgebung tumorfrei sind, CTCs über eine DLA nachgewiesen werden können. Zurzeit gibt es für den CTC-Nachweis auf Basis einer DLA keine standardisierten Protokolle, weder für die Apherese selbst noch für die weitere Anreicherung der CTCs aus dem DLA-Produkt. Ein kritischer Faktor ist hierbei die Heterogenität der CTCs hinsichtlich ihrer Zellgröße, Zelldichte oder Markerexpression [3]. Dabei ist unklar, wie groß die Streubreite dieser Parameter ist und wie stark sie in Abhängigkeit von der Tumorentität, vom Krankheitsstadium oder von anderen Patienten-individuellen Faktoren variieren. Vor diesem Hintergrund muss man davon ausgehen, dass es je nach gewähltem Parameter zu Einbußen bei der Ausbeute der CTCs kommt, über deren Höhe man derzeit nur spekulieren kann. Aufgrund der geringen Frequenz der CTCs bei MRD-Patienten fällt jedoch jegliche Einbuße bei der CTC-Ausbeute bei diesen Patienten mehr ins Gewicht und birgt eine größere Gefahr eines falsch negativen Ergebnisses als bei metastierten Patienten mit einer hohen Tumorlast. 

Wir testen und vergleichen in unserer Studie bei Melanom-Patienten eine Anreicherung der CTCs aus dem DLA-Produkt über die Zellgröße mittels eines Mikrofluidik-Verfahrens mit der Anreicherung über die Zelldichte. Beide Anreicherungsverfahren werden mit einem immunzytologischen Nachweis des Markers HMB45 kombiniert. Die Anreicherung über die Zelldichte in Kombination mit der immunzytologischen Untersuchung für HMB45 stellt ein sehr robustes, sensitives und bereits DAkkS-akkreditiertes diagnostisches Verfahren (ISO 17020) zum Nachweis von disseminierten Melanom-Zellen inkl. isolierter Tumorzellen (ITC) in Lymphknoten dar [4, 7–9]. 

Die von uns verwendeten Verfahren erlauben ferner die Isolierung von DNA aus den HMB45-positiven CTCs und damit eine molekularbiologische Untersuchung auf a) genomische Veränderungen wie CNV (copy-number variations), welche den notwendigen Nachweis erbringt, dass es sich bei der isolierten Zelle auch tatsächlich um eine entartete und keine falsch-positive Zelle handelt und b) therapeutisch relevante bzw. nutzbare Mutationen. 

Unsere Arbeiten werden dazu beitragen, das Potential der DLA für die MRD-Diagnostik zu definieren und damit hoffentlich die diagnostische Lücke eines MRD-Nachweises zu schließen. Langfristig hoffen wir, durch die verbesserte Diagnostik Patienten mit MRD mit hoher Spezifität und Sensitivität identifizieren zu können. Hierdurch könnten adjuvante Therapien gezielter eingesetzt und der Krankheitsverlauf einschließlich der Therapiepausen besser überwacht werden, was in letzter Konsequenz zu einer Pro­gnoseverbesserung für unsere Patienten beitragen könnte. 

Summary

Diagnostic leukapheresis and its potential for the diagnosis of minimal residual disease in melanoma

The diagnosis of minimal residual disease (MRD) in malignant diseases is important in the adjuvant situation as well as in patients being in remission after therapy. It is technically demanding to prove the existence of a few remaining cancer cells with high sensitivity and specificity. Methods for detection of tumor cells or circulating tumor DNA (ctDNA) in blood (liquid biopsy) have started to be used clinically in the metastatic setting. In this article we first give an overview on currently available techniques and subsequently describe a meth­od by which we try to improve the limit of detection of melanoma cells in the adjuvant situation by using a diagnostic variant of leukapheresis. The aim is to attain more reliable criteria for the application of adjuvant therapies; the method is currently being tested in an experimental study.

Keywords: minimal residual disease, MRD, malignant melanoma, adjuvant therapy, leukapheresis.

Autoren
PD Dr. med. Sebastian Haferkamp (rechts)
Klinik und Poliklinik für Dermatologie Universitätsklinikum Regensburg
PD Dr. med. Norbert Ahrens (links)
Institut für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin
Melanie Werner-Klein
Experimental Medicine and Therapy Research