Immuntherapien werden auch bei gastrointestinalen Tumoren immer dominanter

Gastrointestinal Cancers Symposium (ASCO-GI) 2019, San Francisco

Für die gastrointestinal orientierten Onkologen ist das Gastrointestinal Cancers Symposium der American Society of Clinical Oncology (ASCO-GI) alljährlich der erste Kongress, der Ende Januar in San Francisco stattfindet. An Neuigkeiten wurden 2019 insbesondere Fortschritte bei Immuntherapien und Ergebnisse zur Optimierung etablierter Therapien präsentiert. Klar wurde, dass sich das Feld der gastrointestinalen Onkologie bei allen Entitäten stark in Bewegung befindet.


Ösophaguskarzinom

Immuntherapie ist Chemotherapie in zweiter Therapielinie überlegen

Beim fortgeschrittenen oder metastasierten Ösophaguskarzinom stellt sich in der Zweitlinientherapie angesichts der schlechten Prognose die Frage nach einer Alternative zur Chemotherapie. In der randomisierten, offenen Phase-III-Studie KEYNOTE-181 wurde der PD-1-Inhibitor Pembrolizumab als Monotherapie in der Zweitlinie mit einer Chemotherapie verglichen [1]. Insgesamt erhielten 628 Patienten mit fortgeschrittenem oder metastasiertem Adeno- oder Plattenepithelkarzinom der Speiseröhre oder Adenokarzinom des ösophagogastralen Übergangs vom Siewert-Typ I randomisiert Pembrolizumab oder eine Chemotherapie mit entweder Docetaxel, Paclitaxel oder Irinotecan.

Der primäre Endpunkt, eine Verlängerung des Gesamtüberlebens (OS), wurde innerhalb der vordefinierten Gruppe der PD-L1-positiven Patienten (Combined Positive Score (CPS) ≥ 10) erreicht: Mit einer Reduktion der Mortalität um 31% (Hazard Ratio 0,69; 95%-Konfidenzintervall 0,52–0,93; p = 0,0074) wurde erstmals ein Überlebensvorteil für diese Patientengruppe gegenüber der Chemotherapie nachgewiesen (Abb. 1). Das mediane OS betrug unter Pembrolizumab 9,3 Monate verglichen mit 6,7 Monaten in der Chemotherapie-Gruppe. Angesichts eines zudem im Vergleich vorteilhaften Sicherheitsprofils bietet sich Pembrolizumab nach Versagen einer Erstlinienbehandlung in dieser Patientengruppe als neuer Zweitlinienstandard an.

PD-L1 und GEP ohne prognostischen Stellenwert

Bei Patienten mit fortgeschrittenem Ösophaguskarzinom stellen die PD-L1-Überexpression sowie ein T-Zell-Genexpressionsprofil (GEP), das auf erhöhte Entzündungsaktivität hinweist, wichtige Prädiktoren für ein gutes Ansprechen auf die PD-1-Inhibitoren dar. Weder der GEP- noch der PD-L1-Status sind aber offensichtlich prognostische Marker, wie beim ASCO-GI gezeigt wurde [2]: In einer retrospektiven Beobachtungsstudie wurde anhand von Gewebeproben, die zwischen 2005 und 2017 von 296 Patienten in Dänemark, den USA und Südkorea gesammelt wurden, die Korrelation zwischen dem GEP- sowie dem PD-L1-Status mit dem Gesamtüberleben ermittelt. Bei etwa einem Drittel der Patienten (36%) mit fortgeschrittenem Ösophaguskarzinom wurde ein hohes bzw. mittleres GEP nachgewiesen, dies signifikant häufiger bei Patienten mit Adeno- als mit Platten­epithelkarzinom (46% vs. 18%; p < 0,001). Ungefähr ein Fünftel der Patienten (21%) war PD-L1-positiv mit einem CPS ≥ 10, wobei eine höhere PD-L1-Expression häufiger bei koreanischen Patienten (32% vs. 16%, p = 0,005) sowie tendenziell bei solchen mit Plattenepithel- versus Adenokarzinom (25,9% vs. 17,7 %; p = 0,095) beobachtet wurde. Beim OS zeigten sich keine signifikanten Unterschiede zwischen Patienten mit hohem/mittlerem versus niedrigem GEP oder mit CPS ≥ 10 versus < 10. Die Histologie (Plattenepithel- vs. Adenokarzinom) übte bei PD-L1-positiven-Patienten keinen klinisch relevanten Einfluss auf das OS aus.

