CLL-Rezidiv: erstmals Chemo­therapie-frei und zeitlich begrenzt

Der BCL2-Inhibitor Venetoclax ist seit Kurzem in Kombination mit Rituximab zur Behandlung der rezidivierten oder refraktären chronischen lymphatischen Leukämie (r/r CLL) ab der Zweitlinie zugelassen. Damit bietet sich erstmals die Möglichkeit, die CLL mit einem chemotherapiefreien Protokoll für die begrenzte Dauer von 24 Monaten zu behandeln. Durch die synergistische Funktion der beiden Medikamente können besonders tiefe Remissionen erzielt werden, wodurch die zeitliche Begrenzung der Therapie ermöglicht wird. Möglich wurde diese Zulassungserweiterung für Venetoclax durch die Ergebnisse der zulassungsrelevanten Phase-III-Studie MURANO.

Venetoclax (Venclyxto®) und Rituximab sind Vertreter verschiedener Wirkstoffklassen mit unterschiedlichen Wirkmechanismen. Wie Prof. Christian Reinhardt, Köln, erklärte, stört BCL2 die Einleitung der Apoptose in den CLL-Zellen. Der niedermolekulare BCL2-Inhibitor Venetoclax hemmt diese Funktion von BCL2 und kann dadurch die Zellen in die Apoptose treiben. Venetoclax ist als Monotherapie bei Hochrisikopatienten sehr effektiv, so der Experte weiter, aber erworbene Resistenzen könnten die Monotherapie langfristig limitieren. In einer präklinischen [1] sowie in einer Vorläuferstudie [2] zu MURANO hatten sich Hinweise auf eine synergistische Wirkung der beiden Therapieprinzipien BCL2-Hemmung und Blockade des CD20-Antigens bestätigt. Trotz zum Teil starker Vorbehandlung sprachen in der Phase-Ib-Studie 86% der Patienten an, und es wurde ein progressionsfreies Überleben (PFS) nach zwei Jahren von 82% erreicht.

MURANO – deutliche Evidenz für die Kombinationstherapie

Laut Prof. Clemens-Martin Wendtner, München, zeigen die Daten der laufenden randomisierten klinischen Phase-III-Studie MURANO, dass das VenR-Regime der Standard-Chemoimmuntherapie aus Bendamustin plus Rituximab (BR) im direkten Vergleich deutlich überlegen ist: Bereits in der ersten Zwischenauswertung war das PFS im VenR-Arm gegenüber der BR-Vergleichsgruppe si­gnifikant verbessert, mit einer Reduktion des Risikos für Progression oder Tod um 83%. Auch ein Jahr nach Ende der zweijährigen Behandlung seien 71% der Patienten aus dem VenR-Arm noch progressionsfrei am Leben, so Wendtner, im BR-Arm hingegen nur 15%. Auch das Gesamtüberleben wurde durch Venetoclax verlängert (Haz­ard Ratio 0,48; 95%-Konfidenzintervall 0,25–0,90), wobei die Medianwerte noch in keinem der beiden Arme erreicht sind [3, 4].

Mit der MURANO-Studie konnte damit erstmals eine zeitlich begrenzte, nicht Chemotherapie-haltige Behandlung etabliert werden, so Wendtner. Zu den wichtigsten Ergebnissen zählen seiner Meinung nach die Daten zur MRD-Negativität: „Im Venetoclax-Rituximab-Arm war bei circa 60% der Patienten nach 18 Monaten keine minimale Resterkrankung mehr nachweisbar.“ Angesichts der Rezidiv-Situation und der Anwendung hochsensitiver Nachweismethoden seien das sehr gute Resultate, vor allem im Vergleich mit dem Wert von unter 10% im BR-Arm. Da es in MURANO keine neuen Sicherheitsprobleme gegeben habe, stelle die Kombination aus Venetoclax und Rituximab nach der Zulassung nun einen neuen Standard zur Behandlung von Patienten mit r/r CLL dar.

Chemotherapiefreie und zeitlich begrenzte Behandlung eröffnet neue Perspektiven

Die niedergelassene Hämato-Onkologin Prof. Christina Theresa Rieger, Germering, verdeutlichte an einem konkreten Fall die Vorteile des neuen Regimes im Hinblick auf die Lebensqualität. Für den 55-jährigen, beruflich stark engagierten Patienten mit r/r CLL habe bei Therapien in der Vergangenheit die zeitliche Belastung bzw. der durch die Chemotherapie bedingte Arbeitsausfall ein erhebliches Problem dargestellt. Venetoclax-Rituximab verbessere hier die individuelle Lebensqualität und mache die Therapie für den Patienten gut erträglich und besser steuerbar. 

Auch auf die Therapieadhärenz dürfte ein zeitlich limitierter Behandlungsansatz sich günstig auswirken: Von der chronischen myeloischen Leukämie (CML) weiß man, so Frau Rieger, dass eine klare zeitliche Begrenzung die Adhärenz erhöhe. Vor allem jüngere Patienten würden die Aussicht auf eine therapiefreie Phase schätzen.

Das Sicherheitsprofil sei im Praxis­alltag gut steuerbar: Ein Tumorlyse-Syndrom sei vermeidbar, wenn man das Aufdosierungsschema über fünf Wochen beachte und die regelmäßigen Blutuntersuchungen entsprechend der Fachinformation einhalte. Auftretende Neutrope­nien waren in der MURANO-Studie gut kon­trollierbar.

Josef Gulden

Fachpressekonferenz “Venetoclax-Kombinationstherapie in der Zweitlinie: Erstmals CLL-Patienten chemotherapiefrei und zeitlich begrenzt behandeln“ am 15.11.2018 in Frankfurt/Main, veranstaltet von AbbVie Deutschland GmbH & Co. KG, Wiesbaden.