Pankreaskarzinom

Radiatio verstärkt Effektivität der Immuntherapie

Einzeln eingesetzte Immuncheckpoint-Inhibitoren haben bei Patienten mit fortgeschrittenem duktalem Adenokarzinom des Pankreas (PDAC) bislang nur eine minimale Aktivität gezeigt. Potentiell könnten Therapien zur Verbesserung der T-Zell-Infiltration in die Tumor-Mikroumgebung das PDAC für Immuncheckpoint-Inhibitoren sensibilisieren. Eine amerikanische NIH-Studie ging daher der Frage nach, ob eine Kombination aus Immuntherapie und stereotaktischer Bestrahlung (SBRT) über eine verbesserte lokale Tumorkontrolle und zusätzliche abskopale Anti-Tumor-Effekte einen stärkeren klinischen Nutzen bei fortgeschrittenem PDAC bewirken könnte [3]. Eingeschlossen wurden 51 Patienten, die im Verhältnis 1 : 1 eine SBRT mit 5 x 5 oder mit 1 x 8 Gy sowie – wieder im Verhältnis 1 : 1 – den PD-1-Inhibitor Durvalumab alleine oder in Kombination mit dem Anti-CTLA-4-Antikörper Tremelimumab erhielten.

Im Ergebnis erwies sich die Kombination aus Immuncheckpoint-Inhibition und SBRT als sicher und gut verträglich, mit nur vereinzelten Grad-2/3- und keinen Grad-4-Toxizitäten. Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von bislang 3,4 Monaten betrugen das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) und das mediane OS 2,2 bzw. 4,9 Monate. Ein über zwölf Monate anhaltendes Ansprechen wurde bei zwei Patienten unter der Kombination aus SBRT (5 x 5 Gy) und der dualen Checkpoint-Inhibition mit Durvalumab und Tremelimumab erzielt. Die Kombination aus SBRT und Immuncheckpoint-Inhibition könnte somit bei Patienten mit fortgeschrittenem duktalem pankreatischem Adenokarzinom künftig eine sinnvolle neue Therapiestrategie darstellen, resümierten die Autoren.

Älteren Patienten FOLFIRINOX nicht vorenthalten

Beim metastasierten Pankreaskarzinom stellt das FOLFIRINOX-Regime einen Therapiestandard dar. Da in der Zulassungsstudie Patienten im Alter von 75 Jahren oder höher ausgeschlossen waren, ein hohes Alter aber einen wichtigen Risikofaktor für ein Pankreaskarzinom darstellt, wurde in einer kleinen, monozentrischen Studie das Alter mit der FOLFIRINOX-Therapie in Beziehung gesetzt. Dazu wurden die Daten von insgesamt 24 mit FOLFIRINOX behandelten älteren Patienten mit metastasiertem oder lokal fortgeschrittenem, nicht resezierbarem Pankreaskarzinom retrospektiv analysiert und mit den Befunden der Studie mit FOLFIRINOX verglichen [4].

Eine Krankheitskontrolle wurde bei 66,7% der im Median 76-jährigen Patienten erreicht. Das mediane OS betrug 11,6 Monate und war erwartungsgemäß höher für Patienten mit lokal fortgeschrittenem gegenüber jenen mit metastasiertem Pankreaskarzinom (16,0 bzw. 6,5 Monate). Das mediane PFS belief sich auf 3,7 Monate. Grad-3/4-Toxizitäten traten bei 45,8% der Patienten auf. Die Wirksamkeitsergebnisse waren, ebenso wie das Nebenwirkungsprofil, vergleichbar mit den Daten der FOLFIRINOX-Zulassungsstudie. Die Autoren schlossen daher, dass FOLFIRINOX über 75-jährigen Patienten nicht aufgrund des fortgeschrittenen Alters vorenthalten werden sollte.

Kolorektales Karzinom

Immuntherapie auch ohne Mismatch-Reparatur-Defizit wirksam

Bislang konnte bei Patienten mit refraktärem Kolorektalkarzinom (CRC) nur bei Vorliegen eines Mismatch-Reparatur-Defizits eine Wirksamkeit von Immuncheckpoint-Inhibitoren nachgewiesen werden. Die Canadian Cancer Trials Group initiierte nun eine randomisierte Phase-II-Studie mit 180 gegen alle Standardtherapien refraktären Patienten mit CRC [5]. Sie erhielten – im Verhältnis 2 : 1 randomisiert – eine Kombination aus Durvalumab und Tremelimumab in Kombination mit bester supportiver Behandlung (BSC) oder ausschließlich BSC. Primärer Endpunkt war das Gesamtüberleben.

Im Ergebnis verlängerte Durvalumab plus Tremelimumab bei Patienten mit therapierefraktärem CRC das OS im Vergleich zu BSC (6,6 vs. 4,1 Monate; HR 0,72; p = 0,07; Abb. 2). Bezüglich des OS war in allen Subgruppen ein signifikanter oder zumindest tendenzieller Vorteil der Immun-Kombination erkennbar. Kein Unterschied wurde bezüglich des PFS (1,8 vs. 1,9 Monate, HR 1,01; p = 0,97) beobachtet. Erstmals wurde somit gezeigt, dass die kombinierte Checkpoint-Inhibition auch bei nicht bezüglich Mismatch-Reparatur-Defekt selektierten Patienten mit refraktärem CRC Effektivität aufweisen kann.

Adjuvante HIPEC beim Kolonkarzinom nicht effektiv

Patienten mit lokal fortgeschrittenem (Stadium T4) oder perforiertem Kolonkarzinom weisen ein hohes Risiko für die Entwicklung peritonealer Metastasen (PM) auf, für die dann oft keine Therapieoptionen verbleiben. In der multizentrischen, randomisierten COLOPEC-Studie wurde untersucht, ob durch eine adjuvante hypertherme intraperitoneale Chemotherapie (HIPEC) die Entwicklung von PM verhindert werden kann [6]. Für die Studie wurden 204 Patienten rekrutiert und im Verhältnis 1 : 1 randomisiert, mit oder ohne HIPEC behandelt zu werden. Geprüft wurde eine adjuvante HIPEC mit Oxaliplatin (460 mg/m2, 30 Minuten, 42 °C, begleitend 5-FU/LV i. v.) binnen fünf bis acht Wochen nach Resektion des Primärtumors oder – bei 9% der Patienten – simultan zur Resektion. Primärer Endpunkt war das PM-freie Überleben (PMFS) in Monat 18.

Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 23 Monaten betrug die Rate für peritoneale Rezidive im Gesamtkollektiv 21%. In der Intention-to-treat(ITT)-Analyse, in die 202 Patienten einflossen, konnte kein signifikanter Unterschied bezüglich des PMFS zwischen den Studienarmen festgestellt werden: 81% der Patienten im HIPEC- versus 76% derer im Kontrollarm waren nach 18 Monaten ohne PM (HR 0,86; 95%-KI 0,51–1,45; p = 0,57). Trotz der deutlich geringeren Patientenzahl wurden Hinweise zu vermehrten postoperativen Komplikationen gesehen, wenn die HIPEC simultan statt zeitverzögert zur Resektion appliziert worden war (88% vs. 6%).

Hepatozelluläres Karzinom

Ansprechen ist potentieller Surrogat­parameter für OS

Basierend auf den Daten der Phase-III-Zulassungsstudie REFLECT, die bei 994 Patienten mit nicht-resezierbarem Leberzellkarzinom (HCC) die Nicht-Unterlegenheit von Lenvatinib versus Sorafenib im Hinblick auf das Gesamtüberleben zeigen konnte, wurde in einer retrospektiven Post-hoc-Analyse jetzt die Assoziation zwischen objektivem Ansprechen gemäß mRECIST und dem OS bestätigt [7].

Das objektive Ansprechen erwies sich in einer multivariaten Analyse als signifikanter, vom Studienarm unabhängiger Prädiktor für das OS (HR 0,61; 95%-KI 0,49–0,76; p < 0,0001). Als weitere Prädiktoren für das OS konnten u. a. eine ma­kroskopische Infiltration der Pfortader (HR 1,37; p = 0,0007), ein Spiegel von α-Fetoprotein (AFP) zu Beginn von < vs. ≥ 200 ng/ml (HR 0,56; p < 0,0001), 2 oder ≥ 3 vs. 1 Tumorläsionen (HR 1,40 bzw. HR 2,02; je p < 0,0001), Lokalisation des Tumors (Leber: ja oder nein; HR 1,68; p = 0,0022), mindestens ein vorausgegangener Eingriff für das HCC (HR 0,84; p = 0,0323) und – grenzwertig signifikant – eine Therapie mit Lenvatinib versus Sorafenib (HR 0,86; p = 0,0439) identifiziert werden. Als Fazit lässt sich ziehen, dass Patienten, die ein Ansprechen erreichen, potentiell ein längeres OS erwarten können. Mit Lenvatinib wurde in der REFLECT-Studie signifikant häufiger ein Ansprechen erreicht als unter Sorafenib (24% vs. 9% laut Prüfärzten; 41% vs. 12% laut unabhängigem Review-Komitee).

AFP-Ansprechen korreliert mit Gesamtüberleben

Auch das AFP-Ansprechen wurde – in der Phase-III-Studie REACH-2 mit Ramucirumab in der Zweitlinientherapie – als Surrogat für das OS untersucht. Erhöhte AFP-Spiegel sind bei HCC-Patienten mit einer schlechten Prognose assoziiert; umgekehrt gibt es Hinweise darauf, dass ein AFP-Ansprechen mit einem längeren Gesamtüberleben korreliert. In der placebokontrollierten, im Verhältnis 2 : 1 randomisierten REACH-2-Studie mit 292 Studienteilnehmern verlängerte Ramucirumab gegenüber Placebo beim fortgeschrittenen HCC die Zeit bis zur AFP-Progression und bis zum radiologischen Tumorprogress. Im Verlauf schien sich überdies der AFP-Anstieg zu verlangsamen.

Gegenüber Placebo konnte ein signifikanter Vorteil beim OS für Patienten mit AFP-Werten ≥ 400 ng/ml belegt werden. Eine beim ASCO-GI präsentierte Analyse untersuchte das Verhältnis von AFP-Kinetik und OS nun genauer [8]. Unabhängig vom Behandlungsarm waren Veränderungen des AFP-Spiegels signifikant sowohl mit der Tumorprogression als auch dem Gesamtüberleben assoziiert. So betrug das mediane OS bei Patienten mit gegenüber solchen ohne AFP-Ansprechen 13,5 versus 6,7 Monate (HR 0,47, 95%-KI 0,34–0,66; p < 0,0001; Abb. 3). Auch war eine AFP-Progression in den Monaten 0–6 (p = 0,008) oder in den Monaten 6–12 (p = 0,043) mit der Zeit bis zum Tumorprogress (TTP) korreliert. Ramucirumab verlängerte gegenüber Placebo die Zeit sowohl bis zur AFP-Progression (median 2,4 vs. 1,4 Monate; HR 0,42; p < 0,0001) als auch bis zum radiologischen Tumorprogress (median 3,0 vs. 1,6 Monate; HR 0,43; p < 0,0001). Auch in dieser Analyse gab es Hinweise darauf, dass der AFP-Anstieg verlangsamt wurde. Ungeachtet der Befunde, so die Autoren, bedarf es prospektiver Studien zur Bestätigung des Nutzens einer Bestimmung von AFP-Veränderungen im zeitlichen Verlauf als Prädiktor für das OS bei HCC-Patienten.

Ine Schmale

ASCO Gastrointestinal Cancers Symposium (ASCO-GI) vom 17.-19.01.2019 in San Francisco.